Fotostory Oxana - Wege des Gewissens ♦ abgeschlossen ♦

Ja, ich habe mich durch fast die Hälfte alle Kapitel gelesen.
Ui, da hattest du aber jede Menge zu lesen.

Erstmal großen Applaus für das Opening Video. Ich finde das eine grandiose Idee, so eine Fotostory zu beginnen. Man hat wirklich das Gefühl bei dem Beginn einer Telenovela dabei zu sein.
Danke schön! Bei der Idee zum Opening wurde ich von der Serie „Reich und Schön“ inspiriert. Es freut mich, dass das Opening gut ankommt.

Gut, fangen wir an. Ein Auftakt mit Knall. Man erfährt in ersten Kapitel recht viel von Oxana, das finde ich spannend. Vielleicht wäre es auch toll gewesen, manche Informationen nach und nach einfließen zu lassen.
Die Informationen, die man hier zu Beginn erfährt, stammen zum größten Teil aus der Vorläufergeschichte von Oxana, die noch zu Sims1-Zeiten entstanden ist. Da die Geschichte mehr oder weniger nahtlos anschloss, wollte ich die wichtigsten Infos gleich zu Beginn zusammenfassen.

Zurück zum Inhalt des Kapitels. Also ist Oxana bei einem homosexuellen Paar aufgewachsen.
Genau. Ihre Väter haben sich damals eine Leihmutter gesucht, die ein Kind für sie austrägt. Herausgekommen sind dabei allerdings Zwillinge. Ihre Mutter hat Oxana nie kennen gelernt, da sie gleich nach der Geburt wieder verschwunden ist und nie Kontakt zu ihren Kindern gesucht hat.

Ich weiß im Moment nicht mit wem ich mehr Mitleid habe. Mit Oxana, die entscheidet nun alle Brücken abzubrechen, ihrer Schwester, die sie gerne beim wichtigsten tag ihres Lebens dabei haben möchte (und ich denke mal für den vorherigen Lebensumstand keinerlei Mitschuld trägt) oder für die Großeltern, die nun nach Hause kommen und feststellen müssen, das dort niemand mehr ist.
Ich denke, man kann mit allen Mitleid haben. Mir persönlich tun die Großeltern am meisten leid.

Prima Idee, die Eigenschaften und co. als Test zu tarnen.
Das ist ein Running-Gag, der immer wieder auftauchen wird.

Ich gehe doch richtig in der Annahme, das es sich hierbei um einen Singleprojekt handelt...!? (ist mir das echt unter gekommen )
Ja genau. Die Geschichte basiert auf den Singleprojekt.

Ach die Karte ist ja liebevoll gemacht.
Danke! Im Laufe der Zeit habe ich ein eigenes Simuniversum für mich erschaffen. Und ich möchte es gerne möglichst konsistent halten. Dabei hilft mir die Karte, da sie die wichtigsten Stadt der SimNation beinhaltet und das Land auch geografisch eindeutig einordnet.

Also gibt es im Leben von Oxana bereits zwei Männer...mehr als so mancher von sich behaupten kann
Und es werden im Laufe der Zeit noch ein paar weitere dazukommen ;)

Jetzt hast du mich aber wahnsinnig neugierig gemacht, was das so auf sich hat. Warum wehrt sich Roland nicht gegen diesen fiesen Typen? Wer ist das überhaupt..und so
Der typ wird später noch eine größere Rolle innehaben. Allerdings gibt es niemals eien Enthüllung, was genau zum Streit geführt hat. Vermutlich gibt es die auch gar nicht. Kasimir macht einfach gerne Stress und Roland war zur falschen Zeit am falschen Ort.

Tja, das sind Begriffe es meinem täglichen Berufsleben :D

Sag bloß Benny ist tatsächlich eifersüchtig auf Roland?! Der ist ja meines Erachtens eher dem anderen Geschlecht zugetan...wir werden sehen.
Ja, Benny ist eifersüchtig. Und was Roland angeht, so wird noch nichts verraten.


Oje, Speckalarm...Männer geht in Deckung Ich finde ja das Frauen mit ein wenig Rundungen viel weiblicher aussehen.
Sagen wir es mal so, die Oberweite profitiert durchaus von ein paar Kilo mehr :D Der Hintern sah bei Oxana aber nicht mehr so toll aus. Aber bei den 2ern konnten die Sims auch nicht richtig dick werden (ganz im Gegensatz zu Sims 3).

Vielen Dank für deinen Kommentar! Ich freue mich schon auf mehr.
 
Kapitel 149: Veränderung

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Ich wünschte, die Feiertage hätten nie zu Ende gehen müssen. Den ersten Weihnachtsfeiertag verbrachten wir bei Dominiks Eltern, den zweiten zusammen mit meinem Bruder erneut bei uns. Die anschließende Nacht blieb dann Dominik und mir ganz allein. Doch der Morgen kam viel zu früh. "Wir müssen langsam aufstehen, Brodlowska", hauchte Dominik. Doch ich schmiegte mich nur noch enger an seine Schulter und gab vor fest zu schlafen, nur um mich nicht von ihm trennen zu müssen.

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Doch es half nichts. Mir mussten aufstehen und uns für die Fahrt zum Flughafen nach SimVegas vorbereiten. Die Kinder kamen natürlich auch mit, um sich von ihrem Vater zu verabschieden. "Pass gut auf deine Schwester und deine Mama auf, Sky", flüsterte Dominik seinem Sohn zu. "Du bist jetzt der Mann im Haus." Natürlich versprach Sky im das. Und der Junge wirkte relativ gelassen. Ich glaubte allerdings, dass dies nur daran lag, weil er nicht begriffen hatte, für wie lange sein Vater fort bleiben würde.

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Bei Klaudia sah das schon ganz anders aus. Und obwohl sie sich fest vorgenommen hatte nicht zu weinen, konnte sie die Tränen nicht unterdrücken, als Dominik sich auch von ihr verabschiedet hatte und mir einen letzten Kuss gab. "In spätestens einem halben Jahr bin ich wieder bei dir, Brodlowska. Und ich werde dich jeden Tag anrufen." Ich nickte stumm und strich seinen Hemdkragen glatt. "Wir werden jeden Tag auf deine Rückkehr warten, Dominik. Und wenn du erst einmal wieder zurück bist, dann werden wir heiraten."

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Der letzte Aufruf für den Flug nach Simnistrien ertönte. Dominik tätschelte Klaudias Arm, wuschelte Sky durch die Haare und ging dann hinaus zur Gangway. Die Kinder standen am Fenster und winkten ihrem Vater zu. Der Lächelte sie kurz an und bestieg dann hastig das Flugzeug. Ich wusste, dass er es nie zugeben würde, aber ich hatte genau die Tränen in seinen Augen glitzern sehen. Zu dritt beobachteten wir, wie die Treppe beiseite geschoben wurde und das Flugzeug zur Startbahn rollte und in die Lüfte zu seinem weiten Weg nach Südamerika abhob.

Gedanken:

Wann würde ich Dominik wieder umarmen können? Wann würde mein Mann wieder bei mir sein? Niemand konnte mir diese Frage beantworten, doch ich ahnte bereits, dass Dominik und ich für lange Zeit von einander getrennt bleiben würden. Und dabei hatten wir gerade erst wieder zueinander gefunden. Aber er hatte Recht, als aufrichtiger Christ, nein als rechtschaffener Mensch überhaupt konnte er nicht in aller Seelenruhe tatenlos zu sehen, wie unsere Mitbürger in Simnistrien litten.

Wenigstens hatte ich meine beiden Kinder um mich herum. Klaudia war inzwischen alt genug, um mir in dieser schweren Zeit ein wahrer Halt zu sein und Sky würde mich ein wenig von meinen Sorgen ablenken können.

Sky war ein sehr offener, netter und aufgedrehter Junge. Gut er konnte schon ziemlich chaotisch sein und hinterließ sein Kinderzimmer am Abend oft so, als ob ein Tornado hindurch gefegt wäre, aber welches Kind tat dies nicht? Außerdem erschien er mir manchmal sehr ernst. Aber das lag womöglich daran, dass seine leibliche Mutter ihn einfach verlassen hatte. Solch ein tragisches Ereignis konnte an keinem Kind spurlos vorbei gehen. Und dass Dominik nun auch auf unbestimmte Zeit fort war, machte es nicht leichter für ihn.

Auf dem Konto sah es nämlich nicht sehr rosig aus. Die Börse befand sich nach wie vor auf Talfahrt. Die Krise bei der SimÖl zog langsam aber sicher immer mehr Firmen mit in den Abgrund. Das merkten so langsam alle Bewohner der SimNation, denn die Preise für Benzin und Heizöl, aber auch chemische Erzeugnisse, Lebensmittel, ach, eigentlich für alle Produkte, stiegen von Tag zu Tag. Auch hatte Dominik bei seinem Einzug kaum Geld mitgebracht. Auch er hatte den größten Teil seiner Ersparnisse in Aktien der SimÖl angelegt und wie wir alles verloren. Dominik würde Dank seiner Arbeit in Simnistrien bald wieder Geld verdienen, aber wann Tristan wieder eine Einstellung fand, stand noch in den Sternen.

Aber die anhaltende Krise hatte den Vorteil, dass ich endlich wieder ein paar Freundschaften auffrischen konnte, um die ich mich zuvor zum Teil jahrelang nicht gekümmert hatte.



Und an einem unbekannten Ort...



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Rabea und Hajo tauchten nicht mehr auf. Der Sommer verstrich und es begann bereits, merklich kühler zu werden. Mit jedem Tag wechselte das satte Grün des Waldes mehr zu einem Farbenspiel aus Rot und Gelb. Kinga hatte sich damit abgefunden, dass es ihr nicht gestattet war, ihre Zeit hier mit etwas anderem als der Schule zu verbringen. Und um sich gar nicht erst in Versuchung zu bringen, mied sie den Kontakt zu ihren Mitschülern. Sie ging zur Schule, machte ihre Aufgaben. Der einzige Luxus, den sie sich gönnte, waren die von Hass erfüllten Gedanken an ihre Mutter vor dem Einschlafen. Und so hätte ihr Leben noch Monate lang weiter gehen können, wäre sie eines Tages nicht in ihren Bunker heimgekehrt und hätte plötzlich ein zweites Bett darin vorgefunden.


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Zunächst war sie geschockt. Der Bunker war für eine Person schon fast zu klein, wie sollte es dann erst mit zwei Menschen funktionieren? Bevor sie sich weitere Gedanken machen konnte, hörte sie schon das Quietschen des Tores und sie schaute durch die Tür. "Hallo, Kinga", begrüßte Olek sie. "Du hast sicher schon gemerkt, dass du eine Mitbewohnerin erhältst. Das hier ist Romina." Er zeigte auf ein junge Frau Anfang Zwanzig, die sich schüchtern hinter dem Tor versteckte.

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Kinga wollte noch protestieren, aber Olek stellte einfach Rominas Koffer in den Bunker und verschwand wieder, so wie er es immer tat. Kinga konnte nicht verbergen, dass sie keineswegs froh war, dass diese Fremde nun ihre Unterkunft mit ihr teilen sollte. Unsicher beobachtet Romina, wie Kinga sich frustriert die Haare raufte und sich mit den Handflächen gegen die Stirn schlug. Auch sie hätte sich ihre Ankunft gerne anders vorgestellt.

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Kinga hatte keine Lust sich mit Romina zu beschäftigen und ignorierte sie den kompletten ersten Abend lang. Sie legte sich einfach ins Bett und Romina tat es ihr schweigend gleich. Ebenfalls schweigend machten sie sich auf den Weg zur Schule und schwiegen sich auch auf dem einstündigen Rückweg an. Erst als sie wieder am Bunker waren, war Kinga bereit, sich ihrer neuen Mitbewohnerin zu öffnen. Sie setzte sich aufs Gras und machte Romina deutlich, dass sie dies auch tun sollte. "Ich bin Kinga", stellte sie sich zum ersten Mal richtig vor. "Ich weiß", antwortet das Mädchen schüchtern und klammerte sich an ihrem Knie fest. "Olek hat es mir erzählt. Es tut mir leid, dass ich dir Unannehmlichkeiten bereite. Das wollte ich nicht."


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Kinga war überrascht, dies zu hören. Sie hatte sich bis jetzt noch gar keine Gedanken darüber gemacht, dass dieses Mädchen mit der Wohnsituation genau so unglücklich sein könnte wie sie. "Und was hast du angestellt, dass du in diesem Drecksloch gelandet bist? Diebstahl? Drogen? Knast?", fragt Kinga, nun da ihr Interesse geweckt war. Romina schüttelte entsetzt den Kopf. "Ich habe gar nicht gemacht", beteuerte sie. "Ich bin sogar sehr froh, dass ich hier sein darf. Ich bin in einem Weisenhaus in Moldawien aufgewachsen und vor einigen Tagen kam eine sehr nette Frau zu mir und teilte mir mit, dass meine Schulleistungen so gut seien, dass ich in ein spezielles Förderprogramm in der SimNation aufgenommen werde. Ich bin hier um zu lernen."


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Kinga wusste selbst nach Monaten noch nicht, was sie eigentlich hier machte. Aber wenn eines klar war, dann dass das hier kein Förderprogramm für hochbegabte Waisenkinder aus Moldawien war. Aber sie sie entschied sich, dies ihrer Mitbewohnerin nicht mitzuteilen. Erstens würde sie ihr wahrscheinlich eh nicht glauben und zweitens spielte es auch keine Rolle. Sie waren nun hier und kamen nicht weg. Ändern ließ es sich so oder so nicht.


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Sie unterhielten sich noch bis tief in die Nacht. Auch Kinga erzählte Romina ihre Geschichte, wie sie von ihrer Mutter jahrelang belogen und um den Vater gebracht worden war und wie sehr ihre Mutter sie hasste und sie hierher bringen ließ. Romina war bestürzt, allerdings hauptsächlich über die Wut, die sie aus der Stimme ihrer Mitbewohnerin heraus hörte. Sie war nämlich nach wie vor dankbar, endlich dem Waisenhaus entkommen zu sein und auf eine bessere Zukunft hoffen zu können. Jeweils in ihre eigenen Gedanken versunken schliefen die beiden Mädchen ein.




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Auch in der Lehrbaracke änderte sich mit dem Eintreffen von Romina für Kinga so Manches. Prof. Elena bat die beiden, nach dem Unterricht noch zu bleiben. "Ihr werdet ab morgen Sonderunterricht bekommen", verkündete sie. "Kinga, welche Sprachen sprichst du?" "Simlisch, Englisch und etwas Polnisch", antwortete diese. "Und du, Romina?", fragte Professor Elena weiter. "Rumänisch, Russisch und Simlisch." "Ihr werdet in all diesen Sprachen ab jetzt gemeinsamen Unterricht erhalten. Ich erwarte, dass ihr euch gegenseitig unterstützt. Zusätzlich werdet ihr Spanisch und Französisch lernen. Kinga", fuhr Prof. Elena fort, "du wirst nur noch den Politik- und Erdkundeunterricht besuchen. Romina, du kommst zu Mathematik und Physik. Das war dann alles."

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Der Sprachunterricht dauerte oft bis in den späten Abend. Und er unterschied sich stark von dem, was Kinga aus der Schule kannte. Professor Rainer war alles andere als Zufrieden mit den bereits vorhandenen Kenntnissen und so musste Kinga, aber auch Romina, noch einmal ganz bei Null beginnen. Und nicht nur, dass Prof. Rainer extremen Wert auf Grammatik legte, noch viel wichtiger war ihm die Aussprache, mit der er nie, aber auch nie, zufrieden schien, egal wie sehr Kinga sich auch bemühte.


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Und dann gab es da auch noch diese ganz seltsamen Lektionen in Billard, Darts und Glücksspiel. "Kinga, ich sehe auf den ersten Blick, dass du kein gutes Blatt hast", musterte Prof. Elena sie scharf. "Du hast immer noch nicht gelernt, wie man richtig blufft. Wir üben das nun schon seit Wochen!" Es war nicht so, dass Kinga sich keine Mühe gegeben hätte. Aber die Schauspielerei war ihr offenbar nicht in die Wiege gelegt worden. Und zum anderen verstand sie beim besten Willen nicht, was das ganze sollte. Warum zum Teufel sollte sie Pokern können?!


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Sie war froh, als sie nach weiteren 1 1/2 Stunden voller Zurechtweisungen von Prof. Elena die Baracke verlassen konnte. Wutgeladen schnappte sie sich eine Axt und schleuderte sie, begleitet von einem Schrei, der den Tiefen ihrer Seele entsprang, auf die hölzerne Zielscheibe. "Ich verstehe nicht, was diese ******* soll!", schnaubte sie und warf die nächste Axt und Fluchte lautstark, als sie die Zielscheibe gerade eben traf. "Wir ackern, paucken hier wie bescheuert hundert Sprachen auf einmal, knobeln an hirnrissigen Rätseln und spielen Poker! Und keiner erklärt uns, was das ganze soll. Also ich hab langsam echt die Schnauze voll!"


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"Nun, dann sollst du deine Erklärung bekommen". Kinga zuckte panisch zusammen und ließ vor Schreck fast die Axt fallen. Sie hatte nicht bemerkt, wie die rothaarige Frau zu Romina und ihr herüber geschritten war und sie bereits eine ganze Weile beobachtet und belauscht hatte.


