Kapitel 139 – Ein Traum in weißer Spitze
Kapitel 139 – Ein Traum in weißer Spitze
"Paul, wir ziehen jetzt mal los, ja?!"
"Jo, ich wünsch' euch viel Spaß, such' dir das Allerschönste aus, Kosten sind egal, ok?!" Naike nickte.
"Und bitte in Weiß oder Crème, auf keinen Fall was Buntes, Gerda kann mich mal, ich bin schließlich kein Dummie." - "Wird gemacht!", lachte Naike, ich finde die Jungfrauen-Regel auch überholt. Obwohl, Silber fänd' ich schon irgendwie schön."
"Nix da", verbot ihr der Mann, den sie in wenigen Tagen heiraten würde, und küsste sie innig. "Äh ... ich will ja ungern stören, aber können wir langsam los?", bat Jess ungeduldig, die schon ganz scharf auf den eleganten Laden war, wo sie gleich hinfahren würden.
"Rrrriesig, ist das hier, nicht wahr?! Ich hab's dir ja gesagt, hier findest du auf jeden Fall das richtige Kleid!" Jessica stürmte zu den Auslagen und klatschte mehrmals freudig in die Hände wie ein kleines Kind.
"Äh ... ich möchte dich darauf aufmerksam machen, dass du im Beet stehst und gerade die hübschen Blumen zertrampelst, Frau Jung." - "Ups, sorry", grinste Jessi. "Komm, da hinten steht schon Manu! Huhu!!!"
Naike machte ihre inzwischen lieb gewonnene ehemalige "Kollegin" Manuela Bretz mit Jessica bekannt. Beide Damen begannen sofort ein Gespräch darüber, wie eine Oskar-reife Garderobe auszusehen habe, wobei sie allerdings völlig verschiedene Vorstellungen davon hatten, was glamourös sei und was eher nicht. Naike schwitzte bereits jetzt, das würde sicher anstrengend werden.
Zuerst verschafften sich die Damen einen Gesamtüberblick, denn der Laden bot tatsächlich eine äußerst umfangreiche Auswahl an Kleidern und Accessoires jeglicher Art.
"Halte bitte nach etwas Figurbetontem Ausschau, Jessi, für diese Prinzessinnen-Kleider hier bin ich doch schon viel zu alt."
"Schnickschnack", schüttelte ihre Mitbewohnerin den Kopf, "es geht um eine Hochzeit und nicht um einen Opernbesuch. Märchenhaft muss es sein!" - "Aber
ich heirate doch und nicht du!" - "Und warum hast du mich dann als Beraterin mitgenommen, wenn du doch eh schon weißt, was du willst?", murrte Jess ein wenig beleidigt. "Aber nein, ich meinte doch nur so grob die Richtung, selbstverständlich ist mir dein Rat wertvoll!"
Bei manchen Modellen fragte sie sich, ob tatsächlich jemand in so etwas heiraten mochte? Aber offenbar war dies der Fall, die Geschmäcker waren nun mal, wie bei allem im Leben, sehr verschieden.
"Also, ich würde etwas Kurzes, so richtig Heißes nehmen. So als Vorbereitung für eine geile Hochzeitsnacht, du weißt schon", zwinkerte Manu. Naike musste lachen, aber auch das war ihr zu übertrieben. Und lang sollte es möglichst schon sein.
"Ich suche eigentlich eher etwas Schlichtes, aber Elegantes". - "Hm, das ist aber doch langweilig, oder?! Damit wirst du nie Stadtgespräch." - "Will ich auch gar nicht sein." Das konnte Manu nun wiederum nicht verstehen. "Na, dann schlage ich vor, zieh doch einfach mal ganz verschiedene Modelle an, dann werden wir sehen, was passt, ok?!"
Gesagt, getan. Während sich Naike das erste Kleid schnappte und in die Umkleide ging, hockten sich die beiden Beraterinnen gemütlich in eine Sitzecke vor dem großen Spiegel und ließen sich von einer Verkäuferin mit Pralinchen verwöhnen, nachdem sie eine ebenfalls angebotene Käseplatte lieber abgelehnt hatten. Welch ein toller Service! So ließ es sich gemütlich warten.
Es dauerte eine Weile, bis sich Naike in ihre Erstauswahl gezwängt hatte, und man unterhielt sich derweil über die absurde Möglichkeit, unter einem langen Kleid praktischerweise Stiefel anziehen zu können, falls es regnete, und anderen Quatsch.
