Fotostory Tiefer als der Schmerz ♦ abgeschlossen ♦

@Meike: Ich freu mich sehr, dass Du wieder mehr hier bist! Und dass Dir das Kapitel so gut gefallen hat, freut mich auch! Das Heulen vor Erleichterung kenne ich auch. Das hat was regelrecht befreiendes. Ist auch besser, als das ganze in sich reinzufressen eigentlich. Wirkt für das Umfeld nur immer, so wie Du ganz richtig geschrieben hast, wahnsinnig schockierend, glaub ich :rolleyes:
Danke für Deinen lieben Kommi!



@Chrissy1709:
Danke für Deinen Kommi! Es freut mich sehr, dass Dir das Kapitel so gut gefallen hat. Ob alles gut wird? wer weiß...



Sexy_Lexi:
Ich glaube, das schöne an dem Kapitel war auch einfach diese ungemeine Erleichterung nach den letzten dunklen, finde ich jedenfalls. Und Du hast recht, eine solche Fürsorglichkeit hätte man Jess wohl gar nicht so direkt zugetraut. Er war bisher ja immer etwas zurückhaltend. Daran sieht man, dass er Tessa ebenso aufrichtig liebt, auch wenn er nicht bereit ist, alles für sie aufzugeben! Wann er nun den nächsten schuss braucht, ist natürlich die Frage. Aber in dieser einen Situation scheint die Liebe und seine Gefühle zu Tessa wohl die Oberhand zu haben... nur wie lange?

Danke für Deinen lieben Kommi!


458749224979866:
Ja, geht :D Das ist schön, dass Du gerade gar nicht weißt, wohin die Geschichte geht, also schön für mich, weil ich daran sehe, dass ich es offenbar einigermaßen richtig mache ;) Aber lass Dich überraschen!
Danke für Deinen Kommi!




FunnyChrissy:
Erstmal mach Dir keinen Kopf wegen der Kommifaulheit. Faulheit gehört halt zum Urlaub dazu ;) Die Schneefotos gefallen mir auch sehr gut, ich mag den Schnee auch, aber mit dem blau und in der Umgebung wirkt er wirklich sehr düster und gar nicht so sanft wie im "real life", obwohl es da auch ein Trugbild ist - Schnee ist ja nicht nur sanft und bringt oft vieles durcheinander sozusagen und zuviel davon ist durchaus beängstigend.
Ich denke, der Streit zwischen beiden war ja keine echte Nebensächlichkeit, aber es ist wirklich so, dass die beiden dazu nichts mehr zu sagen brauchen... was sie füreinander empfinden, liegt nun ja klar auf der Hand. Und ich kenen das auch von mir, dass nach solch erschütternden Ereignissen aufeinmal alles, was vorher war, auch wenns nur Stunden vorher war, ellenweit weg zu sein scheint.
Dass Du Tränen in den Augen hattest, lässt mich ja echt fast rot werden. Das ist für mich das schönste Kompliment überhaupt! Dabei fand ich persönlich die Aussprache jetzt gar nicht so rührend... :rolleyes:
Danke für Deinen lieben Kommi!




@All: Ich bin zurzeit etwas im Stress und hab nicht so viel Zeit, darum weiß ich nicht, obs mit der FS heute noch klappt, aber ich bemüh mich, es heute oder morgen zu schaffen! :)
 
Kapitel 34
Eine Entscheidung




Als Tessa von dem ins Zimmer fallenden Tageslicht erwachte, fühlte sie sich wie gerädert.
Alles schien ihr weh zu tun, jeder einzelne Muskel des Körpers bewies sein Dasein auf schmerzliche und aufdringliche Weise. Für einen Moment fragte sie sich, wie es zu diesem Zustand gekommen sein mochte und drehte sich mit einem leisen Stöhnen auf den Rücken, die Augen noch geschlossen.

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Dann bemerkte sie, dass etwas anders war als sonst. Sie war von einem Duft umgeben, den sie sonst nicht kannte, der ihr aber der liebste von allen auf dieser Welt war. Und neben sich tastete sie einen warmen, weichen Körper. Auf ihre Berührung hin fing Jess verschlafen zu brummen an.

Nun fiel Tessa alles wieder ein. Mit erschreckender Klarheit schossen ihr die Bilder aus der Ruine durch den Kopf und sie schauderte. Jess öffnete derweil die Augen und rutschte zu ihr herüber, um sie sanft zu küssen.
„Guten Morgen, Tessa. Wie fühlst du dich?“
Tessa setzte sich langsam auf und stellte erstaunt fest, dass ihr Kopf nicht einmal halb so sehr schmerzte wie sie es befürchtet hatte.
„Ganz gut“, antwortete sie darum wahrheitsgemäß.

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Sie betrachtete Jess, der sich neben ihr aufgesetzt hatte und sich nun mit dem Kopf am Bettrahmen anlehnte. Es war ein merkwürdiges, aber unbeschreiblich schönes Gefühl, ihn in der Nähe zu haben, neben ihm aufzuwachen…
Wenn sie vierundzwanzig Stunden zurückdachte, schien sich ihre Welt von Kopf bis Fuß geändert zu haben. Gestern war sie noch voller Sorge ob Jess´ Verschwinden aufgewacht, mit Selbstvorwürfen in Kopf und Herz… und heute lag sie hier neben ihm. Hier, in ihrer Wohnung, ganz dicht… fast wie ein normales Pärchen.

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Doch dann fiel ihr wieder ein, dass sie kein normales Pärchen waren und sie betrachtete den Mann neben sich unter einem anderen Blickwinkel. Wie lange mochte es her sein, seit er zum letzten Mal seine Sucht hatte befriedigen können? Noch wirkte er ungewöhnlich entspannt, sah ausgeschlafen und frisch aus. Doch wie lange würde dies noch andauern?
Wann würde sie ihn wieder gehenlassen müssen?

„Was ist los, Tessa?“ fragte Jess da, als habe er ihre Gedanken erahnt.

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Tessa schluckte und wich aus, indem sie sagte: „Ach nichts… ich… ich hab nur darüber nachgedacht, was alles geschehen ist. Ich kann es immer noch nicht so recht fassen… es kommt mir so unwirklich vor.“
Jess´ eben noch aufmunternd lächelndes Gesicht wurde schlagartig ernst und er zog sie vorsichtig in die Arme.
„Das geht mir genauso, Tessa“, sagte er dann. „Ich kann immer noch nicht fassen, dass das wirklich geschehen ist. Es ist furchtbar, und ich wünschte, ich hätte es verhindern können. Ich weiß nicht, wie ich mir das verzeihen soll… du hättest dabei sterben können…“
Auch Tessa liefen bei diesen Worten kleine Schauer über den Rücken – denn sie wusste, dass Jess recht hatte.

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Jess schauderte ebenfalls zusammen.
„Nein, Jess“, sagte Tessa schnell. „Mach dir nicht solche Vorwürfe. Das bringt doch niemanden mehr etwas. Es ist nun mal geschehen. Und ich bin genauso schuld, eigentlich ich alleine. Ich meine, woher hättest du wissen sollen, dass ich dich dort finde? Dass ich dort bin? Ich hätte wissen müssen, was ich tu. Ich hätte nicht so unvorsichtig sein dürfen. Ich fürchte, ich war zu gutgläubig und zu sehr auf den Gedanken fixiert, dich finden zu müssen…“
Jess nickte. „Aber genau das ist es doch, was mich so furchtbar trifft, Tessa. Du warst so vieles zu riskieren bereit für mich… und ich… was habe ich jemals für dich riskiert?“
Er sah sie traurig an.
Sie wusste, dass er nicht unrecht hatte, aber sie wollte, sie konnte es ihm nicht zeigen. Darum schüttelte sie hastig den Kopf und küsste ihn traurig auf die Schläfen.
„Das darfst du so nicht sehen“, sagte sie dabei leise.

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Jess schüttelte den Kopf. „Aber es ist die Wahrheit, Tessa. Du hast mir immer so viel gegeben… und was hab ich dir gegeben?“
„Deine Liebe!“ erwiderte sie schnell.
Er lächelte sie kurz an und sagte: „Ja… das hab ich… aus ganzem Herzen, das ist richtig, aber…“
„Kein aber… das war das größte Geschenk, was du mir machen konntest“, sagte Tessa schnell und küsste ihn.

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Als sie von ihm abließ, lächelte er kurz, wurde dann aber sofort wieder ernst.
„Nein, Tessa… so einfach ist es nicht. Ich hab dir nicht viel geben können. Im Gegenteil, ich hab dir dein Leben nur schwerer gemacht. Es wäre wohl einfacher gewesen, wenn du mich nie getroffen hättest…“
„Das stimmt nicht! Du hast mein Leben um so vieles bereichert…“, begann Tessa, doch Jess unterbrach sie: „Das mag sein, aber es ist nicht einfach geworden durch mich, und wer sollte dir das verübeln? Du lebst in ständiger Angst und Sorge um mich. Das, was für andere Paare ganz normal ist, werden wir nie haben… Ruhe und Zufriedenheit. Ein gemeinsames Zuhause, bisher nicht einmal eine gemeinsame Nacht…“
Er sah sie ernst an. „Denkst du denn, ich habe diese Gedanken nie gehabt, mir nie gedacht, dass auch du sie hast? Und denkst du, ich bin so blind, nicht zu erkennen, wie du dich in den letzten Wochen verändert hast? Dass du immer dünner und blasser geworden bist, dass du chronisch müde bist, weil du in der Nacht aus Angst nicht schlafen kannst…“
Tessa schluckte und konnte ihm nicht widersprechen. Es berührte sie zutiefst, all diese Dinge von Jess zu hören. Sie hatte nicht unbedingt gedacht, dass er all dies nie selbst bemerkt oder gedacht hätte… aber es war nie ein Thema zwischen ihnen gewesen…

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Jess strich ihr sachte eine Strähne aus dem lädierten Gesicht und sprach dann weiter. „Du hast ein Recht auf all das, Tessa. Wir haben ein Recht darauf. Ein Recht auf eine Zukunft. Oder nicht?“
Tessa sah ihn fragend an. Sie wusste nicht recht, worauf er hinauswollte, doch er sprach sofort weiter: „Ich habe viel nachgedacht gestern Abend, nachdem du eingeschlafen bist. Du warst bereit, dein Leben für mich zu riskieren… und ich bin nicht einmal bereit, das geringste zu versuchen, was ich für dich und uns tun könnte… und müsste…“
Er schluckte. „Aber es ist nicht nur das. Als du gestern so da lagst, wurde mir erst richtig klar, wie viel du mir bedeutest, verstehst du. Ich will dich nicht verlieren. Ich könnte es nicht ertragen. Aber genau diese Bereitschaft erwarte ich von dir… und das ist nicht fair. Das ist nahezu unmenschlich.“
Er sah sie offen an und zog sie näher an sich. Seine Bartstoppeln kitzelten sie, und Tessa begann leise zu kichern und er stimmte ein, ohne weiter zu sprechen.

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Nach einer Weile, in der sie sich nur festgehalten und ihre Nähe genossen hatten, erhob Tessa die Stimme und sagte: „Und… was bedeutet das nun für uns?“
Jess sah sie lange an und sagte dann: „Ich will eine Zukunft für uns beide haben, Tessa. Ich möchte dich nicht verlieren – ganz gleich in welcher Form. Und ich weiß, dass es dir genauso geht. Ich finde, wir haben eine Chance verdient.“ Er lächelte. „Ich weiß, dass es schwachsinnig ist, an so etwas zu denken, aber ich möchte irgendwann einmal an einem Sonntagmorgen in vielen Jahren genauso mit dir hier liegen und das Getrappel kleiner Füßchen über den Boden tappsen hören… ich will eine Familie, ein ganz normales Leben… irgendwann einmal, in vielen Jahren.“

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„Aber zurzeit gibt es für mich nicht einmal ´viele Jahre´…“, fuhr Jess fort und seine Stimme war bitter geworden. „Und es gibt niemanden, der daran etwas ändern kann, außer mir selbst. Das ist einfach Fakt, das kann ich nicht wegignorieren…“
Tessa hielt gespannt den Atem an. Sollte er nun wirklich das sagen, was sie sich erhoffte, ersehnte…?
„Ich will aufhören mit diesem Mist“, sagte Jess dann langsam. „Ich will aufhören, Tessa…“
Tessa riss überrascht die Augen auf.

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„Bist… bist du dir sicher?“ fragte sie dann mit dünner Stimme.
Jess nickte und lächelte. „Ja, bin ich… ich möchte loskommen von den Drogen. Ich will aufhören.“
Glücklich lächelte Tessa ihn an. „Oh Jess… das… das ist großartig!“
Er zog sie näher an sich und lächelte. „Ja… vielleicht wird dann ja doch noch alles gut…“

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Tesa schmiegte sich an ihn und rieb ihr Kinn an seinem Haar.
„Und… wie geht es nun weiter?“ fragte sie dann langsam.
„Nun… Tessa… hör zu, folgendes…“, erwiderte Jess langsam. „Ich will einen Entzug machen. Ich will es versuchen. Für uns…“
Er sah sie kurz an und sagte dann. „Aber ich will es nicht alleine durchstehen müssen. Ich möchte bei dir bleiben… ich will es hier machen. Hier und jetzt.“
„Was?“

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Tessa sah ihn verwirrt an.
„Aber… aber Jess…“, stotterte sie. „Wie… wie meinst du das? Braucht man dafür nicht professionelle Hilfe? Ärzte? Therapeuten? Ich meine…“
Sie sah ihn hilflos an, doch er rückte ein Stück zur Seite und verzog verächtlich das Gesicht. „Nein! Genau das möchte ich nicht mehr! Diese Quacksalber, sie helfen einem doch nicht! Sie machen alles nur noch viel schlimmer… wer weiß, was sie mir diesmal erzählen würden! Abgesehen davon kriegt niemand von heute auf morgen einen Therapieplatz… und ich will nicht warten.“
Er sah sie lange an. „Ich KANN nicht warten… verstehst du das denn nicht? Wer weiß, ob ich morgen noch die Kraft dazu habe… wenn ich wieder zurückgehe…“

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Tessa schluckte. Ihr Mund fühlte sich trocken an.
Eigentlich hätte sie jubilieren sollen, denn Jess hatte gerade eben genau den Entschluss gefasst, den sie sich so lange gewünscht hatte.
Doch die Umstände waren nicht jene, die sie sich dazu gewünscht hatte. Und sie hatte ein schlechtes Gefühl in der Magengegend.

„Jess…“, begann sie noch einmal. „Das stelle ich mir trotzdem nicht so einfach vor. Was, wenn es dir schlechter geht, als du annimmst? Du hast selbst einmal gesagt, der kalte Entzug ist die Hölle… ich…“
Sie sah ihn hilflos an und verschwieg, was sie gedacht hatte – nämlich, dass in ihr Angst aufkeimte, Angst, ihn in jenen Extremsituationen zu sehen. Sie wusste nicht, wie er reagieren würde… genau vor jener Situation hatte er sie immer schützen wollen.
Jess schien abermals ihre Gedanken zu erraten und nahm sie in den Arm.
„Ich weiß, dass es nicht einfach werde wird – auch für dich nicht, Tessa… aber es ist unsere einzige Chance. Du weißt, ich würde dich nicht darum bitten, wenn ich für mich selbst einen anderen Weg sehen würde… aber ich will und kann nicht wieder in eines dieser Therapieheime. Ich will bei dir sein.“

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Tessa schluckte. Der letzte Satz hatte eine solche direkte, tief ins Herz gehende Ehrlichkeit, dass sie nichts mehr erwidern konnte. Etwas in ihr sagte ihr immer noch hartnäckig, dass dies nicht der richtige Weg sein konnte. Dass es zu viele Unsicherheiten gab, zu viele Risiken.
Doch Jess hatte jeden anderen für sich ausgeschlossen. Was blieb ihr anders übrig, als ihm die Hand zu reichen und diesen einen mit ihm gemeinsam zu gehen? War sie überhaupt berechtigt dazu, Angst zu haben, wo ihn doch die Hölle erwarten würde? War es nicht das mindeste, was sie für ihn tun konnte, ihm dabei die Hand zu halten, für ihn da zu sein? Auf ihn aufzupassen? Schließlich tat er es für ihre Zukunft – ihre beider Zukunft!
Wieso sollte sie nicht auch ihren Teil dazu beitragen?
„Gemeinsam schaffen wir es bestimmt“, flüsterte Jess ihr zu und lächelte. „Ich bin mir ganz sicher… wenn du bei mir bist, wird es anders sein als vorher. Bestimmt.“

Unsicher lächelte Tessa zurück.
„Was… was hab ich zu erwarten? Wirst du Schmerzen haben? Wirst du schreien? Muss… muss ich Angst vor dir haben?“
Jess sah sie lange an und sagte dann: „Ich kann dir darauf keine Antwort geben. Ich werde Schmerzen haben und vielleicht auch schreien… ich weiß es nicht. Aber Angst brauchst du keine haben… denn ich glaube, nachdem, was dir gestern geschehen ist, kann dich nichts mehr ängstigen. Ich werde dir nicht wehtun, das weiß ich ganz sicher. Und wenn du doch Angst hast und denkst, dass ich mich nicht mehr unter Kontrolle habe, kannst du mich in einem der Zimmer einschließen. Das ist in Ordnung…“
Tessa schluckte bange. Alleine der Gedanke, einen tobenden Jess in einem der Zimmer zu verriegeln, ließ ihren Magen zusammenkrampfen. Doch sie nickte tapfer und versuchte zu lächeln.
„Das schaffen wir schon, Jess“, sagte sie dann, fast als wolle sie sich selbst Mut zusprechen. „Und du wirst sehen… in wenigen Wochen werden wir ein neues Leben haben… zu zweit.“
Jess sah sie gerührt an und zog sie an sich, um sie zu küssen.

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Er tat es mit solch einer Innigkeit und Leidenschaft wie nie zuvor. Es war wie ein Versprechen.




Fortsetzung folgt!
 
Ohhhhhhhhhhhh..........*TränchenausAugenwische*. Wie schön! Du übertriffst dich immer wieder selber, weisst du das eigentlich? ;)
Die Fotos möchte ich diesmal als erstes ansprechen...die sind gigantisch. Einfach irre, wie du das gemacht hast *lobloblobloblob* Gerade die Szenen auf dem Bett sind dir so einmalig gelungen....welche Arbeit da dahinter stecken muss....ich bin begeistert. Sie drücken so lebensecht das aus, was du im Text wieder gibst. Und zwar auf eine ganz besondere Art und Weise wieder gibst....dein Schreibstil begeistert mich immer wieder. Selbst kleinste Randdetails fügst du so schön mit ein, dass sie ein fester Bestandteil der Story sind. Ich kann mir immer richtig schön vorstellen, wo sich die Charaktere momentan befinden.
Zum Verlauf selbst....kalter Entzug ist ein sehr mutiger Schritt. Das Tessa Angst hat, ist doch völlig normal. Jess kann in etwas erahnen, was ihn erwartet. Wirklich wissen kann es niemand. Ich verstehe auch, dass er es sofort machen will. Er hat Angst, wieder wankelmütig zu werden, sobald er wieder in "seine Welt" eintaucht. Das muss er zwangsläufig, bis er einen Therapieplatz bekommt. Der kalte Entzug muss die Hölle sein...trotzdem möchte er das. Aus Liebe zu Tessa. Ich hab mir immer total gewünscht, dass er für sie dazu bereit ist. Ich hoffe, da kommt nicht noch ein dickes Ende. *mahnenddenZeigefingererheb* Also schön brav sein, Dannilein, klar??? :lol:
Ein ganz tolles Kapitel, dass so viel ausdrückt und aufzeigt..nämlich, wozu Liebe fähig ist.
Danke für diese einmalig schöne Story. Egal was kommt, da behält man echt einen Teil davon im Herzen zurück. Schönes vergisst man nie und zusätzlich regst du mit vielem zum Nachdenken an.
Toll!!!! *ganzbegeistertbin*
:hallo: Deine Chrissy *knuddel*
 
*auch ein tränchen aus dem Auge wischen*
Ach, wie mich das freut, dass er endlich bereit ist, einen Entzug zu machen! Aber es wird bestimmt nicht leicht werden, einen Entzug auf eigene Faust alleine zu machen.Aber ich kann ihn schon verstehen, denn wenn er auf einen Therapieplatz warten muß, dann überlegt er es sich wahrscheinlich wieder anders, da er ja dann mit den Sachen wieder leicht in Kontakt kommen kann!
Ich hoffe so sehr, dass Jess die Kraft hat dies durchzustehen und dass Tessa die nötige Kraft besitzt, ihm beizustehen und alles auszuhalten! Denn nicht nur für Jess wird es sehr hart werden, sondern auch für sie!
Bilder und Text sind wieder echt super geworden! *großes Lob an Dich*

Liebe Grüße
Chrissy
 
458749224979866: :) :) Danke für diesen schönen Kommi !


FunnyChrissy: Hihi, hab ich Dich schon wieder so gerührt? Langsam wird das ja echt ein bißchen peinlich verlegen für mich :) Freut mich, dass Dir das Kapitel so gut gefällt, vor allem die Fotos, weil die nicht ganz so einfach waren, stimmt schon (die Sims sind beim Schmusen irgendwie immer zu happy ;) ).
Ja, Jess hat nun sozusagen die Augen geöffnet bekommen, nur ob die Wende wirklich so gut ist, wie sie scheint, ist natürlich unter dem Aspekt des "wie" ein wenig fraglich. Klar, er will nicht mehr zurück, aber ob der kalte Entzug bei Tessa zu Haus so toll ist, ist die Frage.
Und lass den Zeigefinger mal ;) die Storyline steht eh schon fest und ich kann nix dafür :D was dann noch so passiert, egal ob gut oder schlecht ;)
Danke für Deinen lieben Kommi!



chrissy1709:
Du hast recht, es wird für beide verd... hart werden, das durchzustehen. Ich glaube, Tessa weiß auch nicht so ganz, was auf sie zukommt und hat darum Angst. Aber das Ziel ist natürlich ein ganz lohnenswertes und wenn sie ihm nun sagen würde, si emacht das nicht mit, würde sie es sich niemals nicht verzeihen!
Danke für Deinen Kommi!



@All
: Es geht heute weiter. Bitte erschreckt nicht, es ist ein wahnsinnig langes Kapitel. Ich hab lange hin und her überlegt, ob ich es unterteile in 2-3 Kapitel, aber irgendwie hätte ich das als Auseinanderreißen empfunden und die Teile als unvollständig. Habt ihr heute halt mal was mehr zum Lesen ;) Ich hoffe, es gefällt euch, weils echt sehr viel Arbeit war diesmal!
Viel Spaß!
 
Kapitel 35
Cold Turkey





Tag 1


Tessa drehte den Duschhahn auf und ließ sich genießerisch das warme Wasser über ihren Körper laufen. Im ersten Moment zuckte sie etwas zusammen, als die mit Schorf bedeckten Stellen auf ihrem Gesicht mit dem feuchten Nass in Berührung kamen und sofort zu brennen begannen. Doch der Schmerz war nach wenigen Sekunden vorbei und das warme Wasser schien für ihre Glieder wahrer Balsam zu sein.
Sie hätte ewig so dastehen und sich mit ihrem zart duftenden Duschgel abschrubben mögen. Irgendetwas an ihr schien schmutzig geworden zu sein – etwas, das sie so schnell nicht würde abschrubben können.
Trotzdem huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Draußen hörte sie Jess´ Schritte, als er durch die Wohnung ging. Vielleicht würde es bald öfters so sein.

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Ihre Bedenken versuchte sie, so weit als möglich in den hintersten Winkel ihres Bewusstseins zu schieben. Eine bange Angst schien sich in ihr auszubreiten, wenn sie an die nächsten Tage dachte. Doch sie hoffte, sie betete, dass sie es gemeinsam schaffen würden – irgendwie.
Und wenn es doch zu schlimm werden würde, so versuchte sie sich zu beruhigen, konnte man immer noch professionelle Hilfe holen.