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Der ersten Überraschung folgte sogleich die zweite. Kinga stellte langsam die Axt ab und betrachtete eingehend die Frau, die vor ihr stand. War das möglich? Konnte es sein, dass..."Tante Ewa?", fragte sie schließlich. Die Frau vor ihr zog kaum merklich die Mundwinkel hoch, was wohl ein Lächeln andeuten sollte. "Ab heute bin ich für dich nur noch Senora Ewa. Wir mögen verwand sein, aber für solche Gefühlsduselei ist hier kein Platz." Kinga konnte es immer noch nicht fassen. Vor ihr stand ihre Großtante, die Schwester ihres Großvaters Arkadiusz Brodlowski.​


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Bevor Kinga etwas erwidern konnte, kam auch schon Romina auf die beiden zu. "Diese Frau...diese Frau ist deine Tante?" fragte sie ungläubig. "Es war nämlich sie, die mich aus dem Weisenhaus in Moldawien geholt hat. Senora Ewa, ich möchte ihnen dafür danken, tausend Mal! Ich bin so froh, dass ich hier sein darf." Wieder zuckten die Mundwinkel der Frau leicht nach oben. "Du brauchst mir nicht zu danken, Romina. Du wirst Gelegenheit bekommen, uns deine Dankbarkeit zu erweisen...und zwar schon in kürze."​

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"Wir können das aber nicht hier draußen besprechen". Senora Ewa schritt voran und führte die beiden jüngen Frauen ins innere der Barake. Mit einer Geste gab sie Prof. Elena zu verstehen, den Unterricht augenblicklich zu beenden und das Klassenzimmer zu räumen. Ganz offensichtlich stand Senora Ewa in der Hirarchie über den Lehrern. Romina und Kinga nahmen auf dem Boden vor der Tafel Platz und dann eröffnete Senora Ewa ihre Erklärung. "Alles, was ihr in den letzten Wochen und Monaten gelernt habt,diente der Vorbereitung für die kommende Aufgabe..."​
 
Kapitel 150: Klasse

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Eindringlich blickte sie von einem Mädchen zum anderen. "Ihr beide seid ausgesucht worden, für eine Organisation zu Arbeiten. Eine Organisation, die nur die besten Männer und Frauen der ganzen Welt auswählt und selbst unter diesen nur die wenigsten bestehen lässt: "Justice". Ich muss euch nicht erklären, dass diese ganze Organisation streng geheim ist. Das geschieht zum Schutz von "Justice", zu eurem Schutz und zum Schutz unseres Landes. Ihr werdet mir vertrauen müssen. Wenn ihr dazu nicht bereit seid, dann habt ihr jetzt die Gelegenheit zu gehen. Ihr könnt durch diese Tür marschieren, eure Sachen packen und noch heute Abend werdet ihr nach Simtropolis gebracht. Die Entscheidung liegt bei euch."

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Beide Mädchen senkten den Blick bei diesen Worten. Kinga ließ sich die Worte ihrer Tante genau durch den Kopf gehen. Sie konnte von hier verschwinden. Sie konnte ihre Sachen packen und in Simptropolis ein neues Leben beginnen. Ein Leben ohne dieses scheiß Lager, ohne ihre verlogene Mutter, frei, so wie sie es immer wollte. Aber letztendlich blieb sie sitzen. Die Neugier siegte. Was würde ihre Tante noch alles offenbaren? Was genau war "Justice"? Und was war ihre Rolle darin? Die Aussicht auf Antwort auf diese Fragen reizte sie mehr, als die Aussicht auf Freiheit.

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Auch Romina blieb sitzen. Keine der jungen Frauen wollte aufgeben, jetzt, wo es begann interessant zu werden. Zum ersten Mal lächelte Senora Ewa wirklich. "Mit keiner anderen Entscheidung habe ich gerechnet. Romina, Kinga, ihr werdet diese Entscheidung nicht bereuen. Ihr brecht noch heute Abend auf und eure Reise führt euch nach....




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…..Batna in Algerien."

Der Kontaktmann vor Ort holte die beide vom Flughafen ab. Nach einem kurzen Aufenthalt in einem sicheren Haus vor Ort konnte die Mission beginnen.


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Im Zentrum der Stadt befandt sich ein angesehenes Casino. Der Kontaktmann beschrieb den Weg dorthin genau, aufgrund des pompösen Eingangsbereichs aus grünem Marmor war das Gebäude allerdings kaum zu verfehlen.

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Also die hübsche junge Frau das Casino betrat, drehte sich so mancher Mann nach ihr um. Das war nicht verwunderlich, denn immerhin war sie die einzige Frau hier. Das Lächeln auf ihren Lippen wirkte zurückhalten, strahlte gleichzeitig aber Selbstbewusstsein aus. Und das kam nicht von ungefähr. Als Tochter des algerischen Botschafters in Frankreich behandelte man sie immer mit dem Respekt, der ihrem Stand und Reichtum entsprach.

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"Darf ich mich anschließen, meine Herren?", fragte sie in perfektem Französisch und die beiden Männer am Pokertisch stimmten ohne Umschweife zu. Verspielt strich sich die Botschaftertochter eine Haarsträhne aus dem Gesicht und lächelte die beiden an. "Ich hoffe doch, das Glück verlässt mich heute nicht."


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Ein dritter Mann schloss sich ihnen an, dann konnte das Spiel beginnen. Die Tochter des Botschafters wusste, dass die Männer sie unterschätzen würden. Das war einer der großen Vorteile, wenn man so schüchtern wirkte. Niemand traute einem etwas zu. Um so leichter fiel es ihr, dass Spiel mit geschicktem Bluff für sich zu entscheiden. Zunächst die erste, runde, dann die zweite und selbst die dritte schien sie erneut gewinnen zu können. So langsam sah sie den Frust in den Gesichtern der anderen Männer.


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Im Nu hatte sich das Glück der jungen Botschaftertochter im Casino herumgesprochen und eine Traube neugieriger Männer bildete sich um den Pokertisch. "Ja ist es denn zu glauben, schon wieder ein Full House", rief sie erfreut aus und entschied erneut das Spiel für sich. Die umherstehenden Casinobesucher gratulierten ihr anerkennend und machten Witze über die drei armen Kerle am Tisch, die mit jeder weiteren Runde unglücklicher dreinblickten. Und dabei spielte die Frau noch nicht einmal mit getürkten Karten. Ein fundierter Pokerunterricht erlaubte ihr einfach, auf bewährte und statistisch begründete Strategien zurückzugreifen und ihr sehr gutes Gedächtnis für Zahlen aller Art machte sich in diesem Moment bezahlt.


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Und ihre Taktik ging auf. Der Reihe nach schieden ihre männlichen Mitspieler aus, bis sie am Ende mit einem Bluff das Spiel für sich entschied. Freundlich bedankte sie sich bei den drei Herren, die ob ihres zauberhaften Lächelns sofort besänftigt schienen. Ums Geld war es ihnen ohnehin nicht gegangen. Davon hatten sie mehr als genug. Als sie sich von ihrem Stuhl erhob, kam ein Scheich auf sie zu. "Darf Scheich Mahomaed sie zu einem Drink einladen?", fragte er höflich. Erneut zeigte die Botschaftertochter ihr zauberhaftes Lächeln. "Sicher doch, aber selbstverständlich nur einen Alkoholfreien. Allah sei gepriesen."


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Der Scheich führte die junge Frau an die Theke, und bestellte, ihrem Wunsch entsprechend, für sie lediglich eine Feigen-Soda. Er selbst ließ es sich aber nicht nehmen, einen Brandwein zu bestellen.
Für einen Moslem war es verboten, Alkohol zu trinken. Die Botschaftertochter wusste dies, der Scheich wusste das. Und trotzdem kümmerte sich kaum einer im Casino um dieses Gebot. Der Alkohol floss hier genauso, wie in jedem Casino in SimVegas, Monte Carlo oder sonst wo auf der Welt. Und wenn man es genauer betrachtete, dann war das Glücksspiel an sich schon verboten.


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Die Botschaftertochter unterhielt sich angeregt mit dem Scheich. Erstaunlicherweise erwies er sich als sehr angenehmer Gesprächspartner. Dadurch viel es ihr umso leichter, ihn um ihren Finger zu winkeln, indem sie immer schön zu seinen Witzen lachte, sich öfter eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich oder wie ganz zufällig immer wieder mal ihr eigenes Dekollete berührte. Doch plötzlich bemerkte sie, dass der Scheich ihr gar nicht mehr zuhörte, ja sie nicht einmal mehr ansah. Sein Blick war auf etwas hinter ihr fixiert.


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Die junge Frau drehte sich um und erblickte ein Ausländerin in einem kurzen Minirock, einem Top, das kaum ausreichte, um ihren Busen zu bedecken, hohen schwarzen Stiefeln und Haaren, die eindeutig zu stark gebleicht worden waren. "Du meine Güte, das ist aber ein großer Raum. Wie soll ich mich hier bloß zurechtfinden?", fragte die Blondine und sah sich hilflos in dem Raum um. "Hoffentlich hilft mir jemand." Die Botschaftertochter verdrehte genervt die Augen. Nicht nur das die Frau aussah wie ein billige Hure vom Straßenstich, ihr Art zu Sprechen ließ keinen Zweifel daran, dass in ihrem Kopf nicht mehr als drei Hirnzellen die Wasserstoffbehandlung überlebt hatten.


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Aber leider schien dies keiner der Männer im Raum bemerkt zu haben, denn sofort wurde die Blondine umringt von einer ganzen Schar von Männern, die ihr nur zu gerne ihre Hilfe anboten. Zur Verärgerung der Botschaftertochter war auch Scheich Mahomaed, der vor wenigen Minuten noch ihr seine ganze Aufmerksamkeit gewidmet hat, darunter.

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Er nahm die Tochter des Botschafters nicht einmal mehr wahr, als er die übrigen Männer von der Blondine wegscheuchte und sie mit an die Bar führte, um ihr einige, eindeutig alkoholhaltige, Drinks auszugeben und sich ihr dämliches Gequatsche anzuhören. Die dunkelhaarige Frau konnte lediglich zusehen und ihre Lippen zu einem Schmollmund verziehen.

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Die Blondine wurde dann vom Scheich an einen Poker-Tisch geführt. Verwirrt betrachtete sie die Jetons und kratzte sich am Kopf. "Hat es etwas zu bedeuten, dass dies Plättchen unterschiedlich Farben haben?", fragte sie und blickte die Männer am Tisch mit ihren großen, grauen Augen an. Diese lachten herzlich. "Keine Angst, mein goldenes Täubchen", säuselte der Scheich und strich dabei der Blondine unter dem Tisch über das Knie, "Ich erkläre dir das Spiel schon." "Okay", antwortet diese lang gezogen und ließ dabei eine Kaugummiblase platzen. Anstalten, etwas gegen die Hand auf ihrem Knie zu unternehmen, machte sie aber nicht.

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Die Botschaftertochter beobachtete das Spektakel von der Theke aus und wurde zunehmend wütender auf diese blonde Flittchen. Was fiel dieser unverschämten Person ein hier einfach aufzutauchen und ihr die Show zu stehlen? "Ach!", kreischte die Blondine schrill. "Ich habe schon wieder gewonnen." Sie klatschte vergnügt in die Hände. "Dabei dachte ich, dass diese komische Karte mit dem A drauf gar nichts wert ist. Ich Dummchen ich, hihihi." Beim Klang ihrer dümmlichen Lache wäre der Tochter des Botschafters fast der Hals geplatzt. Zum Glück für die Blondine kam gerade der Kellner und brachte ihr die nächste Flasche Champagner von Scheich Mahomaed mit.

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Doch irgendwann hatte die Botschaftertochter genug. Als die dreiste Blondine auch noch anfing sichtlich angetrunken lasziv für die Männer im Casino zu tanzen, reichte es ihr. Es fehlte nur noch eine Stange und die Botschaftertochter hätte meinen können, sie sei in irgendeinem Bordell am Stadtrand. Immerhin war dies ein Ort, an dem Klasse vorausgesetzt wurde. Und Klasse war das letzte, was diese billige Flittchen aus dem Westen besaß.

 
Kapitel 151: Gelob sei Allah

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Zielstrebig ging die Tochter des Botschafters auf die Mitarbeiter des Casinos zu. "Sorgen sie dafür, dass dieses blonde Flittchen umgehen aus dem Casino verschwindet", forderte sie die beiden Männer auf und die Art ihres Auftretens ließ keinen Zweifel daran, dass sie eine umgehende Reaktion ohne Widerworte erwartete. Ein Moment zögerten die Männer, doch als ihnen bewusst wurde, dass hier die Tochter eines Botschafters vor ihnen stand, zögerten sie keine Minute länger.


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Wenig sanft schoben sie den Scheich und einige weitere gaffende Männer zur Seite. "Madame, verlassen sie umgehend diese Gebäude. Ihr verhalten ist hier weder angebracht, noch erwünscht." Die Blondine blickte überrascht drein und wollte protestieren, doch einer der Wachleute packte sie unsanft an den Schultern und drehte sie herum, um sie zum Ausgang zu begleiten.


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Doch während er das tat, war deutlich das Geräusch von reißendem Stoff zu hören. Der Wachmann hielt inne und die Blondine bemerkte, dass ein Träger ihres Tops durch seine unsanfte Behandlung gerissen war. Augenblicklich wurde sie hysterisch und fing an zu schreien und weinen. "Mein Top ist zerrissen! Wie soll ich den jetzt auf die Straße gehen. Ich bin doch halb nackt! So kann ich niemals raus gehen! Was werden die Leute bloß denken?"


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Um nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf sie zu lenken, führte der andere Sicherheitsmann die hysterische Frau, deutlich sanfter als sein Kollege, in das Sekretariat des Casino-Managers im ersten Stock des Gebäudes. Hier würde sie die übrigen Gäste nicht länger belästigen und er konnte eine der Köchinnen aus dem Restaurant beauftragen, der Simropäerin etwas Neues zum Anziehen zu besorgen.

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Derweil beschwerte sich die Tochter des Botschafters energisch über die Zustände, die im Casino herrschten. Und dabei ging es ihr nicht um die unsanfte Behandlung der Blondine, denn in ihren Augen hatte diese nichts anderes verdient. "Ein solches Flittchen wie die hätte dieses Haus überhaupt nicht betreten dürfen. Wo sind denn Klasse und Exklusivität geblieben? Wird hier jetzt jeder Hure der Zutritt gewährt? Ich will auf er Stelle mit dem Manager des Casinos sprechen. Auf der Stelle!"


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Eine hysterische Frau pro Tag war dem Wachmann eindeutig genug. Also rief er umgehend seinen Chef an und teilte ihm mit, dass eine unzufriedene Kundin unten im Casino wartet. Sollte sein Boss sich darum kümmern, immerhin war das sein Job. Widerstrebend erhob sich der Casinomanager aus seinem gepolsterten Korbsessel und verließ sein Büro. Er nahm die weinende Frau im Vorzimmer kaum wahr, als er hindurch schritt und die Tür zu seinem Büro in ihr elektronisches Schloss fiel.


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Jetzt musste alles schnell gehen, denn es bleiben nur wenige Minuten Zeit. Die Tür war hinter dem Casinomanager kaum ins Schloss gefallen, da hatte die Blondine, Kinga, ihren hysterischen Heulkrampf längst wieder vergessen und kramte aus ihrer winzigen Handtasche eine Kreditkarte hervor. Nur war dies gar keine Kreditkarte, sondern eine Karte zum überbrücken von Sicherheitsschlossern. Sie schob die Karte in das elektronische Schloss an der Wand neben der Tür zum Büro des Managers und konnte beobachten, wie in wenigen Sekunden, eine Zahl nach der anderen des sechsstelligen Türcodes geknackt wurde. Nach nicht mal 30 Sekunden ertönte ein langgezogener Piepton, und die Tür sprang auf.


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Kinga blickte sich ein letztes Mal um und schlich sich in das Büro des Casinomanagers. Es sah innen genauso aus, wie Senora Ewa es ihr beschrieben hatte. An der rechten Wand befand sich eine Regalwand mit dem eingelassenen Tresor. Anstelle eines Schlosses oder Zahlenrades befand sich in der Mitte des Safes aber ein kleines Display mit einem Mikrofon. Nur die Stimme des Managers selbst würde den Tresor öffnen und nur, wenn er dazu das richtige Codewort sprach. Aber für diesen Teil war Romina zuständig. Sie konnte nur angespannt vor dem Tresor warten, bis ihre Partnerin sich meldete.

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Der Casinomanager war inzwischen bei der Tochter des Botschafters eingetroffen, die niemand anderes als Romina war. Immer noch gab sie sich entrüstet über die Zustände in dem Casino. Der Manager war bemüht sie zu beschwichtigen, aber sie ließ nicht mit sich reden. "Sorgen sie dafür, dass so eine wie DIE, nie wieder einen Fuß in dieses Casino setzt. Wenn nicht, dann erzähle ich meinem Vater, dass hier nicht nur Glückspiel betrieben wird, sondern auch noch Alkohol ausgeschenkt und Stripperinnen geduldet werden. Er ist sehr gut mit dem Imam von Batna befreundet. Es wird ihn sicher interessieren, was hier so passiert."


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Jetzt bekam es der Manager mit der Angst zu tun. Wenn der Imam ganz offensichtlich auf das nicht ganz legale Treiben im Casino aufmerksam wurde, dann konnte er gar nicht anders handeln, als den Laden hoch gehen zu lassen. Und dann wäre er, der Casinomanager, ganz sicher seinen Job los. Nein, das wollte er nun wirklich nicht riskieren. "Seinen sie versichert, dass so etwas nie wieder vorkommen wird. Ich werd meine Sicherheitsmänner anweisen, mehr darauf zu achten, wer hier Zutritt bekommt." "Gelobt sei Allah!", erwiderte Romina und so wie sie es geplant hatte, hob der Casinomanager seine Hand zu Himmel und pries den Allmächtigen. "Gelob sei Allah!"