Beinahe wäre Naike über den Saum gestolpert, als sie die Umkleide-Kabine verließ, denn sie war es nicht gewohnt, sich in bodenlangen Kleidern zu bewegen.
Jessica sprang sofort auf, als sie ihre Freundin kommen sah und inzwischen war auch Benjamin Lang, ein Kollege vom Militär, zufällig im Laden erschienen und beobachtete neugierig die Anprobe.
"Ich sehe darin voll blass aus, oder?!" - "In der Tat", stimmte Manuela zu, die sich mit Farbberatung auskannte, "also, Beige geht gar nicht, wenn du mich fragst, das kannst du mal gleich vergessen."
Jessica war - oh Wunder! - der gleichen Meinung und auch die Verkäuferin riet Naike bei ihrem hellen, kühlen Teint gleich von dieser Farbe ab.
Lediglich Benjamin Lang war begeistert. "Hey, Naike, was machen Sie denn hier? Ist es schon soweit?" - "Hi Ben, ja, am Samstag ist der große Tag. Wollen Sie denn auch heiraten?" - "Das ist ja klasse, ich freue mich sehr für O'Meara und Sie! Nein, ich suche nur nach einem Anzug, meine Schwester heiratet auch am Samstag, und sie will mich ausnahmsweise mal nicht in Uniform sehen."
"Also, das Kleid ist wirklich toll, sie sehen einfach bezaubernd aus. Ihr Verlobter ist wirklich zu beneiden!"
Naike freute sich sehr über das Kompliment und ihr Gesicht färbte sich zartrosa. Seit wann war Kollege Lang so galant? "Noch ist es nicht das Richtige, ist aber auch erst das allererste Kleid, das ich anprobiere." - "Na, dann nehmen Sie doch mal vielleicht dieses hier in Bleu!"
"Herr Lang, Sie brauchen wohl eine Brille", tadelte Jessica den jungen Mann unverblümt, als sich Naike mit seinem Vorschlag zeigte. "Damit sieht sie doch aus wie Helena, Tochter des Zeus und der Leda!" Naike zuckte mit den Schultern und lächelte Ben an, der darauf loswieselte und ein weiteres Modell brachte, das komisch knisterte, als sie es über den Kopf zog.
Zumindest war es von der Farbe schon einmal besser, aber Manu betitelte es als "Gouvernanten-Dress", was Herr Lang gar nicht verstand. Jessica hingegen war sich uneins, aber als sie alle den Preis hörten, stellten sie ihre Diskussionen ein, denn es war viel zu billig, und ein Blick auf das Schildchen zeigte auch warum: Pures Polyester!
"Gibt es denn nix Besseres", erkundigte sich Jessica bei der Verkäuferin, die sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, weil alle Kunden unentwegt redeten. "Was Märchenhaftes wollen wir!" - "Wollen
Sie", korrigierte Manu, die anschließend losstiefelte und nach einem ihrer favorisierten "Hot-Dresses" Ausschau hielt.
Einige Minuten später hatte die Verkäuferin etwas Märchenhaftes herbeigezaubert und Naike beim komplizierten Anlegen geholfen, denn unter dem Rock befand sich ein höchst ausladender Reifrock, der beim besten Willen nicht in die Kabine passte.
Als Jessica Naike darin erblickte, kam sie sofort herbeigestürzt und umarmte sie begeistert: "Das isses, das isses!!! - Oh mein Gott, du siehst aus wie Scarlett O`Hara, Paul wird jubeln!" - "O`Meara meinst, du wohl", lachte Naike, war aber weniger überzeugt von diesem Modell, da es ziemlich ungemütlich war. Aber die Kombination von roten Blüten auf weißem Grund gefiel ihr auch ausgesprochen gut.
Vom Tisch war die Sache jedoch gleich, als es wieder um den Preis ging. Mit fünftausend Simoleons war dies offenbar das allerteuerste Modell im Geschäft. Paul hatte zwar gesagt, dass es ruhig teuer sein dürfe, aber die stets praktisch denkende Naike fand eine solche Ausgabe wenig sinnvoll, da man ein solches Kleid eh nur einmal im Leben trug. Und es eignete sich auch definitiv nicht für ein späteres Umnähen zum Abendkleid. Jessica zog einen Flunsch.