Nachdem sie ausgiebig geduscht hatte, schlüpfte Tessa in frische Kleider und während Jess unter die Dusche sprang, steckte sie seine ausgefranste Jeans, das Shirt und die Jacke – sein einziges Hab und Gut – in die Waschmaschine.
Dann machte sie zwei belegte Brote für sich und Jess und kurz darauf saßen sie sich gemeinsam am Frühstückstisch gegenüber.
Es hätte den Anschein haben können, als seien sie nur ein ganz normales Paar, das nach einer gemeinsamen Nacht ein Frühstück zu sich nahm. Doch bei näherem Hinsehen fiel auf, dass dies nicht der Fall war.
Tessa bemerkte, wie Jess von Minute zu Minute unruhiger wurde. Nach wenigen Bissen ließ er selbst das Brot unberührt liegen.
„Ist… alles in Ordnung?“ fragte sie unbehaglich und sah ihn ängstlich an. Er nickte und versuchte ein wenig zu lächeln.

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„Mir ist nur ein wenig übel, darum hab ich wohl nicht so besondern Hunger, auch wenn es wirklich lecker ist.“
Tessa schluckte. Dass die ersten Symptome so früh beginnen würden, war zwar nicht verwunderlich, und doch hatte sie gehofft, noch einige Stunden „Schonfrist“ zu haben.
„Jess…. wann hast du das letzte Mal etwas genommen?“ fragte sie nach einer Weile des Schweigens.
„Gestern Abend, kurz bevor ich dich gefunden habe“, erwiderte er möglichst ruhig. „Es würde langsam wieder Zeit. Es wird bald losgehen.“
Tessa nickte tapfer und versuchte, ihn aufmunternd anzulächeln.
„Wir werden das schon schaffen, Jess… gibt es irgendetwas, was ich für dich tun kann? Was ich beachten muss?“


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„Nein – nur bei mir sein. Das reicht völlig.“
Nachdem Tessa aufgegessen hatte, half Jess ihr, den Tisch abzuräumen. Besorgt stellte diese fest, dass er kaum mehr in der Lage war, die Teller zu halten, so sehr zitterten seine Hände.
Es war zwölf Uhr mittags.
Als die Uhr auf ein Uhr stand, begann Jess zu schwitzen. Inzwischen zitterte er heftiger, so dass Tessa es mit bloßem Auge erkennen konnte. Sie saßen nebeneinander auf der Couch und sprachen nur noch wenig. Es schien, als fehle ihm die Konzentration, um tiefgehende Gespräche zu führen.
Um drei Uhr, nachdem sie beide fast zwei Stunden wortlos nebeneinander gesessen und sich nur gelegentlich vorsichtig berührt hatten, sprang Jess plötzlich auf und begann, unruhig im Zimmer auf und ab zu wandern.
Unsicher, was sie tun sollte, beobachtete Tessa ihn nur angespannt, sagte und tat aber nichts.
Nach einer weiteren Stunde, in der er wie besessen hin und her gegangen war, blieb er plötzlich stehen, schlug die Hände vors Gesicht und begann hemmungslos zu schluchzen.
Erschrocken sprang Tessa auf und näherte sich ihm vorsichtig.
„Jess…“, sagte sie hilflos.

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„Ich kann nicht mehr!“ schluchzte Jess hilflos. „Ich halte das nicht aus! Ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll, Tessa! Ich hab solche Angst! Ich brauche etwas, damit es aufhört, ich weiß es – ich brauche etwas, Tessa!“
Hilflos griff Tessa nach seiner Hand und drückte sie.
„Nein… nein, Jess… das ist nicht so. Du brauchst dieses Zeug nicht, hörst du. Du hast mich! Ich bin da- ich geh nicht weg! Du schaffst es – du bist stark!“, versuchte sie ihm Mut zu machen.
„Nein – ich will nicht stark sein! Ich war noch nie stark!“ heulte Jess weiter wie ein kleines Kind.
Wäre die Situation nicht so grausig ernst gewesen, hätte seine kindhaftes Gesicht und seine jammervollen, fast wie von einem Kleinkind stammenden Phrasen einem fast ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert. Genau dies machte die Situation noch abstrakter – ja, fast bizar.
„Nein, Jess – du bist stark, und du willst es auch sein!“, rief Tessa rasch. „Und ich bin doch da- ich pass auf dich auf!“
„Ich hab aber solche Angst!“, weinte Jess weiter. „Ich wünschte, meine Mutter wäre hier und könnte mir helfen. Tessa, ich vermisse sie so!“
Getroffen sah Tessa ihn an. Unter den ersten Symptomen des Entzuges schienen bei Jess wahre Dämme zu brechen. Dass er in seiner Verzweiflung nach seiner längst verstorbenen Mutter rief, erschreckte und rührte sie zugleich.

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Es dauerte schiere Ewigkeiten, bis Jess sich wieder beruhigen konnte. Unter heftigen Schluchzern stieß er viele, erschreckende und berührende Sätze aus, die Tessa ebenfalls Tränen in die Augen trieben. Doch sie selbst schien ihm nicht viel helfen zu können. Mit Sicherheit realisierte er, dass sie bei ihm war und ihn tröstete – doch es schien, als habe ihn ein Strudel erfasst, der nur ihn umschloss und aus dem sie ihn vorerst nicht befreien konnte.
Also ließ sie ihn einfach weinen, bis er keine Tränen mehr zu haben schien und sich schwach von ihr zur Couch führen ließ.
Es war inzwischen fast fünf Uhr.

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Erschöpft, aber erleichtert realisierte Tessa, dass Jess eingenickt war. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie erst sechs Stunden überstanden hatten, seit bei Jess die ersten, schwachen Symptome angefangen hatten. Nun, da er schlief, überkam sie endlich etwas Entspannung, die mit sich brachte, dass ihre Gedanken wieder zu den Ereignissen des Vortages zurückschweiften.
Sie schauderte. „Daran darf ich jetzt nicht denken“, fuhr es ihr durch den Kopf. „Wenn ich es nicht aus meinem Kopf streiche, werde ich verrückt werden. Ich muss jetzt stark sein für Jess. Alles andere kann ich später sehen.“
Jess stöhnte neben ihr leise auf, als plage ihn ein Alptraum. Sein Gesicht war verzerrt und auf seiner Stirn hatten sich kleine Schweißperlen gebildet.
So sollte es die ganze Nacht weitergehen.





Tag 2


Tessa erwachte davon, dass jemand laut schrie. Mit einem beherzten Sprung war sie auf den Beinen und sah Jess, der im Schlafzimmer auf und ab ging und dabei urmenschliche Schreie von sich gab. Ihr Herz zog sich zusammen und plötzlich dachte sie an die Nachbarn, denen diese Schreie irgendwann auffallen würden. Was sollte sie dann sagen?
„Jess… was ist denn los?“ fragte sie sanft, doch er schien sie gar nicht zu hören.
Wie ein nervöses Tier ging er hin und her, vor und zurück. Seine Augen waren trübe und er sah schlechter aus denn je. Vorsichtig berührte Tessa ihn und zuckte zusammen, als sie spürte, wie kalt vom Schweiß seine Haut geworden war. Fast, als sei er nicht mehr wirklich lebendig.
„Ich kann nicht mehr… ich kann nicht mehr!“ stieß er keuchend hervor und raufte sich die Haare. Tessa war einige Meter zurückgeblieben und starrte ihn nur mit vor Sorge verzerrtem Gesicht an. Sie fühlte sich so hilflos wie noch nie zuvor in ihrem Leben.

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Die Stunden zogen sich hin wie Minuten. Jess übergab sich mehrmals, bis er kaum noch auf den Beinen stehen konnte vor Erschöpfung. Er schien unendliche Schmerzen zu haben, jedes Glied schien sich auf unerbittlichste Weise in heiß-stechende Dornen zu verwandeln.
Tessa wurde es von Stunde zu Stunde unbehaglicher und banger zumute.
Dann kamen die Halluzinationen. Er hatte ihr bereits davon erzählt, doch was er sah, was er spürte, war für sie nicht sichtbar. Sie hörte nur seine verzerrten, schmerzerfüllten, ängstlichen Laute, die er von sich gab. Die Bilder, die in seinem Kopf entstanden, waren nur für ihn sichtbar und nur anhand einiger Wortfetzen konnte sie erahnen, wie sie aussehen mochten.
„Hol mich nicht…“, stieß er hervor. „Ich will nicht sterben…!“

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Was sah er in diesen Momenten?
Was produzierte seine durch den Entzug der geliebten Droge derart überstimulierte Phantasie Sekunde für Sekunde?
Es schien ewig zu gehen. Stunden um Stunden. Halluzination um Halluzination schleppte sich der Tag dahin.

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Gab es denn keine Gnade?
Niemanden, er ihm helfen wollte? Jess versank in einem Strudel aus bizzaren Bildern. Er nahm nichts mehr wahr um sich. Nicht Tessa, nicht dass sich die Nacht erneut über die Stadt legte.

Nichts war dort als der unendliche Schmerz, die Hitze und Kälte, die sich grausam abwechselten, und wieder dieser Schmerz, Schmerz, Schmerz.
Was ist das Leben noch wert, wenn es sich so gestaltet? Nichts.
In diesem Augenblick war er bereit zu sterben, ja, er flehte sogar danach.
„Lass es aufhören…. lass es bitte aufhören…“

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Erneut war er auf der Couch eingeschlafen, seine Trugbilder bei ihm. Durch halb geöffnete Augen erkannte er das weiße Geschöpf, das vor ihm stand. Wachte es über ihn? Nahm es ihn mit in die andere Welt? Oder brachte es ihm nur wieder Schmerzen?
Er wusste es nicht. Er wusste gar nichts mehr.


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Tag 3


Wären da nicht immer wieder ihre Hände gewesen, die sich so sanft anfühlten, dass es doch noch wert war, den eigenen Körper zu spüren, und ihre Stimme, die mit solcher Zärtlichkeit auf ihn einsprach, dass sie es vermochte, seine Seele, die in diesem Kampf verloren zu gehen schien, zu erreichen – er hätte aufgegeben. Er hätte sich fallenlassen in die Dunkelheit, die ihm immer wieder so nahe war.
Aber Tessas sanfte Stimme und ihre zarte Berührung rissen ihn immer wieder heraus. Er nahm sie nicht oft wahr, denn Schmerz und Übelkeit, Halluzinationen und Wahnvorstellungen nahmen ihn ein und hielten ihn umschlossen.
Tessa hingegen nahm ihn wahr. Sie nahm alles wahr, in überdeutlicher, grausamer Realität.

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Am Abend des dritten Tages schien Jess zum ersten Mal seit achtundvierzig Stunden wieder ein wenig zu Bewusstsein zu kommen. Sein Blick wurde wieder etwas klarer und seine Haut bekam ein wenig mehr Farbe.
Tessa setzte sich neben ihn auf die Couch und sah ihn an. Zögerlich begann sie zu sprechen.
„Jess… ich… ich hab nachgedacht und… ich mach mir wahnsinnige Sorgen um dich… vorhin und auch gestern hatte ich teilweise das Gefühl, du stirbst mir unter den Händen weg. Du hast seit Tagen nichts gegessen und kaum getrunken… ich hab Angst, dass dein Körper das nicht durchhält.“
Sie schwieg und dachte voller Angst an die Stunden zurück, in denen sie kurz davor gewesen war, den Notarzt zu rufen, weil Jess nahezu nicht mehr ansprechbar in ihren Armen gelegen hatte, der Atem flach, aber schnell, mit kleinen Aussetzern dazwischen.

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Die Haut kalt und schweißig, das Herz so am Rasen, dass sie es selbst durch den dünnen Stoff seines durchnässten Unterhemdes mit bloßem Auge sehen konnte.
Wie lange konnte ein ohnehin geschundener, geschwächter Körper so etwas aushalten?
Tessa musste sich eingestehen, dass sie keine Vorstellung davon gehabt hatte, wie schlimm die Entzugserscheinungen werden würden.
„Du gehörst in professionelle Hände“, sprach sie darum fest weiter, in der Hoffnung, er sei klar genug, um zu verstehen, was sie sagte. „Du brauchst Ärzte, die das Ganze überwachen, die sicherstellen, dass dein Körper das mitmacht, Jess… was wir hier machen, ist gefährlich, ich habe im Internet nachgelesen… du könntest daran sterben, wenn du so entziehst, wie du es tust…!“
Verzweifelt sah sie ihn an. Er schien einige Sekunden zu brauchen, bis er den Sinn ihrer Worte völlig verstanden hatte, dann zog er das Gesicht wütend zusammen und erwiderte:
„Ach, hast du es schon satt, oder wie? Ich werde dir wohl zu viel – du willst mich abschieben, an Leute, die sich mit so etwas ´auskennen´?“


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„So meine ich das nicht!“ rief Tessa. „Aber ich habe Angst um dich – ich bin überfordert, ich weiß nicht, was ich tun soll…!“
„Nichts kannst du tun! Du leidest nicht, ICH leide!“ rief Jess wütend aus. „Hast du noch nicht einmal das Durchhaltevermögen, dies mit mir durchzustehen? Aber von mir verlangst du, dass ich diese Hölle durchmache? Weißt du überhaupt, wie furchtbar es ist?“
Tessa schluckte. „Nein… das weiß ich natürlich nicht. Aber…“

„Nichts aber! Ich geh in kein Therapieheim! Ich hab es bis hierhin durchgezogen, noch ein paar Tage, dann ist es vorbei! Ich will es durchhalten! Wie sieht es mir dir aus?“
Er sah sie wütend an, und die Aggressivität in seinem Gesicht ließ sie erschaudern.

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„Ist gut… ist gut…“, sagte sie darum resignierend.
„Na schön!“ rief Jess aus und verschwand im Badezimmer.
Seufzend sah Tessa ihm nach.
Wenige Stunden später begann Jess erneut zu rebellieren. Er schlug und trat um sich und schrie. Egal wie sehr Tessa ihn zu beruhigen versuchte, es half alles nichts.
Verzweifelt schlug sie die Hände vors Gesicht und begann zu weinen. Was sollte sie nur tun?

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Eine bange Angst überkam sie. Jess tobte immer noch und war inzwischen dazu übergangen, seinen Frust an den Möbeln auszulassen.
Sie tat schließlich, was sie tun musste, verließ das Schlafzimmer und schloss hinter sich ab. So konnte er wenigstens nur in Badezimmer und Schlafzimmer rebellieren.
Schaudernd stand Tessa vor der Tür, den klammen Schlüssel in der Hand. Sie fühlte sich fast zu schwach, um noch auf den Beinen zu stehen und die Tränen liefen ihr über das Gesicht und brannten in den noch nicht verheilten Wunden auf Wange und Lippe.
Was sollte sie nur tun? Wenn sie doch wenigstens irgendjemanden gehabt hätte, den sie zu Hilfe rufen, mit dem sie hätte reden können!
Auf was hatten sie sich da nur eingelassen?
Tessas Blick blieb auf dem Telefon ruhen und plötzlich griff sie danach und wählte eine Nummer, die sie noch nie zuvor gewählt hatte.

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„Sorgentelefon, mein Name ist Tina, hallo“, schlug ihr eine freundliche Frauenstimme entgegen. „Wo drückt der Schuh?“
Tessa schwieg einen Moment und sagte dann leise: „Hallo… mein Name ist Tessa… ich… ich bin verzweifelt, darum ruf ich an.“
„Was ist los, Tessa?“ fragte Tinas freundliche Stimme. „Kann ich dir helfen?“
„Ich weiß es nicht“, erwiderte Tessa müde. „Ich glaube, mir kann niemand helfen.“
„Aber du rufst trotzdem hier an, und das ist doch schon einmal ein erster Schritt.“
„Ja...“
„Was ist los, Tessa?“ wiederholte Tina ihre Frage.

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Stockend begann Tessa, Tina alles zu erzählen – von dem Tage an, da sie Jess im Supermarkt kennengelernt hatte – ein Tag, der ihr in einem völlig anderen Leben gewesen zu sein schien – bis hin zu den letzten Stunden und Tagen, an denen sich so viele, größtenteils schrecklichste Erlebnisse überstürzt hatten.
Je mehr und länger sie erzählte, desto leichter kamen ihr die Sätze über die Lippen, desto seltener musste Tina Zwischenfragen stellen.
Erst jetzt, da alles aus ihr heraussprudelte, merkte Tessa, wie gut es tat, endlich mit jemandem über alles reden zu können, formulieren zu können, wie sie sich bei all diesen Schritten und Ereignissen gefühlt hatte, das Gefühl zu haben, jemand interessiere sich für sie und ihre Probleme – ohne sie zu verurteilen oder gewisse Dinge vorauszusetzen.

Immer wieder rollten ihr Tränen über die Wangen, während sie Tina ihr Herz ausschüttete, doch sie empfand sie diesmal nicht als brennend, sondern erleichternd.
Als sie schließlich fertig war mit ihrer Schilderung, holte sie tief Luft und sagte dann: „Ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll, Tina. Ich hab Angst um Jess… und offen gesagt nicht nur um ihn, sondern auch wegen meiner selbst. Er hat mir eben da drinnen extreme Angst gemacht. Ich weiß nicht… ich hab einfach Angst, dass er in einer seiner Wahnvorstellungen doch einmal auf mich losgeht…“
Tina antwortete ruhig und einfühlsam. „Tessa – ich kann das völlig nachvollziehen. Was ihr da macht, ist ziemlich riskant. Drogensüchtige sind im Entzug oft völlig außer Kontrolle. Das kann ihnen niemand vorwerfen, weil sie unvorstellbare Schmerzen und Leiden ertragen müssen. Aber es ist nicht umsonst so, dass in den meisten psychiatrischen Einrichtungen, welche sich auf Drogenentzug spezialisiert haben, auch immer mehrere Personalfachkräfte für einen Patienten verantwortlich sind und zur Not mit mehreren eingreifen können, wenn eine Person einmal doch völlig außer Kontrolle gerät.“

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„Aber was soll ich machen?“ erwiderte Tessa ratlos. „Ich kann ihn nicht dazu zwingen, sich Hilfe von außen zu holen. Er hat vorhin regelrecht aggressiv und völlig uneinsichtig reagiert. Und irgendwie kann ich ihn ja auch verstehen. Ich wüsste auch gar nicht, was ich nun unternehmen sollte, selbst wenn er sich dazu bereit erklärt. An wen ich mich wenden sollte? Den Krankenwagen rufen oder das Drogenbüro informieren…?“
„In dem Punkt kann ich dich beruhigen“, erwiderte Tina. „Ich kann dir eine Liste mit Adressen von Einrichtungen geben, die sich auf Drogenentzug spezialisiert haben.“
„Aber Jess sagte, man bekäme von heute auf morgen meist keinen Therapieplatz“, gab Tessa zu bedenken.
„Das kommt auf die Einrichtung an“, erklärte Tina ihr. „In der Regel weisen die Einrichtungen aber niemanden zurück, der sich zum Entzug bereit erklärt – sie wissen genau darum, dass solche Entscheidungen sehr schnell revidiert werden können, wenn man den Betroffenen zurück in sein Umfeld schickt. Aber da Jess nun ohnehin schon mitten im kalten Entzug ist, wird ihn niemand mehr abweisen, das weiß ich. Hol Dir einen Stift, ich sag dir, wo du dich hinwenden kannst.“
Tessa schrieb sich schnell einige Adressen auf und seufzte dann.
„Ich fürchte aber, er wird sich nicht dazu bereit erklären. Was soll ich dann tun?“
„Dann versuche, bei ihm zu bleiben, Tessa, aber stelle dein eigenes Wohl immer, absolut immer, über seines. Bitte versprich mir das. Du hast so viel durchgemacht in den letzten Wochen, du musst auch ein wenig an dich denken.“

„Aber Jess braucht mich doch!“
„Ja, aber du hilfst ihm auch nicht viel, wenn du selbst nicht mehr auf den Beinen bist“, erwiderte Tina ruhig.

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„Ich weiß“, gab Tessa zu.
„Wenn es ihm sichtlich schlechter geht, ruf sofort den Notarzt“, erklärte Tina weiter. „Ein kalter Entzug ist für einen Körper ein ungemeiner Stress, eine extreme Belastung. Es kann dabei sehr leicht zu einem Herz- oder Atemstillstand kommen. Versuch darum auf seine Vitalzeichen zu achten. Es hilft weder dir noch ihm, wenn ihn dieser Versuch das Leben kostet, verstehst du! Und wenn er dir zu aggressiv scheint, schließ ihn ein, so wie du es schon gemacht hast. Das ist in Ordnung, du musst dich selbst schützen. Besser wäre es aber, ihr würdet euch Hilfe holen. Aber Jess muss damit einverstanden sein, sonst bringt das nichts.“
„Danke, Tina. Das hilft mir schon etwas weiter. Ich werde sehen, wie es sich entwickelt. Weißt du, wie lange das alles noch gehen kann?“
„Normalerweise rund fünf Tage, aber ein Rückfall ist nie auszuschließen. In jedem Fall habt ihr das gröbste bereits überstanden“, erwiderte Tina. „Aber wenn der kalte Entzug vorbei ist, muss Jess sich in therapeutische Hände geben, Tessa! Die Entzugserscheinungen können auch in den ersten Wochen immer wieder einmal kommen und die Rückfallgefahr im Sinne einer erneuten Sucht ist sehr groß!“

Tessa nickte. „Sobald er wieder klarer ist, werde ich ihn bestimmt überzeugen können… wie es danach weitergeht, weiß ja ohnehin noch niemand… darüber hab ich noch nicht nachgedacht. Erstmal will ich das hier mit ihm überstehen.“
„Ich wünsch euch viel Glück, Tessa“, schloss Tina schließlich das Gespräch.
Tessa legte auf und horchte in Richtung Schlafzimmer. Es war etwas stiller geworden, aber Jess jammerte immer wieder kläglich zwischendurch. Es tat ihr im Herzen weh, ihm nicht helfen zu können. Was er wohl gerade durchmachte?
Schließlich legte Tessa sich auf die Couch, rollte sich zusammen und döste ein.

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Tag 4


Jess schrie leise auf, als eines der Monster im Schlafzimmer auftauchte.
„Jess… ich werde dich kriegen“, sagte der Mann mit rauer Stimme und bleckte seine spitzen Vampirzähne.
Erschrocken wich Jess zurück.
„Das gibt es nicht! Du bist nur eine Ausgeburt meiner Fantasie!“

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Er drehte dem Vampir den Rücken zu und eilte ins Badezimmer. In Sicherheit!
Schwer atmend blickte er sich um. Er sehnte sich nach Tessa. Warum hatte sie ihn eingeschlossen? Stieß sie ihn von sich? Wo war sie?
War sie vielleicht fort?

„Würde dich das denn wundern?“
Wieder entwich seinen Lippen ein Schrei.

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Alleine das Aussehen der Erscheinung zeigte, dass es ein Trugbild sein musste.
„Scher dich fort!“ rief Jess panisch. „Geh fort, du bist doch gar nicht da!“
„Offensichtlich bin ich das, wenn auch nur in deinem kranken Kopf“, raunte die Stimme. „Wieso denkst du eigentlich, du hast Liebe verdient? Hast du für das Mädchen jemals etwas getan?“

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Jess schüttelte es vor Entsetzen und er griff sich an den vor Schmerz fast zerberstenden Kopf.
„Geh raus, geh da raus!“ heulte er. „Lass mich in Ruhe!“

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Doch das Wesen zog stattdessen seine Kapuze aus dem Gesicht und kam auf ihn zu, starrte ihn mit diesem schrecklich entstellten Gesicht an.
„Du bist ein Verlierer, Jess Berger! Du bist ein Verlierer, du warst es immer, du wirst es immer sein! Du wirst dieses Mädchen enttäuschen, weil du nicht stark genug bist! Und damit wirst du sie auf dem Gewissen haben! Weil du nicht die Kraft hast, zu ihr zu stehen!“


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„Neiiiiiin!“ schluchzte und schrie Jess und hielt sich die Ohren zu, wohl wissend, dass die garstigen Stimmen in seinem Kopf dadurch nicht zum Verstummen gebracht werden konnten.
Es schien eine Ewigkeit, bis ihn endlich eine dankbare, ruhige Dunkelheit umschloss und ihm Gnade erwies.