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Das war der Code! Über ein Mikrofon in Rominas Ausschnitt wurde die Stimme des Casinomanagers aufgezeichnet und augenblicklich zu Kinga im ersten Stock übermittelt. "Voice Identification Successful" erschien im Display des Tresors und er öffnete sich mit einem lauten Klick.


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Im Safe befanden sich eine Menge Bargeld, Wertpapiere, Dokumente und eine DVD. Und genau auf diese DVD hatte Kinga es abgesehen. Schnell schob sie den Datenträger in das Laufwerk des PCs des Managers und schloss ihren USB-Stick, der geschickt im inneren ihres Lippenstiftes verborgen war, an den Computer an. Die Datenübertragungsgeschwindigkeit des Sticks übertraf alles, was momentan frei auf dem Markt erhältlich war und so wurden die Daten von der DVD, Angaben über die Kunden des Casinos, die hier nicht nur dem Glücksspiel frönten, sondern den Ort auch für illegale Geldwäsche nutzten, in wenigen Augenblicken auf den USB-Stick kopiert.


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Und dennoch schaffte Kinga es gerade im allerletzten Augenblick, den PC auszuschalten, die DVD wieder im Tresor einzuschließen und das Büro des Casinomanagers zu verlassen. Gerade als die Tür ins Schloss viel, trat auf schon der Manager in das Vorzimmer. Die Überraschung war Kinga deutlich ins Gesicht geschrieben. Doch sie überspielte sie schnell mit einem schrillen Lachen. "Hahaha, ich Dummchen hab so einen Aufstand gemacht, dabei ist gar nichts passiert. Sehen sie, ich hab den Träger einfach zusammen geknotet. Ist jetzt fast wie neu. So, ich geh dann jetzt auch, ich will mich ja noch an den Strand legen. Also, ciaaao!"

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Winkend ging sie an ihm vorbei. Kopfschüttelnd beobachtete der Casinomanager, wie die seltsame Blondine die Treppe hinunter stieg. Frauen, wer würde sie jemals verstehen können? Er zuckte mit den Schultern und ging dann zurück in sein Büro. Die Pause hatte er sich verdient.


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Kinga hatte große Mühe damit, nicht sofort los zu laufen. Doch kaum war sie um die nächste Straßenecke gebogen, riss sie sich die blonde Perücke vom Kopf und eilte zu dem vereinbarten Treffpunkt mit Romina. Diese wartete bereits auf sie und hatte sich ebenfalls schon des Abendkleides entledigt. Überglücklich viel Kinga ihrer Partnerin um den Hals "Sch**** war das geil! Wir haben es tatsächlich geschafft! Jetzt müssen wir nur noch darauf warten, dass wir abgeholt werden. Wir haben unseren ersten Auftrag gemeistert!"


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Doch leider hatten sich die beiden zu früh gefreut. Plötzlich hörten sie einen Tumult hinter sich und als sie über die Schulter blickten, sahen sie die beiden Wachmänner mit Pistolen in der Hand auf sie zurennen. "Da sind die beiden Diebinnen!", schrei einer von ihnen und noch bevor Kinga und Romina genauer darüber nachdenken konnten, waren sie auf der Flucht.


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Schüsse fielen. Kinga legte ihre Hände schützend um ihren Kopf, bis ihr dann bewusst wurde, dass das kein Stück gegen eine Kugel helfen würde. Zudem verfluchte sie sich dafür, dass sie immer noch die hochhackigen Stiefel trug. Die beiden Frauen hasteten durch die engen Gassen Batnas, mitten hindurch durch Menschenmassen und Basarstände. Doch die beiden Wachmänner blieben ihnen auf den Fersen und holten immer weiter auf.


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Es würde Kinga auf ewig ein Rätsel bleiben, wie sie trotz der Angst und der Schüsse den richtigen Weg zum vereinbarten Treffpunkt gefunden hatten. Aber der grüne Lieferwagen wartete bereits auf sie und ihr Kontaktmann erkannte sofort die brenzlige Situation und ließ augenblicklich den Motor laufen. "Springt in den Wagen und dann nichts wie weg hier!", rief er den Mädchen zu und das ließen sie sich kein zweites Mal sagen. Erst als das Fahrzeug in sichere Entfernung war, fielen die beiden sich weinend in die Arme. Jetzt hatten sie es wirklich geschafft.

 
Kapitel 152: Niemals aufgeben

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Auf dem Rückflug von Algerien schliefen die beiden wie zwei Steine. Doch kaum waren sie in ihrem kleinen Bunker im Wald angekommen, war alle Müdigkeit wie weggeblasen. "Das war der absolute Hammer!", schwärmte Kinga immerzu. "Und ich dachte wirklich, die beiden Typen würden uns abknallen. Peng, peng! Ich bin im Leben noch nicht so schnell gerannt. Und das in Heels!"


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"Glaubst du...glaubst du, Senora Ewa wird uns noch auf weitere Missionen schicken? Sie ist doch deine Tante, du musst mit ihr reden! Ich hab mich noch nie so lebendig gefühlt, wie in diesen wenigen Stunden." "Sie wäre dumm, wenn sie uns nicht wieder los schicken würde. Immerhin hat alles problemlos geklappt. Wir haben die Daten besorgt. Damit kann "Justice" sicher einigen Gaunern das Handwerk legen. Und wir haben dazu beigetragen! Ich kann es immer noch nicht ganz begreifen."


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So ging das die ganze Nacht hindurch, bis die Mädchen dann schließlich doch den Weg in ihre Betten fanden. Am Morgen wurde Kinga vom Klopfen an der Tür geweckt. Verschlafen öffnete sie und fand ihre Großtante, Senora Ewa, vor. Diese Betrat den Bunker einfach, ohne auf eine Einladung zu warten. Auch Romina wurde langsam wach und Kinga begann sofort aufgeregt von ihrem Einsatz zu berichten.


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"Der Bericht lag heute Morgen auf meinem Schreibtisch", unterbrach sie ihre Nichte. "Und für euren ersten Einsatz habt ihr beide euch sehr gut geschlagen." "Erster Einsatz? Soll das heißen, es warten weitere Aufgaben auf uns", palpperte Kinga einfach dazwischen. Senora Ewa lachte. "Aber natürlich! Nur nicht jetzt, eure Ausbildung ist noch lange nicht abgeschlossen. Ihr müsst diesen Einsatz eher als einen kleinen Vorgeschmack darauf sehen, was euch in Zukunft bei "Justice" erwarten kann. Aber dafür müsst ihr euch beide anstrengen. Ihr dürft nicht mit halbem Herzen dabei sein. Wir verlangen euren vollen Einsatz."

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"Und den wird die Organisation von mir auch bekommen", versicherte Kinga ohne zu zögern. "Ich...ich habe diesen Ort gehasst, als ich hier her kam, weil ich nicht verstand, was ich hier sollte. Ich dachte, es wäre nur, damit meine Mutter mich einfach wie ein Stück Abfall entsorgen kann. Aber ich habe mich geirrt. Ich hasse meine Mutter nach wie vor, aber es verschafft mir Genugtuung, dass ich durch sie nur noch stärker geworden bin."


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"Hass ist eine sehr starke Emotion, Kinga. Bewahre ihn dir, denn er kann dir eine Quelle der Kraft sein. Aber sei vorsichtig, dass er dich nicht übermannt. Sonst zerstört er dich und es wäre wahrlich eine Schande, wenn "Justice" dich verlieren würde", warnte Senora Ewa sie eindringlich und hoffte, dass Kinga die volle Tragweite ihrer Worte verstand.


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"Aber ich bin noch wegen einer anderen Angelegenheit hier", erklärte Senora Ewa. "Ich möchte, dass ihr Eure Sachen zusammen packt. Ihr werdet noch im Laufe des Tages in ein anderes Haus umziehen. Es wird nicht mehr Luxus bieten, als diese hier, aber es ist näher an der Lehrbaracke gelegen und ihr beide werdet nicht länger isoliert werden. Versucht Kontakte zu euren Kommilitonen zu knüpfen. Es kann nicht schaden, wenn ihr früh eure zukünftigen Kollegen bei "Justice" kennen lernt." "Natürlich, Senora Ewa", pflichtete Romina ihr bei und konnte sich ein Kinga gewidmetes verstohlenes Lächeln nicht verkneifen.




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Am Nachmittag kam Olek vorbei und holte die wenigen Sachen ab, die die beiden jungen Frauen besaßen. Mitfahren durften die zwei allerdings nicht. So brachen die beiden zu Fuß zu der Holzhütte auf, die ihnen Olek beschrieben hatte. Wie der Bunker, lag auch diese mitten im Wald, der sich inzwischen in goldenen Herbstfarben präsentierte, aber zur Lehrbaracke waren es gerade einmal 20 Minuten Fußweg.


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Neugierig blickten die beiden sich in ihrem neuen Zuhause um. Und auch wenn es groß war, viel großer als ihr winziger Bunker, fand sich darin doch keine Menschenseele. "In unserem Schlafraum steht noch ein drittes Bett, aber es sieht noch vollkommen unbenutzt aus", verkündete Romina, als sie zu Kinga in den Gemeinschaftsraum kam. "Hier lag ein Zettel", erklärte diese. "Wir sollen unter dieser Nummer hier anrufen." Kinga blickte sich in dem Raum um und entdeckt gleich ein uraltes Telefon an der Wand.


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"Na ob das alte Ding noch funktioniert?" Romina betrachtete den Apparat skeptisch. Aber ein Signal war zu hören. Wählen konnte sie trotzdem nicht. "Du Kinga, da sind gar keine Tasten und auch keine Drehscheibe. Wie soll ich denn da anrufen?" "Hör mal, ob sich jemand meldet", riet Kinga ihr und tatsächlich hörte sie nach wenigen Augenblicken eine Stimme. "Mit wem soll ich verbinden?" Schnell winkte Romina Kinga zu sich und wies sie an, ihr den Zettel zu zeigen. "Verbinden sie mich mit der Nummer..."


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Romina wartete, dann meldete sich ein Mann. Ohne sich vorzustellen, finge er an zu reden. "Fräulein Gordienko, Fräulein Blech, Sie werden sich um die neuen Studenten kümmern, die wir ihnen in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten vorbei schicken werden. Sorgen sie dafür, dass sie sich hier gut zurechtfinden und machen sie sie mit den hier üblichen Methoden vertraut. Sie entscheiden, wann die Studenten bereit sind, bei ihnen einzuziehen. Kein Wort über "Justice", keine wilden Partys, keine Ausschweifungen. Sie tragen jetzt die Verantwortung. Die ersten Studenten werden noch in dieser Woche eintreffe. Wir verlassen uns auf sie." Und dann legte er auf, ohne dass Romina noch irgendetwas erwidern konnte.





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Und bereits im Verlauf der Woche kamen zwei junge Frauen vorbei und standen ratlos vor der Baracke. "Nun, dann machen wir uns mal an die Arbeit", sagte Kinga zu Romina und die beide traten vor die Hütte. Tabea entsprach sowohl von ihrer Kleidung, als auch von ihrem Verhalten her, eher Kinga, deshalb nahm sie sich ihrer an. "Was geht ab? Du bist also neu hier?", sprach sie Tabea direkt an. Romina dagegen versuchte es bei Linda erst einmal auf die höfliche Art.

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Dumm war nur, dass weder Romina und Kinga genau wussten, was von ihnen erwartet wurde. Wie sollten sie wissen, dass die beiden jungen Frauen bereit waren hier einzuziehen? Ein Gespräch konnte auf alle Fälle nicht schaden, also wurden beide in die Hütte gebeten. Schnell zeigte sich, dass Linda ein eher verschlossener Mensch war, der sich lieber hinter einem Buch versteckte und den Kontakt zu Menschen mied. Damit war sie Romina gar nicht unähnlich, was augenblicklich eine Verbundenheit zwischen den Mädchen erzeugt. Tabea war hingegen sehr redselig.


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Sie kam ziemlich direkt darauf zu sprechen, wie sie in diesem Lager gelandet war. "Meinen Vater hab ich nie kennengelernt. Wird wohl ein Freier meiner Mutter gewesen sein. Nach meiner Geburt hat sie für eine kurze Zeit aufgehört anzuschaffen, aber der Job als Putzfrau war nix für sie. Also begann sie wieder damit, Männer mit nach Hause zu bringen. Als ich 11 war, hatte ich keinen Bock mehr darauf, meine Mutter jeden Morgen betrunken im Bett vorzufinden und sie wieder aufzupäppeln. Außerdem merkte ich schon damals, dass ihre Freier viel zu viel Interesse an mir zeigten. Also bin ich abgehauen, lebte mal auf der Straße, mal im Heim und mal bei Pflegeltern. Manchmal war‘s gar nicht übel, aber die kamen nie damit klar, dass ich mir nichts sagen ließ und ab und an gerne meine Fäuste sprechen lasse. Tja, und jetzt bin ich hier. Mal schauen, wie lange es mich hier hält."

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So schnell wirst du hier nicht wegkommen, dachte Kinga, behielt es aber für sich. Sie hatte ja selbst die Erfahrung gemacht, dass man nicht so leicht aus diesem Lager verschwinden konnte. Inzwischen fand sie es aber auch nicht mehr so schlimm hier. Ihre neue Behausung erlaubte ein recht angenehmes Leben und isoliert wurden Romina und sie auch nicht mehr länger, was bedeutete, dass sie sich öfter mal nach dem Unterricht mit irgendwelchen Kommilitonen treffen konnte. Sogar Pizza war plötzlich drin, die ab und an am Haus abgestellt wurde...wenn auch zu unmöglichen Zeiten.


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Die Wochen zogen ins Land und immer wieder kamen neue Anwärter vorbei. Heidemarie hatte bereits gehört, dass sie aus ihrer baufälligen Baracke hierher wechseln könne, wenn Kinga sie aufnahm. Allerdings war dieser immer noch nicht klar, was genau ein Bewerber erfüllen musste, um aufgenommen zu werden? Da halfen auch Heidemaries schmeichelnde Worte nicht.


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Romina begrüßte derweil einen jungen Mann, der unsicher vor dem Haus auf und ab lief. "Hallo, kann ich dir helfen?", fragte sie ihn und er blickte sie aus großen, verschreckten Augen an. "Ich...ich weiß nicht", stotterte er. "Ich bin so verwirrt. Ich wollte doch nur zum College und das Angebot dieser Frau hörte sich so gut an. Keine Studiengebühren, exzellente Ausbildung. Und jetzt bin ich hier mitten im Wald in Holzhäusern. Ich darf nicht telefonieren, nicht ins Internet. Was denken meine Eltern bloß? Sie machen sich bestimmt furchtbare Sorgen. Ich...ich will hier wieder weg."


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Er drehte sich um und wollte zurück in den Wald rennen, in die Richtung, aus der er gekommen war. Doch Romina hielt ihn auf. "Deine Eltern sind beruhigt", log sie. "Die Leitung hier hat sie über alles in Kenntnis gesetzt." Natürlich wusste Romina nicht, ob Senora Ewa oder jemand anderes so etwas getan hatte, aber sie ging stark davon aus. Wie sonst sollten sie das Verschwinden eines jungen Mannes verheimlichen können? "Glaub an dich…" Romina stoppte, weil sie den Namen des verängstigten Jungen nicht kannte. "Willi, Willi Kaster!", stellte er sich schnell vor. "Glaub an dich, Willi", Romina gab ihm die Hand, die er lächeln annahm. "Du kannst hier sehr viel lernen. Gib nicht auf."


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"Meinst du, wir sollen die Neuen testen, bevor wir sie aufnehmen?", fragte Kinga, als die beiden nachts in ihren Betten lagen. "Kann schon sein", entgegnete Romina. "Wir können es ja ausprobieren." "Gut, dann übernehme ich Heidemarie". "Und ich Willi", flüsterte Romina und wurde dabei ein klein wenig rot im Gesicht.

 
Ja, die Pizza liegt auf einer Ablagefläche, die direkt unter dem Briefkasten montiert ist. Es handelt sich dabei aber um einen Download. Es ist eine Art Nachttischchen, was aber wie der Briefkasten aussieht. Auf diese Weise kann man dem (kompletten) Briefkasten eine andere Farbe geben und die Rechnungen werden direkt auf die Ablage unter dem Briefkasten gelegt, statt erst über das halbe Grundstück zum nächsten freien Tisch zu laufen oder die Rechnung einfach auf den Rasen zu legen.
Leider weiß ich nicht mehr, wo ich den Download her habe.
 
Kapitel 153: Verwirrtes Herz

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Als Heidemarie in den nächsten Tagen wieder bei der Baracke auftauchte, wies Kinga sie an, sich um das Haus zu kümmern. Geschirrspülen, Bettenmachen, Fegen, Wischen, Müllrausbringen. Das volle Haushaltsprogramm eben. Da sie wusste, dass es um ihre Aufnahme ging, zeigte Heidemarie keinerlei Widerstand und erledigte jede gestellte Aufgabe anstandslos.

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Und auch Romina zwang Willi zu diesen Arbeiten. Aber es tat ihr schon leid, ihn Putzen und Schrubben zu sehen. Irgendwie kam es ihr nicht richtig vor. Er war ohnehin schon so durcheinander. Vielleicht schmiss er einfach alles hin, wenn er weiter so drangsaliert wurde? Aber vielleicht war das genau das Ziel dieser Aufgabe? Vielleich sollte erst einmal getestet werden, wie weit die einzelnen Kandidaten zu gehen bereit waren?

