Chapter Eleven
„Entschuldigung!“, sagte ich sofort und drehte mich um. Ich schaute in hellbraune Augen, die mir bekannt vorkamen und sah mich dem schönste Lächeln gegenüber.
„Hey Ethan. Das ist doch nicht schlimm, es ist ja nichts passiert.“, entgegnete Lily und musterte mich.
„Ich habe wohl das Talent immer mit dir zusammenzustoßen.“, stellte ich fest und merkte, wie mir das Blut ins Gesicht stieg.
„Ja, das hast du wohl.“, neckte sie mich und fügte hinzu, „Du bist aber schick angezogen. Bist du auf eine Hochzeit oder so eingeladen?“
„Wäre schön, wenn es so wäre, ist es aber nicht. Ich habe ein Vorstellungsgespräch.“
„In der Redaktion ‚Newstime‘, in der du dich beworben hast?“, fragte sie mich und ich nickte nur.
„Wow, das ist ja toll. Ich wünsche dir viel Glück und drücke dir fest die Daumen.“, sagte sie.
„Danke, das kann ich gut gebrauchen.“, meinte ich und war nervös. Ich wusste gar nicht, was mich nervöser machte. Das bevorstehende Vorstellungsgespräch oder Lily.
„Das wird schon. So, wie du aussiehst, müsste man dich doch glatt nehmen.“, entgegnete sie und wurde leicht rot. Ich lachte auf und meinte nur: „Dann könnte ja jeder Volltrottel einen Job bekommen, wenn man nur nach dem Aussehen geht.“
„Da hast du auch recht. Ich will dich auch nicht länger aufhalten. Wenn du möchtest, können wir uns heute Nachmittag treffen. Natürlich nur wenn du Zeit und Lust hast.“, sagte sie.
„Ja, warum nicht.“, erwiderte ich.
„Hier ist meine Handynummer, ruf mich einfach an.“, meinte sie, verabschiedete sich von mir und dann war sie auch schon wieder weg. Ich schaute ihr noch hinterher, bis sie um die Ecke verschwand, dann machte ich mich auch wieder auf den Weg.
Um 09:55 Uhr stand ich vor der Redaktion. Ich atmete noch einmal durch, bevor ich die Tür öffnete und die Redaktion betrat. Wie das letzte Mal ging ich zum Empfang, wo die Sekretärin saß. Sie fiel noch genauso auf, wie damals.
„Guten Tag. Ich heiße Ethan Carter. Ich habe eine Vorstellungsgespräch bei Mister Tanner.“, meinte ich.
„Guten Tag Mister Carter. Ich werde Mister Tanner umgehend benachrichtigen. Sie können solange Platz nehmen.“, sagte sie und deutete auf einen Sessel, der hinter mir stand.
„Danke!“, erwiderte ich nur und setzte mich hin.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kam ein hochgewachsener Mann mit roten Haaren. Ich schätzte ihn nicht älter als fünfunddreißig.
„Guten Tag, Matthew Tanner mein Name. Sie müssen also Ethan Carter sein?“, fragte er mich. Ich stand sofort auf und schüttelte seine ausgestreckte Hand: „Ja genau, ich bin Ethan Carter.“
„Schön, dann folgen Sie mir doch bitte in mein Büro.“ Ich nickte nur und folgte ihm. Wir mussten bis zum anderen Ende des Gebäudes gehen, um in sein Büro zu gelangen. Als wir es betraten, schaute ich mich um. Es war in einem hellen, freundlichen blau gestrichen und schlicht gehalten.
„Bitte setzen Sie sich.“, meinte Mister Tanner und ich nahm Platz. Er setzte sich mir gegenüber hinter seinen Bürotisch.
„Ich habe Ihre Bewerbungsunterlagen durchgesehen und muss sagen, Sie haben mich wirklich überzeugt. Ihre Artikel sind einfach und schlicht geschrieben. Man findet einfach rein und ihre Texte lassen sich flüssig lesen. Sie haben wirklich das Talent zum Journalisten“, begann er.
„Das freut mich zu hören, Sir.“, entgegnete ich und versuchte mein Lächeln ein wenig zu verbergen.
„Es gibt aber eine Sache, über die ich mehr Details haben möchte und zwar geht es um ihren Gefängnisaufenthalt.“ Ich wurde nur noch blass im Gesicht und der Schweiß lief mir den Rücken runter.