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Tag 5



„Jess?!“
Tessas Stimme klang entsetzt, fast ein wenig panisch. In Windeseile hatte sie das Badezimmer durchquert und war neben dem regungslosen Mann auf die Knie gesunken. Sie befürchtete schon das Schlimmste, doch als sie ihn vorsichtig berührte, bewegte er seinen Kopf und öffnete langsam die Augen.
„Jess! Was ist mit dir?“
Er blickte sie einen Moment zerstreut an, als wisse er nicht, wo er sich befände, dann sagte er mit leiser Stimme. „Tessa… oh… Tessa… du bist noch da…“
„Natürlich bin ich noch da, du Dummerchen. Wo sollte ich denn sonst sein? Kannst du aufstehen?“
Langsam half sie Jess auf die Beine. Er umklammerte sie fest und wimmerte leise: „Tessa… ich dachte, du wärst gegangen…“
Tessa schluckte und drückte den zitternden Körper fest an sich.
„Natürlich bin ich nicht gegangen…“


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Sie drückte ihn fester an sich.
„Du hast mir einen Schrecken eingejagt, als du da so lagst… wie lange liegst du schon dort? Du bist eiskalt…“
Sie musste auf der Couch in einen komaartigen Schlaf gesunken sein, denn als sie aufwachte, war es bereits erneut schwarze Nacht gewesen und sie erinnerte sich daran, dass ihr Telefonat mit Tina in den frühen Morgenstunden gewesen war. Jess musste somit schon seit fast vierundzwanzig Stunden hier eingesperrt gewesen sein.
Gewissenbisse übermannten Tessa. Wie hatte sie das nur zulassen können? Wieso war sie nicht vom Tageslicht aufgewacht, wie hatte sie es in dieser Situation nur fertigbringen können, fast zwanzig Stunden zu schlafen?!

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Vorsichtig führte sie Jess zurück ins Schlafzimmer und half ihm, sich ins Bett zu legen. Er zitterte immer noch, was wohl von der Kälte der Fliesen kommen konnte, auf denen er offenbar schon stundenlang gelegen hatte.
Rasch ging Tessa in die Küche und kochte einen Tee. Sich selbst bereitete sie einen Espresso vor. Sie durfte keinesfalls schon wieder einschlafen, bevor sie nicht sicher sein konnte, dass es Jess einigermaßen gut ging.

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Sie flößte ihm den Tee vorsichtig und langsam ein, streichelte seinen zitternden Körper wie den eines kleines Kindes. Irgendwann schien beides seine Wirkung zu tun. Er wurde ruhiger und schlief schließlich sogar ein.
Tessa jedoch wagte es nicht, sich auch neben ihn zu legen. Draußen dämmerte bereits wieder der Morgen, doch sie saß oder stand neben dem Bett und ließ ihn keine Sekunde aus den Augen.
Immer noch nagten die Gewissenbisse in ihr. Nicht nur Tina, sondern sogar Jess selbst hatten ihr gesagt, dass es in Ordnung sei, wenn sie ihn einschloss. Doch nun fragte sie sich, ob sie nicht zu schnell auf diese „Lösung“ zurückgegriffen hatte. Und vor allem konnte sie es sich nicht verzeihen, so lange geschlafen zu haben, während Jess alleine und verriegelt gewesen war. Was, wenn er sich in diesen Stunden etwas angetan hätte – egal ob beabsichtigt oder nicht? Tessa wollte gar nicht darüber nachdenken.

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Schließlich spürte auch sie die Müdigkeit immer deutlicher. Obwohl sie so lange geschlafen hatte, schien ihr Körper dermaßen erschöpft, dass er schon nach wenigen Stunden des Wachseins wieder nach Schlaf verlangte. Vielleicht kam es von daher, dass diese Stunden derart angespannt waren. Abgesehen davon spürte Tessa immer noch jeden Muskel schmerzen und auch die Wunden im Gesicht verheilten nur langsam. Offenbar hatte ihr Körper nicht mehr allzu viel Energie zur eigenen Rehabilitation übrig.
Sie dachte an das, was Tina ihr gesagt hatte – denk auch an dich, denn schwach und kraftlos bringst du Jess nicht weiter!
Sie seufzte und musste einsehen, dass sie nicht ewig neben Jess stehen oder sitzen konnte, um über seinen Schlaf zu wachen. Darüber hinaus schien dieser tatsächlich fest zu schlafen. Nur selten drehte er sich und stöhnte nur ab und an und sehr leise, nicht wie in den letzten Tagen, an denen ihn seine Horrorvisionen offenbar sogar bis in den Schlaf verfolgt hatten.
Darum überwand Tessa sich schließlich und krabbelte neben dem schlafenden Mann ins Bett.

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Nach wenigen Sekunden war auch sie in einen traumlosen und tiefen Schlaf gesunken, während der Tag sich langsam zum Ende neigte.





Fortsetzung folgt.
 
Wow!
Mit diesem Kapitel hast du dich selbst übertoffen! Ich bin ehrlich gesagt sprachlos...
Von daher möchte ich dir nur sagen, dass ich das Kapitel gelesen habe und total baff bin!

GLG
Meike
 
Boah! Also echt, Dannilein....ich frage mich echt, WIE du mit solcher Engelsgeduld derart faszinierende Fotos zauberst. Ich denke, ohne jetzt auch nur ansatzweise zu übertreiben, etwas vergleichbares findest du hier nirgends mehr. Deine Story braucht nicht den geringsten Vergleich mit einem Film zu scheuen...du bringst die ganze Dramatik derart stark auf den Fotos rüber...ehrlich, Süsse! Dieses Kapitel ist nicht zu übertreffen. Ich bin derart gefesselt davon und berührt....die Fotos jagen einem echt kalte Schauer über den Rücken! Jess Wahnvorstellungen bringst du so super rüber.....was wirklich in solchen Momenten mit dem Körper geschieht, kann man zwar nur erahnen....aber dank deiner Story endlich mal ein bisschen verstehen. Danni, dass ist einfach das Beste, dass ich seid langem gelesen und gesehen habe. Die Fotos rauben mir allein schon den Atem. Sag mal, woher nimmst du nur dieses immense Talent und diese Riesen Geduld??? Die hast du gewiss gebraucht. Auf dieses Kapitel kannst du mit Fug und Recht mehr als nur ein bisschen Stolz sein. Damit brauchst du keinen Vergleich scheuen und dich vor nichts verstecken. Ehrlich, ich bin baff. Ich weiss gar nicht, wie man das am besten würdigen kann. *sprachlos bin*
Eine Frage, woher hast du die ganzen Informationen eines Entzugs? Im Internet gegoogelt? ;-) Du bringst das so real rüber, dass man es sich echt gut vorstellen kann. So etwas weiss man ja nicht einfach so, dass ist schon auch ein gewisses Wissen. Ich schätze, dafür hast du lang recherchiert, oder? Das kann gar nicht anders sein, so lebendigt wie das rüber kommt.
Im Text hast du dich auch selbst übertroffen. Du hast sowohl Jess als auch Tessas Seite sehr schön dargestellt und ausgedrückt. Seine Leiden, Schmerzen, die Gefahr in welche er sich begeben hat für Tessa und sich selbst...für die Liebe....der Hammer! Ehrlich!
Ich finde es beklemmend, so etwas zu durchleben und erfahren. Das kommt auch stark zum Ausdruck. Die ganze Hilflosigkeit des Falles. Es wäre ein Jammer gewesen, dieses Kapitel zu trennen. Du hast schon recht, es gehört als Ganzes präsentiert. Ich weiss gar nicht, wer mir mehr leid getan hat. Jess in seinen alles umfassenden Schmerzen oder Tessa mit dem Gefühl, nichts tun zu können? Diesen geliebten Menschen leiden zu sehen, hilflos daneben zu stehen????
Es muss furchtbar sein, dennoch hat sie all ihre Kraft investiert. Ich kann das nur bewundern, auch wenn es gleichzeitig sehr riskant war. Das Gespräch mit Tina fand ich schön mit eingebunden. Warum auch nicht? Tessa brauchte Hilfe, ein offenes Ohr. Jemanden, der ihr zuhört ohne sie zu verurteilen. Das kann nur jemand Fremdes, der sie und die Situation nicht kennt. Jeder andere hätte die üblichen Vorurteile. Es war gut, was Tessa getan hat. So war sie nicht mehr ganz so hilflos.
Das ist mehr als grosses Kino, dass ist einfach übergross....
Toll, einfach nur megatoll!
 
Hi,
ich weiß gar nicht, was ich sagen soll....

Dieses Kapitel ist einfach unschlagbar!

Wahnsinn, wie du das mit den Bildern hinbekommen hast! Und der Text, einmalig spitze!

Ich glaube Dir, dass dieses Kapitel dich viel Mühe und Geduld gekostet hat!
Aber es hat sich auf alle Fälle gelohnt!

Du hast die Situation echt super beschrieben! Man konnte sich richtig reinfühlen, wie es Jess und vor allem auch Tessa damit geht!

Einfach nur toll!!!!

Liebe Grüße
Chrissy
 
@Meike: Supervielen Dank für diesen lieben Kommi! Freut mich total, dass das Kapitel so gut rüberkommt!



@FunnyChrissy:
Du machst mich ja echt verlegen. Aber es tut auch gut, Lob zu bekommen, wenn so viel Herblut und Arbeit drin steckt. Die Fotos selbst find ich selbst ja immer nur durchschnittlich, umso mehr freu ich mich, wenn das anders empfunden wird. Ich bin halt nicht so eine große Bearbeitungstante und hab da eher weniger ein Händchen für als manch andere/r hier im Forum, aber für mich liegt der Schwerpunkt nach wie vor halt auf dem Text.
Dass ich so schönes Feedback auf die Story bekomme, tut mir total gut, zumal ja auch einige alte LeserInnen inzwischen zumindest nicht mehr aktiv mitlesen und ich mir da doch schon manchmal Gedanken mache, ob die Story lahmt, aber ich kann mir das selbst eigentlich mit einem klaren Nein beantworten. Trotzdem tut es gut, dann zu merken, dass man den richtigen Ton trifft.
Die Infos zum Entzug wären für einen Fachmann wohl durchaus sehr, sehr laifenhaft. Natürlich hab ich ein bißchen gegoogelt und ich habe schon ein paar Filme zu dem Thema gesehen und das mit einfließen lassen, aber ich weiß nicht viel und genug darüber, um das detaillierter zu machen.
Ich hoffe, jede/r wirklich Betroffene/r möge mir verzeihen, wenn manche Dinge unrealistisch dargestellt sind, aber das hier ist ja auch keine Doku, sondern nur eine Geschichte, deren Thema unter anderem das der Drogensucht ist. Aber es geht ja nicht nur darum, was ihr auch bald, in einigen Kapiteln, vielleicht mit feststellen wird. Es geht eben auch viel darum, wie sich Menschen anhand gewisser Dinge und Handlungen in ihrem Leben ändern.
Wenn ich daran denke, wie Tessa am Anfang der GEschichte war... man entwickelt sich da so richtig mit. Es ist fast, wie ein kleines Kind, das man mitwachsen sieht :)
Und dieses Kapitel hat mich durchaus auch selbst sehr beklemmt beim Schreiben und sowas wollt ich echt nicht oft schreiben müssen, weil ich es selbst sehr drückend fand.
Ich danke Dir sehr, sehr für diesen wunderschönen Kommi!



@chrissy1709:
Auch Dir möchte ich total für den lieben Kommi danken! Was ich bei FunnyChrissy schon ein wenig geschrieben habe, kann ich hier eigentlich wiederholen. Das Lob tut einfach total gut! :)
Und ich bin froh, dass ich Feedback kriege! Und dass Dir die Fotos so gefallen, ist mir besonders eine Ehre, weil das nicht so mein Ding ist!

Vielen lieben Dank!




@All:
Heute geht es mit einer Mini-FS weiter! Viel Spaß!
 
Kapitel 36
Versteckspiel



Nach sechs Tagen schien es Jess am Morgen endlich besser zu gehen. Er hatte die ganze Nacht fast ungestört durchgeschlafen und als Tessa und er erwachten, sah er verhältnismäßig frisch und ausgeschlafen aus, was Tessa einen Seufzer der Erleichterung abrang.
„Wie geht es dir?“ fragte sie leise und schmiegte sich vorsichtig an ihn.
„Besser“, erwiderte er langsam und warf ihr einen Blick zu. „Und dir?“
Alleine dass er diese Frage an sie richtete, bewies Tessa, dass er zumindest vorerst über das Schlimmste hinweg sein musste.
„Gut, wenn es dir besser geht“, antwortete sie.
„Was macht dein Gesicht?“ erkundigte er sich besorgt. Sie lächelte.
„Nicht mehr der Rede wert. Es verheilt allmählich.“

Sie richteten sich beide in den Kissen auf und lagen einen kleinen Moment stillschweigend nebeneinander, bis Jess sagte: „Sag mal, Tessa… was ich mich gerade frage… was ist mit deiner Arbeit? Müsstest du nicht eigentlich arbeiten gehen?“
Tessa lächelte ihn an.

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„Nein, ich war doch so krank, hatte die Grippe, ich bin schon lange krank geschrieben. Und als ich dich vorige Woche nicht gefunden habe, bin ich noch einmal zum Arzt und habe mich weitere zwei Wochen krankschreiben lassen. Ich hätte keine ruhige Minute gehabt, bevor ich dich nicht gefunden hätte. Und da die Grippe recht schwer war, hat er mich anstandslos noch einmal zwei Wochen aus dem Verkehr gezogen. Ich war jetzt schon fast fünf Wochen nicht mehr im Büro… aber nächste Woche bin ich auch noch krankgeschrieben, danach muss ich aber auf alle Fälle wieder gehen. Aber ich hoffe einfach, dass du bis dahin das Gröbste überstanden hast… oder?“
Jess sah sie an und nickte kurz. „Ich denke, ja. Und dir geht es wirklich gut? Du sagst, du warst vorher sehr krank…“
„Mir geht’s gut, Jess“, erwiderte Tessa schnell. „Mach dir keine Gedanken um mich. Ich bin sehr froh, jetzt noch krankgeschrieben zu sein… mit diesem Gesicht könnte ich ohnehin nicht aus dem Haus. In einer Woche wird auch das abgeheilt sein.“

Sie lächelte. „Ich bin sehr stolz auf dich.“

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Jess lächelte ebenfalls, jedoch zurückhaltend.
„Es ist noch nicht vorbei, Tessa…“
„Ich weiß“, erwiderte diese schnell. „Aber dass du bis hierhin gekommen bist, verdient den allergrößten Respekt. Und den Rest schaffen wir auch noch! Das wäre doch gelacht, oder?“
Jess sah sie liebevoll an. „Ich hab das nur dir zu verdanken. Weil du bei mir warst…“
Er zog sie dicht an sich und küsste sie zärtlich.
„Ich weiß durchaus, welch eine Belastung das für dich gewesen sein muss und immer noch ist…“

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„Ich würde alles dafür tun, dich von den Drogen los zu bekommen“, sagte Tessa schnell. „Das weißt du! Ich bin dir sehr dankbar, dass du es für uns versuchst! Ich weiß jetzt, wie sehr du leidest… zumindest hab ich eine Vorstellung davon.“
Sie sah ihn traurig an. „Aber das ist jetzt bald vorbei, Jess… bald geht es dir wieder gut und wir werden ein neues Leben anfangen. Wie das alles gehen soll, ist mir noch nicht wirklich klar…. aber wir werden schon einen Weg finden. Wenn wir das hier geschafft haben, kann uns nichts mehr aufhalten.“
Jess lächelte. „Wenn du es sagst….“
Und er zog sie wieder dichter an sich und begann, sie leidenschaftlicher zu küssen.

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„Du riechst so gut…“, flüsterte er zärtlich in ihr Ohr. Sie spürte, wie seine Hände langsam unter ihren Schlafanzug wanderten und schauderte wohlig zusammen.
So nah war er ihr noch nie gekommen – wie auch, waren sie doch in all den Monaten immer von Menschen umgeben gewesen.
Nach diesem Moment hatte sie sich so lange gesehnt – und so lange nicht darauf zu hoffen gewagt…
Ein schrilles Klingeln ließ beide ruckartig auseinander fahren.
„Was war das?“ Jess sah Tessa verwirrt an.
„Die Klingel!“ stieß Tessa hervor und sprang mit einem Satz aus dem Bett und zog den Vorhang ein Stück zur Seite.
„Oh mein Gott!“ drang es aus ihrem Mund.

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„Was ist los? Was ist denn?“ rief Jess nervös und sprang ebenfalls aus dem Bett, um zum Fenster zu gehen und hinauszulugen, doch Tessa versperrte ihm den Weg und rief schneidend. „Nein! Geh nichts ans Fenster!“
Dann rannte sie hektisch zum Kleiderschrank, um in Windeseile einige Kleider herauszuzerren und überzustreifen.

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„Tessa! Was… was ist denn los? Wer ist das?“ fragte Jess wieder, doch Tessa schüttelte nur den Kopf und stolperte eilends zur Tür.
„Bitte bleib hier drinnen und versuche, dich nicht zu mucksen!“ rief sie ihm zu und warf ihm einen gehetzten Blick zu. Als sie seine fragenden Augen spürte, schluckte sie, stockte einen Moment und rief dann nur noch schnell: „Ich erklär es dir später…. bleib nur hier drinnen, bitte … und sie leise…!“
Mit diesen Worten ließ sie die Schlafzimmertür hinter sich ins Schloss fallen und eilte zur Haustür.




Fortsetzung folgt!
 
Zuletzt bearbeitet:
Hey,
endlich habe ich heute die Zeit gefunden, die letzten beiden Kapitel zu lesen.
Erstmal zu Kapitel 35:
Meiner Meinung nach ist es das beste Kapitel der gesamten FS. Davor kann ich nur meinen Hut ziehen. Wie du den Entzug beschrieben hast, wahnsinn. Besonders gelungen fand ich den Perspektivwechsel zwischendurch. So konnte man sich sowohl in Tessa, als auch in Jess hineinversetzen. Die Halluzinationen haben auf mich ebenso eindrucksvoll gewirkt, wie Tessas Gespräch mit Tina, in dem sie ihre Verzweiflung schildert. Das fand ich, ganz nebenbei gesagt, eine gute Idee. So ist Tessas Situation nochmal verdeutlicht worden. Auch die Bilder sind super. Die "Fratzen" hast du echt klasse hinbekommen. Also nochmal: Großes Kompliment für dieses Kapitel.
Jetzt zu dem letzten Kapitel:
Erstmal war ich sehr erleichtert, dass der schlimmste Teil des Entzugs überstanden ist. Ich freue mich jedesmal total, wenn Tessa und Jess sich näher kommen, ist ihnen schließlich gegönnt ;) Aber scheinbar soll "es" noch nicht sein, sonst hätte es wohl nicht geklingelt. Wer das nun ist, darauf bin ich sehr gespannt.
Liebe Grüße
 
Oh, das ist wirklich gemein, an dieser Stelle aufzuhören^^
Ich denke, dass es vielleicht die Eltern sind? Oder mmmhhhmm???
*schreib bitte schnell weiter*

Hoffentlich hat Jess wirklich das Gröbste hinter sich, nicht dass er doch vielleicht wieder rückfällig wird....

Und wegen den Bildern weiß ich gar nicht, was Du hast! Ich finde sie spitze! die Bilder zeigen eigentlich immer dass, was sie auch darstellen sollen. Ich meine Du fängst immer sehr geschickt auch die Gefühle bei den Personen ein! Und das gefällt mir. Wenn Du schreibst z.B. Tessa schaut verzweifelt, dann kann ich auch auf dem Bild erkennen, dass sie verzweifelt schaut!

Auf jeden Fall wieder ein tolles Kapitel;klein aber fein! hihi

Liebe Grüße
Chrissy
 
Hier isser, mein Kommi

Hi Innad!
Bin gerade von der Arbeit nach Hause gekommen und musste erstmal entspannen. Da dachte ich mir, ich lese mal dein neues Kapitel, was längst überfällig ist (also das lesen!!!) - und dann sowas!
Als Jess Tessa "richtig" küsst, dachte ich, ich bekomme was sinnliches bis erotisches zu lesen, und dann klingelt irgendein Depp (Niklas?) und macht die schöne Situation kaputt! Frustrierend!
Ich frag mich natürlich wer das sein kann, und bin auch gespannt drauf, aber ich frag mich, ob es gut ist, wenn Tessa ihm/ihr aufmacht. Schließlich sieht sie schon etwas mitgenommen aus, wenn man mal stark untertreibt!

Hach, mal sehen, was passiert!

Das Kapitel war zwar kurz, aber toll!
Wie immer!

LG
Meike
 
458749224979866: Hihi, das war Absicht, dass ich an der Stelle aufgehört hab, klar =)
Ich freu mich total, dass Dir die entwicklung gefällt. Hast Du denn jetzt eine Idee, wo die Story hinläuft oder traust Du mir noch nicht so recht? :)
Eine Maxi-FS gibts heute nicht, aber eine normale :)
Danke für Deinen Kommi!!!


Sexy_Lexi:
Danke für Deinen tollen Kommi zu Kapitel 35! Es freut mich total, dass es euch allen so gut gefällt... natürlich nicht in dem Sinne, dass es "SCHÖN" ist, sondern dass ihr euch so gut in Tessa und Jess reinversetzen könnt, auch durch den Perspektivenwechsel, den ich ja eher selten vornehme, da die Story einfach mehr aus Tessas Sicht geschrieben ist, weil sie ja auch die absolute Protagonistin darstellt.
Dass Dir das Gespräch mit Tina so gut gefallen hat, freut mich auch, weil ich mir in Hinblick darauf etwas unsicher war, ob es das Kapitel unötig verlängert oder nicht.
Zum aktuellen Kapitel kann ich nur sagen: Abwarten! ;)
Dass ihr euch so freut, wenn Jess und Tessa sich näherkommen, kann voll nachvollziehen, ich freu mich da auch immer, wenn ich mal so ganz "normale "Knutscht- und Knuddelbilder" schießen und hochladen darf, weil sie mir einfach so gut gefallen zusammen....
Danke für Deinen lieben Kommi!



chrissy1709:
Danke für Deinen Kommi, ganz besonders bzgl der Fotos! Das freut ich echt ungemein, dass Du das so empfindest! :) *freu*
Tja, wer könnte da vor der Tür stehen? Ihre Eltern? Niklas? Tru? Oder vielleicht einer aus der Gang oder gar die Polizei, die von irgendwas Wind bekommen hat, evtl durch die NAchbarn, denen Jess´ Schreie evtl irgendwann doch unheimlich wurden?
LAss Dich überraschen!



Meike: Herrjeh, du arme, arbeitest aber lange! Ich hoffe, das Kapitel hat Dich nicht noch weniger entspannt gemacht! Hihi, find ich toll, dass Du was sinnlich-erotisches gehofft hast. Aber NOCH nicht. Den beiden ists einfach nicht vergönnt.
Welcher Depp :) da klingelt, wirst Du bald erfahren und auch, warum Tessa trotz ihres etwas zerdepperten Aussehen öffnet!
Danke für Deinen Kommi!