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Tabea und Kinga verstanden sich super und für Kinga war schnell klar, dass sie Tabea einziehen lassen wollte. Sie rief wieder bei dem mysteriösen Mann an und der teilte ihr nur mit, dass sie diese Entscheidung allein treffen sollte. Also benachrichtigte sie Tabea am nächsten Abend, dass dies nun hier wohnen würde. Auf die Idee, Tabea überhaupt zu fragen, ist sie gar nicht erst gekommen. Und so zog Tabea ein. Romina hatte sich noch lange nicht entschieden, ob jemand bereit war, einzuziehen. Und mit Vroni hatte sie bereits einen dritten, potenziellen Einzugskandidaten.​

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Draußen wurde es immer kälter. Die goldenen Blätter fielen von den Bäumen und eines Morgens war die gesamte Landschaft von einer dünnen Schneedecke überzogen. Das allein war schon Grund genug zur Freude für Romina, die sich noch gut an die Winter in Moldawien erinnern konnte. Nicht alles war dort schlecht gewesen...aber doch das meiste. Überrascht stellte sie fest, dass vor dem Haus einige verschlissene Sofas herumstanden, deren Zustand sie durch wildes darauf Herumhüpfen überprüfte. Just in diesem Moment tauchte ein weiterer Anwärter vor der Baracke auf.

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Peter war ein Waisenkind, genau wie Romina auch. Und auch er kam aus Ost-Simropa, genauer aus Simbirien. Romina fand ihn auf Anhieb sehr sympathisch und bat ihn, öfter vorbei zu kommen. Sie hatte das Gefühl, dass er der Richtige sein könnte, um hier einzuziehen. Zudem hoffte sie, dass sie ihn ein wenig aufheitern konnte, denn Peter fiel es nicht leicht, sich zurechtzufinden. Su unglaublich es für Romina klang, aber er vermisste sein altes Leben im Waisenhaus und da halfen auch Rominas aufmunternden Worte wenig.

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Ein Brand in der Küche versetze die Mädchen und die anwesenden Besucher in helle Aufregung. Kinga war aber geistesgegenwärtig genug, den Feuerlöscher aus dem Küchenschrank zu greifen und das Feuer schnell zu ersticken. Hätte sie nur wenige Sekunden gezögert, dann wäre womöglich die ganze Holzhütte in Flamen aufgegangen. Und diese Bracke war zu ihrem Zuhause geworden, dem einzigen Zuhause, das sie noch besaß.


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Nach diesem Schrecken gönnten sich Kinga und Romina einen Tag im Schnee. Es gab keinen Unterricht, keine Besucher standen vor der Tür. Also wurden Schneeballschlachten ausgetragen und Schneeengel gemacht.

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Romina versuchte sich auch an einem Schneemann. Mit Möhrennase und Besen in der Hand bewachte er das Haus.




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Peter kam oft vorbei und erledigte alle Aufgaben, die ihm von Kinga und Romina gestellt wurden. Romina war eigentlich so weit, ihn endlich in das Haus aufzunehmen. Doch etwas hielt sie zurück. Jedesmal, wenn sie Peter sah, wurde ihr ganz anders und dieses Gefühl verwirrte sie. Peter war nicht gerade das, was man einen hübschen Mann nennen würde, und dennoch, Romina fühlte, wie sie mehr und mehr ihr Herz an ihn verlor. Und genau da lag das Problem. Beziehungen unter den Studenten wurden hier im Lager nicht gern gesehen. Und ganz sicher würden sie nicht in ein und derselben Baracke geduldet werden.


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Als wartete sie mit ihrer Entscheidung und hängte sich umso mehr in ihre Ausbildung rein. Mit den Möbeln, die eines Nachts vor der Hütte standen, hatten Kinga, Romina und Tabea eine Art Wohnzimmer eingerichtet. Als dann auch noch ein Fernseher vor der Tür stand, war die Freude groß. Allerdings konnte man damit nur zu bestimmten Zeiten und nur ganz bestimmt Sendungen empfangen. Trotzdem war dies besser als nichts und Kinga versüßte sich ihre Fitnessübungen, indem sie zur Musik von "Dance TV" seilhüpfte.


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Da Heidemarie alle Aufgaben ohne zu murren erledigt hatte, entschloss Kinga sich dazu, auch sie aufzunehmen. Heidemarie fiel ihr daraufhin überglücklich um den Hals. Kinga kam diese Freude etwas gestellt vor, aber so erging es ihr bei vielen Dingen, die Heidemarie tat und sagte. Und trotzdem, Heidemarie hatte die Fähigkeit Menschen um ihren Finger zu wickeln und sie auf sehr subtile Weise zu manipulieren. Mit ein bisschen mehr Übung würden selbst bei Kinga die letzten Zweifel an ihrer Aufrichtigkeit verschwinden...und das bereitete ihr ein klein wenig Unbehagen.


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Inzwischen machten Kinga die Aufnahmetests mit den neuen Studenten richtig Spaß. Und der harte Winter bot da viele Möglichkeiten, um die Bewerber bis an ihre Grenzen zu treiben. Gertrude für über eine halbe Stunde barfuß und bis zu den Knien im Schnee versunken einen dämlichen Tanz aufführen zu lassen, gehörte sicherlich dazu. Aber Gertrude meisterte diese Prüfung mit Bravour und beklagte sich nicht, obwohl sie sich zum Teil heftige Erfrierungen an den Zehn holte. Für diese Leidensfähigkeit bewunderte Kinga ihre Kommilitonin. Ja, Gertrude war ganz sicher auch bereit, zu ihnen in die Hütte zu ziehen.


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Zudem machten sich ihre handwerklichen Fähigkeiten im Haushalt sehr gut. Anders als in der Sierra Simlone, konnte man hier, mitten im nirgendwo, nicht einfach den Handwerker rufen, wenn etwas kaputt war. Gertrude zeigte sich sehr geschickt darin, solche Dinge wieder in Ordnung zu bringen.


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Und Kinga konnte eine Menge von ihr lernen. In Zukunft würden kaputte Computer sie nicht mehr zur Verzweiflung bringen, sondern sie konnte selbst zum Schraubenzieher greifen und den Schaden beheben.

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Während Kinga nun schon drei neue Mitbewohner in die Barke eingeladen hatte, hatte Romina sich noch immer für niemanden entschieden können. Linda war einfach sehr distanziert. Immer in ihre Bücher vertieft, drang selbst Romina nicht zu ihr durch. Außer, es betraf irgendwelche wissenschaftlichen Fragestellungen. Dann redete Lind wie ein Wasserfall. Und Willi? Nun, da gab es das nächste Problem. Ganz eindeutig sah er mehr in Romina, als nur eine nette Kommilitonin und Mitbewohnerin.

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Und auch wenn Romina sich durchaus geehrt fühlte, so musste sie seine Annährung doch zurückweisen. Sie konnte nicht abstreiten, dass sie ihn möchte, vielleicht sogar mehr, als sie sollte, aber ihre Gefühle für Peter gingen noch weit darüber hinaus. Aber diese Gefühle waren ohnehin bedeutungslos. Egal ob Peter oder Willi, eine Beziehung war einfach nicht denkbar. Und das teilte sie Willi behutsam, aber dennoch bestimmt mit.

 
Kapitel 154: Borkenkäfer

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Wenn fünf Frauen unter einem Dach leben, dann kommt es unweigerlich dazu, dass sie sich irgendwann an die Gurgel gehen. In diesem Fall waren es Heidemarie und Tabea. Die beiden waren in ihrem Charakter grundverschieden. Tabea hätte am liebsten jeden gleich eine reingehauen, der sie nur schief anguckte und Heidemaries herzallerliebste, vor Schleim fast schon triefende Art ging ihr gehörig auf den Zeiger.

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Und auch das herzerweichende Weinen ihre Mitbewohnerin ging ihr am A**** vorbei. "Jetzt hör mit diesem gekünstelten Gejammer auf, Püppchen!", setzte Tabea eins drauf. "Nur weil wir unter einem Dach leben, müssen wir keine besten Freundinnen sein, kapiert. Lass mich mit deinem Getue zufrieden und wir haben beide kein Problem miteinander." So wie es aus sah, hatte selbst Heidemaries Charme seine Grenzen.​

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Als der Frühling kam, lebten somit fünf Frauen in der Baracke. Romina, Kinga, Gertrude, Tabea und Heidemarie. Kinga hatte nie eine Rückmeldung bekommen, ob ihre Entscheidung, die drei aufzunehmen, richtig war. Da sich aber niemand beschwerte, ging sie davon aus, dass alles im Lot sei. Dafür fanden die fünf Frauen immer wieder sperrmüll vor der Hütte und hatten sich ihre Baracke bald auch recht gemütlich eingerichtet.

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Eines Nachmittags kam Gerd, ein Typ, mit dem sich Tabea frühere eine Baracke geteilt hatte, wütend aus dem Wald gelaufen und ging auf sie los. "Du dumme Kuh, du hast mich doch bei Prof. Elena verpetzt! Aber das werde ich dir heimzahlen!"

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Wenn man bei jemandem mit falschen Anschuldigungen vorsichtig sein sollte, dann war es Tabea. Sie brauchte gar nichts zu sagen, sondern ballte lediglich ihre Fäuste und knurrt Gerd wütend an. Der wich erschrocken zurück und hob beschwichtigend die Hände. "Ist ja gut, ist ja gut. Vielleicht...vielleicht hab ich mich ja auch geirrt. Das kann doch passieren. Ich hau dann mal lieber wieder ab."

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Romina beobachtet die ganze Szene schmunzelnd. Tabea konnte sich wirklich behaupten. Im Stillen bewunderte sie ihre Mitbewohnerin dafür. "So, jetzt aber wieder an die Arbeit, Mädels", wies sie Tabea und Gertrude an, die beide ihre Schaufeln wieder in die Hand nahmen und das Grundstück umgruben. Den genauen Sinn dieser Arbeit verstand selbst Romina nicht, aber eines Morgens standen zwei Schaufeln an die Wand gelehnt neben dem Eingang mit dem Hinweis "benutzen" drauf. Und jetzt durften Tabea, Gertrude und Heidemarie abwechselnd die Erde neben der Baracke umbuddeln.



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In den Wintermonaten war der Unterricht in der Lehrbaracke wie üblich verlaufen. Kinga und Romina besuchten, die gewohnten Fächer, bekamen intensives Sprachtraining. Und auch die abendlichen Lektionen in Glücksspiel wurden fortgesetzt. Gelegentlich beteiligten sich auch potenzielle Bewerber, wie etwa Vroni an den Lehrveranstaltungen, was den beiden Frauen die Möglichkeit gab, sich auch außerhalb ihrer Baracke besser kennen zu lernen.

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Doch sobald es wärmer wurde, änderte sich das Programm für die beiden. Unter der Anleitung von Professor Don wurde nun auch dafür gesorgt, dass Kinga und Romina körperlich fit wurden. Stundenlang trieb Prof. Don sie durch den Hindernis-Parcours, ließ sie im Staub kriechen und Holzwänden hinaufklettern, die kaum Halt boten.

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Romina hatte mit dieser Art des Trainings sichtlich mehr Schwierigkeiten, als beim Lösen von mathematischen Gleichungen und dem Erlernen neuer Fremdsprachen. Auch Kinga wurde an ihre Grenzen getrieben. Doch schon lange hatte sie der Ehrgeiz gepackt, das alles bestehen zu wollen. Sie würde sich nicht unterkriegen lassen. Niemals! Und so biss sie die Zähne zusammen und holte das Äußerste aus sich heraus. Und dabei stellte sie mit jedem weiteren Tag fest, dass sie ihre Grenzen noch nicht annähernd erreicht hatte.

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Doch auch Romina gab ihr Bestes. Der Einsatz in Algerien spornte sie weiterhin an. Und sie wusste, nur wenn sie alles gab, dann hatte sie überhaupt eine Chance bei "Justice" zu bestehen. Und so prügelte sie mit aller Kraft, mit aller Geschicklichkeit auf den Boxsack ein, wenn es von ihr verlangt wurde, mit einer solchen Leidenschaft, als ob ihr Leben davon abhing.

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Und dass ihr Leben von diesem Training abhängen konnte, wusste sie bereits seit ihrer Flucht aus dem Casino in Batna. Nocheinmal bewusst wurde ihr dies, als Prof. Don sie in einen bis dahin verschlossenen Teil der Lehrbaracke führte und ihnen eine 9 mm Halbautomatik in die Hand drückte. "Den rechten Arm komplett durchstrecken! Spannt eure Muskeln an und atmet in dem Moment aus, in dem ihr abdrückt. Der Rückstoß wird euch vermutlich trotzdem nach hinten werfen. Zielt auf die Scheiben vor euch...und abdrücken!" Beim ersten Mal hätten beide Mädchen fast die Waffe wieder fallen lassen. Doch mit jeder weiteren Trainingseinheit wurden sie sicherer und sicherer. Und es gefiel ihnen.


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Daraufhin hielt Romina die Zeit für gekommen, Willi zu bitten, bei ihnen einzuziehen. Er war ein helles Köpfchen und würde sich sicher gut einbringen können. Und seit seinem letzten Annährungsversuch, denn Romina eindeutig abgewiesen hatte, hat er nicht weiter versucht, ihr in irgendeiner Form zu nahe zu kommen.

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Der Computer neigte leider dazu, sehr häufig den Geist aufzugeben, was eine Reparatur alle paar Wochen erforderlich machte. Da sowohl Gertrude als auch Kinga schon fest schliefen, versuchte Tabea alleine ihr Glück...und wurde prompt von einem Stromschlag durchzuckt. Ganz zur Freude von Heidemarie, die nur zu gerne mitansah, wie de Frau, die sich nach wie vor ständig drangsalierte, zu leiden hatte. Zum Glück passiert weiter nichts Schlimmes und Tabea erholte sich von dem Schrecken.

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Linda erwies sich für Romina als echte Hilfe. Die beiden jungen Frauen spornten sich bei Diskussionen über mathematische Fragestellungen und physikalische Quantengesetze gegenseitig an. Und gemeinsam kamen sie auch Ideen und Lösungen, auf die sie alleine nicht gekommen wären. Aus diesem Grund war es für Romina klar, dass sie Linda endlich bei sich aufnehmen musste.

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Und auch Peter wurde ein häufiger Gast in der Baracke. Er brachte sogar eine Konsole mit. Und auch wenn diese bloß eine billige Nintendo-Fälschung aus den frühen 90er war, so hatten Romina und er gemeinsam doch sichtlich Spaß damit. Romina hätte ihn so gerne gebeten, bei ihnen einzuziehen, aber sie kämpfte noch immer mit ihren Gefühlen. Sie wusste, dass sie ihm nicht lange widerstehen konnte, wenn er erst einmal hier lebte.

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Aber schließlich bat sie ihn doch, zu ihr und den anderen in die Holzhütte zu ziehen. Und so bekam das ohnehin schon beengte zweite Schlafzimmer noch einen fünften Mitbewohner. Immerhin fühlte Willi sich auf diese Weise nicht mehr so allein unter den ganzen Frauen.

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Und auch wenn sie es gar nicht wollt, so könnte Romina gar nicht anders, als ihre Zeit mit dem sympathischen jungen Mann aus Simbirien zu verbringen. Sie wollte ihn behandeln, wie jeden anderen Bewohner auch, aber dafür möchte sie Peter viel zu sehr.

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Und es kam, wie es kommen musste. Was hatte Romina denn auch anderes erwartet, wenn sie mit Peter nachts unter dem freien Sternenhimmel spaziert, hinter der Baracke, weit ab von ihren Mitbewohnern. Er ergriff ihre Hand und sah ihr fest in die Augen und dann sagte er mit seinem harten simbirischen Akzent: "Ich liebe dich, Romina." Alle Vorsätze waren bei diesen Worten wie weggeblasen. "Ich liebe dich auch, Peter", hauchte sie zur Antwort.


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Peter legte seinen Arm um Rominas Hüfte und zog sie eng an sich. Rominas Herz schlug wild. Noch nie war sie einem Mann so nah gewesen, wie in diesem Augenblick. Aus Angst, dass er sie in letzter Sekunde von sich stoßen könnte, klammerte sie sich noch fester an ihn und ließ ihm kaum Raum zum Atmen. Aber er ließ sie nicht los, sondern küsste sie so voller Gefühl, dass kein Zweifel an seinen Worten blieb.

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Doch die traute Zweisamkeit wurde jäh unterbrochen. Romina hörte, wie sich ihnen jemand nährte und stieß Peter hastig von sich weg. Das hatte zur Folge, dass Heidemarie und Willi die beiden zwar nicht in flagranti erwischten, die Situation aber doch sehr offensichtlich war. "Wir...wir sehen uns nur die Borkenkäfer in der Holzwand an. Nachts sind die besonders aktiv", versuchte Romina sich herauszureden.

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Willi verzog zwar die Augenbraue, sagte aber nichts weiter. Heidemarie lächelte dagegen vielsagen. "Ok, ihr beiden, dann wünsche ich euch noch viel Spaß bei der 'Untersuchung'. Willi und ich werden dann etwas weiter dort drüben 'die Borkenkäfer beobachten'". Sie zwinkerte Romina zu und ging dann Hand in Hand mit Willi weiter. Romina und Peter sahen ihnen mit offenstehenden Mündern hinterher, bis sie in der Dunkelheit nicht mehr zu erkennen waren. Anschließend brachen beide in Gelächter aus.​
 
Kapitel 155: Schicksen-Freundschaft

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Romina und Peter, Heidemarie und Willi, überall gedieh die Liebe...oder zumindest das sexuelle Verlangen. Und auch Kinga fand jemanden. Ab und an verschwand sie für einige Stunden in den Wald und traf sich mit Olek. Es hatte sich irgendwann einfach so ergeben. Sie und er waren alleine im Auto unterwegs gewesen und ehe Kinga richtig begriff, was los war, lagen die beiden schon knutschend auf der Rückbank. Seitdem genoss sie die Treffen mit dem rund 15 Jahre älteren Mann. Als er sie sah, zog er sie besitzergreifend an sich. "Du bist ja ganz nass", bemerkte sie. Olek musste schon länger im Regen gewartet haben. Doch er zuckte nur mit den Schultern. "Es ist doch Sommer. Außerdem wirst du mich sicherlich gleich wärmen."