„Ich kann mir denken, dass es Ihnen nicht leicht fällt darüber zu reden, aber wenn Sie den Ausbildungsplatz haben wollen, dann müssen Sie sich mir anvertrauen. Ich muss wissen, mit wem ich es zu tun habe.“, meinte Mister Tanner und schaute mich ernst an. Ich nickte nur und fing an zu erzählen. Ohne Pause, ohne ein Detail auszulassen, alles von den Misshandlungen, bis hinüber zu meinem Ausriss bis hin zu meiner kriminellen Geschichte, die mich letztendlich ins Gefängnis brachte. Er unterbrach mich kein einziges Mal und hörte nur interessiert zu. Als ich dann fertig war, herrschte Schweigen. Ein Schweigen, was minutenlang anhielt, mir aber wie Stunden vorkam. ‚Wenn du jetzt nicht deine Chance nimmst Ethan, dann wird das nichts mit dem Ausbildungsplatz‘, sagte ich zu mir selber und nahm meinen ganzen Mut zusammen: „Ich weiß Mister Tanner, dass ich nicht den idealen Vorstellungen entspreche. Ich hatte eine schwere Kindheit und bin dadurch kriminell geworden. Natürlich ist das nicht zu entschuldigen, aber ich bereue zutiefst, was ich in meiner Jugend gemacht habe und habe als Strafe im Gefängnis gesessen. Sie müssen wissen, dass das aber alles zu meiner Vergangenheit angehört und ich mein Leben neu gestalten will. Ich will ein besseres Leben, ein ehrliches und aufrichtiges Leben haben. Ein Leben, in dem ich mein eigenes Geld verdiene, in dem ich wahre Freunde habe, in dem ich die Liebe meines Lebens finden werde und ein Leben, in dem ich auf eigene Beine stehe.“
Ich hoffte, dass meine Eigeninitiative was brachte und nicht nach hinten los ging, aber mein letzter Funken Hoffnung, den ich grade noch hatte, wurde mir zunichte gemacht, als Mister Tanner weiterhin schwieg. Traurig und enttäuscht ließ ich den Kopf hängen. Mein Traum als Journalist zu arbeiten, war weit in der Ferne gerückt.
„Sie haben mich überzeugt. Ich werde Ihnen den Ausbildungsplatz geben.“, sagte Mister Tanner und ich konnte meinen Ohren nicht trauen.
„Sie haben richtig gehört. Ich werde Ihnen den Ausbildungsplatz geben. Auch wenn Sie eine schlimme Vergangenheit hatten und auf die falsche Spur geraten sind, gebe ich Ihnen diese Chance. Ich finde, jeder hat eine zweite Chance verdient. Vor allem wenn einer so sehr kämpft, wie Sie es tun und hat nicht jeder schon mal Mist gebaut?!“
„Vielen vielen Dank!“, sagte ich und strahlte über das ganze Gesicht.
„Hier ist der Vertrag. Sie müssen nur noch unterschreiben.“, meinte er und gab mir den Vertrag und einen Kugelschreiber. Ich hielt das Stück Papier und drehte es in meiner Hand hin und her. Das war also wirklich der Vertrag, den ich nur noch unterzeichnen musste. Ohne zu Zögern setzte ich meine Unterschrift auf die unterste Zeile und gab ihm den Vertrag zurück.
„Hier haben Sie eine Kopie des Vertrages. Ich erkläre Ihnen nur noch, wie es funktioniert. Sie werden nächsten Montag schon bei uns anfangen, auch wenn die Schule erst im September anfängt. Es verläuft wie eine Lehre, nur sind sie besser bezahlt und die Dauer der Ausbildung dauert zwei Jahre. Wenn Sie innerhalb der Ausbildung gut arbeiten und natürlich diese wiederum schaffen, stehen die Chancen für eine feste Arbeitsstelle hier in diesem Unternehmen nicht schlecht. Also geben Sie ihr Bestes.“
„Mit Sicherheit! Ich werde Sie nicht enttäuschen.“, versicherte ich ihm.
„Gut, dann haben wir das Wichtigste geklärt. Alles Weitere werden Ihre Kollegen Ihnen am Montagmorgen erklären. Ich erwarte Sie um 09:00 Uhr.
„Vielen Dank Mister Tanner.“, erwiderte ich nur.
„Nichts zu Danken und ich heiße Sie nun herzlich Willkommen in unserem Team Mister Carter.“
„Dankeschön.“, sagte ich nur und konnte noch immer nicht glauben, dass ich den Ausbildungsplatz bekommen hatte.
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