Es geht weiter! VIEL SPASS!
 
Kapitel 37
Überraschungsbesuch


Tessa schlug gehetzt die Schlafzimmertür hinter sich zu und blieb einen Moment zögernd stehen, um gleich darauf entsetzt festzustellen, dass sie tatsächlich für zwei Sekunden mit dem Gedanken gespielt hatte, den Schlüssel im Schloss umzudrehen und Jess erneut einzuschließen. Dabei hatte sie diesmal keinerlei Recht dazu. Scham stieg in ihr auf, doch das erneute, drängende Klingelgeräusch ließ sie diese Gedanken beiseite schieben und zur Gegensprechanlage hetzen.
Einen kleinen Moment zögerte sie noch einmal. Sollte sie wirklich aufmachen? Aber ihr blieb keine andere Wahl.
„Komm hoch, Mutter!“ rief sie in das Telefon der Gegensprechanlage und drückte gleichzeitig auf den Summer.
Sie öffnete die Wohnungstür und blieb wartend in der Küche stehen. Hier war sie noch nahe genug am Schlafzimmer, um zu bemerken, wenn Jess sich entgegen ihrer Bitte doch rührte, und doch weit genug weg, um ihre Mutter nicht auf die Idee zu bringen, aus irgendwelchen Gründen direkt dort hinein zu spazieren.
„Um Gottes Willen, Teresa, wie siehst du denn aus?“ rief ihre Mutter aus, als sie in die Küche kam und starrte ihre Tochter ernst an.

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Im Eifer des Gefechtes hatte diese tatsächlich ihre deutlich sichtbaren Spuren im Gesicht vergessen! Tessa biss sich auf die Lippe und verfluchte sich innerlich dafür, nicht wenigstens noch Zeit für etwas kaschierendes MakeUp gehabt zu haben.
Doch nun musste sie sich etwas einfallen lassen. Natürlich hätte sie die Möglichkeit gehabt, ihrer Mutter die Türe nicht zu öffnen, aber diese besaß einen Haustürschlüssel und immerhin hatte Tessa sich schon seit Tagen nicht mehr zu Haus gemeldet… wer konnte schon sagen, ob ihre Mutter nicht einfach heraufgekommen wäre, um nach dem Rechten zu sehen… und sie und Jess dann unweigerlich gefunden hätte…?
„Ich… ich bin gestürzt“, stieß sie schnell hervor, als sie den leicht entsetzten und fragenden Blick ihrer Mutter auf sich spürte.
„Gestürzt?“ Ihre Mutter verzog fragend das Gesicht.

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„Ja, weißt du…“, in Tessas Kopf überschlugen sich die Gedanken in dem Versuch, eine halbwegs vernünftige Erklärung für ein derartiges Aussehen zu bekommen. „Ich bin auf der Treppenstufe vorne ausgerutscht und so unglücklich gefallen, dass ich mir das Auge angestoßen habe… am nächsten Tag war alles blau… auf die Lippe hab ich mir auch gebissen dabei, es hat ganz schön geblutet. Und irgendwie hat es auch meine Wange erwischt. Ich fürchte, die Treppe war vom Schnee nass – da muss ich ausgerutscht sein…!“

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Ihre Mutter sah sie einige Sekunden prüfend an, fast so, als denke sie über die Worte ihrer Tochter nach. Tessas Herz hatte begonnen, ihr bis zum Halse zu schlagen. Was, wenn ihre Mutter ahnte, dass ein einfacher Treppensturz nur schlecht solche Verletzungen hervorrufen konnte? War die Handschrift einer Gewalttat nicht allzu deutlich sichtbar?
„Das geht so nicht!“ rief ihre Mutter da mit strengem Ton aus und Tessa zuckte erschrocken zusammen und sah sie ängstlich an.
„Ich werde das sofort dem Hausverwalter sagen, das ist gemeingefährlich, die Treppen im Winter in einem derartigen Zustand zu lassen! Schließlich haben wir als Eigentümer der Wohnung ein Recht darauf, dass man sich um so etwas kümmert!“
Tessa sah sie einen Moment verständnislos an und wusste dann nicht, ob sie aufgrund der Einfachheit ihrer Mutter lachen oder weinen sollte. Zum einen war sie froh, sie so schnell und leicht getäuscht haben zu können – aber auf irgendeine Weise tat es auch weh…

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„Du hast dich einige Tage nicht gemeldet“, sprach ihre Mutter jetzt weiter. „Und Doktor Arnfeldt hat mir gesagt, dass es dir offenbar letzte Woche noch nicht ganz gut ging und du noch nicht zur Arbeit konntest? Hast du ihm von dem Sturz erzählt? Wieso hast du denn nicht angerufen?“
„Ach – so schlimm war das ja nicht, Mama… ich bin nur ganz froh, dass mich so niemand sehen muss“, sagte Tessa mit einem schiefen Lächeln. „Und ich habe mich schon… ein wenig auf die Uni vorbereitet und bin auch noch etwas müde, offenbar von der Grippe, irgendwie bin ich nicht zu viel gekommen…“

„Nun – dann ist es ja gut, ich dachte schon, ich müsse mir wieder Sorgen um dich machen“, erwiderte ihre Mutter rasch. „Tut mir auch leid, dass wir uns nicht früher bei dir melden konnten, aber wir haben zurzeit so viel zu tun. Dein Vater ist schon wieder für fünf Tage nach Singapur geflogen und ich bin in den letzten Tagen nicht vor zehn Uhr abends aus dem Geschäft gekommen. Stell dir vor, Annemarie hat sich auch krankgemeldet und du kannst dir ja ausmalen, wie sich das ausgewirkt hat…“

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Schnell war Tessas Mutter so damit beschäftigt, ihrer Tochter von ihren geschäftlichen Problemchen zu erzählen, dass offenbar sowohl Tessas Blessuren als auch alles anderen vergessen waren.
Immer wieder lauschte Tessa angespannt in Richtung Schlafzimmer, aber es war mucksmäuschenstill – hätte sie es nicht gewusst, wäre sie selbst im Zweifel gewesen, ob Jess noch dort war.
Sie versuchte, den Redeschwall ihrer Mutter zu unterbrechen, indem sie sagte. „Du Mama – ich… äh… ich wollte eigentlich gerade ein bisschen an die frische Luft gleich… mir fällt die Decke auf den Kopf…“
„Oh – Tessa, ich würde wirklich gerne mit dir einen Kaffee trinken gehen, aber ich hab gar keine Zeit…“, sprang ihre Mutter auch sofort darauf an.
„Macht nichts“, erwiderte Tessa schnell. „Ich sollte mich wohl ohnehin besser nicht in einem Café blicken lassen, wo ich doch noch nicht richtig gesund bin. Aber nächste Woche bin ich wieder arbeiten und bald beginnt schon die Uni, bis dahin bin ich wieder voll einsatzfähig“, fügte sie schnell hinzu, bevor ihre Mutter Bedenken und Sorgen über ihre Zukunft zu äußern gedachte.

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„Gut, Tessa – dann werde ich mal wieder gehen, aber vorher habe ich noch etwas für dich“, sagte ihre Mutter und drehte sich nach der Tüte um, die sie beim Hereinkommen auf den Boden gestellte hatte. Aus dieser zog sie ein hübsch verpacktes Geschenk und hielt es Tessa strahlend entgegen.
„Hier schau mal – ich bin in der Stadt daran vorbeigegangen und dachte sofort, das wäre etwas für dich!“

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Tessa starrte den Karton einen Moment unsicher an. Irgendwie war es wohl schon immer so gewesen, dass die fehlende Zeit und Fürsorge seitens ihrer Eltern meist in Geschenken und Nettigkeiten ihren Ausgleich zu finden versucht hatten.
Dennoch freute sie sich – denn war nicht auch das ein Zeichen von Aufmerksamkeit, von Kümmern und in irgendeiner Form auch von Liebe?
Lächelnd nahm sie das Päckchen darum entgegen und sagte: „Oh vielen Danke, Mutter… ich schau es mir nachher in Ruhe an.“


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„Gut, Tessa – ich gehe wieder! Kommst du am Wochenende zum Essen?“
Tessa zögerte. „Ich… ruf dich noch mal an.“

„In Ordnung! Machs gut und pass bitte besser auf, wo du hintrittst… du siehst fast aus, als habe dich jemand verprügelt.“ Ihre Mutter zwinkerte, während Tessa bleich wurde – doch dies bemerkte sie nicht.
Mit einem beklommenen Gefühl schloss Tessa eine Minute später die Tür hinter ihrer Mutter. Sie ging zum Fenster und beobachtete, wie diese in ihr Auto stieg und davonfuhr. Dann öffnete sie langsam und mit einem unwohlen Gefühl die Tür zum Schlafzimmer.
„Keine Gefahr mehr im Verzug“, versuchte sie mit einem schiefen Lächeln zu scherzen.
Jess trat ins Wohnzimmer und sagte langsam. „Wer war das?“

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„Das… war meine Mutter“, erwiderte Tessa beklommen.
„Aha… deine Mutter also.“
Jess´ Ton klang gereizt und Tessa spürte ein unschönes Gefühl im Magen aufsteigen.
„Jess… es tut mir leid, aber… wenn sie dich hier gesehen hätte… du kannst dir gar nicht vorstellen, was dann los gewesen wäre“, versuchte sie zu erklären.
„Ach – was denn?“ erwiderte er provozierend. „Hätte sie dann die Polizei gerufen? Hätte sie dann gedacht, der böse Junkie-Freund ihrer Tochter habe sie verprügelt und ihr Leid zugefügt, weil das ja so gut zu seinem Image passt?“


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Tessa schluckte. „Ich… nein… sie hätte mich mit Fragen gelöchert… wer du bist und was du hier machst…“

Im selben Augenblick, als sie es ausgesprochen hatte, wurde Tessa klar, dass dies nicht gerade dazu beitragen würde, die Situation zu retten.
„Wie…“, stammelte Jess.„Tessa… sag mal… du hast ihnen nie von uns erzählt, oder? Stimmt das? Du hast niemanden von uns erzählt, hab ich recht?“
Tessa seufzte und starrte auf die Holzdielen unter ihren Füßen.


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„Du musst das verstehen, Jess“, erwiderte sie dann leise und zaghaft. „Das hat nichts mit dir zu tun, nichts mit uns – nur damit, dass meine Eltern und meine alten Freunde verbohrte Hohlköpfe sind, die nicht verstehen, was du mir bedeutest und was für ein guter Mensch du eigentlich bist…“
„Ein guter Mensch, der dir viel bedeutet, für den du dich aber immer geschämt hast und wahrscheinlich immer schämen wirst!“ rief Jess aufgebracht.
„Jess… ich…“
„Kannst du dir vorstellen, wie ´schön´ es sein muss, sich in der Wohnung seiner Freundin zu verstecken, vor ihrem Umfeld, weil sie sich für dich schämt? Tessa – ich hätt das nicht von dir gedacht! Natürlich weiß ich, dass es nicht einfach ist! Aber wie sollen wir eine gemeinsame Zukunft haben, wenn du es nicht schaffst, zu mir zu stehen – mich im Gegensatz dazu sogar versteckst?“
Tessa schluckte betroffen.

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„Jess… alles zum rechten Zeitpunkt“, versuchte sie ihn dann zu beruhigen. „Was meinst du, wie es für sie gewesen wäre, dich jetzt und hier in diesem Zustand zu sehen? Ich meine…“
„Darum geht es nicht!“ rief Jess aus. „Du hast ihnen all die letzten Monate offenbar auch nicht von uns erzählt… oder?“
„Nein… ich hab einem alten Freund von uns erzählt und er hat mich darauf fallenlassen!“ sagte Tessa. „Und meine Eltern wären wohl durchgedreht … aber das ist nicht MEIN Denken, Jess… ich kann doch nichts für mein Umfeld…!“
„Nein, das kannst du wirklich nicht!“ sagte Jess. „Aber du kannst aus ihnen herausstechen – und das habe ich von dir immer felsenfest geglaubt. Dass du unsere Freundschaft und später sogar unsere Liebe monatelang vor deinem Umfeld verheimlichst wie etwas, das niemand sehen und hören darf, weil es so blamabel, dreckig… wertlos…! … ist… das hätt ich von dir niemals erwartet!“

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„Jess….“, erwiderte Tessa, fast flehend. „Es tut mir leid… aber das hat nichts mit meinen Gefühlen für dich zu tun, versteh das doch…“
Doch Jess schüttelte den Kopf. „Oh doch – das hat es, Tessa. Und das müsstest du eigentlich wissen.“
Er sah sie traurig an, dann verzog er das Gesicht fast verächtlich und ungeduldig, winkte ab und sagte leise. „Aber das ist jetzt auch egal...“
Und mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand in Richtung Schlafzimmer, wo er die Tür mit einem lauten Knall hinter sich zuschlug.

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Fortsetzung folgt.
 
Oh weh...
Klar dass sich Jess dumm vorkommt, weil Tessa die Beziehung zwischen ihnen stets verleugnet hat, aber hatte Tessa eine andere Wahl?
Die Mutter ist ja schon fast ausgeflippt, als Niklas versuchte ihr etwas darüber zu erzählen. Und hätte sie die ganze Wahrheit gewusst, wäre sie bestimmt noch wütender gewesen!
Einerseits kann man sich auch täuschen, vielleicht hätte sie anders reagiert, wenn sich Tessa ihr anvertraut hätt?! Aber woher sollte Tessa wissen, wie ihre Mutter die Wahrheit aufnimmt?! Ich denke mit ihrem Vater hätte sie ein leichteres Spiel gehabt!

Nun ja, jetzt ist es so wie es ist! Ich hoffe bloss, dass Jess keine Dumheiten macht und abhaut.....

Auf jeden Fall wieder ein supi spannendes Kapitel! Hast Du gut gemacht! *großes Lob*

Liebe Grüße
Chrissy
 
@chrissy1709: Ja, die Situation ist nicht einfach. Ich denke, man kann beide Seiten verstehen. Sowohl Jess´ als auch Tessas. Es muss für Jess schrecklich demütgend sein, sich vor Tessas Umfeld wie ein Mensch 2. Klasse zu verstecken. Ich weiß nicht, ob mich - würde ich von dem Menschen, den ich liebe, so behandelt - dann noch wirklich die Beweggründe dafür interessieren würden. Eigentlich sollte man ja zu dem Menschen, den man liebt, stehen und ihn nicht verleugnen. Tessas Sicht der Dinge versteht man aber auch, denke ich. Wir wissen ja, wie ihre Eltern drauf sind und dass es ihr nur unnötig das Leben erschwert hätte, Jess zu offenbaren. Aber das macht es nicht automatisch richtig.
Ob Jess darum nun Dummheiten macht, wirst Du heute erfahren.
Danke für Deinen lieben Kommi! :)



458749224979866:
Tja, warum ist das egal? Wohl einfach auch, weil das Kind sozusagen schon in den Brunnen gefallen ist.
Dass er das Schlafzimmer als Rückzugsort sieht, ist übrigend durchaus positiv zu betrachten. Hat fast was von einem alten Ehepärchen-Streit :)
Danke für Deinen lieben Kommi!




@All:
Auch wenn ich euch evtl zu schnell bin - macht nix %) Heute gehts weiter, aber es ist wieder nur eine ganz kleine FS!
 
Kapitel 38
Rückfall



Es vergingen weitere drei Tage. Jess und Tessa verloren kein Wort mehr über die Sache mit dem überraschenden Besuch ihrer Mutter, aber was geschehen war, schien mit einer ungewöhnlichen Schwermut über ihnen zu schweben, ohne dass es jemand von beiden zu äußern gewagt hätte.
Jess ging es den Umständen entsprechend recht gut. Er aß immer noch recht wenig und oft wirkte er nervös. Tagsüber brauchte er viel Schlaf, nachts wachte er dafür umso häufiger auf.
Oft musste Tessa daran denken, was Tina ihr gesagt hatte – dass Jess auch nach dem kalten Entzug psychologische Betreuung bräuchte. Aber die Stimmung zwischen ihnen war seit dem unglückseligen Besuch nicht mehr die beste, so wagte sie es nicht, ihn darauf anzusprechen.
Am vierten Tag nach dem Besuch ihrer Mutter, bekam Jess am späten Nachmittag plötzlich wieder fast genauso starke Symptome wie in den ersten vierundzwanzig Stunden des kalten Entzugs. Er zitterte und bebte zuerst, war nervös und aufgebracht und wurde schließlich aggressiv und ungeduldig.
„Ich kann nicht mehr! Ich kann einfach nicht mehr!“ rief er aufgebracht. „Ich brauche jetzt einen Schuss! Ich brauche dieses gottverdammte Zeug! Ich kann nicht mehr, Tessa!“
Er tobte und wütete, schrie und fluchte. Tessa stand eine Weile hilflos daneben, dann merkte sie, wie sie Verzweiflung überkam und eine tiefe, seelische Erschöpfung sich in ihr auszubreiten schien, so dass sie nichts mehr sagen oder tun konnte, um Jess zu beruhigen, sondern nur noch die Hände vors Gesicht schlug und zu weinen begann.


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Das schien Jess noch aggressiver und gereizter zu machen.
„Hör auf zu flennen!“ rief er ihr zu. „Du bist nicht diejenige, die hier ein Problem hat! Ich brauche Stoff – ich kann das nicht mehr ertragen! Ich will das nicht mehr ertragen!“
„Aber… ich dachte, es geht dir besser“, schluchzte Tessa hinter vorgehaltenen Händen.
„Nein! Tut es nicht! Was weißt du aber schon davon? Du hast doch keine Ahnung!“ rief Jess wütend aus und trat vor lauter Frust ans Bücherregal, das bedenklich zu schwanken begann.

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Während Tessa hilflos weiter schluchzte, reckte Jess den Kopf gen Himmel und stöhnte laut. „Ich kann nicht mehr! Ich kann einfach nicht mehr, Tessa! Wieso verlangst du so etwas nur von mir? Wie kannst du mir lieben, wenn du so etwas von mir verlangst… ich brauche dieses Zeug einfach! Ich kann nicht ohne es leben, wieso versteht das denn nur niemand?“
Tessa hörte kaum noch hin. Sie spürte nichts mehr als Verzweiflung und Müdigkeit. Es sollte vorbei sein. Endlich vorbei sein.
Dass sie dabei genau die gleichen Gedanken wie Jess hatte, ahnte sie nicht.

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Nach einer schier endlosen Zeit hatte Tessa sich wieder beruhigt und schaffte es schließlich, auch Jess wieder zu beruhigen. Müde und kraftlos zog sie ihn zu sich aufs Bett und versuchte, ihn wie so oft in den letzten Tagen durch sanftes Streicheln und beruhigende Worte in den Schlaf zu wiegen, doch er war zu unruhig, um die Augen zu schließen.

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„Ich kann nicht mehr, Tessa“, flüsterte er erschöpft. „Es wird nicht aufhören, weh zu tun. Es wird niemals aufhören, niemals. Und ich weiß nicht mehr, wofür ich das alles tu…“
„Für uns, für uns beide“, erwiderte sie leise. „Es wird weniger werden, Jess. Das weiß ich. Du musst nur noch ein wenig durchhalten. Es wird von Tag zu Tag besser werden und einfacher, ganz bestimmt.“

Sie sah ihn bange an. „Jess – du darfst nicht aufgeben. Bitte, versprich es mir…“

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Jess Miene verfinsterte sich.
„Ich weiß nicht, ob ich dir das versprechen kann… ich fühle mich heute so schwach und unfähig, an etwas anderes zu denken als an die Drogen und das Gefühl, nach dem ich mich so sehne. Ich spüre dich nicht mehr, weil ich mich nicht mehr spüre. Was hat da schon noch einen Wert?“ erwiderte er langsam.
Tessa spürte einen schmerzlichen Stich in der Brust. Und mit einemmal hatte sie Angst – Angst, dass Jess nicht stark genug sein würde, der Sehnsucht nach der geliebten Droge dauerhaft zu widerstehen.
Würde es nun so weitergehen, Tag für Tag? Jeder Tag ein erneuter Kampf gegen dieses drängende, alles andere ausblendende Gefühl, welches in seiner Brust wohnte und gegen sie und die Gefühle, die er für sie hegte, in die Schlacht zu ziehen bereit war?

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Stundenlang saßen sie so beieinander und hielten sich fest. Wenigstens stieß Jess sie nicht von sich – dies war ein gutes Zeichen. Er wurde langsam immer müder und seine Gesichtszüge entspannten sich.
Müde standen beide schließlich auf und schälten sich aus ihren Kleidern. Dann krabbelten sie gemeinsam zurück ins Bett. Tessa umschloss Jess von hinten und sog seinen Duft tief ein. Noch immer war es für sie jeden Abend fast ein kleines Wunder, mit ihm an ihrer Seite einschlafen zu dürfen.

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Während Jess, offenbar sehr geschwächt von den Strapazen des Tages, sofort einschlummerte, lag Tessa noch lange wach und beobachtete den schlafenden Mann neben sich. Seine Gesichtszüge hatten sich entspannt. Er sah im Schlaf so weich und verletzlich aus.
Tessa fühlte das unendlich starke Gefühl von Liebe in sich aufwallen, als sie ihn beobachtete. In diesem Augenblick verzieh sie ihm alles. Und in diesem Augenblick wusste sie auch, dass alles gut werden würde.




Fortsetzung folgt.



P.S. Ein besonderer Dank an das ZAHLENCÖDCHEN, weil sie das dritte Bild so toll bearbeitet hat und Jess den schwarzen Krümel von der Nase geschrubbt - was ich mit meinem Programm echt nicht hinbekommen habe :) KNUDDEL!!!!!!
 
Zuletzt bearbeitet:
Wieder mal ein sehr gelungenes Kapitel!

Hoffentlich haben Jess und Tessa die Kraft durchzuhalten! Jedoch ist die momentane Situation nicht gerade einfach und sehr stark mit unterschiedlichen Emotionen verbunden! Da wär einmal Jess, der verzweifelt ist, weil er nicht von den Gedanken an die Drogen loskommt. Eigentlich hat er im moment nicht gerade die Hoffnung, dass er es überstehen wird und sehnt sich danach diesem sehnsüchtigen Gefühl nachzugeben! Auch wird er sehr verletzt sein, weil Tessa nicht vor den anderen zu ihm steht! Und für Tessa scheint die Situation momentan immer aussichtsloser zu werden! Sie will ihm helfen, aber alleine wird sie es nicht schaffen! Vielleicht sollte sie nochmal Tina anrufen? Klar, kann diese nicht wirklich Jess und Tessa helfen, denn für einen Entzug unter profesioneller Hilfe muss Jess selbst bereit sein dazu. Aber sie kann ihr wenigstens zuhören, da Tessa im Moment ja niemanden hat, dem sie sich anvertrauen kann!