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Damit hatte er recht. Niemand durfte etwas von ihren Treffen erfahren, also blieb ihnen auch nur wenig gemeinsame Zeit. Schnell waren die Kleider vom Körper gefallen und die beiden liebten sich unter dem freien Himmel. Der warme Sommerregen prasselte auf ihre überhitzten Leiber und für einen kurzen Moment vergaßen sie alles um sich herum.

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Kinga küsste liebevoll seine Schulter und lehnte anschließend ihre Stirn gegen seine. "Hast du denn deiner Mutter geschrieben?", fragte er. "Oder deinem Vater? Du weißt, dass du das seit Monaten machen kannst. Meinst du nicht, dass sie ein Lebenszeichen von dir hören wollen." Olek hatte einen wunden Nerv getroffen, aber in seinen Armen gelang es Kinga, selbst in dieser Situation ruhig zu bleiben. "Ich bin mir sicher, dass ihr meine Erzeugerin wissen lasst, dass ich noch nicht abgekratzt bin. Mehr muss sie nicht wissen. Und jetzt genug davon. Wir haben nicht mehr viel Zeit und die sollten wir nutzen." Anstatt seine Schulter noch einmal zu küssen, biss Kinga hinein, stark genug, dass ein lustvoller Schmerz Olek durchzuckte. Er würde den Tag ganz sicher noch auskosten.


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Der Sommer ging vorüber und es folgte ein erneut harter Winter, der durch intensives Lernen geprägt war. Doch die acht Bewohner der Baracke unterstützten sich, wo sie konnten. Das Wohnzimmer war ein idealer Treffpunkt für alle, nicht zuletzt, weil es der einzige Raum war, der über einen Ofen verfügte.

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Der Schnee schmolz, Schneeglöckchen blühten und verblühten wieder. Die Tage wurden länger und schon bald war wieder Hochsommer. Nach dem Unterricht legten Kinga und Romina sich ins Gras und beobachteten verträumt die vorbeiziehenden Wolken. "Guck doch, die Wolke über uns", sagte Romina, "die sieht doch genau so aus wie der Scheich, den ich in Algerien angraben sollte." Kinga stieß sie grinsend mit dem Ellbogen in die Rippen, was Romina ein empörtes "Aua!", entlockte. Ein lautes Getöse am Himmel unterbrach die ansonsten herrschende Stille. "Da schau, wieder drei Kampfjets", bemerkte Kinga und zeigte in die Richtung, in die die Flugzeuge davonjagten. "Sind bestimmt schon die dritten, die wir heute sehen. Und gestern ging das auch schon so." "Bestimmt irgendeine Übung", vermutete Romina. Kinga zuckte nur mit den Schultern und suchte sich die nächste Wolke, in die man das Gesicht irgendeines Scheichs hinein deuten konnte.

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Aber so gemächlich wie an diesem Tag ging es nicht oft zu. Tabea trieb die anderen Mitbewohner regelmäßig dazu an, etwas für ihren Körper zu tun. Oft gingen sie rüber zur Lehrbaracke, um die dortigen Geräte zu nutzen, und mit Joggen, Gymnastik und Seilspringen konnten die jungen Frauen sich vor Ort fit halten.

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Doch auf Dauer boten das ständige Lernen und die körperlichen Betätigungen nicht wirklich Abwechslung. Kinga hatte noch ihre Romanze mit Olek, aber Tabea verbrachte Tag ein Tag aus ihre Zeit immer mit denselben Menschen, sei es nun während des Unterrichts oder auch daheim in der Baracke. Und das Kotzte sie an. Sie war nicht der Mensch, der lange an einem Ort blieb. Sie brauchte die Abwechslung, immer Aktion um sich herum. Die Streitereien mit Heidemarie arteten deshalb immer weiter aus, weil sie einfach kein anderes Ventil fand, um ihre angestaute Energie los zu werden. Der Höhepunkt war erreicht, als beide Frauen aufeinander losgingen.

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Kinga wusste, dass es so zwischen den beiden nicht weiter gehen konnte. Der Winter hatte fast wieder Einzug gehalten. Zwar sendete die Sonne noch ihre letzten wärmenden Strahlen auf die goldgefärbten Wälder, aber bald würden sie wieder nur noch im Haus hocken können. Und unter der angespannten Situation war ein erneuter Ausbruch regelrecht vorprogrammiert. Da bot ausgerechnet Tabea eine Lösung. "Ich hab gehört, auf so einer Lichtung im Wald würde ne Party steigen. So richtig mit Musik, ein paar neuen Gesichtern und sogar Alkohol soll‘s da geben. Irgendeine Baracke hat sich wohl ´ne Destille gebastelt. Bitte Kinga, lass uns da hin gehen!"

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Eigentlich hielt Kinga das für gar keine gute Idee. Sie konnte sich noch lebhaft daran erinnern, was das letzte Mal passiert war, als sie bei einer solchen Party war. Hajo und Rabea, zwei Kommilitonen zu denen sie gerade Kontakt geknüpft hatte, waren anschließend wie vom Erdboden verschluckt. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, was mit den beiden passiert war. Und trotzdem versprach sie Tabea mit zu kommen. "Wir müssen uns aber nachts raus schleichen. Die anderen dürfen nicht mitbekommen, dass wir weg sind. Ich werde nur Romina einweihen, damit sie uns im Notfall decken kann. Wenn wir erwischt werden, dann ist hier aber der Teufel los, das kannst du mir glauben." Vielleicht übertrieb Kinga ein wenig, aber sie wollte sicher gehen, dass Tabea sich des Risikos bewusst war.


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Kinga bat Heidemarie, ihr Bett für eine Nacht mit Tabea zu tauschen. Diese war zwar nicht wirklich begeistert. Stimmt aber zu. So konnten sich Tabea und Kinga aus dem Dreierzimmer raus schleichen, so dass nur Romina etwas davon mitbekam. Als sie bei der Lichtung eintrafen, war die Party bereits im vollen Gange. Aus dem Ghettoblaster schallte Rock-Musik und ein paar Leute standen Head-bangend davor. Tabea schloss sich ihnen umgehend an und fühlte sich gleich wie Zuhause. Wäre Barbie-Püppchen Lydia nicht auch da gewesen, hatte Tabea sich sicherlich noch besser amüsiert. Auch Kinga musste sich eingestehen, dass sie es vermisst hatte, Party zu machen.

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Die Geschichte mit dem Alkohol stellte sich als wahr heraus. Hinter einer aufgestellten Kiste, die gleiche, die schon bei Kingas letztem Besuch als Bar diente, befanden sich einige Flaschen Selbstgebrannten. King war vorsichtig, schließlich hatte sie keine Lust, am nächten Morgen blind aufzuwachen. Anderseits hatten die anderen Studenten das Zeug sicherlich schon vorher mal probiert. "Man, habe ich das vermisst", seufzte Tabea, als sie einen kräftigen Schluck von ihrem Drink nahm und die anderen beim Tanzen beobachtete.

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"Na, wäre der Typ hinter mir nicht was für dich", zog Kinga ihre Freundin auf. Diese verzog beim Anblick des langnasigen Rothaarigen angewiderte das Gesicht. "Bah, doch nicht so ein Waschlappen. Mein Oberarm ist ja fast dicker als sein Oberschenkel. Ich brauche schon einen richtigen Mann. Oder auch eine richtige Frau." Plötzlich wurde sie ernst und sah Kinga tief in die Augen. Diese überkam die Panik. "Du...also...ich. Ich hab viel Spaß mit dir, aber..."

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Sie hörte auch zu stammeln, als Tabea in wildes Gelächter ausbrach. "Oh man, Kinga, deine Fresse hättest du gerade sehen sollen. Du bist blass geworden, wie ein Bettlacken. Mädel, das war doch nur ein Scherz." Erleichtert atmete Kinga durch und schüttelte grinsend den Kopf. "Und jetzt", sagte Tabea und leert ihr Glas, "mache ich mich an den rothaarigen mit den viele Tattoos ran. Der ist schon eher meine Kragenweite."

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Und setzte dies gleich in die Tat um. Den Rest des Abends bekam Kinga die beiden nicht mehr zu sehen. Einmal im Wald verschwunden, ließen die beiden sich erst Stunden später wieder blicken. Die Zeit nutzte Kinga aber dazu, ein paar neue Gesichter kennen zu lernen. Im Frühjahr waren eine ganze Reihe neuer Leute im Lager aufgetaucht und bis jetzt kannte sie nur einen Bruchteil davon.

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Mit Müh und Not gelang es Kinga, Tabea von ihrer rothaarigen Eroberung und der Party wegzuzerren. Aber der Weg zurück zur Baracke war lang und es würde bald Morgen werden. Als sie vor der Tür standen, fiel Tabea Kinga überraschend um den Hals. "Ich danke dir, dass du mit mir gekommen bist. Ich fasse kaum, dass ich das jetzt sage, aber du bist echt so etwas wie eine Freundin für mich. Und glaub mir, dass konnte noch keine andere Schickse vor dir von sich behaupten." Tabea lachte zwar, aber Kinga konnte genau die Träne sehen, die über ihr Gesicht lief. Anstatt zu antworten, drückte sie sie einfach.


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Zunächst hatte Kinga große Angst gehabt, dass ihr Wegschleichen Konsequenzen nach sich ziehen würde. Sie wartete, dass irgendetwas passierte, dass einer ihrer Mitbewohner verschwand, dass sie bestraft wurde. Aber nichts dergleichen geschah. Nicht am nächsten Tag, am übernächsten nicht und als auch nach zwei Wochen immer noch nichts passiert war, begann Kinga den Vorfall zu vergessen. Längst schlief sie wieder beruhigt und genoss es, die letzten Tage im Freien zu verbringen, bevor der Winter endgültig Einzug hielt.

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Deshalb war sie vollkommen überrascht, als genau einen Monat nach der Party plötzlich ein Wachmann in den Waschraum stürmte, grob ihre Arme packte und ihr Handschellen anlegte. "Denk bloß nicht daran zu schreien!", warnte er sie. Aber das hätte auch wenig Sinn gehabt. Die Waschräume lagen weit von den restlichen Zimmern entfernt. Wahrscheinlich würde sie nicht einmal jemand hören können.

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Wie konnte sie nur so dumm gewesen sein und glauben, dass es ohne Konsequenzen blieb, wenn sie sich davon stahl und zu einer Party ging? Ihr wurde doch so oft klar gemacht, dass sie das nicht durfte. Und was würde aus Tabea werden? Was würden die bloß mit ihrer Freundin machen. Beim ersten Mal war Kinga noch mit einem blauen Auge davon gekommen. Zwar waren Hajo und Rabea verschwunden, aber für sie hatte die erste Party auf der Lichtung im Wald keine Folgen gehabt. Diesmal sah es eindeutig anders aus.
 
@Cha

Danke für deine Rückmeldung!
Im nächsten Update wird aufgeklärt, was es mit dem Polizeieinsatz auf sich hat. Dann erfährst du auch, ob es etwas mit der Praty zu tun hat oder eher nicht ;)
 
Kapitel 156: Familie

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Der Wachmann zerrte sie zu einem Wagen, der einige duzend Meter weit von der Baracke entfernt stand, gerade so weit, dass man ihn von der Holzhütte aus nicht bemerken würde. Durch die verdunkelten Scheiben konnte Kinga nicht nach draußen sehen, aber als der Wagen hielt, wurde die Tür geöffnet und Kinga höflich aufgefordert auszusteigen. Der Wachmann nahm ihr die Handschellen ab und als sie sich umblickte, sah sie ein großes Backsteingebäude auf einer Wiese. Und davor stand Hajo, der einladend die Arme ausbreitete. "Herzlich willkommen, Kinga!"

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Kinga war so überrascht ihren alten Freund wiederzusehen, dass es ihr die Sprache verschlug. Hajo nahm sie an der Hand und führte sie über die Brücke, die den Graben um das Backsteingebäude überspannt. Erst als sie durch die riesige Eingangstür ins Innere des Gebäudes kamen, konnte Kinga wieder klar denken. "Hajo, was ist das hier? Wo sind wir", fragte sie, überwältigt von den Eindrücken, die auf sie eindrangen.

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"Das hier ist die zentrale Verwaltung des Lagers, in dem du die letzten zwei Jahre verbracht hast", erklärte Hajo. "Von hier aus werden die neuen Studenten eingeteilt, die Lehrer und Aufseher erhalten von hier ihre Befehle. Und von hier aus können wir auch beobachten, was die Studenten so treiben. Das Lager wird um die Baracken herum eigentlich vollständig Abgehört und Video-Überwacht." Immer noch konnte Kinga nicht so recht glauben, was sie hörte. "Und was soll ich hier?", fragt sie schließlich. "Hier arbeite", antwortete Hajo knapp. "Senora Ewa hat dich hierher versetzen lassen. Du wirst also ein paar Wochen bei uns verbringen."

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Kinga fühlte sich so dumm, weil sie wirklich gedacht hatte, dass ihrem Freund Hajo etwas Schreckliches angetan worden war. Dabei war er nur hierher in die Verwaltung versetzt worden. Und sie erfuhr, dass auch Rabea lediglich in ein anderes Lager verlegt worden war. Kinga erhielt eine Uniform, wie all die anderen sie auch trugen, und wurde in die Arbeit in der Verwaltung eingeführt. Die Arbeit war nicht sehr aufregend. Hauptsächlich war sie damit beschäftigt, die Akten von Jugendlichen aus aller Welt durchzugehen und darunter die Interessanten heraus zu suchen. Insgeheim hoffte sie, dass sie nicht allzu lange hier bleiben würde.

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Etwas Abwechslung bot nur die Arbeit an der Maschine zum Geldfälschen. Kinga dachte es sei ein Witz, als man ihr auftrug Falschgeld zu drucken. Aber anscheinend gehört das zu ihren zukünftigen Job. Das Falschgeld sah erstaunlich echt aus und das bisschen würde sicherlich keinem weh tun. Nur war die Arbeit furchtbar anstrengend. Die Maschine war gut und gerne fünfzig Jahre alt und wurde von Hand bedient. Immerhin musste Kinga so nicht noch zusätzlich trainieren.

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Nachdem Kinga fast einen Monat in der Verwaltung verbracht hatte, tauchte Senora Ewa auf und wollte sie sprechen. "Was kann ich für sie tun, Senora Ewa?", fragte sie ihre Großtante. "Du wirst noch heute das Lager verlassen", erklärte diese. "Ein Wagen wartet draußen auf dich."

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"Ein Wagen? Und wohin soll ich fahren? Und was ist mit meinen Freunden hier im Lager? Romina, Tabea und all die anderen, kann ich mich gar nicht mehr von ihnen verabschieden?", fragte Kinga überrascht. Und was war mit Olek? Würde sie ihn auch nie mehr wiedersehen können? Kinga bildete sich ein, dass Senora Ewas Mundwinkel bei der Erwähnung von Tabeas Namen seltsam gezuckt hätte. "Du wirst sie sicherlich irgendwann wieder sehen", erklärte sie lediglich. "Es bleibt keine Zeit, um noch mal ins Lager zu fahren. Wenn du willst, kannst du dich von den Leuten hier verabschieden, aber beeil dich. Wir haben nicht viel Zeit".

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Der einzige Mensch, von dem Kinga sich hier verabschieden wollte, war Hajo. "Ich wollte nicht einfach so verschwinden, wie du damals aus meinem Leben verschwunden bist", erklärte sie. Und aus einem Impuls heraus, küsste sie ihn, ungeachtet dessen, was Senora Ewa sagen würde, die sich mit einer Mitarbeiterin ganz in der Nähe unterhielt. "Wenn wir an einem anderen Ort gewesen wären und die Umstände nicht so, wie sie nun mal sind, dann hätte ich dich vielleicht lieben können, Hajo", beteuerte King. "Sssch, Kinga. Denk nicht darüber nach was hätte sein können. Und nun solltest du los. Senora Ewa guckt schon sehr böse zu uns rüber."




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Im Wagen lagen neue Kleider für Kinga bereit. Ihre Uniform musste sie zurücklassen und auch sonst durfte sie nichts mit sich nehmen. Der Wagen mit den verdunkelten Scheiben brachte sie in ein Lagerhaus, das ungefähr zwei Fahrstunden von ihrem letzten Aufenthaltsort entfernt lag. Von dort aus ging es mit einem gewöhnlichen Lieferwagen weiter. Die Fahrt führte nur über Feldwege und Landstraßen und Kinga erkannte erst, dass sie nach SimCity unterwegs war, als sie die Stadt bereits erreicht hatten. Nach einer fast 20 Stündigen Fahrt setzte der Fahrer sie vor dem Gebäude der "Sky Meal" ab. Ohne ein Wort zu sagen, fuhr er wieder weg. Kinga kratzte sich ratlos am Kopf und sah sich um, konnte aber niemanden entdecken. Also entschied sie sich, das Gebäude einfach mal zu betreten.

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Noch bevor sie die Dame am Empfang ansprechen konnte, blickte diese von ihrem Computer auf. "Willkommen, Miss Blech. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise. Senora Ewa erwartet Sie bereits. Ihr Büro liegt im zweiten Stockwerk. Zimmer 203."