Und erst recht beim nächsten Fummel, den diesmal Manu entdeckt hatte und für sehr gut befand. Naike kicherte amüsiert darüber, dass ihre beiden Freundinnen sich so gut wie nie einig waren, wurde aber langsam müde und sehnte sich aufs heimische Sofa bei einer guten DVD.
Aber Manu hatte gleich noch ein weiteres Modell parat, welches ihr einen spitzen Begeisterungsschrei entlockte, als ihre Freundin damit aus der Kabine gestackst kam.
"Jessi, hast du den Typ gerade gesehen? Ist sein Bart nicht heiß?" Jessica hörte überhaupt nicht hin, was Naike kichernd quasselte, denn sie stand der Ohnmacht nah, als sie die kuriose Irma-La-Douce-Kreation erblickte.
"Du, ich hab keine Lust, meine Zeit hier mit so einem Mist zu vergeuden, das ist doch wohl nicht dein Ernst!", wütete sie dann los. Die Verkäuferin hatte sich richtig erschreckt und lief schnell ins Lager, weil ihr noch eine Idee gekommen war, wie sie diese doch recht nervigen Kunden langsam mal loswerden könnte. Jessica ließ sich nur schwer wieder beruhigen. "Mensch, jetzt nimm es doch mal mit Humor!" motzte Naike genervt und holte sich gleich drei Pralinchen aus der Schachtel, um ihren inzwischen schlecht gewordenen Geschmack im Mund zu vertreiben, denn zwei Stunden waren sie nun schon vor Ort. "Sowas könntest du von mir aus anziehen, wenn du den Tallis irgendwo in Posemuckel heiraten würdest! Dann würd's echt passen!", raunzte Jess weiter und Naike dachte bei sich, dass sie statt Jessica auch gleich Gerda Kappe hätte mitnehmen können und zog eine Grimasse.
Das Kleid, welches die Verkäuferin dann brachte, fand aber endlich bei allen recht guten Anklang. Manu war es zwar noch immer zu märchenhaft, ihr gefiel aber die Korsage aus eng anliegender echter Spitze, und Naike wollte eigentlich keinen Reifrock, doch dieser war deutlich weniger umfangreich als der des Scarlett-Kleides zuvor.
"Der Preis stimmt auch, zweitausend Simoleons sind doch ok", meinte Jessica, plötzlich wieder versöhnt. "Und die Spitze ist wirklich traumhaft. Magst du es nehmen?!“
Naike war noch unschlüssig, aber als ihr die Verkäuferin noch mit 300 Simoleons entgegen kam, zog sie den Kauf ernsthaft in Betracht, während Manu sich die inzwischen zehnte Praline nahm - man hatte bereits nachgefüllt - und dachte: Na ja, hätte schlimmer kommen können …
Etwas Silbernes wollte Naike aber unbedingt noch anziehen, das sie bereits ganz zu Anfang auf einem der Ständer entdeckt hatte. Langsam bekam die Verkäuferin Kopfweh, würden sich diese Damen denn nie entscheiden?
Einige Zuschauer fanden das silberne Kleid ganz toll und klatschten, während die Verkäuferin ihr Handy aus der Tasche holte und ihre Familie informierte, dass es heute wohl später werden würde. Doch das wäre nicht nötig gewesen, denn nun setzte Jessica dem anstrengenden Nachmittag ein Ende, indem sie Naike das silberne Kleid zusätzlich als Abendkleid kaufte, worüber sich diese sehr freute, denn so hatte sie auch gleich etwas schickes Neues für die Flitterwochen, die nun doch stattfinden würden.
Es war bereits dunkel geworden, als die drei Damen endlich zur Kasse gingen und die 1700 Simoleons für das langärmelige Kleid mit der Spitzen-Korsage ausgaben. "Wie lange dauert die Lieferung?" - "Übermorgen ist es spätestens da. Brauchen Sie sonst noch etwas?" - "Nein, eigentlich nicht, vielen Dank. Dann Simlane 10 bitte, das ist auf der Insel." Der Verkäufer gab Naike ihre Kreditkarte zurück und dann ließen sich die drei Damen, zwei davon mit Bäuchen voller Schokolade, völlig erschöpft auf die weichen Sitze des Taxis fallen, das sie schnell nach Hause beziehungsweise zum Hafen fuhr.