Liebe Grüße
Chrissy
 
Aaaaaaaaaaallllllllllllssssssssssoooooooooo....da warten doch jetzt mal drei Kapitel auf mich, die noch nicht kommentiert sind. *g* Ich werde einfach im allgemeinen auf den Verlauf bis hierher eingehen, hoffe das ist in Ordnung?
Du hast auf meinen letzten Kommi geschrieben, dass es in der Story nicht nur um Drogen geht, sondern auch darum wie sehr sich Menschen dadurch oder durch eine solche Extremsituation verändern....du hast absolut recht! Wenn man sich ansieht, wie Tessa am Anfang der Story war und wie sie sich nun verhält...die Situationen prägen sie total. Deine Charaktere wachsen mit der Story und entwickeln sich schön mit. Das finde ich so schön daran. An Tessa sieht man das überdeutlich. Am Anfang wirkte sie eher verschüchtert, eben noch ein Mädchen. Fast noch kindlich veranlagt...jetzt ist sie eine erwachsene Frau, die genau weiss was sie möchte. Es ist teilweise auch erschreckend, wie stark man sich in doch relativ kurzer Zeit verändern kann. Wie stark solche Einflüsse auf einen Menschen einwirken....Tessa riskiert sehr viel für ihre Liebe zu Jess. Ob das jemand anderer aushalten würde, wage ich zu bezweifeln. Ob das überhaupt jemand riskiert hätte??? Was Tessa alls aufs Spiel gesetzt hat für Jess....das ist schon schier unglaublich. WENN die beiden das packen, steht dieser Liebe wirklich nix mehr im Weg. Ausser diese bescheuerten Drogen. Ich glaube, mit Tessa packt Jess das.
Ich denke eher an die Probleme, welche in Zukunft auf sie zukommen. Ich glaube kaum, dass Tessas Eltern Jess überhaupt jemals akzeptieren werden. Ich kann auch nachvollziehen, dass Tessa Jess erst einmal "versteckt" hat. Was hätte sie ihrer Mutter sagen sollen? Mit deren Denkweise hätte schnell festgestanden, WER Tessa das angetan hat. Sie hätte es Jess angekreidet. Wäre damit der jungen Beziehung geholfen?! Nein! Ich glaube, besser ist es erst einmal weiterhin die Beziehung geheim zu halten. So lange, bis Jess stark genug ist um all diesem Hass entgegen zu treten. Diesen Vorurteilen...die wird es nämlich von allen Seiten hageln! Dafür brauchen beide alle Kraft, die sie kriegen können. Momentan haben sie selbige aber nicht. Erst einmal muss der Drogenentzug geschafft werden. DANN kann man weiter denken. Ich hoffe, Jess begreift das auch mal. Natürlich verstehe ich auch Jess....das er sich verraten vorkommt. Es ist für beide eine sehr schwere Situation. Aber auch Tessas Kräfte sind begrenzt und irgendwann kann auch sie nicht mehr. Es wird noch mehr als schwierig für beide und ich hoffe, sie packen das auch wirklich. Ich glaube, dass grösste Problem kommt erst noch...und das sind nicht die Drogen, sondern die Menschen danach. Die können echt grausam sein!
Ich finde die Kapitel wieder sehr gelungen, die Fotos gekonnt geknippst. Du sagst immer, dafür hättest du kein Talent. Das hab ich echt nicht gehört! Die sind doch erste Sahne. Gerade die Nahaufnahmen und bearbeiteten Fotos. Ich denke da an das dritte im letzten Kapitel....oder auch sonst einige andere. Die sind einfach nur genial! Du machst das doch toll. Zu viel bearbeiten ist doch auch nix. Das brauchst du auch echt nicht, deine Story lebt schon allein durch diesen klasse Text, der echt unter die Haut geht.
Klar berührst du auch weiterhin mit deiner Story und da sie lahmt....hey, dass will ich auch nie mehr hören!!!! Grosser Quatsch. Deine Story hält immer die gleiche Qualität und sie war NOCH NIE langweilig. Du setzt die Messlatte sogar immer höher....und bisher bist du dem immer wieder gerecht geworden. Das wirst du auch weiterhin schaffen, ich bin überzeugt davon.
Mach genauso weiter...*applaus spendier*
 
chrissy1709: Lieben Dank für Deinen Kommi! Ja, die Situation ist so wirklich nicht ganz einfach... das stimmt. Ob Jess durchhalten wird und ob Tessa ebenfalls durchhält, ist da nicht so ganz klar abzusehen. Der Anruf bei Tina wäre sicherlich eine gute Idee.


@FunnyChrissy:
Vielen vielen lieben Dank für diesen Monster Kommi! Ich bin total froh, dass Du es so siehst, mit Bildern und "Lahmen" usw. Denn ich bin mir echt was unsicher, vielleicht auch, weil immer noch recht wenig Kommis da sind, aber eigentlich macht mir das nicht viel aus, nur bin ich wohl einfach zur Skepsis veranlagt... ;)
Klar wäre auch die Thematik mit dem Umfeld das, was als nächstes auf sie zukommt. DAs ist nicht einfach. Aber wir werden es ja sehen ;)




@ALL:
So, heute geht es weiter... das nächste Kapitel ist vom Stil her VÖLLIG anders als die bisherigen, aber ich konnte es einfach nur so am besten darstellen - für mich selbst jedenfalls.
Ich habe euch unten an das Kapitel einen Songtext von Evanescence gehängt mit einem Link zu YouTube, wo ihr das Video dazu schauen könnt (also das Video von Evanescence) und den Song anhören.
Ich habe das Lied immer im Kopf gehabt, wenn ich an genau dieses Kapitel gedacht habe...
Ich bin sehr gespannt auf eure Kommis... mir liegt viel an diesem Kapitel, es war sehr aufreibend, es zu schreiben.

Aber lest selbst.........
 
Kapitel 39
Stirb




„Jess?“
Ihr Herz pochte schneller.
„Jess?!“

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„Gib Antwort! Jess?!“
Fast schon schrill, die Stimme, die aus ihrer Kehle drang.
„Jess!!!“

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Sie sah sich verzweifelt um.
„Wo bist du?“
Mit schnellen Schritten rannte sie durch das Zimmer, Tür auf, Wohnzimmer. Ihre nackten Füße stolperten fast über die Türschwelle.
„Jess?“ Ihr Herz hämmerte in ihren Ohren. „Bist du hier?“

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Weiter, weiter – in die Küche. Die Kälte kroch die nackten Füße hinauf. Gleichgültig.
„Jess… Jess!“
Verzweiflung, Unglaube. „Das ist nicht lustig, Jess. Wo bist du?“

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Badezimmer! Der einzige Ort, der noch in Frage kam. Wieso nicht früher daran gedacht?
Leere. Stille. Kein Mensch zu sehen. Kein Mensch zu hören.
„Jess?“
Fast ein Flüstern war es, das über ihre Lippen kam. Ratlosigkeit. Angst.
„Nein… nein… das… das kann nicht sein….“
Wie zum Himmel gewandt. Wie ein Gebet. Wie ein Flehen.

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„Das kann nicht sein! Das darf nicht sein! Es kann nicht sein! Nein!“
Immer lauter wurde ihr Schreien.
Was geschieht hier? Werde ich jetzt etwa selbst verrückt? Nein – er kann nicht fort sein. Ich muss noch einmal suchen.

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Er muss hier irgendwo sein. Er kann nicht fort sein.
Er DARF nicht fort sein!

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Was, wenn er doch fort ist? Was, wenn er aufgegeben hat?
Nach allem… wie sollte ich es überleben?

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Zitternd, eiskalt… langsam setzte sich ein Fuß vor den anderen. Zurück ins Schlafzimmer.
Er muss hier irgendwo sein!
Ein Rascheln, ein seltsames Gefühl unter der nackten Haut des Fußes.
Was ist das?

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„Nein…“
Sie rannte, wie fort davon – wer es nicht sieht, wird es nicht glauben.
Doch sie hatte es gesehen. Und sie wusste, was es bedeutete.

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Das kann nicht sein… er kann mir das nicht angetan haben. Nein! Nicht nach allem, was geschehen ist… Jess… oh, Jess…
„Ich hasse dich, Jess! Ich hasse dich!!!“

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Wie konntest du mir das nur antun? Wieso hast du mich fallenlassen? Wieso hast du aufgegeben?
„Wieso ist deine Liebe zu mir nicht stark genug?“

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Gibt es denn nichts auf dieser Welt, für das es sich zu leben lohnt?
Zu kämpfen lohnt?
Zu lieben lohnt?
Wo bist Du, Gott, wenn es dich gibt? Wieso tust du mir das an? Was soll mich das lehren? Was ist mein Leben denn noch wert?

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Was ist schon noch Liebe? Wie kann ich dich jemals wieder lieben? Wie soll ich leben, wenn ich Dich liebe? Wie soll ich leben, wenn ich Dich nicht liebe…

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Du hast mich verraten. Du hast uns verraten. Und doch liebe ich Dich… Jess. Und ich hasse Dich. Aus tiefster Seele. Und ich liebe Dich. Und ich hasse Dich.
Zu schwach, um aufrecht zu stehen. Zu müde, um wach zu bleiben.
Zu zerrissen, um Mensch zu sein.

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Ein Herz kann nicht alles ertragen. Eine Seele ist nicht ewiglich unverwundbar.
Ich kann nicht ohne Dich. Und ich kann nicht mit Dir.
Das ist mein Fluch. Und es ist mein Segen.

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Er hat mich verlassen. Er hat aufgegeben.

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Es ist zu spät für uns. Es ist zu spät für mich.

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Es ist vorbei.



I'm so tired of being here
Suppressed by all my childish fears
And if you have to leave
I wish that you would just leave
'Cause your presence still lingers here
And it won't leave me alone

These wounds won't seem to heal
This pain is just too real dieser
There's just too much that time cannot erase

When you cried I'd wipe away all of your tears
When you'd scream I'd fight away all of your fears
And I held your hand through all of these years
But you still have
All of me

You used to captivate me
By your resonating light
Now I'm bound by the life you left behind
Your face it haunts
My once pleasant dreams
Your voice it chased away
All the sanity in

These wounds won't seem to heal
This pain is just too real
There's just too much that time cannot erase

When you cried I'd wipe away all of your tears
When you'd scream I'd fight away all of your fears
And I held your hand through all of these years
But you still have
All of me

I've tried so hard to tell myself that you're gone
But though you're still with me
I've been alone all along


When you cried I'd wipe away all of your tears
When you'd scream I'd fight away all of your fears
And I held your hand through all of these years
But you still have
All...of me
All...of me
All...of me
All.........


My Immortal by Evanescence (hier anhören)
 
Zuletzt bearbeitet:
NEIN!!! Bitte tu mir das nicht an. Ich war mir so sicher, dass alles gut werden würde und jetzt das. Der Stil ist in der Tat völlig anders als sonst, aber er passt wie ich finde gut zu dem letzten Kapitel. Tessas Verzweiflung wird durch die kurzen Sätze prima rübergebracht. Man kann sich ihre Aufgewühltheit und Verzweiflung dadurch richtig gut vorstellen. Es ist bestimmt nicht einfach, seinen Schreibstil so stark zu verändern, aber es ist dir gut gelungen.
Das Lied passt ebenfalls total gut zu der Situation. Ich höre es gerade nebenbei und werde immer trauriger, weil ich so fest an die Liebe von Tessa und Jess geglaubt habe...
 
Hey,
Ich bin einer deiner stillen leser.
Und jetzt schreibe ich dir auch ein Kommentar.
Deinen Schreibstil genauso wie du den Text Formulierst einfach nur HAMMER!
Ebenso die Bilder sind Sehr gut fotografiert.
Das Lied passt super zu der Situation.
Ich habs mir anghört wärend ich gelesen habe also den Schluss.

Bis dann
DeniZ
 
Wow!!! Das war mal wirklich ein total anderer Schreibstil. Du hast dich in dem Kapitel richtig ausprobiert und alles versucht, Tessas Verzweiflung darzustellen. Dafür hast du sogar deinen Stil entsprechend angepasst und ich finde, es ist dir super gelungen! Ist ja diesmal eher "textarm" im Vergleich zu den vorrangegangenen Kapitel. Das drückt nochmals super aus, wie leer sich Tessa fühlt. Man spührt direkt ihre innere Verzweiflung, ihr zerbrochenes Herz, ihre Tränen sind zu sehen und zu spühren....es ist der Wahnsinn, wie du das rüber gebracht hast. Ich hab es insgeheim befürchtet, dass Jess wieder rückfällig wird. Schon das letzte Kapitel gab mir zu denken, da hat es sich schon abgezeichnet, dass es nicht mehr lang so gut geht.
Ich kann Tessas Zusammenbruch sehr gut nachvollziehen. Was hat sie nicht alles für Jess riskiert und gegeben? Was hat sie nicht alles verändert, nur für ihn? Sie hat so viele liebe Menschen aus ihrem Leben belogen und sich von diesen teilweise abgewendet - für Jess!!! Sie hat alles für ihn getan, dieser dumme Bub...merkt er das gar nicht??? Ach Mensch, Jess. Öffene deine Augen und kehr um. Wobei ich da nicht so viel Hoffnung hab *heul*. Da waren die Drogen wohl stärker als die tiefste Liebe. Tessa hat getan, was sie konnte. Klar war da dieser Fehler, Jess vor den Eltern zu verschweigen. Klar war das nicht richtig. ABER was blieb ihr anderes übrig??? Wie ich schon im letzten Kommi schrieb, muss man da die Gesamtsituation sehen. Was verlangt Jess von Tessa??? Sie gibt doch schon so viel für ihn auf, hat sich für ihn in Lebensgefahr gebracht....das zeigt doch einmal mehr, wie sehr sie ihn liebt!!! Jetzt vor den Eltern zu ihm zu stehen hätte alles nur noch schlimmer gemacht. Ich bin einfach der Überzeugung, dass dafür beide fest im Leben stehen müssen. Sie brauchen Kraft für die Vorurteile, die es nahezu von allen Seiten hageln wird. Ich glaube kaum, dass irgendwer diese Beziehung akzeptieren wird. Dafür brauchtes Kraft und die hatten weder Tessa noch Jess. Jess wohl überhaupt nicht, sonst wäre er nicht rückfällig geworden....da war, wie gesagt, anderes stärker.
Tessa sollte sich echt jetzt bloss keine Vorwürfe machen, sie hat NICHTS falsch gemacht. Sie lieb Jess und dafür hat sie alles getan. Nehme man mal nur ihre Veränderung, die echt total krass sichtbar ist, wenn man sich das erste Kapitel nochmals durch liest. Hab ich gestern noch gemacht und da merkt man mehr als deutlich, WIE stark sie sich verändert und gewandelt hat. ABER FÜR WEN UND WARUM???? Tessa ist jedenfalls nicht schuld, sie hat getan was nur in ihrer Macht stand. Bei allem muss man auch bedenken, wie jung Tessa noch ist. Sie tut doch schon so viel, was soll sie noch alles aushalten??? Sie ist ein echt wunderbarer Mensch.
Das aktuelle Kapitel steigert den Wert deiner Story nochmals, wie ich es finde. Es macht sie noch interessanter und gibt ihr eine erneute Wende, die mich total mitreisst. Bin total gespannt, WAS du jetzt noch draus machst und was folgen wird.
Der Text ist Hammer gut geschrieben und drückt super das aus, was wohl in jedem Menschen in Tessas Lage vor sich geht.
Die Fotos sind gigantisch. Besonders das Foto, als Tessa schon fast am Boden liegt und noch verzweifelt mit einer Hand nach dem Nichts greift. Wie eine stille, letzte Hoffnung.
Grossartig, Innad!
 
@Sexy_Lexi: Nun ja... ich tu es nicht gerne, aber leider ist es offenbar Realität, dass Jess wieder fort ist. Ob darum die Liebe zwischen Tessa und Jess auch ein Ende findet, ist aber die Frage. Ich war beim Schreiben auch irgendwie traurig, aber die Sucht war eben stärker als Jess...
Ich danke Dir für Deinen lieben Kommi! :)



@Deniz2202
: Oh, das freut mich wahnsinnig, dass Du dich zu Wort meldest und dass Dir die Story so gut gefällt und Du mitliest! :) DAnke!!! :)



@FunnyChrissy
: WOW, was für ein MONSTERkommi, aber von meiner Süßen erwarte ich auch nix anderes ;)
Stimmt, das Kapitel ist eher textarm... ich wusste irgendwie auch gar nicht, was ich großartig schreiben sollte. Jess ist weg. Das alleine würde ja schon reichen...
Es spricht für Dich, dass Du die Wende schon im vorigen Kapitel erahnt hast. Kennst mich halt doch ein bisserl :rolleyes: gell?
Ich denke, was Jess und Tessa da gemacht haben, war recht doll zum Scheitern verurteilt. Ich glaube, so ein kalter Entzug, ohne jedwede Hilfe, von einer derart starken Droge - das in solch einer Art und Weise zu machen ist fast wie sich selbst den Blinddarm rausoperieren zu wollen. Das muss ja fast schief laufen.
Dass Tessa jetzt am Boden zerstört ist, sogar Hass für Jess empfindet, ist für mich klar nachvollziehbar. Wie Du schon schriebst, hat sie viel für ihn aufgegeben und nun das. Aber auch Jess kann ich verstehen. Die Sucht war einfach stärker als er. Dass es was mit dem Streit zu tun hatte, kann schon sein, aber nicht nur. Jess geht nicht nur wegen einem Streit zurück. Das ist es ja ... er hat schlichtweg keine Wahl. Die Drogensucht ist einfach stärker.
Dass Tessa ihn verleugnet war,das war für ihn sicher nicht einfach. Aber ich kann sie verstehen. So wie Du auch schreibst, hätte ein spontanes Geständnis die Situation nicht verbessert.
Ich meine, es hätte Jess Seelenverfassung wohl kaum stabilisiert, wenn Tessas Mutter auf ihn losgegangen wäre, oder?
Bestimmt hat Tessa auch nicht alles richtig gemacht. Aber sie liebt Jess aufrichtig. Er tut das auch! Er liebt sie wirklich. Sehr sogar. Aber die Sucht ist eben einfach stärker und das kann man ihn nicht einmal vorwerfen.
Danke für Dein Lob und diesen lieben Kommi! *knutsch*



@ALL:
Ich hoffe, ich habe Euch mit der Wendung nicht verschreckt? Ich will nochmal betonen, dass ich versuche, die Story nicht allzu unrealistisch zu halten. Für mich wäre es einfach nicht wirklich realistisch gewesen, wenn eine solche Hauruck Aktion der beiden gut ausgeht. Ich denke, die Chancen dafür stehen ziemlich schlecht.
Ihr werdet auch in den folgenden Kapiteln merken, dass die Story nicht hauptsächlich um Tessa und Jess als Paar geht, sondern um Tessa und wie sie sich durch Jess und alles, was mit ihm zu tun hat, entwickelt hat.

So, ich hoffe, dass ich es nachher noch schaffe, das neue Kapitel online zu stellen...! :)



Da sich die Forenregeln diesbzgl geändert haben, werde ich ab sofort auch die großen Bilder online stellen! :) Ich hoffe, es gefällt euch so!
 
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Kapitel 40
Nicht mehr allein



Tessa blieb unsicher stehen und starrte auf die massive, dunkelbraune Tür. Von drinnen hörte man leise Stimmen.
Tessa schluckte. Ihre Hände fühlten sich schweißig an.

Für einen Augenblick zögerte sie… sollte sie die Schwelle wirklich übertreten?
War sie hier überhaupt richtig? Sie merkte, dass ihr der Gedanke, sich anderen Menschen über das, was geschehen war, anzuvertrauen, seltsam befremdete.

Wieder warf sie einen Blick auf die dunkle Holztür.

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Vor ihrem geistigen Auge sah sie die letzten Tage vorüberziehen. Die Tage mit Jess.
Ein Taumel zwischen Glück und Hoffnung und Schmerz und Verzweiflung. Letzteres war es, das am Ende den Sieg davon getragen hatte.
Drei Tage waren vergangen, seit sie ihn vergeblich in ihrer Wohnung gesucht und letztlich den kleinen Zettel mit der Notiz gefunden hatte, die bewies, dass er den Kampf gegen die alles verzehrende Sucht und Gier nach dem geliebten Rauschmittel in sich verloren hatte.
Sie konnte sich noch daran erinnern, wie sie Wut, Schmerz, Verzweiflung, Schuldgefühle und das Gefühl von absoluter Fassungslosigkeit in die Knie gezwungen hatten.
Stundenlang hatte sie so dagelegen, schluchzend, wimmernd – zeitweise völlig still. Allein. Einsam. Verloren.

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Doch irgendwann hatte sie sich wieder aufgerichtet. Ihre Füße hatten sie wieder getragen. Ihr Kopf hatte wieder zu denken begonnen und ihr Weg hatte sie zum Telefon geführt und erneut die Nummer des Sorgentelefons wählen lassen.
Sie hatte Glück gehabt und erneut mit Tina gesprochen.
Diese hatte ihr letztlich ans Herz gelegt, sich an diese Adresse hier zu wenden…

Doch nun war sich Tessa nicht mehr sicher, ob dies der richtige Weg war.
Aber schließlich war sie nun hier – und niemand würde sie zu etwas zwingen, was sie nicht wollte. Also öffnete sie beherzt die Türe und trat ins Innere des Raumes.
Er war warm und gemütlich eingerichtet. In der Mitte des Tisches flackerte ein Kranz aus Kerzen und verbreitete eine vertrauensvolle, gemütliche Atmosphäre.

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„Herzlich Willkommen!“ rief eine männliche Stimme und Tessa lächelte ein junger Mann mit roten Haaren und einer modernen Brille entgegen. „Mein Name ist Timo, ich bin einer der Leiter dieser Selbsthilfegruppe. Mögen Sie sich nicht setzen?“

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Tessa lächelte schüchternd zurück und blickte zu der Couch neben sich, auf der neben zwei Frauen noch ein Platz frei war.
„Gleich hier?“ fragte sie schüchtern.
„Wohin Sie möchten“, erwiderte Timo freundlich. „Mögen Sie uns vielleicht verraten, wie Sie heißen und was Sie hierher führt?“

Tessa schluckte. Die vielen fremden Gesichter ängstigen sie mit einemmal. Sie fühlte sich immer noch so wund innerlich, dass sie sich am liebsten zu Haus verkrochen hätte.

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„Nun… mein Name ist Tessa“, sagte sie langsam und unsicher und blickte in die Gesichter in der Runde, die sie freundlich anlächelten, so dass ihre Scheu etwas verringert wurde.
Besonders die schwarzhaarige Frau, die neben ihr auf dem Sofa saß, lächelte sie so gütig und verständnisvoll an, dass Tessa sich sofort wohler fühlte.
„Ich habe diese Adresse von Tina vom Sorgentelefon bekommen“, sprach sie darum langsam weiter. „Ich… mein Freund ist drogensüchtig.“
Sie schluckte und schwieg dann. Es war ihr schwer gefallen, diese Worte auszusprechen, und wenn sie es so recht überlegte, hatte sie einen solchen Satz noch niemals im Beisein eines anderen Menschen ausgesprochen.