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Sichtlich verwirrt stieg Kinga in den Fahrstuhl. Wieder einmal ergab alles keinen Sinn. Warum hatte ihre Großtante denn ein Büro bei bei "Sky Meal"? Und woher wusste die Empfangsdame, wer sie war? Senora Ewa würde ihr dafür sicher eine Erklärung liefern können, also klopfte Kinga beherzt an die Tür und trat ein, ohne ein Antwort abzuwarten. "Wieso sind Sie auch hier?", war das Erste, was Kinga fragte. "Hätten wir dann nicht gemeinsam hier her kommen können. Ganz offensichtlich kennen Sie eine schnellere Art zu reisen. Und ich vermute, auch eine deutlich bequemere."

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"Bitte setzt dich Kinga", forderte Senora Ewa sie auf. "Es war nötig, hier vor deiner Ankunft noch einige Dinge zu regeln. Es geht dabei um deine Mitbewohnerin Tabea." "Wenn es um die Party geht, das war meine Idee. Tabea trifft keine Schuld", unterbrach Kinga sie. "Die Party hat uns nie interessiert, Kinga. Ihr seid kurz ausgebrochen und danach brav zurückgekehrt. Es hatte keine Auswirkungen auf eure Leistungen, als ging es uns nichts an. Nein, Kinga, es ist etwas viel Ernsteres passiert. Tabea wurde zu ihrem ersten Einsatz geschickt, ähnlich dem, den du mit Romina hattest. Aber sie ist nicht wieder gekommen. Tabea ist tot, Kinga."

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"Was?", keuchte Kinga. "Das kann nicht sein. Das ist doch nicht möglich." "Doch Kinga, das ist es. Unser Beruf ist mit vielen Gefahren verbunden. Tabea kannte das Risiko." "Aber...aber was ist passiert. Warum habt ihr nicht auf sie aufgepasst? Es war ihr erster Einsatz!" Senora Ewa umfasste die Armlehnen ihres Stuhls, sodass ihre Knöchel weiß hervor traten. "Nein, dass hätte nicht passieren dürfen. Und sei dir versichert, dass Tabeas Kontaktmann bereits zur Verantwortung gezogen worden ist. Er hat nicht aufgepasst und zugelassen, dass sie erschossen wurde."

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"Aber was viel wichtiger ist, wir haben das Schwein gefasst, dass Tabea erschossen hat", fuhr Senora Ewa fort. "Er befindet sich hier im Gebäude." Kinga sprang von ihrem Stuhl auf und ballte wütend die Faust. "Ich will zu ihm!", forderte sie. "Ich will den Mistkerl in die Augen sehen, der meine Freundin auf dem Gewissen hat." "Und genau deshalb bist du hier, Kinga. Aber bist du wirklich schon bereit, ihm jetzt gegenüber zu treten?" Kinga nickte.


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Senora Ewa erhob sich von ihrem Schreibtisch und gab Kinga zu verstehen, ihr zu folgen. Sie gingen zum Fahrschule und die rothaarige Frau hielt eine Chipkarte an ein Lesegerät an der Tafel mit den Etagen-Tasten und betätigte die ansonsten deaktivierte Taste für die dritte Etage. Als die Fahrstuhltür sich öffnete, schritt Senora Ewa hinaus, hielt aber noch einmal inne. "Der Kerl befindet sich dort hinter." Sie deutete auf eine schäbige Tür vor ihnen. "Das ist deine letzte Chance umzukehren." Doch daran dachte Kinga nicht einmal. Ohne weiter zu überlegen nahm sie die Chipkarte aus Senora Ewas Hand und öffnete damit die Tür.

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Der Mann blinzelte, als die Tür aufschwang und das grelle Sonnenlicht in die finstere Zelle flutete. Er saß gefesselt auf einem Stuhl und sein Gesicht war gekennzeichnet von zahlreichen Kratzern und blauen Flecken. So wie es aussah, hatte man sich seiner schon angenommen.

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"Und wer bist du?", fragte er und spuckte dabei Blut. "Schicken sie jetzt kleine Mädchen um mich zum Reden zu bringen? Das letzte kleine Mädchen habe ich wie ein Flieg zerquetscht." "Halt dein Maul, Mistkerl!", brüllte Kinga ihn an. Er fing an zu lachen. "Warum hast du sie umgebracht? Warum musste Tabea sterben? Warum?!" "Weil das klein Flittchen dachte, sie kann mich austricksen", spie er durch zusammengekniffen Zähne hindurch. "Sie dachte, sie kann einfach so bei mir einbrechen, meine Hunde töten und ungeschoren davon gekommen. Und dafür musste diese Hure sterben. Ich hab sie einfach abgeknallt, aus nur einem Meter Entfernung, mitten auf einem Parkplatz. Ihr dummes Gesicht, als sie blutend zu Boden sank, war die ganze Mühe fast schon wieder wert gewesen."

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Als er wieder anfing zu lachen konnte Kinga nicht mehr länger an sich halten und schlug in mit geballter Faust ins Gesicht. Sein Kopf schleuderte nach hinten und schlug heftig gegen die Wand. "Wag es ja nie wieder, so über sie zu sprechen, du Hurensohn!"

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"Mach dir deine Hände doch nicht schmutzig, Kinga." Kinga zuckte zusammen, als sie die Stimme ihrer Großtante hinter sich hörte. Sie hatte völlig vergessen, dass sie auch im Raum war. Sie stoppte damit, weiter auf Tabeas Mörder einzuprügeln. Senora Ewa schritt auf sie zu und legte ihr etwas in die Hand. Kinga blickte überrascht hinunter und sah die Pistole. Langsam blickte sie auf und sah ihrer Großtante in die Augen. Und diese nickte. "Bring dieses Schwein um. Er hat es nicht anderes verdient."

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Senora Ewa strich Kinga beim Vorbeigehen über den Rücken und verließ den Raum. Die Tür schloss sich hinter ihr und Kinga war alleine mit dem Mörder ihrer Freundin und einer Pistole in der Hand. Der Typ grinste immer noch. "Du wirst doch eh nicht abdrücken", spottet er. Kinga hatte noch nie auf einen Menschen geschossen. So viel Male hatte sie an der Zielscheibe geübt oder auch Tier gejagt, aber noch nie musste sie die Waffe gegen einen Menschen einsetzen. Gedankenversunken entriegelte sie die Waffe und plötzlich verschwand das Grinsen des Typen. "Mädchen, komm schon, die Kleine ist bei mir eingebrochen. Was hätte ich den tun sollen? So ist nun mal das Geschäft." "Ja, so ist nun einmal das Geschäft", pflichtet Kinga ihm bei. Und sie drückte ab.

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Senora Ewa hörte den Schuss. Es vergingen ein, zwei Minuten, bis die Tür aufging und eine sehr blasse Kinga auf wackligen Beinen ins Sonnenlicht trat. Noch immer hielt sie die Pistole in den Händen. "Er ist tot", flüsterte sie. Senora Ewa schritt auf sie zu und nahm ihr behutsam die Waffe aus der Hand. "Komm, Kinga, es wartet noch jemand darauf dich zu sehen."

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Kinga fühle sich wie in Watte gepackt. Alls drang nur dumpf und undeutlich zu ihr durch. Es war ein wenig so, als wenn sie wieder high wäre. Sie folgte Senora Ewa eher unbewusst. Und als diese die Tür zu einem Büro öffnete, erkannte sie die Frau, die dort saß nur langsam. Doch dann gefror sie zu einer Salzsäule. "Mutter", keuchte sie. Die Frau in dem bequemen Sessel vor einem großen Schreibtisch saß, begann zu lachen. "Nein King, nicht deine Mutter. Nur ihre Zwillingsschwester."

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Erst jetzt erkannte Kinga, dass dort ihre Tante Joanna im Sessel saß. Sie erhob sich graziös und schritt langsam auf Kinga zu, die verwirrt zu Senora Ewa hinüber blickte. "Darf ich vorstellen, Donna Joanna, der Kopf unsere Organisation." Inzwischen war Donna Joanna bei Kinga angekommen und umfasste die Arme ihre Nichte. Sie beugte sich vor und hauchte Kinge einen Kuss auf die Wange. "Willkommen Kinga. Willkommen in deiner neuen Familie. Willkommen bei "Justice".


Gedanken:

„Willkommen in deiner Familie“. Kinga hatte nicht geglaubt, dass sie diese Worte jemals wieder hören würde und sie ihr irgendetwas bedeuten würden. Doch das taten sie. Sie fühlte sich tatsächlich so, als ob sie endlich zu ihrer Familie gefunden hätte. Sie gehörte nicht zu dem Mann, der sie aufgezogen, aber doch nicht ihr Vater war, nicht zu dem kleinen Mädchen, die sie als ihre Schwester bezeichnete und schon gar nicht zu der Frau, die ihre Mutter sein wollte, aber nicht einmal in der Lage war sie zu lieben. Nein, Sie gehörte hier her, zu „Justice“. Hier war sie zuhause. Zweieinhalb Jahre hatte sie unter erbärmlichen Bedingungen gelebt. Sie hatte sich quälen und demütigen lassen. Aber das alles diente nur dazu, damit sie endlich zu ihrer Familie fand. Diese Erkenntnis entschädigte für alle Strapazen.


Sie hatte alle Aufgaben gemeistert. Trotz der anfänglichen Ausrutscher gab es keinen Zweifel mehr daran, dass sie bereit und würdig war, ein Teil der Organisation zu werden. Und auf ihrem Weg dorthin hatte sie viel Menschen kennengelernt, die ihr mehr ans Herz gewachsen waren, als ihre wahre Familie in der Sierra Simlone es je könnte. Romina war ihre engste Vertraute und Tabea eine verwandte Seele. Ihr Tod würde Kinga noch lange beschäftigen, aber es verschaffte ihr Genugtuung, dass sie Tabeas Tod rächen konnte. Und auch ihre weiteren Mitbewohner, Heidemarie, Gertrude, Willi, Peter und Linda würde sie nie vergessen, ebenso wie Vroni und Igor, zwei weitere Kommilitonen, die sie entscheidend geprägt haben.

Sie waren schon eine tolle Truppe gewesen. Kinga war sich sicher, dass eine Baracke wie ihre nicht alle Tage vorkam. Sie hoffte, ihre Mitbewohner und Kommilitonen in naher Zukunft wieder sehen zu können. Aber wer wusste schon genau, was das Schicksal für sie bereit hielt? Hätte ihr jemand vor drei Jahren gesagt, dass sie in ein Lager gesperrt und zur Agentin ausgebildet werden würde, sie hätte ihn ausgelacht. Aber das Schicksal ging manchmal seltsame Wege und man konnte nur verlieren, wenn man versuchte sie vorauszusehen.
 
brrrrrr... Ich finde diese ganze Geschichte echt gruselig... Und so traurig, dass die Familie nicht mehr zusammen finden wird. Ehrlich gesagt kann ich Kinga überhaupt nicht verstehen. Sie ist doch immer so gut mit ihrem "Ziehvater" ausgekommen, bevor sie wusste, dass er nicht ihr leiblicher Vater ist. Warum wirft sie das alles weg? Dass sie ein Problem mit ihrer Mutter hat, ist nachvollziehbar. Aber auch das kann man doch beseitigen. Ich wünsche mir, dass diese Organisation den Bach runter geht und aufgelöst werden muss. Mir ist das alles zu unglaublich und zu gruselig.
 
@Annny

Vielen Dank für deinen Kommentar! :) Ich freie mich, dass dir die Geschichte gefällt. Wie lange liest du denn schon mit?
Tja, Kinga zu verstehen ist nicht einfach. Sie fühlte sich einfach hintergangen. Natürlich zuallererst von ihrer Mutter. Denn die hat ihr die Möglichkeit genommen, ihren leiblichen Vater kennenzulernen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum sie jetzt auch Dominik ablehnt. Wenn sie ihren leiblichen Vater schon nicht kennenlernen konnte, will sie auch nichts mehr mit ihrem Ziehvater zu tun haben. Damit bestraft sie in erster Linie natürlich sich selbst, aber in ihrer Wut sieht sie das nicht.
In der Organisation fühlt sie sich jetzt zum ersten Mal wieder richtig geborgen. Für sie waäre es schade, wenn die Organisation schaden nehmen würde. Aber ich kann sehr gut nachvollziehen, dass du bedenken wegen der Organisation hast. Denn sie führt ganz sicher nichts Gutes im Schilde und könnte für Kinga gefählich werden. Aber letztendlich hat sie sich dafür entschieden, zu dieser Organisation zu gehören.

Ich hoffe, dass du meiner Story auch weiterhin treu bleibst und bald wieder einen Kommentar da lässt.
 
Warum gibt es eigentlich diese Organisation Steve? Welchen Zweck hat sie? Bis her habe ich immer nur etwas von irgendwelchen Daten gehört, aber was sind das eigentlich für wichtige Daten?
 
Hallo Cha,

gder Ursprung der Organisation liegt in meiner Vorgängergeschichte "Arkaduisz Brodlowski - Die Brodlowski Saga", die ich noch mit Sims1 umgesetzt habe.
Der folgende Text fast ganz gut zusammen, warum es sich bei "Justice" eigentlich handelt:

Justice

Der 4. Juli 1989 war für Justyna Brodlowska ein schwarzer Tag. Die ersten freien Wahlen in Polen leiteten das nun unaufhaltbare Sterben des Ostblocks ein. Vor ihren Augen zerbrach das politische System an das sie geglaubt und für das sie gekämpft hatte. Zu diesem Zeitpunkt lebte sie auf Kuba, gemeinsam mit ihrem Mann Don Carlos und ihrem kleinen Sohn Arkadiusz.

Fidel Castro blieb an der Macht, der Sozialismus überlebte in Kuba, aber nun war es eine isolierte Insel. Ihre frühere Stellung im polnischen Geheimdienst hatte auf einmal kein Gewicht mehr. Ihr gesamtes Leben stellte sich auf den Kopf. Über Jahre hatte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann einen geheimen Drogenring aufgebaut und hatte versucht, über den Verkauf in den Westen das kapitalistische Krebsgeschwür zu schwächen. Doch der Zusammenbruch des Ostblocks stürzte nicht nur die ehemaligen Staaten des Warschauer Paktes in Chaos, sondern wirbelte auch die Unterwelt auf. Mit einem Schlag waren ihr Leben und das Leben ihrer Familie in Gefahr.

Sie floh mit ihrem Sohn nach Venezuela und schließlich zurück in ihre Heimat Polen. Doch mit dem neuen politischen System konnte und wollte sie sich nicht anfreunden. Also gründete sie eine geheime Untergrundorganisation, die versuchte, den früheren Status Quo wieder herzustellen, indem sie die neuen kapitalistischen Machthaber bedrohte, bestahl und ihnen keine ruhige Minute mehr ließ. Nach außen hin wirkte diese Organisation wie eine einfache Verbrecherbande, aber Justyna Brodlowska, von allen Donna Justyna genannt, verlor nie ihr eigentliches Ziel aus den Augen.

Für sie wurde die Organisation zu ihr Leben, ihrer Familie. Und ihre Kinder, ihr Mann, sie alle sollten Teil dieser Familie werden. Für ihren Sohn Arkadiusz hatte sie große Pläne. Einst sollte er ihr Erbe antreten und die Organisation anführen. Um dieses Ziel zu erreichen, um ihren Sohn für diese Aufgabe stark zu machen, schreckte sie vor keinem Mittel zurück. Sie sorgte dafür, dass er früh selbst den Weg in die Kriminalität fand, sie sorgte dafür, dass er im Gefängnis landete, sich bis an die Spitze der Mafia von SimCity arbeitete. Ihr Sohn ahnte nicht, dass seine Mutter aus dem Hintergrund sein ganzes Leben lenkte. Und als er es erfuhr, endete es mit einer Tragödie für Donna Justyna. Sie starb und ihr Sohn war dem Alkohol verfallen und nicht in der Lage, das Erbe seiner Mutter anzutreten. Er zerbrach unter dieser Last und kam bei einem Bootsunglück um, das eher an einen Selbstmord erinnerte.

Doch dies bedeutete nicht das Ende für die Organisation. Denn Arkadiusz hatte ein Tochter: Joanna. Ohne sein Wissen wurde auch sie von ihrer Großmutter in die Organisation eingeführt. Und anders als ihr Vater, war sie sofort Feuer und Flamme. Nach seinem tragischen Ableben übernahm sie die Führung. Sie hatte ihre Großmutter verstanden. Sie verstand ihre Beweggründe, die Motivation ihres Tun und Handelns. Ihre erste Amtshandlung als Leiterin der Organisation, als Donna Joanna, war es der Organisation einen Namen zu geben: „Justice“, zu Ehren von Donna Justyna, für eine gerechtere Welt.

Im Sinne ihrer Großmutterwollte sie die Organisation weiterführen, zur Widerherstellung der sozialistischen Machtverhältnisse und als Familienunternehmen. Ihre gesamte Familie sollte ein Teil von „Justice“ werden. Ihr Bruder Orion trat bereitwillig bei, ihre Zwillingsschwester Oxana, wehrte sich aber. Doch die Hoffnung hatte Donna Joanna nicht aufgegeben. Und mit King, der Tochter ihre Schwester, bot sich ihr die Möglichkeit, auch diesen Teil der Familie für die Organisation zu gewinnen.

Nachdem Kinga erfahren hatte, dass der Mann, den sie für ihren Vater hielt, gar nicht ihr Erzeuger war, geriet sie außer Kontrolle. Sie nahm Drogen und ließ sich von ihrer Mutter nichts mehr sagen. Mit ihrem Verhalten schadete sie sich selbst, ihren Eltern, ihrer kleinen Schwester. Trotz aller Differenzen bat Oxana, Kingas Mutter, Joanna um Hilfe. Sie sollt ihre Nichte wieder zur Besinnung bringen. Und in Donna Joanna keimte der Plan auf, Kinga für immer an „Justice“ zu binden.
 
Was bisher geschah:
(Zusammenfassung der vorherigen Aufgaben)


Vor 20 Jahren hatte ich eine Affäre mit Albert, einem verheirateten Mann und Vater von vier Kindern. Diese Affäre blieb nicht ohne Folgen und bald schon merkte ich, dass ich schwanger war. Da ich Alberts Ehe und Familie um keinen Preis zerstören wollte, erzählte ich ihm nichts von dem Kind und das, obwohl ich ihn schon damals über alles liebte. Stattdessen suchte ich mir einen Ersatzvater für mein ungeborenes Kind. Geplant war, dass Dominik mich verließ, wenn er von meiner Schwangerschaft erfuhr.​

Doch Dominik dachte nicht einmal daran. Er freute sich auf das Kind, unser Kind, und unsere gemeinsame Zukunft. Also wurde meine Tochter Kinga in eine scheinbar glückliche Familie hinein geboren. Doch ich liebte Dominik nicht und auch meiner Tochter konnte ich nicht die Liebe entgegenbringen, die sie verdient hätte. Ich fühlte mich einfach zu schuldig für die Affäre, aus der sie hervorgegangen war.​

Viele Jahre bleib ich bei Dominik, doch meine Gefühle für Albert waren nie erlöschen. Schließlich konnte ich sie nicht länger unterdrücken und Albert und ich waren bereit, uns von unseren bisherigen Partnern zu trennen und eine gemeinsame Zukunft zu beginnen. Doch meine Träume wurden jäh zerstört, als Albert in einem Autounfall ums Leben kam. Kurz nach seinem Tod stellte ich zudem fest, dass ich erneut schwanger war. Ob Alber oder Dominik der Vater meines Kindes waren, vermochte ich nicht sagen.​

Vor Verzweiflung und Trauer fiel ich in ein tiefes Loch. Dominik versuchte zwar, mir wieder auf die Beine zu helfen, aber er kam kaum an mich heran, weil er nicht wusste, wie es in meinem Herzen aussah. Ich floh zu meiner Großmutter nach Warschau, die mir schließlich den Rat gab, Dominik zu heiraten. Da ich Dominik inzwischen sehr schätzte und mein ungeborenes Kind nicht ohne Kind aufwachsen sollte, folgte ich ihrem Rat und wurde Dominiks Frau. Und wir wurden eine glückliche Familie, Dominik, Kinga, meine zweite Tochter Klaudia und ich. Zwar liebte ich Dominik nach wie vor nicht, aber ich war dennoch zufrieden mit meinem Leben.​

Bis zu dem Zeitpunkt, als meine Zwillingsschwester Joanna auftauchte und mir offenbarte, dass sie der Kopf einer Verbrecherorganisation war und meine Hilfe bei einem ihrer finsteren Pläne benötigte. Sie erpresste mich mit dem Wissen um Kingas wahren Vater und schickte mich auf eine Mission, die mich beinah das Leben kostete. So schrecklich dieses Ereignis auch war, dadurch merkte ich, wie sehr ich meine Familie und auch meine Mann liebte. Endlich konnte ich ihm all die Liebe entgegenbringen, mit der ich seit Jahren von ihm überhäuft wurde.​

Alles wäre wunderbar gewesen, wenn Dominik nicht durch einen dummen Zufall erfahren hätte, dass er nicht Kingas Vater war und dies auch Klaudia fraglich blieb. Dominik konnte mir nicht länger vertrauen und verließ mich. Kinga verkraftet den Verlust ihres Vaters nicht und entwickelte einen tiefen Hass auf mich und auch auf ihre kleine Schwester Klaudia, die sich doch als Dominiks leibliches Kind entpuppte. Dominik heiratete erneut und bekam einen Sohn. Auch ich hatte mehrere Beziehungen, bis ich schließlich mit Kasimir einen neuen Mann fürs Leben fand.​

Die Krankheit meiner Großmutter wirbelte mein Leben wieder durcheinander. Ich musste nach Warschau und auf Wunsch meiner kranken Großmutter begleitete mich Dominik. Dort kamen mein Exmann und ich uns wieder näher. Es ging sogar so weit, dass Dominik mir seine Liebe offenbarte und mich bat, erneut seine Frau zu werden. Ich liebte ihn, aber ich brauchte Zeit für eine Entscheidung. Zudem warteten Zuhause größere Probleme auf mich. Kinga war nicht nur wütend auf mich, nein, sie versuchte auch ihre Wut mit Alkohol, Sex und Drogen zu unterdrücken. Da ich keinen anderen Ausweg mehr sah, bat ich meine Schwester Joanna um Hilfe. Sie verfügte über die notwendigen Mittel, um meine Tochter wieder auf einen rechten Pfad zu bringen.​

Ich erkannte, dass ich zu Dominik gehörte und trennte mich von Kasimir. Nun waren Klaudia, Sky, Dominik und ich eine große glückliche Familie und ich war mir sicher, dass eines Tages auch Kinga wieder zu dieser Familie gehören würde. Unser Familienglück wurde allerdings auch eine harte Probe gestellt, als eine dramatische Wirtschaftskrise uns an den Rand des Bankrotts trieb. Und noch schwerer wog Dominiks Entscheid für einige Monate als Sicherheitsmann in Simnistrien, einem Ölstaat in Südamerika, zu arbeiten.​


Kapitel 157: Unerreichbar

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"Die Leitungen sind überlastet. Bitte probieren Sie es später noch einmal." Ich atmete schwer. Obwohl ich mir vorgenommen hatte, mich nicht zu beunruhigen, stieg so langsam aber sicher Furcht in mir auf. Seit zwei Wochen probierte ich vergebens, Dominik zu erreichen. Aber jedes Mal ertönte nur die immer wieder gleiche Ansage vom Band. Ich hatte es schon zu allen möglichen Tages- und Nachtzeiten probiert, aber ohne Erfolg. Auch jetzt um 5 Uhr morgens, in Simnistrien musste es gerade 22 Uhr gewesen sein, schaffte ich es nicht, meinen Ex-Mann und Verlobten zu erreichen.​

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Ich beschloss, dass es keinen Sinn machte, mich jetzt noch ins Bett zu legen. Bei all den Gedanken, die mir im Kopf herumschwirrten, war an Schlaf ohnehin nicht zu denken. Stattdessen legte ich mich aufs Sofa und versuchte wenigstens, mich etwas zu entspannen. Dominik war nun schon seit über zwei Jahren als Wachmann in Südamerika tätig. Es war allerdings das erste Mal, dass er unerreichbar blieb. Zwar fiel das Telefonnetz in Simnistrien immer mal wieder aus, allerdings noch nie über einen solch langen Zeitraum. Was mir besondere Sorgen machte war die Tatsache, dass Dominik zuvor von einer zunehmenden Verschärfung des Konfliktes zwischen den Simnationalen Ölgesellschaften, für die er arbeitete, und der Simnistrischen Regierung berichtet hatte.​

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Irgendwann muss ich dann aber doch eingeschlafen sein. Erschrocken fuhr ich zusammen, als die Tür zum Schlafzimmer aufgerissen wurde. Hastig setzte ich mich auf und erkannte, dass Sky in meinem Zimmer stand. "Mami, du musst aufwachen!", rief er aufgeregt. "Der Schulbus kommt gleich und wir sind noch nicht fertig. Schnell!"​

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Es war nicht meine Art einfach so zu verschlafen. Dies führte mir noch einmal deutlich vor Augen, wie sehr mir die Sorge um Dominik an die Substanz ging. Ich gab Sky einen Kuss auf die Stirn und bereitete Omeletts zum Frühstück vor. Klaudia versicherte mir, dass sie das auch selbst hingekriegt hätte, immerhin war sie schon 15. Aber ich hätte ohnehin aufstehen müssen. Auf mich wartete noch ein Tag voller Arbeit draußen auf den Weiden bei den Rindern.​

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Dass ich verschlafen hatte, war für Sky keine große Sache. Bereits beim ersten Biss von seinem Omelett hatte er die ganze Geschichte wieder vergessen. Anders sah das bei Klaudia aus. Ich erkannte, dass ich ihr nicht länger etwas vormachen konnte. Sie spürte genau, wenn mich etwas bedrückte oder ich mich sorgte. Und diesmal erkannte sie auch sofort den Grund. "Irgendetwas stimmt nicht mit Papa." Es war eine Feststellung, keine Frage. Ich überlegte kurz, ob ich sie anlügen sollte, um sie nicht weiter zu beunruhigen. Als ich jedoch ihren Blick sah, wusste ich genau, dass sie alt genug war, um die Wahrheit zu erfahren.​

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"Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, wie es deinem Vater geht. Ich kann ihn seit gut zwei Wochen nicht mehr erreichen." Klaudia nickte stumm. "Ich hab es auch schon probiert, aber angeblich sind die Leitungen belegt", gestand sie schließlich. Natürlich. Ich hätte mir denken können, dass Klaudia selbst versuchen würde, mit ihrem Vater zu sprechen.​

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Dann lächelte sie jedoch. "Es wird schon alles in Ordnung sein, Mama. Das Telefonnetz in Simnistrien ist uralt. Papa geht es sicherlich gut und er ist froh, dass es mal zwei Wochen Ruhe von uns hat." Unweigerlich musste ich ebenfalls grinsen. Klaudia hatte vermutlich recht und das technische Problem würde schnell behoben werden. "Nun aber ab zum Schulbus", sagte ich und scheuchte sie Richtung Straße. "Der Fahrer sieht schon ganz finster aus, weil du dir so lange Zeit lässt und das penetrante Hupen weckt sonst die halbe Nachbarschaft."​



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Doch ganz so entspannt, wie ich mich Klaudia gegenüber gab, war ich nicht. Während ich mich für die Arbeit bei den Rindern umzog, kam mir der Gedanke, dass Dominik sicherlich auch seit zwei Wochen versuchte, mich zu erreichen und nicht durchkam. Vielleicht hatte er ja einen Brief geschickt? Ich steig in den Pickup und machte einem Umweg zum Stadtzentrum. "Hi Alexa", begrüßte ich das Mädchen hinter der Theke unseres Gemischtwarenladens, der zugleich auch als Postamt fungierte. "Ist vielleicht ein Brief für mich angekommen?"​

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"Ich schaue mal nach", erwiderte Alexa und begann in den Regal hinter der Ladentheke herumzustöbern. Sie schaute einige Briefe durch, doch ganz offensichtlich war keiner an mich adressiert. "Es tut mir sehr leid, Frau Brodlowska." Ich nickte. "Schon gut, Alexa. Aber könntest du mich bitte sofort benachrichtigen, wenn ein Brief von Herrn Blech ankommen sollte?"​

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Alexa versicherte mir, sofort Bescheid zu geben. Obwohl ich jetzt auch nicht viel mehr wusste als zuvor, hatte sich das ungute Gefühl in mir verstärkt. Dominik hätte doch sicher versucht mir zu schreiben, wenn schon keine Kommunikation über das Telefon möglich war. Wenn ihm bloß nichts passiert ist. In der gleichen Sekunde, in der mir dieser Gedanke gekommen war, verfluchte ich mich auch schon dafür. Man sollte den Teufel nicht an die Wand malen. Und vielleicht hatte Dominik ja geschrieben, aber der Weg von Südamerika nach Simropa war lang. Sicherlich war der Brief noch unterwegs.​



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Es blieb mir nichts anderes übrig als abzuwarten und zu hoffen. Ich fuhr hinaus auf die Weiden und parkte das Auto bei den Stallungen. Dort sattelte ich mein Pferd und ritt hinaus zum Wasserloch, um die Rinder zu zählen und nach den neuen Kälbern zu schauen. Seit einigen Tagen nieselte es immer wieder und heute wurde der Regen stärker. Aber ich empfand das als sehr angenehm, da es trotz des Schauers immer noch sehr heiß war und der Regen eine willkommene Abkühlung bot.​

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Plötzlich begann mein Pferd zu scheuen. Im ersten Moment wusste ich nicht, was der Grund dafür sein konnte. Doch dann wurden auch die Rinder unruhig und schließlich hörte auch ich das dumpfe Drohnen in der Ferne, welches immer lauter wurde. Ich blickte zum Himmel und erblickte mehrere Punkte am Horizont, die sich schnell als sehr tief fliegende Hubschrauber entpuppten. Der Lärm war ohrenbetäubend und die gesamte Rinderherde, die ich zuvor mühsam zusammengetrieben hatte, flüchtete in alle Himmelsrichtungen. Ich verfluchte die Idioten, die so tief am Boden flogen, doch dann viel mein Blick auf die Raketen, die deutlich sichtbar außen an den Hubschraubern befestigt waren.​

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Und sie flogen direkt auf die Stadt zu! Ich gab meinem Pferd die Sporen und galoppierte mitten in das Rapsfeld hinein, immer den Hubschraubern hinterher. Das Feld endete an einem seichten Hügel, von dem aus man einen guten Blick über das Tal hatte, in dem Sierra Simlone Stadt, mein Zuhause, lag. Und ich hatte mich nicht geirrt, die Hubschrauber hielten direkt auf die Stadt zu. Ich war den Hubschraubern nicht nur aus Neugierde gefolgt. Mich hatte bei ihrem bloßen Anblick ein ungutes Gefühl beschlichen. Und diesem Gefühl wurde Rechnung getragen, als plötzlich helle Lichter an den Hubschraubern aufblitzten, sich kleine Objekte lösten und einen schwarzen Schweif hinter sich her ziehend auf die bei der Stadt gelegenen Ölbohrtürme zurasten. Ich schrie vor blankem Entsetzen.​

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Ich sah die grell Explosion, sah, wie die hohen Metallkonstruktionen zu schwanken begannen, sah den dicken, schwarzen Qualm, der aufstieg und vom Wind nach Norden geweht wurde. Der gewaltige Knall der Explosion erreichte mich erst einige Sekunden später. Vor Schreck gaben meine Knie beinah nach. Mein Pferd ging nun endgültig durch und galoppierte in die entgegengesetzte Richtung. Ich verschwendete nicht einen Gedanken daran, ihm hinterher zu jagen.​

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Der furchtbare Anblick vor mir zog mich zu sehr in seinen Bann. Wieder blitzten die Lichter an den Hubschraubern auf und der nächste Bohrturm wurde getroffen. Ich zitterte am ganzen Körper und über mir vernahm ich das Getöse weiterer Hubschrauber, die auf Sierra Simlone Stadt zuhielten.​

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Ich lief. Ich lief so schnell ich konnte. In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken, aber ich kannte nur ein Ziel. Ich musste in die Stadt, ich musste zu meinen Kindern. Klaudia und Sky waren in der Schule. Sie waren diesen unbekannten Angreifern schutzlos ausgesetzt. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, ehe ich die Stallungen und mein dort geparktes Auto erreichte. Goya folgte mir dicht. Meine Lunge brannte vor Anstrengung, aber ich ließ es nicht zu, langsamer zu werden. Der Lärm der einschlagenden Raketen trieb mich immer weiter an. Ich musste zu meinen Kindern! Ich musste sie retten.​
 
Zuletzt bearbeitet:
WOW! Ich hatte eigentlich gehofft die Hubschrauber würden Dominik und die Anderen zurückringen ,aber stattdessen bombadieren sie die Stadt! Ich will wissen wie es weitergeht!
Schreib BITTE schnell weiter ,ja?
 
Kapitel 158: Der Wahnsinn beginnt

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Mit Vollgas raste ich die Landstraße entlang nach Sierra Simlone Stadt. Die Regentropfen auf der Scheibe nahmen mir fast vollständig die Sicht, denn der leichte Sommerregen war in einen kräftigen Schauer übergegangen. Doch ich kannte nur ein Ziel. Ich musste zu meinen Kindern, zu Klaudia und Sky, und sie in Sicherheit bringen. Mit quietschenden Reifen bog ich auf den Bürgersteig vor der Schule ein und sprang aus dem Wagen. Und im selben Moment hörte ich einen ohrenbetäubenden Knall aus Richtung der Bohrtürme. Ich musste mich beeilen.

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Ich hastete den Schulgang entlang und riss ohne anzuklopfen die Tür zu Skys Klassenzimmer auf. In der Klasse herrschte ein heilloses Durcheinander. Einige der Kinder liefen wild umher, andere saßen wie angewurzelt auf ihren Plätzen und starten hilfesuchend ihre Lehrerin an. Ein Junge versteckte sich sogar unter der Schulbank.

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Skys Lehrerin stand regungslos mit dem Rücken zur Tafel. Ihr Mund stand leicht offen und ihre Augen sprachen deutlich von der Verwirrung, der Angst und der Hilflosigkeit, die in ihr vorgehen mussten. Es war ihr erstes Jahr als Lehrerin. Der normale Unterricht brachte sie schon oft genug an den Rand der Verzweiflung, aber diese Situation überforderte sie in Gänze.

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"Mami!", schrie Sky laut, sprang von seinem Platz auf und lief auf mich zu, sobald er mich erkannte. "Mami, was ist hier los? Was ist das bloß für ein Lärm? Ich hab solche Angst", quickte er. Seine Augen spiegelten das blanke Entsetzen wider. "Dir wird nichts passieren, Liebling", versicherte ich ihm. "Mami wird nicht zulassen, dass dir etwas passiert."