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„Dann sind Sie hier gut aufgehoben“, sagte Timo freundlich und lächelte ihr ermutigend zu. „Willkommen, Tessa, in unserem Kreis. Alle, die hier sitzen, haben ebenfalls Angehörige, welche drogensüchtig sind oder waren…“
Tessa hörte, wie die schwarzhaarige Frau, die neben ihr saß, leise aufseufzte und warf ihr einen mitfühlenden Blick zu.
„Wir treffen uns hier einmal in der Woche, um uns über unsere Probleme und Ängste auszutauschen. Oft können viele von uns das nur hier, weil der Rest ihres sozialen Umfeld sie nicht versteht. Wir duzen uns hier alle, ich hoffe, das ist auch für dich in Ordnung?“
Tessa nickte.
„Gut, Tessa. Du musst uns nichts von deiner Geschichte erzählen, wenn du nicht magst. Sag einfach, wenn du soweit bist und wir werden dir zuhören. Ob heute, in einer Woche oder erst in einem Jahr spielt dabei überhaupt keine Rolle.“

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Tessa nickte und lächelte. Sie fühlte sich erleichtert, denn sie hatte befürchtet, direkt beim ersten Treffen erzählen zu müssen, was zwischen ihr und Jess geschehen war. Noch war all dies viel zu abstrakt, um es zu begreifen. Immer wenn sie daran zu denken versuchte, was in den letzten Tagen und Wochen geschehen war, schien ihr Hirn zu streiken, alles schien fast wie in Watte gepackt. Nur ihr Herz sprach eine deutliche Sprache.
Es schien jedes Mal wieder zu zerreißen.
Sie hörte den anderen in der Gruppe aufmerksam zu, als diese über ihre Probleme sprachen. Bald stellte sie fest, dass sie vieles nachvollziehen konnte… die ständige Angst um den anderen, die ständige Frage, wieso es nur so schwer sein mochte, den Drogen nicht zu entsagen… die ständige Problematik, es dem Freundes- und Verwandtenkreis beizubringen, dass der Angehörige ein Suchtproblem hatte. Sie war offenbar nicht alleine damit.
Nach einer Stunde löste sich die Gruppe allmählich auf und die meisten verschwanden mit einem netten Gruß in die dunkle Nacht. Die schwarzhaarige Frau jedoch, die Tessa inzwischen als Monika kennengelernt hatte, stand auf und kam auf Tessa zu.
„Hallo, ich bin Moni“, sagte sie freundlich. „Schön, dass du zu uns gestoßen bist, Tessa.“

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Tessa lächelte freundlich.
„Ich bin auch ganz froh… bisher habe ich noch niemanden gehabt, mit dem ich über alles sprechen konnte“, sagte sie langsam. „Das macht es nicht einfacher…“
„Ja, ich weiß“, sagte Monika schnell. „Ich kann das sehr gut nachfühlen.“

„Du… hast also auch einen Verwandten oder Freund, der süchtig ist?“ fragte Tessa vorsichtig.
Monika sah sie traurig an und sagte dann langsam: „Sagen wir es einmal so… ich weiß sehr gut, wie du dich fühlen musst, denn ich war in einer ganz ähnlichen Situation… aber meine Geschichte werde ich dir gerne ein anderes Mal erzählen…“

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Tessa schluckte und fühlte sich für einen Moment sehr beklommen.
„Du siehst sehr traurig aus“, sagte Monika da. „Du musst viel mitgemacht haben, oder?“
Tessa sah sie erstaunt an. Selten hatte sie einen so einfühlsamen Menschen kennengelernt, der so scharfe Augen hatte… eigentlich hatte es nie jemanden derartigen gegeben… außer… ja, außer Jess…
Wieder spürte sie diese furchtbaren, schmerzlichen Stiche in ihrer Brust, die so scharf waren, dass sie dachte, unter ihnen zusammen brechen zu müssen.
Monika sah sie mitfühlend an. „Ich hoffe, wir können dir ein wenig helfen, deinen Schmerz zu ertragen.“

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Tessa lächelte. „Das ist nett von dir.“
Gemeinsam gingen die beiden die Treppen nach unten, nachdem sie sich in ihre warmen Sachen gehüllt hatten.
„Weißt du, Tessa… auch wenn ich noch nicht viel von dir erfahren habe, so glaube ich, dass wir beiden uns gut verstehen werden. Ich glaube, unsere Geschichten sind sehr ähnlich…“
Sie blieben beide auf der Straße stehen und sogen die frische, klare Nachtluft ein.
Monika sah Tessa an. „Du kommst nächste Woche doch wieder?“

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Tessa nickte, wenn auch etwas zögerlich.
„Tessa – es ist wichtig, darüber zu sprechen, auch wenn es ungewohnt und natürlich auch schmerzlich ist“, sagte Monika einfühlsam und blickte Tessa mit ihren großen, braunen Augen sanft an. „Ich habe auch lange gebraucht, um das zu begreifen. Aber als ich mich den anderen anvertraut hatte, habe ich mich viel besser gefühlt. Ich wünschte, ich hätte diesen Schritt früher gewagt… dann… nun ja, dann wäre heute vielleicht alles anders, als es das ist. Besser… oder zumindest eben anders.“
Tessa lächelte schmerzlich. „Ich weiß… es ist nur so ungewohnt… ich habe bisher noch niemanden davon erzählt… und es fällt mir sehr schwer.“

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Monika lächelte verständnisvoll. „Ich kann dich verstehen. Aber du hast Timo ja gehört – es ist egal, wann du etwas erzählst… wichtig ist, dass man den ersten Schritt tut und dass man sich mit der Gruppe austauscht. Früher dachte ich immer, solche Gruppen wären was für verrückte oder total traumatisierte Menschen. Aber jeder kann Hilfe brauchen, der in einer solchen Situation steckt. Die meisten von uns haben das jedoch zu spät erst realisiert…“
Sie lächelte wieder. „Nun ja – ich will dich nicht länger aufhalten, Tessa. Wir sehen uns doch nächste Woche, oder?“
Tessa lächelte. „Ganz bestimmt“, erwiderte sie.

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„Dann bis nächste Woche, Tessa. Ich freu mich.“ Monika lächelte noch einmal zum Abschied und drehte sich dann um.
Tessa sah ihr lächelnd hinterher. Es hatte wieder zu schneien angefangen und für einen kleinen Moment schossen ihr wieder die Bilder des letzten Males durch den Kopf, als sie bei Schnee durch die Stadt gelaufen war…
Ein beklommenes Gefühl überkam sie, doch als sie den Blick aufrichtete, sah sie Monika, die sich noch einmal zu ihr umdrehte und ihr zuwinkte.
Lächelnd winkte Tessa zurück und sah der jungen Frau nach.

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Und zum ersten Mal seit Wochen fühlte sie wieder so etwas wie Wärme in sich aufsteigen.
Denn nun war sie nicht mehr alleine mit ihrem Schmerz.









Fortsetzung folgt.
 
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Mh, offenbar bin ich mal wieder zu schnelll :confused: mit meinem Update....... oder ihr seid mir jetzt alle weggerannt nach der zugegebenermaßen nicht schönen Wende :rolleyes: von vorigem Mal.....

Ich lad das jetzt trotzdem mal hoch, weil ich es komplett fertig hab. Könnt ihr dann ja 2 Kapitel kommentieren =)
 
Kapitel 41
Erinnerungen




Es vergingen zwei weitere Wochen, in denen Tessa regelmäßig an jedem Montag und Donnerstag die Selbsthilfegruppe besuchte. Allmählich begann ihre Scheu von ihr abzufallen, die Gesichter wurden vertrauter und bald musste sie feststellen, dass – wenn sie denn jemand verstehen konnte – es die Menschen in dieser Gruppe sein würden.
Mit Monika hatte sie sich in der kurzen Zeit bereits gut angefreundet, doch noch immer hatte diese ihr noch nicht erzählt, unter welchen Umständen sie zur Gruppe gestoßen war.
Es war wieder einmal Donnerstag und Tessa hatte neben Monika auf der gemütlichen Couch Platz genommen. Bisher hatte auch sie selbst noch nichts von ihrer Geschichte erzählt, es war, als seien die dadurch entstandenen Wunden in ihrer Seele noch zu frisch.

Marius, der zusammen mit Timo immer abwechselnd die Gruppe leitete, eröffnete den Abend wie immer mit einer freundlichen Begrüßung und wandte sich dann Tessa und Monika zu.

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„Monika hat mir vorhin mitgeteilt, dass sie heute Abend ihre Geschichte erzählen wird. Einige von uns kennen diese zwar schon, aber wie ihr wisst, muss man seine Geschichte manchmal mehr als nur einmal erzählen. Zudem haben wir seither einige wenige neue Gesichter in unserem Kreis begrüßen dürfen, welchen Monika heute mitteilen will, was sie letztlich zu uns geführt hat.“ Er nickte Monika aufmunternd zu.
Diese lächelte leicht und holte dann tief Luft, während sie Tessa einen Blick zuwarf. Diese wusste in jenem Moment, dass Monika ihre Geschichte hauptsächlich ihr erzählen würde.

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„Ich habe Kevin vor drei Jahren kennengelernt“, begann Monika leise zu sprechen. „Es war eine regelrecht schicksalhafte Begegnung, die uns beiden widerfahren ist. Wir gingen beide die Straße entlang, völlig in unsere eigenen Gedanken versunken…“
Monika lächelte und ihre Augen wurden feucht, als sie an jenen Tag vor drei Jahren im Winter zurückdachte, als ihr Leben sich dramatisch veränderte.

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„Wir haben beide nicht recht darauf geachtet, wo wir hinliefen – so geschah es, dass wir uns anrempelten.“ Sie lachte leise. „Es war fast zu klassisch, als dass ich heute noch glauben könnte, dass es wirklich so gewesen ist – und doch ist es die Wahrheit. Kevin hatte es mir sofort angetan. Diese wunderbaren, blauen Augen… die weichen und doch männlichen Gesichtszüge… ich wusste sofort, dass ich ihn nie wieder aus meinem Herzen würde vertreiben können… und auch Kevin schien ähnlich zu empfinden… er lächelte mich mit diesem unglaublichen Lächeln an und entschuldigte sich für seine Unachtsamkeit. Danach kamen wir sofort ins Gespräch.“

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Monika lächelte versonnen und versuchte, den Schmerz zu ignorieren, den der Gedanke an jene, so weit zurückliegenden glücklichen Zeiten ihr auslöste.
„Wenig später sind wir in einem Café gelandet und haben stundenlang gesprochen und gelacht. Uns war sofort klar, dass wir mehr füreinander empfanden. Ich fragte Kevin nach seiner Telefonnummer, doch er zögerte… damals habe ich gedacht, er wollte mich nicht wiedersehen, doch sehr schnell musste ich feststellen, dass der Grund ein anderer war…“
Sie sah Tessa lange an und diese schluckte und sagte dann leise: „Er hatte kein Telefon… vielleicht noch nicht einmal eine Wohnung… oder?“

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„Kevin war drogensüchtig“, sagte Monika nach einer kleinen Weile des Schweigens und alle Personen im Raum schienen mit einemmal tief auszuatmen. Tessa merkte, wie die kleinen Härchen auf ihren Armen sich aufzustellen begannen.
Monika sprach langsam weiter. „Ich hab es erst nach einer Weile erfahren. Kevin gab mir nicht seine Nummer, wollte mich aber wiedersehen. Wir verabredeten uns einige Tage später in einem anderen Café… Kevin hatte zwar eine kleine Einzimmerwohnung, eine dreckige, furchtbare Wohnung… aber er war nicht obdachlos, er hatte sich an das Amt gewandt und bekam Sozialhilfe… doch ein Telefon hatte er schon lange nicht mehr. Ich dachte zuerst nur, als er mir das erzählte, er sei einfach arbeitslos, habe keinen Job gefunden… wie so viele heutzutage… ich empfand es nicht als schlimm…“
Sie lachte bitter auf. „Ich war so verliebt, dass ich lange nicht merkte, was mit Kevin los war… wir trafen uns meistens bei mir oder irgendwo draußen… wir waren glücklich…“

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„Doch irgendwann verliert die rosarote Brille an Kraft und Farbe“, sprach sie fest weiter und sah Tessa traurig an. „Ich bemerkte, dass er sich immer seltsamer verhielt… und irgendwann sprach ihn darauf an. Ich erfuhr, dass er süchtig war. Er nahm seit Jahren Kokain und später sogar Heroin.“
Tessa schluckte und sah Monika beklommen an.
Diese sprach nun fast tonlos weiter. „Ich habe ihn mehrmals zur Rede zu stellen versucht. Ich habe ihm die Möglichkeiten eines Entzugs aufgewiesen – doch er hatte nicht den Mut dazu. Nach vielen Streiten und vielen zermürbenden Monaten hat er endlich nachgegeben. Er ging in eine Entzugsklinik… doch er hielt nicht durch. Nach vier Wochen hatte er wieder zu den Drogen gegriffen.“

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„Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich war verzweifelt. Ich hätte so gerne mit jemanden darüber gesprochen, doch was sollte ich meinen Freunden erzählen? Dass mein Freund drogensüchtig ist? Wer hätte dafür Verständnis aufgebracht. Einer Freundin vertraute ich mich einmal an, die mir nur riet, ihn möglichst schnell zu verlassen, damit ich nicht auch in diese Kreise mit hinein gezogen würde… die Gefahr bestand jedoch niemals… ich habe an ihm gesehen, wie zerstörerisch die Macht der Drogen war. Nichts und niemand auf dieser Welt hätte und würde mich je dazu bringen, dieses Zeug anzurühren. Ich liebte Kevin. Ich konnte ihn doch nicht im Stich lassen. In mir wahrte ich stets die Hoffnung, ihn doch noch einmal umstimmen zu können. Ihn zu einem erneuten Entzug zu ermuntern. Es war ein Wechselbad zwischen Liebe und Hass… ich liebte und hasste ihn zugleich… ich konnte nicht mit ihm, aber…“ Sie hielt inne und schluckte schwer.
Tessa vervollständigte ihren Satz fast kaum hörbar: „… du konntest auch nicht ohne ihn…“

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Monika nickte. „Genau so war es… Nach einigen Monaten wurde Kevin immer unnahbarer. Er hatte Probleme, sich die Drogen zu besorgen. Meist war das Geld vom Amt innerhalb kurzer Zeit aufgebraucht. Irgendwann bemerkte ich, dass er ungepflegter und durchgefrorener war denn je. Er weigerte sich inzwischen auch kategorisch, mich zu ihm zu lassen. Wir konnten uns nur noch bei mir oder außerhalb treffen. Ich stellte ihn eines Tages zur Rede und er gestand mir wütend, dass er seine Wohnung verloren hatte und seither auf der Straße lebte…“

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„Ich wollte ihm helfen, ihn bei mir wohnen lassen… es ging nur wenige Tage gut… er war einfach nicht mehr der Mensch, den ich kennengelernt hatte… wir haben uns ununterbrochen gestritten… eines Nachmittags, als wir uns erneut in den Haaren lagen, warf er mir vor, ihn nicht mehr zu lieben. Er dachte, ich verurteile ihn für das, was er war. Ich sagte ihm, dass das nicht stimmt – dass ich ihn über alles liebte, über alles… ich weiß nicht, ob er es mir geglaubt hat… aber seine traurigen, wütenden Augen habe ich noch heute vor mir…“

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Sie erschauderte kurz und musste sich einige Sekunden sammeln, ehe sie weiter sprach.

„Jedenfalls brauchte Kevin immer mehr von den Drogen und natürlich blieb eine gewisse Beschaffungskriminalität nicht aus. Auch dies war ein Grund dafür, dass das Zusammenleben nicht funktionierte. Er fand Obdach bei der Drogenbehörde… jedenfalls meistens. Doch der Winter in jenem Jahr war kalt und garstig. Wir stritten uns nur noch… und irgendwann sagte Kevin mir, dass es wohl besser sei, wenn wir uns nicht wiedersähen. Ich glaubte mich verhört zu haben. Doch er meinte es ernst und blieb viele Wochen verschwunden. Ich konnte ihn nicht finden… doch ich hörte nicht auf ihn zu suchen. Eines Abends… ich saß in meiner Wohnung und versuchte mich abzulenken, ergriff mich eine seltsame Unruhe. Ich hatte das Gefühl, ihn unbedingt jetzt noch suchen zu müssen. Also zog ich mich warm an und ging zu jener Stelle, an der wir uns zum ersten Mal getroffen hatten…“
Monikas Stimme zitterte und wurde brüchig. „Ich HABE Kevin an jenem Abend gefunden… erfroren im Schnee…“

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Es war still im Raum. Man hätte fast eine Stecknadel fallen hören können.
Tessa wagte es kaum Monika anzusehen. Diese starrte bewegungslos vor sich hin, ohne dass ihr Gesicht irgendeine Regung verriet. Sie schien meilenweit fort zu sein.

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Irgendwann setzte sie wieder an. „Ich habe mir monatelang unendliche Vorwürfe gemacht. Habe gedacht, wenn ich nur mehr nach ihm gesucht hätte… ihn eher gefunden… doch heute weiß ich, dass diese Vorwürfe nicht richtig sind. Auch wenn ich es mir jeden Tag erneut sagen muss, so weiß ich inzwischen, dass ich Kevin nicht retten konnte. Das hätte nur er selbst gekonnt. Ich habe mich immer verantwortlich für ihn gefühlt… habe dabei gänzlich mich selbst vergessen und am Ende stand ich vor einem Scherbenhaufen… Fast alle Freunde hatte ich verloren… fast sogar meine Arbeit… und letztlich auch meine Liebe… doch ich weiß nicht, was ich hätte tun können, um es zu verhindern. Ich habe ihn angefleht, ich habe ihn angeschrien, ich habe ihn angebettelt, ich habe alles versucht, um ihn zu einem weiteren Entzug zu überreden… ich habe ihn gebeten, bei mir zu übernachten, wenn er sonst kein Obdach fand… er wollte nicht… er war nicht mehr er selbst. Sein Leben war nur noch von den Drogen bestimmt. Später habe ich erfahren, dass er nicht nur erfroren war, sondern auch eine Überdosis in sich hatte… es wäre geschehen… so oder so…“
Sie schwieg wieder. Tessa spürte, wie ihr Atem schneller ging und sich in ihr ein derart heftiger Schmerz ausbreitete, dass sie meinte, ihn nicht länger aushalten zu können. Rasende Angst ergriff sie.
Da erhob Marius das Wort. „Danke, Monika, für den Mut, dies alles noch einmal zu durchleben, in dem du es uns erzählst. Es ist wirklich eine furchtbare Geschichte, die dir und Kevin widerfahren ist. Aber was du gesagt hast, ist ganz richtig: Es ist nicht richtig, sich Vorwürfe zu machen…“

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Er sah in die Runde. „Möchte noch jemand etwas dazu sagen?“
Tessa schluckte und spürte Monikas Blick auf sich ruhen.
„Ich…“, hörte sie ihre eigene, dünne Stimme. „Ich… mache mir auch Vorwürfe… furchtbare Vorwürfe. Und ich denke durchaus, dass ich sie mir machen muss…“
„Tessa…“, sagte Marius langsam. „Möchtest du uns vielleicht auch deine Geschichte erzählen?“

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Tessa schluckte und nickte langsam. „Ich denke, das sollte ich…“
Unsicher betrachtete sie ihre Fußspitzen und überlegte, wo sie anfangen sollte.
„Ich hab Jess auch auf eine ganz seltsame Art und Weise kennengelernt“, sagte sie dann langsam. „Im Supermarkt… er hatte vor Hunger ein wenig Essen mitgehen lassen, ich hab das mitbekommen und ihm aus der Patsche geholfen…“ Sie lächelte ein wenig, wenn sie jene Zeiten und ihren Übermut zurückdachte. Eigentlich konnte sie heute nur noch den Kopf über die abstruse Situation schütteln... und doch wurde ihr Herz so unglaublich warm, wenn sie an jenen Abend im August zurückdachte...

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„Ich habe ihm direkt angesehen, dass etwas nicht stimmte… ich wollte ihn nicht gehenlassen. Irgendetwas sagte mir damals wohl schon, dass er für mein Leben eine große Bedeutung haben würde. Wir haben uns näher kennengelernt… und waren lange befreundet. Schon damals wurde mir klar, wie schwierig die Situation war. Jess war obdachlos, von Anfang an. Und nach Heroin süchtig.“

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„Ich konnte niemanden davon erzählen. Meine Eltern sind in dem Punkt völlig verbohrt… sie halten alle Süchtigen für Abschaum… und mein bester Freund begann sogar, mir hinterher zu schnüffeln… mir den Umgang mit Jess verbieten zu wollen.“
Im Raum erhob sich mitfühlendes Gemurmel. Tessa zuckte mit den Schultern. „Es war mir egal… ich habe Jess weiterhin getroffen. Im Herbst ist uns klar geworden, dass zwischen uns mehr ist als bloße Freundschaft…“, sie lächelte leicht. „Von da an waren wir ein Paar… doch das machte die Sache nicht einfacher. Auch ich habe oft versucht, Jess von einem Entzug zu überzeugen… aber er wollte davon nie etwas hören. Er hatte schon einige hinter sich – alle erfolglos. Da er keine echten Verwandten mehr hat, schien ihm alles so ohne Perspektive zu sein, glaube ich. Jedenfalls… haben wir uns irgendwann immer öfter gestritten. Wir haben nie über seine Sucht, die Drogen oder alles andere, was damit zu tun hatte, gesprochen. Es schien tabu zu sein für uns… vielleicht war das der Fehler.“ Sie blickte nachdenklich in das Licht einer flackernden Kerze am Boden.

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„Im Januar haben wir uns furchtbar gestritten – es schien wie das Aus unserer Beziehung. Danach wurde ich sehr krank, konnte Jess lange nicht besuchen, ihm nicht sagen, dass es mir leid tat und ich ihn natürlich nicht verlassen habe. Nach Wochen konnte ich ihn endlich wieder suchen, aber ich fand ihn nicht. Natürlich befürchtete ich das Schlimmste…“ Sie schluckte. „Doch dann habe ich ihn auf den Tip einer Bekannten hin gefunden… in einer Ruine… bei den `Dark Hellows´…“
Das Raunen, das durch den Raum ging, zeigte Tessa, dass dieser Begriff hier nicht unbekannt war. „Es lief nicht so gut für mich“, sagte sie langsam und schauderte, als sie an jene Nacht zurückdachte. „Ich bin in die Klemme geraten und wurde von einem der Hellows angegriffen und ziemlich böse verprügelt…“

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Sie spürte Monikas entsetzten Blick auf sich ruhen, sprach jedoch ruhig weiter. „Jess fand mich dort… er hielt sich zur selben Zeit in der Ruine auf. Er brachte mich nach Hause… er hat mir vermutlich das Leben gerettet, ich weiß nicht, was sie mit mir angestellt hätten… jedenfalls wurde Jess durch diesen Vorfall klar, dass er mit den Drogen aufhören wollte. Das war vor etwa drei Wochen…“
Sie seufzte schwer. „Doch er stellte eine Bedingung: er wollte nicht wieder in eines der Therapieheime, er wollte es bei mir zu Hause machen… und ich stimmte zu…“ Sie sah traurig auf. „Ich hatte keine Vorstellung, wie furchtbar so ein kalter Entzug ist. Wie gefährlich noch dazu. Ich hätte sonst alles daran gesetzt, ihn umzustimmen. Wir überstanden den kalten Entzug mit viel Mühe. Doch dann … dann kam mich meine Mutter besuchen… meine Mutter, die Menschen wie Jess als Abschaum sieht und nie etwas von ihm erfahren hatte. Was hätte ich tun sollen? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass ich das falsche getan habe, ich habe ihn versteckt. Das hat er mir übel genommen. Wir stritten uns… er bekam wenige Tage später einen furchtbaren Rückfall… und am Morgen danach war er… er war fort…“
Tessa schluckte schwer und holte tief Luft. Sie spürte, wie Schmerz, Verzweiflung und Trauer in ihr hoch wallten. „Ich… ich mache mir solche Vorwürfe…!“

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Sie merkte, wie die Tränen unweigerlich in ihr aufstiegen und wollte aufspringen und zur Tür hinaus laufen, doch da spürte sie Monikas Hand auf ihrem Arm, die sie zurückhielt.
„Nein… lauf nicht weg. Wir sind doch hier. Ich bin doch hier. Weine, wenn es dir hilft, Tessa!“
Und im selben Moment begann Tessa hemmungslos zu schluchzen, während Monika neben ihr stand und ihr sanft den Rücken streichelte.

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Nach einer Weile hatte sie sich wieder beruhigt, so dass Marius langsam sagte: „Das war sehr mutig von dir, uns diese Geschichte zu erzählen, Tessa. Ich will einige Dinge dazu sagen. Dass du dir Vorwürfe dazu machst, ist verständlich. Doch du brauchst sie dir nicht zu machen. Es ist wie bei Monika… wie bei uns allen. DU bist nicht für Jess verantwortlich. Du kannst ihm nicht helfen, du kannst ihn nur unterstützen. Und das hast du nach allen Mitteln getan. Nicht nur der Süchtige selbst ist Opfer… auch seine Angehörigen. Aber ich spreche nicht gerne von Opfern, denn sie sind hilflos und schwach. Und das musst du nicht sein. Du hast ein Recht auf ein Leben, auf dein Leben. Und darauf, dass du gesund und stark bist. Anders hilfst du auch Jess nichts. Was dir geschehen ist, war furchtbar… du hast den kalten Entzug mit ihm durchgemacht und das ist kein Pappenstiel. Dass es zum Scheiten verurteilt war, ist jedoch leider klar. Die Abhängigkeit von Heroin ist unendlich kompliziert und schwer zu heilen. Dafür braucht es professionelle Hilfe, die du ihm nicht geben konntest… du brauchst dich deswegen nicht zu quälen.“

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„Das ist es ja auch nicht alleine“, erwiderte Tessa und ballte die Fäuste. „Ich… ich mache mir Vorwürfe, dass ich ihn vor meiner Mutter versteckt habe. Wäre das nicht passiert, so wäre er heute vielleicht noch bei mir…“
„Tessa…“, sagte Monika vorsichtig. „Du machst dir etwas vor. Er wäre vermutlich dennoch nicht bei dir… die Sucht ist zu stark. Alleine schafft er das nicht. Dass er es bis zu diesem Punkt durchgehalten hat, zeigt schon, wie sehr er dich lieben muss. Aber er hätte professionelle Hilfe gebraucht, Tessa…“

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„Wo ist Jess jetzt?“ fragte Marius vorsichtig.
Tessa begann erneut zu schluchzen. „Ich weiß es nicht“, stieß sie hervor. „Ich war einige Male am Bahnhof, wo wir uns immer getroffen haben… doch er ist nicht da… ich habe Angst um ihn, denn er hat es sich damals in der Ruine mit dieser Gang verdorben… was, wenn sie ihm etwas angetan haben… oder gar er sich selbst? Ich weiß nicht, wie ich ihn finden kann… und ich weiß auch nicht, wie es dann weitergehen sollte… ich weiß nicht, wie ich es ertragen soll, ihn noch einmal zu verlieren, noch einmal zu hoffen… ich fühle mich so leer, so kraftlos… und auch dafür hasse ich mich!“
„Tessa, du brauchst dich nicht zu hassen. Du tust nichts, als zu überleben zu versuchen. Es ist vollkommen richtig, dass du erst einmal an dich selbst denkst“, sagte Marius sanft. „Danach kannst du weitersehen und Jess vielleicht helfen, indem du ihn zu einem weiteren, aber professionellen Entzug bringst…“
„Ich weiß nicht, ob er es jemals wieder versuchen wird, nachdem er weiß, dass ich nicht zu ihm gestanden bin…“

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„Das mag ein Fehler gewesen sein“, sagte Monika langsam. „Aber es ist nichts ungewöhnliches. Und wir haben nicht immer die Wahl. Was gewesen ist, kannst du nicht mehr ändern… du kannst nur daraus lernen.“
Tessa seufzte lange auf und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Damit hast du wohl nicht ganz unrecht“, sagte sie langsam. „Und doch werde ich meine Schuldgefühle wohl niemals ganz los werden… bis ich Jess wieder gefunden habe…“
Sie sah sie traurig an.
Die beiden redeten noch ein Weilchen mit der Gruppe, dann verabschiedete man sich. An diesem Abend lag Tessa in ihrem Bett und fühlte sich leichter als vorher.
Und als sie die Augen schloss, tauchten Bilder vor ihrem inneren Auge auf.

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Bilder von ihr und Jess, in jenen Momenten, in denen sie glücklich und zufrieden gewesen waren. Fern von jeder Sucht, jeden Drogen, jedweder Angst…
Sie würde nicht aufhören, ihn zu suchen. Sie würde nicht aufhören, ihn zu lieben.

Dessen war sie sich sicher.
Und in dieser Nacht hielt sie Jess in ihren Träumen ganz fest…

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Fortsetzung folgt.
 
Hallo, komme erst jetzt zum lesen! Da hast Du aber zwei sehr gefühlvolle kapitel hingezaubert!

Beim nächsten kapitel schreibe ich mehr, muss jetzt zur Arbeit ;-)
 
Hallo Innad,
eigentlich wollte ich dir ein super langen Kommi schreiben, aber ich bin viel zu überwältigt und verdaue gerade das Gelesene.

Dein Schreibstil ist so fesselnd, deine Beschreibungen der Gefühle und Ängste lassen den Leser selbst in diese Geschichte eintauchen.

Ich bin gespannt auf deine Fortsetzung, und ob es doch noch ein Happy End für Tessa bei dir gibt, egal in welcher Form, sei es mit oder auch ohne Jess.

Lieben Gruß
estrela
 
Hey,
wollte dir nur eben sagen, dass ich die letzten beiden Kapitel gelesen habe und wiedermal sehr schön fand. Besonders das letzte hat mich sehr bewegt. Zum einen, dass Tessas Geschichte kein Einzelfall ist, zum anderen, dass nochmal die Geschichte von Tessa und Jess zusammengefasst wurde. An der Stelle, als Monika erzählt wie sie Kevin erfroren im Schnee gefunden hat, habe ich richtig Angst bekommen, dass Tessa Jess auch eines Tages so finden wird... Es klingt vielleicht albern, aber ich fühle bei deiner Story einfach sehr mit :)
Liebe Grüße, Lexi
 
@chrissy1709: Lieben Dank für Deinen Kommi! :)


@estrela: Vielen Dank für Deinen Kommi, ich freu mich immer, wenn sich stille Mitleser/innen outen :) Es freut mich totaaaaaaaaal, dass Dir die geschichte so gut gefällt und wegen des Happy Ends sage ich nur: Abwarten ! :)


@Sexy_Lexi:
Nein, das klingt gar nicht albern, sondern ist für mich sehr schön und aufbauend. Ja, der kleine Rückblick hat mir auch gut gefallen, man merkt daran, wie viel doch schon geschehen ist seither. Natürlich hat Tessa jetzt auch Angst, dass ihr dasselbe widerfährt wie Moni... :(



@ALL
: Es geht heute weiter, viel Spaß. Ich bin momentan arg fix, ich weiß, aber es macht mir gerade irgendwie so viel Fun :D
 
Kapitel 42
Überlegungen




Eine Woche später kam Monika Tessa zu Haus besuchen. Sie hatten in den letzten Tagen öfters miteinander telefoniert und waren zweimal gemeinsam Kaffee trinken gegangen. Es war wirklich erstaunlich, wie nah sie einander bereits in dieser kurzen Zeit gekommen waren.
Ob es ihre ähnlichen Schicksale waren, die sie verbanden, oder einfach die Tatsache, dass sie auch in allen anderen Bereichen auf einer Wellenlänge zu schwimmen schienen, war letztlich gleichgültig. Fakt war, dass es sich mit einem Menschen, der sich sorgte, kümmerte und mit dem man über alles sprechen konnte, viel besser lebte und die Situation viel leichter zu ertragen war als vorher. Tessa war nun nicht mehr so einsam wie zuvor.
Die Freundschaft mit Monika gab ihr Kraft. Eine Kraft, die sie brauchen würde, um Jess zu finden.
Sie saßen nach dem Essen gemeinsam am Tisch und wie so oft sprachen sie über Jess.

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„Ich war fast jeden Tag am Bahnhof, vor der Arbeit und nach der Arbeit“, sagte Tessa bekümmert. „Ich konnte ihn nicht finden. Auch Jasmin habe ich nicht finden können. Ich weiß nicht, was ich noch tun soll, Monika. Ich habe furchtbare Angst, dass ihm etwas zugestoßen ist…“
Tessa schluckte. „Vielleicht ist er doch wieder zurück zu den ´Hellows´?“ Sie sah beschämt auf ihre Fingerspitzen. „Doch ich wage es nicht noch einmal, dorthin zu gehen…“
Monika sah sie bestürzt an. „Um Himmels Willen, du hast doch nicht ernsthaft diesen Gedanken gehabt, oder? Nachdem, was letztesmal geschehen ist?“

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Tessa zuckte mit den Schultern. „Ich weiß, es wäre wahnsinnig, noch einmal dort hin zu gehen. Aber es ist der einzige Ort, an dem ich vielleicht etwas über Jess herausfinden könnte…“
„Tessa, schlag dir das sofort aus dem Kopf! Es ist viel zu gefährlich, und nicht nur für dich. Selbst wenn Jess wieder dort wäre, was ich mir nicht im geringsten vorstellen kann, würdest du ihn durch dein erneutes Auftauchen dort in allergrößte Gefahr bringen… denk doch nur daran, was letztes Mal geschehen ist…“
Tessa blickte beschämt zu Boden. „Ich weiß…“, sagte sie leise.
„Abgesehen davon finde ich, dass man diese Überlegung vollkommen ausschließen kann“, fuhr Monika fort. „Dass Jess wieder dort ist, meine ich. Es wäre für ihn viel zu gefährlich – er gilt dort aus Verräter, er hat einen der Gruppe angegriffen und du hast Timo ja gehört in der letzten Sitzung – nach deinen Schilderungen muss es einer der Anführer gewesen sein, der dich damals angegriffen hat. Jess wäre mehr als nur lebensmüde, wieder dorthin zurück zu kehren… das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Vielmehr denke ich, dass er sich so verborgen wie möglich hält… vielleicht ist er gar nicht mehr in der Stadt. In der Szene kennt jeder jeden… wenn er wieder zurück gegangen wäre, auch nur zurück an den Bahnhof und wieder ins ´Milieu´, wäre die Gefahr, entdeckt und zur Rechenschaft gezogen zu werden, nicht gerade klein… das vernünftigste für ihn wäre es wohl gewesen, die Stadt zu verlassen.“

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Tessa schluckte. In ihrem Hals hatte sich ein riesiger, schmerzhafter Kloß gebildet. Sie wusste, dass Monikas Worte mehr als einleuchtend waren. Aber der Gedanke, dass Jess wirklich die Stadt verlassen haben könnte, schnürte ihr den Hals zu. Wo sollte er hingegangen sein? In eine andere Großstadt, wo ihn niemand kannte, wo ihm niemand nahe kommen konnte, ihm niemand gefährlich werden? Wie sollte sie ihn jemals finden… irgendwo in der Republik, ein namenloser Mensch, der weder irgendwo registriert noch bekannt war…
Tessa atmete tief ein. Noch wollte sie daran nicht glauben. Doch ein anderer Gedanke, der sich ebenfalls anbot, war noch viel erschreckender.
„Ich habe solche Angst, dass er… dass er nicht mehr… lebt“, stieß sie mit dünner Stimme hervor. „Dass ihm diese Gang etwas angetan hat zum einen. Oder dass sein Körper einen erneuten Schuss nach diesem Entzug nicht überstanden hat…“
Tessa schwieg und versuchte, diesen furchtbaren Gedanken zur Seite zu schieben.

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„Tief in mir bin ich davon überzeugt, dass er noch lebt…“, sagte sie leise. „Er scheint mir so nahe zu sein. Wenn ich ihn doch nur finden könnte…“
Monika schwieg einen Moment, dann sagte sie sanft. „Tessa… ich muss dich etwas fragen. Nehmen wir einmal an, du würdest ihn finden. Wie sollte es dann weitergehen?“
Tessa sah sie lange an. „Ich weiß es nicht“, erwiderte sie dann müde. „Ich kann es dir nicht sagen…“
„Du weißt, dass alles wieder von vorne anfangen würde…“, sagte Monika langsam. „Ich weiß nicht, ob Jess bereit wäre, noch einen Entzug zu beginnen und selbst dann gibt es keine Garantie darauf, dass er letztlich wirklich clean bleibt…“

Tessa nickte. „Ich weiß. Aber was soll ich tun? Ich kann ihn nicht aufgeben! Ich liebe ihn zu sehr…“
Monika nickte und seufzte. „Ich weiß… ich kann dir so gut nachfühlen. Und dennoch…“, sie sah Tessa ernst an. „Wenn du Jess finden solltest… und er dich abweist… dann solltest du darüber nachdenken… er liebt dich und vermutlich würde er dich schützen wollen, schützen vor erneutem Leid. Und wenn er dir einen Weg aufweist, dann…“
Tessa schüttelte den Kopf. „Nein, Monika, das könnte ich nicht. Ich würde mir ewiglich Vorwürfe machen. Verstehst du das nicht?“

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Monika seufzte. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie gut ich es verstehe… und vielleicht hast du recht. Wenn man liebt, kann man sich nicht abwenden. Das ist wohl das Einzigartige an der Liebe… und auch das Zerstörerische… zumindest in einem Fall wie deinem… oder meinem…“
Tessa nickte und drückte kurz Monikas Hand, weil sie spürte, dass diese erneut der Schmerz über den Verlust ihres geliebten Kevin übermannte.
Monika lächelte ihr tapfer zu und sagte dann: „Sag mal, Tessa… haben deine Eltern denn nie Verdacht geschöpft, dass irgendetwas mit dir nicht stimmen konnte? Ich meine, ich habe dich nicht gekannt, bevor du Jess getroffen hast. Aber ich weiß, wie sehr ICH mich unter der Belastung mit Kevin verändert habe. Ich habe mich am Schluss fast völlig selbst verloren gehabt…“
„Ja, so fühle auch ich mich“, erwiderte Tessa langsam. „Und meine Eltern… tz…“, sie lachte bitter auf. „Nein, die haben nichts bemerkt. Gar nichts. Selbst als meine Mutter mich mit meinem deutlich verprügelten Gesicht gesehen hat, nahm sie mir die Ausrede mit dem Treppensturz sofort ab…“
Sie seufzte. „Sie sind viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Ich habe ihnen niemals viel vorspielen müssen. Sie haben nie etwas bemerkt. Nie.“

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Sie sah Monika wieder an. „Aber es war trotzdem ein Fehler, ihnen nichts zu sagen, das weiß ich heute.“
Monika zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht… natürlich war es nicht ganz richtig. Doch wie du sagst, sind sie in dieser Hinsicht sehr verbohrt. Ich weiß nicht… vielleicht hätten sie dir das Leben zur Hölle gemacht… manchmal sind Eltern zu allem im Stande.“
Tessa nickte zerstreut. „Es ist alles so furchtbar kompliziert und verworren. Ich fühle mich, als würde ich zwei Leben leben… schon seit Monaten. Das mit Jess… und das, von dem meine Eltern denken, dass ich es lebe…“
Sie seufzte wieder. „Aber das allerwichtigste im Moment ist, dass ich Jess wiederfinde. Danach kann ich weitersehen… sobald ich ihn wiedergefunden habe, werde ich mit ihnen reden, auch wenn ich mich davor fürchte. Aber erst einmal ist es nur wichtig, Jess zu finden… und sicher zu stellen, dass er noch lebt.“
Sie sah Monika verzweifelt an. „Wenn ich doch wenigstens das wüsste! Dass er noch lebt!“

Monika sah auf. „Ich hab eine Idee, wie du zumindest eine gewisse Chance hast, das herauszufinden!“
„Was meinst du?“

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„Die Drogenbehörde! Sie führt eine Liste… eine Liste der Drogenopfer“, erwiderte Monika schnell und fügte leiser hinzu: „Auch Kevin war damals aufgelistet… Jedenfalls… wenn irgendwo jemand stirbt und gefunden wird... auf der Straße meine ich… und man herausfindet, dass es ein Drogenopfer war, so wird dies in der Drogenbehörde gelistet. Zum einen für die Statistik, aber auch weil viele der obdachlosen Drogensüchtigen ja schon einmal in der Behörde essen und schlafen und zum Teil auch namentlich dort bekannt sind.“
Tessa sah sie mit weitaufgerissenen Augen an.
„Bist du dir sicher?“
„Ja, bin ich“, sagte Monika schnell. „Wenn er nicht darauf ist, hast du zwar auch nicht die hundertprozentige Garantie, dass nichts geschehen ist… aber es ist wenigstens um vieles unwahrscheinlicher. Wenn Jess nicht auf der Liste steht, so wird er mit großer Wahrscheinlichkeit noch leben… und wenn du ihn dann weiterhin nicht findest, kannst du davon ausgehen, dass er tatsächlich die Stadt verlassen hat, um sich vor der Gang zu schützen.“


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Tessa spürte, wie sich ihr Magen flatterig zusammenzog.
„Und du meinst, ich kann einfach so in diese Liste hineinschauen?“
Monika schüttelte den Kopf. „Ich denke nicht, dass es so einfach ist, aber ich würde es auf jeden Fall versuchen. Fahr morgen zum Drogenbüro und erkundige dich… mit etwas Glück bekommst du die Auskunft, die du brauchst…“

Tessa sah Monika lange an und nickte dann. „Ja, das werde ich machen… ich habe zwar furchtbare Angst vor dem Ergebnis… aber dann werde ich wirklich Sicherheit haben… zumindest mehr als momentan…“

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Mit unbehaglichem Gefühl starrte sie ins Leere. Sie wollte sich nicht vorstellen, was geschehen würde, wenn sie morgen Jess´ Namen auf dieser Liste finden würde.
Sie wollte nicht einmal daran denken. Und doch war da in ihr diese klamme Angst, die ihr zuflüsterte, dass genau dies geschehen könnte.....






Fortsetzung folgt.
 
Oh nein, ich hoffe so sehr, dass er nicht auf der Liste steht....!!!

Vielleicht hat er ja doch die Stadt verlassen?!

Hoffentlich gibt es für beide ein Happy End!
Auch wenn es nicht einfach werden wird, ihn zu finden und ihn dazu zu bringen, dass er einen Entzug macht!

Wieder mal ein tolles Kapitel!

Schön, dass Dir das Schreiben wieder soviel Freude bereitet!

Liebe Grüße
Chrissy
 
Zuletzt bearbeitet:
ICh hoffe er steht nicht auf der Liste.

Hoffentlich kommen sie am Ende doch noch zusammen.
 
Ich bin fest überzeugt davon, dass Jess nicht auf der Liste steht. *zwinker zu Innad*
Entschuldige, dass ich erst jetzt schreibe. Ich bin grad so im Weihnachtsstress und hatte so viel um die Ohren....dabei haben mich die letzten drei Kapitel wirklich mitgerissen.
Ich finde, sie haben direkt etwas melancholisches an sich. Mehr denn je kommt Tessas Verzweiflung zum Tragen. Ihre innere Leere, ihre Zerrissenheit und die Veränderung, welche mit ihr vorgegangen ist. Ich finde es irre mutig, dass sie sich mit der Selbsthilfegruppe Hilfe geholt hat. Das war so wichtig auch für Tessa. Wie schwer ist es, all das allein zu tragen. Das kann kein Mensch aushalten. Jetzt hat sie Rückhalt, jetzt hat sie jemanden, der sie versteht. Gleichgesinnte. Menschen, die sie nicht verachten. Menschen, die Jess nicht verachten. Menschen, die sie sogar verstehen. Freunde wie Monika. Dieses Mädel tut Tessa unheimlich gut - auch umgekehrt ist es gewiss so. Als Monika ihre Geschichte erzählt hat, kamen mir echt die Tränen. Sie muss ihren Freund wirklich über alles geliebt haben. Das er gestorben ist...*snief*. Monika tut mir so leid. Gleichzeitig wirkt sie aber auch so stark und gereift. Das berührt total...und geht bis ins Herz. Ich denke, sie wird noch sehr wichtig für Tessa in allen Lagen. Eine Stütze, die unersetzbar ist. Ich hoffe, mit ihr kann sie Jess finden und endlich Antworten auf so viele Fragen bekommen. Das eine Chance besteht, diese Beziehung fortzusetzen...ich glaub es nicht. Kann es mir auf alle Fälle nicht vorstellen oder so....es wäre schön, aber nicht realistisch. Jess kennt sein ganzes Leben lang nur die Drogen. Sonst nichts.
Ich denke, Tessa hat keine Chance Jess zu finden....so lange er es nicht zulässt, gleich gar nicht. Er muss es wollen, dann hat ihre Beziehung eine erneute Chance. Nur dann kann sie ihn finden.
Ich fand es so schön, was in einem dieser Gespräche mit der Gruppe gesagt wurde.
DU bist nicht für Jess verantwortlich. Du kannst ihm nicht helfen, du kannst ihn nur unterstützen.
Es stimmt! Verantwortlich ist man immer nur für sich selbst. Tessa hat alles getan, Jess zu unterstützen. Sie hat alles gegeben, ihr Leben auf den Kopf gestellt, sich von allen zurück gezogen und sich abgeschottet....was kann sie noch tun??? NICHTS! Der Rest muss von Jess kommen, nur von ihm. Er muss es wollen. Er muss diese Kraft haben, ER MUSS ES TUN! Tessa hat keine Schuld, ich hoffe das sie daran glaubt und ihr Leben wieder in den Griff bekommt.
Tolle Kapitel, wieder allererste Sahne und wirklich ein wahres Meisterstück. Die Fotos wie gewohnt passend und wunderschön!!! Weiter so!!!
 
@chrissy1709: Ja, es wirklich zu hoffen, dass Jess nicht auf der Liste steht! Aber wenn er die Stadt verlassen hat, ist es für Tessa mehr oder minder auch unmöglich, ihn zu finden. Ich meine, er geht ja nicht irgendwo aufs Einwohnermeldeamt oder so... er wäre praktisch auch in dieser HInsicht mehr oder minder für sie verloren, wobei sie natürlich nie mit Gewissheit wüsste, ob er die Stadt wirklich verlassen hat oder einfach nur die Plätze meidet, an dem sie ihn finden kann. So eine Stadt ist ja groß.
Ja, das Schreiben läuft zur Zeit ganz gut :) Danke für deinen Kommi!!



@saispatz: Ich freu mich sehr, dass Du Dich meldest!!! :) Über neue Leser/innen freu ich mich immer besonders ;)
Ob sie am Ende doch nicht endgültig zusammenkommen, ist natürlich sehr sehr fraglich.
Danke für Deinen Kommi!!!


@FunnyChrissy: Sei mir nicht bös, dass ich diesmal nicht so arg auf Deinen Kommi eingehe, sondern mich nur bedanke!!! Für Tessa ist die Gruppe wirklich arg wichtig, das stimmt, und Moni besonders!!!
Ich bin gerade arg im Stress (Vorweihnachtswoche halt... ;)), darum bin ich so kurz angebunden!!!!
 
Kapitel 43
Die Liste


Tessas Schritte wurden langsamer und immer schwerer, je näher sie dem großen, grauen Gebäude kam, in der sich das Büro der Drogenhilfe befand.
Einige Meter vor dem Eingang blieb sie schließlich unsicher stehen und starrte geradeaus. Sie fühlte sich fast wie festgewachsen, als wolle sich ihr Körper dagegen wehren, in dieses Gebäude zu gehen, aus Angst vor dem, was sie dort vielleicht erfahren würde.
Sie seufzte schwer und starrte dann wieder auf das Muster des Gehwegs unter ihren Füßen. Dabei stellte sie sich vor, wie oft Jess diesen Weg hier wohl schon entlang gegangen war… immerhin war er oft und wohl in irgendeiner Form auch recht gerne hierher gekommen. In den Gemeinschaftsräumen hatte er seine Bilder malen können, hier hatte er eine heiße Dusche und ein hin und wieder ein warmes Bett bekommen.
Als sie sich ausmalte, wie vertraut diese Umgebung für Jess sein musste, fühlte sie sich für einen Moment leichter. Doch dann übermannte sie wieder das schmerzliche Gefühl, das sich jedes Mal in ihr ausbreitete, wenn sie intensiver an Jess dachte. Das Gefühl von Angst zum einen… das Gefühl von Sehnsucht zum anderen. Sie seufzte erneut tief auf.

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Sie schluckte schwer und hob dann den Kopf. Es machte keinen Sinn, hier auf der Straße herum zu stehen und Trübsal zu blasen. Sie war hierher gekommen, weil sie Klarheit erlangen wollte. Also holte sie tief Luft und betrat das Gebäude. Ein Hinweisschild zeigte, dass ich das Büro im ersten Stock befand, also stieg Tessa die Treppen nach oben und schaute sich dabei aufmerksam um. Irgendwo in ihr war eine leise, wenn auch äußerst geringe Hoffnung, Jess vielleicht sogar hier anzutreffen… immerhin war er oft hierher gekommen… und darüber hinaus wäre er hier wohl recht sicher vor irgendwelchen Übergriffen gewesen. Doch die meisten Türen waren verschlossen. Tessa fand schließlich das Büro der Behörde auf der oberen Etage und ging raschen Schrittes in den freundlich eingerichteten Raum. Für Zweifel blieb jetzt keine Zeit mehr – sie musste jetzt entschlossen und selbstbewusst auftreten, wenn sie an ihr Ziel kommen wollte.

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Einen Moment blieb sie unschlüssig stehen und sah sich um. In der Ecke befand sich eine gemütliche Sitzecke, offenbar eine Lese-Ecke, und im Raum standen einige Schreibtische, an denen Frauen saßen und tief in ihre Arbeit versunken zu sein schienen. Ein Durchbruch in der Wand führte in eine Art Gemeinschaftsraum, aus der man das Lachen einiger junger Stimmen klingen hörte. Jess´ Stimme war nicht dabei.
„Kann ich Ihnen helfen?“ hörte Tessa eine freundliche Stimme. Die junge, schwarzhaarige Frau in der Ecke hatte von ihrem Schreibtisch aufgesehen und blickte Tessa nun freundlich an.
„Ja… ich hoffe“, erwiderte diese rasch. Die junge Frau bedeutete ihr, sich zu setzen.
„Mein Name ist übrigens Jessica. Was kann ich für Sie tun?“

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Tessa setzte sich rasch und sah die Frau an, dann sagte sie langsam: „ Ich heiße Theresa… Theresa Wagner. Es geht darum: Mein Freund ist drogensüchtig und… manchmal ist er hier bei Ihnen, zum Essen und Schlafen und all sowas…“
Sie suchte für einen Moment nach Worten, dann sprach sie fest weiter: „Ich vermisse ihn seit etwa vier Wochen. Er… er ist nicht zu finden… er ist verschwunden… können Sie mir vielleicht weiterhelfen?“

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Jessica sah sie mitfühlend an. „Wie heißt Ihr Freund denn, Frau Wagner? Und wie sieht er aus?“
„Er heißt Jess. Jess Berger… er ist etwa 1,80 groß, sehr schlank, hat braune Haare, blaue Augen… meist trägt er so eine schwarze Jacke mit Felleinsatz…“
Jessica dachte einen Moment nach. „Mh… diese Beschreibung passt unglücklicherweise auf sehr viele von den Männern, die hier ein- und ausgehen…“
Sie lächelte Tessa freundlich an. „Gibt es vielleicht noch etwas Besonderes, was Ihnen einfällt?“

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Tessa nickte. „Oh – ja… vielleicht hilft das… er malt sehr gerne und gut. Ich glaube, er war öfters zum Zeichnen und Malen hier.“
Jessicas Miene hellte sich auf. „Aber natürlich! Jetzt weiß ich, wen Sie meinen… unseren kleinen Künstler Jess… wieso bin ich nicht gleich darauf gekommen! So wie er kann hier niemand malen! Wir haben ihm sogar schon einmal angeboten, einige seiner Bilder auszustellen… aber es kam dann doch nicht dazu.“
„Wissen Sie, wo er ist? War er in letzter Zeit hier?“ fragte Tessa schnell.
„Nein, leider nicht… ich hab ihn schon seit Wochen nicht mehr gesehen… das muss kurz nach Neujahr gewesen sein… es tut mir wirklich leid, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen kann“, erwiderte Jessica und sah Tessa traurig an.

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Tessa schluckte. Sie hatte so etwas schon befürchtet. Doch nun musste sie diese Liste ansprechen, auch wenn sie sich recht sicher war, dass es nicht einfach werden würde, einen Einblick in jene zu erhalten.
„Nun…“, sagte sie mit möglichst fester Stimme. „Gibt es denn gar keine Möglichkeit für Sie herauszufinden, wo er ist oder ob es ihm gut geht?“
Jessica schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein… wir sind eine offene Stelle und niemand muss sich bei uns melden, wenn er nicht möchte. Wenn die Leute zu uns kommen, dann bieten wir Ihnen Hilfe an… aber wir können sie nicht zwingen, vorbei zu kommen.“
Tessa lehnte sich ein Stück nach vorne. „Aber… was bedeutet das, wenn jemand wie Jess, der sonst regelmäßig hier war, auf einmal nicht mehr kommt?“

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Jessica seufzte. „Das kann meist alles bedeuten… von etwas ganz Harmlosen bis zum Schlimmsten.“
Tessa schluckte. „Und… und wenn ihm nun wirklich etwas geschehen wäre… wüssten Sie dann nicht auch darüber Bescheid?“
Jessica sah sie aufmerksam an. „Was meinen Sie?“
„Ich meine – gibt es nicht eine Art…“, es fiel ihr schwer, es auszusprechen. „Eine Art Opferliste oder etwas ähnliches? Jess hat mal so etwas erwähnt…“

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Jessica seufzte. „Das ist richtig, es gibt eine Opferliste. Wenn jemand auf der Straße gefunden wird und es stellt sich heraus, dass es ein Drogenopfer ist, wird uns das gemeldet. Kennen wir denjenigen oder diejenige und können das Opfer somit identifizieren, wissen wir auch, um wen es sich gehandelt hat, ja.“
„Und… können Sie mir dann nicht sagen, ob Jess auf dieser Liste steht?“ stieß Tessa hervor.
Jessica schluckte. „Frau Wagner… diese Liste ist intern. Ich darf keine Informationen davon nach außen geben. Das unterliegt dem Datenschutz…“

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Tessa beugte sich nach vorne. „Ich weiß… aber… gibt es denn gar keine Möglichkeit? Ich möchte mir diese Liste doch gar nicht ansehen… ich möchte nur wissen, ob er darauf steht oder nicht… ein einfaches Ja oder Nein wäre ausreichend… verstehen Sie denn nicht… ich bin verzweifelt. Seit Wochen suche ich nach ihm… diese Ungewissheit ist unerträglich…“
Jessica schluckte. „Ich darf das eigentlich nicht, Frau Wagner. Woher soll ich wissen, dass Sie wirklich Jess´ Freundin sind…“
„Bitte, ich flehe Sie an… vertrauen Sie mir. Woher sollte ich das alles sonst wissen… Jess und ich sind schon seit Herbst ein Paar….“

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Jessica rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her, aber Tessa sah ihr weiter fest in die Augen. Schließlich seufzte sie und sagte. „Nun gut – aber bitte sagen Sie niemanden, dass ich das getan habe. Sonst verliere ich am Ende noch meinen Job.“
Tessa seufzte auf. „Ich danke Ihnen, ich danke Ihnen vielmals… ich werde niemanden etwas sagen, versprochen.“
Jessica nickte und begann, etwas in ihren PC einzutippen. Nervös sah Tessa ihr zu.

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„Momentchen, da haben wir sie ja…“, murmelte Jessica leise. „Baumann, Bahnsen, Baier, Backhaus, Burgherr... er steht nicht drin!“ Sie lächelte Tessa zu.
Dieser schien ein ganzer Zentner an Steinen vom Herzen zu fallen.
„Aber das heißt nicht, dass ihm nichts geschehen ist, oder? Was, wenn er nicht identifiziert worden ist?“ fragte Tessa leise.
Jessica starrte wieder auf die Liste. „Vielleicht kann ich Ihnen auch da weiterhelfen. Ich schaue mir mal die Beschreibungen der anonymen Opfer an, die stehen nämlich immer dabei… Jess war braunhaarig, blauäugig, groß, schlank und Mitte zwanzig… mal sehen…“

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Nach einer Weile sah sie auf und lächelte Tessa zu. „Keine der Beschreibungen passt auf ihn, Frau Wagner. Ich denke, Sie können ziemlich sicher sein, dass er noch lebt. Auf jeden Fall steht auf dieser Liste hier niemand, der auf ihn passen würde.“
Tessa atmete tief durch und lächelte leicht zurück.
„Ich danke Ihnen, Jessica. Ich danke Ihnen wirklich vielmals…“
Jessica nickte ihr zu und drückte rasch die Liste auf ihrem Bildschirm weg.
„Kein Problem. Möchten Sie mir vielleicht Ihre Telefonnummer da lassen? Sollte ich Jess irgendwo hier bei uns sehen, werde ich Sie anrufen.“


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Tessa nickte dankbar und kritzelte rasch ihre Nummer auf einen Zettel. Dann verabschiedete sie sich von Jessica und trat erneut auf die Straße, wo sie unschlüssig stehenblieb.
Ihr Herz klopfte mit ungewöhnlicher Wucht gegen ihre Brust und ihr Atem ging schnell. Sie fühlte sich seltsam befreit und dabei doch unendlich angespannt.
Jess stand nicht auf der Liste… das hieß, er lebte noch! Welch ein Glück!
Doch andererseits war er offenbar schon seit Wochen nicht mehr hier gewesen. Er schien wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Dies konnte eigentlich nur eines bedeuten…er hatte die Stadt tatsächlich verlassen.

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Tessa schauderte unter der Wucht eines Windstoßes zusammen. Der Schnee war schon vor einigen Tagen geschmolzen, der Frühling kam mit aller Kraft. Es war inzwischen so mild draußen, dass man keine Jacke mehr brauchte. An den Bäumen waren bereits die ersten Knospen zu sehen.
Dies schien noch mehr zu verdeutlichen, wie fern Jess ihr war.
Er hatte dieser Stadt und ihr den Rücken gedreht. Doch hatte er sie darum wirklich verlassen? Es fühlte sich nicht so an.

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In den Bäumen hörte Tessa ein Vögelchen zwitschern. Es war wirklich Frühling geworden. Der Winter war nur noch eine wehmütige Erinnerung, jedoch so greifbar nah, dass man den Geruch von Schnee immer noch in der Nase zu spüren schien.
Jess jedoch war fort. Irgendwo war er noch – irgendwo in den Weiten der Republik. Er lebte, er atmete… irgendwo… irgendwo, wo sie ihn nicht finden konnte.
Es war, als habe der Winter ihn mit sich genommen.
Doch in ihrem Herzen war Jess immer noch da. Und würde niemals fortgehen.



Fortsetzung folgt.........
 
Zuletzt bearbeitet:
Dieses KApitel war wieder mal ein gutes Kapitel.
Ich hab da mal ne Frage hab ich dich schon mal gefragt ob du mich benachrichtigst???
Wenn nicht benachrichtigst du mich bitte?
 
@sasispatz: Natürlich, ich benachrichtige Dich gerne!







@ALL:
Es gibt vor Weihnachten vermutlich keine FS mehr von mir, aber ich hab ein kleines Weihnachtsspecial für euch vorbereitet und möchte Euch damit frohe Festtage und viel Spass unter dem Weihnachtsbaum wünschen! Danke für Eure Treue in diesem JAhr, und ich hoffe, dass ihr mir im nächsten Jahr auch noch treu sein werdet bzw. Tessa, Jess, Tru, Monika, Niklas und all den anderen Figuren aus der Story :)
 
Weihnachtsspecial
Tessas Traum


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I'll be home for Christmas,
You can count on me.


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Please have snow and mistletoe
And presents under the tree.


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Christmas Eve will find me,
Where the love light gleams.


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I'll be home for Christmas,
If only in my dreams.


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Christmas Eve will find me,
Where the love light gleams.


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I'll be home for Christmas,
If only in my dreams.



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Sehr schön das Weihnachtsspecial.
Fand den Traum schön,es wär aber schöner wenn das wirklichkeit wär.
 
Hey meine Innad!
Ein wunderschönes Weihnachts Special. Die Fotos sind echt wie aus einer Traumwelt. Sie nehmen einen total gefangen und gaukeln vor, wie schön es für Jess und Tessa sein könnte. Wie sehr ich beiden das doch wünsche. Dieses unbeschwerte Glück...und doch wird es immer überschattet sein von diesen scheiss Drogen!!! Hast du echt toll gemacht, auch wenn ich gerade absolut nicht in Weihnachtsstimmung bin. Zum einen total müde und zum nächsten total erkältet. Na ja - kommt hoffentlich auch noch.
Das Kapitel zuvor ging auch wieder sehr ans Herz. Wengistens hat Tessa nun die feste Gewissheit, dass Jess noch lebt. Das ist doch schon mal etwas und gibt neuen Halt. Aber somit wirft das auch wieder neue Fragen auf - WO IST ER? Ich glaube, Tessa kann nie damit leben. Sie wird ihn suchen. Doch wo fängst du da an? Eine Stecknadel im Heuhaufen zu finden dürfte erfolgsversprechender sein. Ich wünsche es Tessa wirklich. Aber sie hat es nicht in der Hand. Jess allein entscheidet, wann und ob er gefunden wird. Darauf ist sie angewiesen und ich gehe fest von aus, dass Jess Herz siegen wird.
Entschuldige den heute kürzeren Kommi. Aber mir gehts echt nicht so dolle. Ein echt tolles Kapitel!!!
 
@sasispatz: Oh ja, das steht wohl außer Frage, dass es schöner wäre, wenn es Wirklich wäre.


@FunnyChrissy: Ich hoffe, es geht Dir besser und Dein Weihnachtsfest war trotzdem noch ganz schön :) Ja, das stimmt, für Tessa ist es hart, Jess nun nicht finden zu können. Aber Du hast völlig recht, er ist verschwunden wie die Stecknadel im Heuhaufen. Und wo und wie willst Du so jemanden wie ihn suchen? Ich meine, ich habe schon Leute zu finden versucht, von denen ich Namen und Eltern und teilweise den letzten Wohnort kannte - aber wenn die weggezogen sind, dann sind die total verschwunden. Da müsste man schon irgendwo auf der Stadt arbeiten und in die Einwohnermeldedaten kucken können. Und selbst das geht nicht bei Jess, weil er ja mehr oder minder namenlos ist. Ok, er mag einen Personalausweis besitzen (???) aber mehr auch nicht und er ist nirgends gemeldet. Man könnte ihn also nicht einmal als vermisst melden oder sowas. Wie will man so jemanden finden?
Also da versiegt selbst meine Fantasie, ich wüsste nicht, wie sie ihn unter DIESEN momentan Umständen finden sollte. VOn daher hast Du wohl erstmal recht, dass es in seinen Händen liegt und er gefunden werden wollen muss (was für ein Satz!).
Danke für Deinen lieben Kommi!



@ALL:
Ich bin momentan ein bißchen ratlos, weil doch recht wenig Ressonanz auf die jeweiligen Kapitel kommt... ich hoffe, dass das wieder besser wird und ihr einfach alle total im Feiertagsstress ward und noch seid, so wie ich auch ;)

Heute kommt ein Kapitel, das so ein bißchen zur momentan Anfangs- und Endzeit passt. Dieses Jahr gibt es dann aber keine weitere Aktualisierung mehr ;)
Darum wünsche ich euch allen schonmal ein schönes und gesundes, glückliches Jahr 2008 und einen guten Rutsch!!!
 
Kapitel 44
Ein neuer Anfang



Die Wochen vergingen und inzwischen schrieb man den 02. April, einen Sonntag. Es war noch einmal kälter draußen geworden und in dieser Nacht hatte es sogar noch einmal geschneit. Dennoch - der Frühling kam unaufhaltsam und in großen Schritten, er lag in der Luft, man konnte ihn nicht nur riechen, man konnte ihn fühlen.
Mitte März hatte Tessa ein Schreiben der Fachhochschule erhalten, in dem sie zum ersten Unterrichtstag am 03. April eingeladen worden war.
Nun saß sie mit Monika zusammen in einem ihrer Lieblingscafés, am Abend vor Unterrichtsbeginn. Es war recht kühl in dem Café, so dass beide Frauen ihre Jacken nicht ausgezogen hatten. Nachdem sie sich etwas zu essen bestellt hatten, starrte Tessa nachdenklich ins Leere.

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„He Tessa, was ist denn los?“ fragte Monika und sah ihre Freundin aufmerksam an. „Du sitzt schon seit Minuten da und sagst kein Wort?“
Tessa seufzte. „Ich weiß – es tut mir leid. Heute ist irgendwie ein komischer Tag.“
„Willst du darüber reden?“


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Tessa seufzte. „Es gibt gar nicht so viel dazu zu sagen. Ich weiß auch nicht… vielleicht liegt es daran, dass es noch einmal geschneit hat. Blöder April…“
Monika nickte mitfühlend. „Ich weiß, was du meinst. Ich verbinde den Schnee immer unweigerlich mit der Erinnerung an Kevin. Und dir geht es mit Jess vermutlich ähnlich, oder?“
Tessa nickte. „Der Schnee hat einen speziellen Geruch, findest du nicht auch? Ich hab heute Morgen diesen Geruch vernommen und es hat sofort unendlich wehgetan. Der Schnee erinnert mich an Jess, ja. Aber ich fürchte, es ist nicht nur das, was mich so traurig macht…“

Sie nahm einen Schluck Wasser und starrte wieder wortlos vor sich hin.

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„Was ist es dann?“ fragte Monika einfühlsam und sah Tessa an.
„Ist es vielleicht wegen morgen? Hast du etwa Muffensausen wegen der Uni?“ Sie grinste leicht. „Ich könnte es dir nicht übelnehmen. Als ich damals mit meiner Ausbildung angefangen habe, war mir am Tag zuvor auch ganz flau.“
Tessa schüttelte den Kopf. „Das ist es nicht direkt.“
„Was ist denn dann los?“

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Tessa sah Monika lange an und erwiderte dann: „Weißt du – es kommt mir alles so unwirklich vor. Und ich bin mir nicht sicher, ob es richtig ist, was ich tu.“
„Wie meinst du das?“ fragte Monika.
„Nun… ich… ich weiß einfach nicht, ob es richtig ist, dass ich das Studium anfange, nach allem, was geschehen ist…“, gab Tessa zurück. „Es kommt mir irgendwie wie ein Verrat an Jess vor. Ich meine… es kann doch nicht in Ordnung sein, dass ich mein Leben nun einfach so weiterlebe…. als habe es ihn nie gegeben. Als ob ich ihn abgeschrieben, vergessen hätte… so wie es vor ihm geplant war. Bevor ich ihn kennenlernte. Ich kann doch nicht einfach zum Alltag übergehen, auch wenn ich es seit Wochen versuche… aber ich finde es nicht richtig, Monika!“

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Monika schwieg, bis der gerade an den Tisch herangetretene Kellner das Essen serviert hatte und erwiderte dann ruhig: „Tessa – nun hör schon auf. Natürlich ist es in Ordnung, wenn du dein Leben weiterlebst. Es ist sogar noch viel mehr als nur das. Es ist erforderlich, es ist notwendig. Was würde es Jess schon helfen, wenn du dein Leben nun auch noch ruinierst? Ich weiß, dass du es nicht so empfindest, und ich kann es verstehen. Aber tief in dir weißt du ganz genau, dass du alles getan hast, was du tun konntest. Du hast ihn gesucht, so gut du konntest. Du hast versucht, ihn zu finden… aber er ist verschwunden. Was soll es nun bringen, wenn du dein Studium nicht antrittst, deine Pläne und Hoffnungen für die Zukunft über Bord wirfst? Es wird nichts an der Situation ändern, das weißt du. Und es würde Jess nicht helfen, auch wenn er hier wäre. Und offen gesagt glaube ich außerdem, dass er es auch nicht gut heißen würde. Meinst du nicht auch?“
Nachdenklich starrte Tessa auf ihren Teller, ohne das Essen anzurühren.
„Vermutlich nicht…“, flüsterte sie dann leise.

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„Na siehst du. Es ist wichtig, dass du weiterlebst, Tessa. Dass bedeutet nicht, dass du Jess verrätst oder dass du ihn vergisst. Es hat nichts miteinander zu tun.“
Tessa seufzte und nickte. „Ich denke mir nur immer wieder, dass ich nicht alles getan habe, um ihn zu finden.“
„Aber was hättest du noch tun wollen? Du bist in den letzten Wochen fast täglich durch die Stadt gelaufen, hast alle bekannten Plätze abgeklappert, ohne jemanden zu finden.“
„Nicht einmal Jasmin ist mehr zu finden…“, sagte Tessa leise. „Vielleicht hätte sie mir etwas über Jess sagen können…“
„Und du warst bei der Drogenbehörde, die dir auch bestätigt hat, dass Jess nicht in der Liste steht, aber trotzdem nicht bei ihnen aufgetaucht ist. Seither ist er offenbar auch nicht dort gewesen, sonst hätte man dich informiert…“
Tessa nickte. „Ich weiß das alles, und dennoch kommt mir das, was ich getan habe, zu wenig vor…“

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„Aber ich weiß auch, dass es keine anderen Möglichkeiten mehr gibt“, seufzte sie. „Und wenn ich den Tatsachen ins Auge sehe, muss ich einfach einsehen, dass die Chance, Jess zu finden, immer geringer wird. Vermutlich haben wir beiden mit der Annahme, dass er die Stadt verlassen hat, tatsächlich recht. Es tut nur so weh, sich vorzustellen, ihn vielleicht niemals wiederzusehen… wenn ich mich doch wenigstens noch von ihm hätte verabschieden können… in irgendeiner Form…“
Sie seufzte und sah Monika dann an. Reue überkam sie. „Oh Monika – ich bin grausam. Im Gegensatz zu dir habe ich zumindest noch eine kleine Hoffnung, Jess wieder zu sehen… eine Hoffnung, die du nicht mehr haben kannst. Es ist nicht richtig, dass ich dich so voll jammere.“
Monika lächelte gütig. „Mach dir keine Gedanken darum, Tessa. Es ist schon in Ordnung, du kannst ja nichts für mein Schicksal, und es ist vollkommen normal, dass dir die Aussicht, Jess nie wiederzusehen, furchtbar weh tut. Aber gib die Hoffnung nicht auf. Wenn das Schicksal es gut mit euch meint… wer weiß, vielleicht findet ihr euch ja doch noch einmal… irgendwann und irgendwo…“

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Tessa nickte. „Ja… wer weiß…“
„Und nun ist es erst einmal wichtig, dass du dein Leben weiterlebst und die Uni in Angriff nimmst! Darauf hast du schließlich so viele Monate gewartet!“
Sie lächelte Tessa aufmunternd zu und diese lächelte schwach zurück.
„Das erscheint mir zwar alles in einem anderen Leben gewesen zu sein… aber du hast dennoch Recht. Die Arbeit hat mir all die Zeit dennoch Spaß gemacht, und letztlich hat sie mich ja auch irgendwie ein Stückweit zu Jess gebracht. Es ist gut, dass ich nun meine beruflichen Ziele in Angriff nehmen und verwirklich kann. Auch wenn mir die Arbeit im Verlag erst einmal fehlen wird. Die Uni wird sicher auch spannend werden.“
Monika nickte zufrieden. „Das ist die richtige Einstellung.“
Sie aßen schweigend zu Ende, dann winkte Monika den Ober heran. „Zwei Gläser Prosecco bitte“, sagte sie lächelnd und zwinkerte Tessa zu. „Wir sollten auf diesen neuen Abschnitt deines Lebens anstoßen!“
Nur wenige Minuten später hoben die beiden jungen Frauen die Gläser und Tessa flog sogar ein Lächeln übers Gesicht.
„Auf dich, Tessa, und darauf, dass dieser Abschnitt deines Lebens etwas glücklicher und freudvoller werden mag als der vergangene…“

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„Ja…“, erwiderte Tessa und lächelte ebenfalls. „Und auf dich und uns, Monika! Ich bin froh, dich als Freundin zu haben!“
Und als die Gläser gegeneinander klirrten, empfand Tessa zum ersten Mal seit Wochen wieder etwas wie Freude in ihrem Herzen.


Fortsetzung folgt.
 

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