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Kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen, gab es einen gewaltigen Knall. Entsetzt riss ich meinen Kopf zum Fenster. Die Explosion war viel näher, als die Vorherigen. Es hörte sich fast so an, als ob diesmal nicht nur einer der Bohrtürme getroffen wurde. Nein, die Explosion muss ganz in der Nähe stattgefunden haben, mitten in der Stadt. Die Kinder schrien alle noch lauter als zuvor. Waren sie vorher nur verängstigt, so brach jetzt offene Panik aus. Ich musste Sky hier rausbringen und Klaudia und all die anderen Kinder. Aber wohin?

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Ich lief zu Skys Lehrerin hinüber, die immer noch apathisch an der Tafel stand. "Frau Jolowitz! Frau Jolowitz!" Ich packte die junge Frau an den Schultern und schüttelte sie kurz aber heftig. Benommen starrte sie mich an, als ob sie gerade aus einem Traum erwacht wäre. "Frau Jolowitz, wir müssen die Kinder in Sicherheit bringen. Die Stadt wird gerade bombardiert! Wir sind alle in Gefahr. Hat die Schule einen Keller? Sie müssen uns hinführen!"

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Doch die Frau wirkte immer noch benommen. Ich war mir nicht einmal sicher, ob sie verstanden hatte, was ich gerade zu ihr sagte. Dann begann sie langsam mit dem Kopf zu schütteln. "Nein, wir dürfen das Klassenzimmer nicht verlassen. So steht es in der Schulordnung. Die Kinder müssen bis zum Gong in diesem Raum bleiben. Ja, so steht es in der Schulordnung." Ich konnte meinen Ohren kaum glauben. "Frau Jolowitz, das hier ist keine normale Situation. So etwas ist in der Schulordnung nicht vorgesehen. Wir müssen sofort alle hier raus." Doch die junge Lehrerin wollte nicht hören. Besser gesagt, sie konnte es nicht. Der Schock über die Ereignisse saß zu tief. "Die Schulordnung verbietet es", sagte sie immer wieder leise auf und wiegte sich mechanisch vor und zurück.

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Eine erneute Explosion in unmittelbarer Nachbarschaft machte mir deutlich, dass ich schnell handeln musste. "Alle weg vom Fenster und versteckt euch unter den Tischen", schrie ich. Offenbar hatten die Kinder nur auf eine klare Ansage gewartet, denn plötzlich kehrte halbwegs Ordnung ein und alle Kinder folgten ausnahmslos meiner Aufforderung. Ich versicherte mich, dass alle Kinder unter den Tischen kauerten und kroch anschließend selbst zu ihnen. "Frau Jolowitz", forderte ich die junge Lehrerin auf, "kommen sie auch zu uns hinunter."

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Doch die junge Frau schien meine Worte nicht einmal gehört zu haben. Anstatt sich unter den Schulbänken zu verstecken, schritt sie zum Fenster und starte ausdruckslos auf die Straße. Sie beugte sich gerade vor, als eine Rakete direkt vor der Schule einschlug. Die Druckwelle lies die Scheiben bersten. Glasscherben und Holzsplitter flogen durch die Luft und gruben sich in den Körper der Frau, die quer durch den Raum geschleudert wurde.

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Die Kinder schrien vor Angst und Entsetzen laut auf. Und auch ich konnte das Gesehene kaum ertragen. "Schaut weg Kinder", wies ich sie an, doch sie konnten den Blick von ihrer schwer verletzten Lehrerin nicht abwenden.

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Ich krabbelte unter dem Tisch hervor und auf Frau Jolowitz zu. Es war ein furchtbarer Anblick. Aus zahlreichen durch die Glasscherben verursachten Wunden floss Blut, doch die junge Frau rührte sich nicht. Zitternd streckte ich meine Hand aus und suchte nach der Hauptschlagader an ihrem Hals. Doch ich fühlte keinen Puls. Skys Lehrerin war tot.

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Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und eine Frau um die Fünfzig blickte völlig außer Atem in das Klassenzimmer. Sie musste hierher gerannt sein. Entsetzt entdeckte sie die Leiche vor meinen Füßen, während ich mich wieder aufrichtete. Es war die Direktorin der Schule. "Christina!", keuchte sie. "Wir brauchen sofort einen Notarzt." Doch ich blickte sie traurig an und schüttelte kaum merklich mit dem Kopf. Und die Direktorin verstand, dass jede Hilfe für ihre Kollegin zu spät kam.

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Doch anders als Skys junge, unerfahrene Klassenlehrerin geriet die Direktorin nicht in Panik. "Draußen herrscht das totale Chaos. Die Kinder sind hier nicht länger sicher. Unter der Schule befinden sich einige Kellerräume. Ich habe die anderen Schüler schon runter geschickt. Das hier ist die letzte Klasse." Diese Nachricht ließ mich wieder hoffen. Vielleicht konnten die Kinder doch noch in Sicherheit gebracht werden.

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"Los, alle schnell raus hier", wies ich die unter den Tischen hockenden und wimmernden Kinder an. Sofort krochen sie unter den Schulbänken hervor und liefen in die Richtung, in die die Direktorin sie wies. Ich versicherte mich ein letztes Mal, dass alle den Raum verlassen hatten und lief dann gemeinsam mit der Direktorin zur Kellertür.

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Es waren zwar nur wenige Meter bis zum Eingang zum Keller, doch dieser Weg erschien mir unendlich weit. Ich rechnete in jedem Moment damit, dass eine Rakete das Schulgebäude traf. Aber wir kamen alle sicher an. Ich stieg als Letzte die Leiter in den Kellerraum hinab. Unten waren bereits die Schüller und Lehrer versammelt. In kleinen Grüppchen verteilt hockten sie in den Ecken zwischen alten Büchern und staubigen Kisten. Es herrschte eine angespannte Stille, die nur von einem gelegentlichen Flüstern unterbrochen wurde.

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"Mama!" Klaudia sprang sofort auf und lief auf mich zu, als sie mich die Leiter hinunter steigen sah. Erleichtert fiel sie mir um den Hals. Sie hatte Angst, wie wir alle und war den Tränen nah. Und mir erging es nicht besser. Bis jetzt war ich stark, weil ich es sein musste. Doch hier, in der Sicherheit des Kellers überkamen auch mich die Hoffnungslosigkeit und das blanke Entsetzen. Ich konnte nicht mehr tun als sie zu halten und ihr auf diese Weise Trost zu spenden. Aber auch ich schöpfte aus dieser Berührung neuen Mut.

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"Was ist denn da draußen los? Was geht da vor sich?", drang meine Tochter mit Fragen auf mich ein. Doch darauf konnte ich ihr keine Antwort geben. Ich berichtete, was ich von den Weiden aus beobachten konnte, wie die Hubschrauber plötzlich aus dem Süden auftauchten, direkt auf die Stadt zuflogen und mit der Bombardierung der Bohrtürme begannen. Ich merkte, dass nicht nur Klaudia zuhörte, sondern dass auch die Blicke der übrigen älteren Schüler und der Lehrer auf mich gerichtet waren.

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Meine Erzählung wurde Sekunden später von einem Raketeneinschlag unweit der Schule unterbrochen. Die Wände des Kellers vibrierten und Putz rieselte von der Decke herab. Erschrocken blickten wir alle in Richtung des Kellereingangs, aber offensichtlich hatte die Rakete nicht das Schulgebäude selbst getroffen. Zumindest schien über uns alles noch zu stehen. Es wurde mucksmäuschenstill in dem Raum. Selbst das leise Flüstern verstummt jetzt.

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Ich zog mich mit Klaudia und Sky in eine Ecke des Kellers zurück. Mein Sohn zitterte am ganzen Körper, fest umschlossen von meinen Armen. Aber ansonsten blieb er ganz ruhig. Alle Kinder blieben erstaunlich ruhig. Von Klaudias Schulkameraden hätte man das erwarten können, aber viel der Kinder waren gerade einmal sechs oder sieben Jahre alt. Und nur meine Kinder hatten das Glück, dass sie in dieser Situation nicht alleine waren, sondern ihre Mutter bei sich hatten.

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Einige Minuten lang blieb es ruhig, sodass fast eine entspannte Situation aufkam. Doch dann gab es wieder einen Knall, lauter, als alles was wir bis dahin vernommen hatten. Die Regale im Keller zitterten und einige der Bücher fielen heraus. Diesmal hörte man vereinzelte Schreckensschrei, die sich auf alle Anwesenden ausweiteten, als Sekunden später das Licht im Keller ausfiel. Selbst Direktorin Bartelt konnte einen entsetzten Aufschrei nicht unterdrücken. Überall rückten die Schüler enger zusammen, nahmen Jungs ihre Freundinnen in den Arm oder gaben sich zwei Freunde gegenseitig halt. Die nun herrschende Dunkelheit nahm uns die Sicht, doch sie konnte das leise Wimmern und Schluchzen aus allen Ecken nicht verbergen.

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Auch Klaudia, Sky und ich rückten näher zusammen. Klaudia konnte ihre Tränen nicht länger unterdrücken und schluchzte leise. Sky blieb tapfer, vermutlich, weil ihm nicht ganz klar war, was um uns herum geschah. Aber er spürte instinktiv, dass etwas überhaupt nicht in Ordnung war. Ich drückte meine Kinder fest an mich und betete. Ich betete dafür, dass wir gesund aus diesem Keller kamen, dass Frau Jolowitz das einzige Opfer dieses Wahnsinns bliebe und das wir noch ein Zuhause hätten, in das wir zurück kehren konnten, wenn wir diesen Keller verließen.​
 
Oh gotto Gott! Diese Geschichte macht mir zu schaffen! Kann dieser Krieg oder was auch immer da gerade passiert nicht bitte beendet, die Stadt neu und schön wieder aufgebaut, und alles wieder gut werden??? bitte!
 
Deine Geschichte hat bei mir absoluten Kultstatus =)

Hast du sie durch Kingas Geschichte ergänzt? Die Teile im Lager waren alle neu für mich. Also Kultstatus plus Spannung und unbekannte Ereignisse, super Kombination :lalala:
 
@Cha
Danke für deinen Kommentar zum letzten Update.
Tja, es wär wohl schön gewesen, wenn Dominik in dem Hubschrauber gessen hätte, denn der hätte die Stadt sicherlich nicht bombadiert.

@Annny
Was genau los ist, weiß noch niemand so genau. FAkt ist nur, dass die Stadt bombardiert wird. Aber natürlich wird bald aufgeklärt, wer hinter allem steckt.

@Irisa
"Kultstatus", na das hört man doch mal gerne :D
Ich bin auf jeden FAll sehr froh, dass ich dich so mit der Geschichte begeistern kann. Die Geschichte um Kinga ist eigentlich nicht neu, nein. Aber um so besser, dass du dadurch frischen Lesestoff hattest.
 
Kapitel 159: Staub, Ruß und Gestank

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Ich wusste nicht, wie lange wir in diesem Keller ausgehart hatten. Ich hatte mein Zeitgefühl vollkommen verloren. Das Licht im Keller blieb aus. Immer wieder hörten wir dumpfe Einschläge, mal weiter weg, mal näher und von Zeit zu Zeit erbebte das gesamte Gemäuer. Doch dann blieb es still. Wir warteten lange, sehr lange, bis wir uns ins Freie wagten. Und ich wünschte mir fast, wir wären im Keller geblieben, denn der Anblick der Stadt verschlug mir die Sprache und trieb mir fast die Tränen in die Augen.

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Um uns herum brannte es lichterloh. Dichter Qualm durchzog die Straßen und nahm uns den Atem. Die Schule war zum Glück weitestgehend unbeschädigt geblieben. Lediglich direkt vor dem Klassenzimmer von Sky befand sich ein tiefer Krater in der Straße. Die Scheiben der Fenster waren zersprungen und Asphaltstücke hatten sich in das Gebäude gebohrt. Doch die Schule war aus Stein erbaut worden. Ein der Raketen hätte direkt in das Gebäude einschlagen müssen, um es ernsthaft zu beschädigen. Die kleinen Geschäfte aus Holz in der Umgebung der Schule hatten hingegen sofort Feuer gefangen und die Flammen griffen rasend schnell um sich. Entsetzt blickten meine Kinder und ich auf den brennenden Friseursalon, der einstmals Ingrid, Skys leiblicher Mutter gehört hatte. Selbst wenn die Feuerwehr sofort einträfe, das Gebäude war nicht mehr zu retten.

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"Los Kinder, steigt schnell in den Wagen", wies ich Klaudia und Sky an, nachdem ich mich wieder halbwegs gefasst hatte. Mein Pickup war wie durch ein Wunder unbeschädigt geblieben. Ich konnte den Anblick der brennenden Stadt kaum ertragen. Der Langhorn-Saloon, das Café, das Stadtzentrum... alles stand in Flammen. Klaudia weinte hemmungslos. Die Stadt in der sie geboren wurde, sie lag in Trümmern.

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Heute Morgen war Klaudia noch durch eine heile Kleinstadt zur Schule gefahren und diese Stadt gab es auf einmal nicht mehr. Sie wurde überraschend und ohne Vorwarnung von einem unbekannten Feind in Schutt und Asche gelegt. Der Regen prasselte unaufhörlich auf die Erde herab, versuchte mit aller Kraft, die Flammen zu löschen, doch es war ein aussichtsloser Kampf. In mir wuchs die Angst. Was war mit Grünspan? Stand mein kleines grünes Haus noch oder war es wie der Rest der Stadt denn Flammen zum Opfer gefallen?



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Ich drückte aufs Gaspedal. Die Geschwindigkeitsbegrenzungen interessierten mich nicht mehr, ich wollte nur noch zu meinem Haus. Ein tiefer Seufzer der Erleichterung entfuhr meiner Brust als ich sah, dass die Außenbezirke der Stadt offenbar nicht von Raketen getroffen worden waren. Das Haus meines Bruder, das Haus von Klaudias und Skys Großeltern und auch Grünspan, sie alle standen unversehrt.

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Doch meine Freude währte nur kurz. Ich war noch nicht ganz aus dem Auto gestiegen, als ich Sky Schreien hörte. "Feuer! Es brennt!" Klaudia und ich liefen in seine Richtung. Entsetzt schrie ich auf und raufte mir panisch die Haare, als ich die Flammen erblickte, die an der Veranda züngelten. "Oxana, einen Feuerlöscher, schnell", hörte ich meine ebenfalls panische Nachbarin Sandra Monschau brüllen. Es war offensichtlich, aber genau diese Worte hatte ich gebraucht, um mich aus meiner Panik zu reißen.

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Ich rannte ins Haus und riss den Feuerlöscher aus dem Küchenschrank unter der Spüle. In mir stieg die Wut auf. Dieses Feuer würde nicht mein Haus zerstören. Es würde mir und meinen Kindern nicht das Zuhause nehmen. Ich richtete den Schaumstrahl auf die Flammen und schrie all die Angst, das Entsetzen und die furchtbare Wut, die sich in mir aufgestaut hatte, aus mir heraus. Ich schrie noch lange weiter, selbst als die Flammen bereits erloschen waren.





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Die Sonne ging langsam unter. Mit der einkehrenden Dunkelheit wurde deutlich, dass der Strom nicht nur im Schulkeller ausgefallen war. Auch in unserem Haus gab es kein Licht. Sky ist fast augenblicklich in einen tiefen Schlaf gefallen, sobald wir endlich die Sicherheit unserer vier Wände erreicht hatten. Klaudia hatte sich wieder beruhigt, aber sie wollte um keinen Preis allein sein. Und ich wollte meine Kinder nicht aus den Augen lassen, also beschlossen wir, alle gemeinsam in meinem Zimmer zu übernachten. Doch bevor es ins Bett ging, brauchte ich dringend eine Dusche. Der Geruch von Pferden, Rindern, Schweiß und Feuer klebte an mir und ich wollte nur noch raus aus diesen Klamotten.

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Klaudia legte sich zu Sky ins Bett und war eingeschlafen, noch ehe ihr Kopf das Kissen richtig berührte. Ich ging hinüber ins Badezimmer. Automatisch tastete ich nach dem Lichtschalter, bis mir wieder einfiel, dass es keinen Strom gab. Ich ließ die Tür zum Wohnzimmer offen, um wenigstens etwas Licht in den fensterlosen Raum zu bekommen, zog mich aus und stellte mich unter die Dusche. Doch das ersehnte Nass kam nicht. In den Leitungen ertönte ein lautes Gurgeln, gefolgt von einigen Spritzern trüben Wassers. Dann blieb es trocken. Der Stromausfall betraf natürlich auch die Wasserpumpen. Somit hatten wir nicht nur kein Strom, sondern auch kein Wasser mehr.

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Wütend schlug ich mit der Faust gegen die Fliesen. Doch dann fiel mir die manuelle Wasserpumpe ein, die hinter dem Haus installiert war. Die Wanne wurde sonst nur zum Baden von Goya benutzt, aber das war mir in diesem Augenblick egal. Ich pumpte so lange, bis die Wanne voll war und stieg in das, zugegebenermaßen kalte, Wasser um mich von Staub, Ruß und Gestank zu befreien.

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Anschließend war ich sauber, aber ich war so müde, dass ich mich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Ich wollte zu den Kindern ins Schlafzimmer und mich auf das Sofa legen. Ich verzichtete darauf, meinen Schlafanzug anzuziehen und zog stattdessen normale Kleidung an. Wer konnte wissen, was in dieser Nacht noch alles gesehen würde? Vielleicht wurde es nötig, dass wir das Haus schnell verließen? Ich wollte auf alles vorbereitet sein.

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Da klopfte es an der Tür. Erschrocken riss ich den Kopf zur Seite. Doch vor der Tür stand kein Feind, sondern Anan, Dominiks Vater, den ich durch die Scheibe der Eingangstür hindurch erkannte und der ins Haus hinein lugt. Erleichtert lief ich ins Freie und warf mich dem Großvater meiner Kinder in die Arme.

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Doch Anan, der mich nach meiner Scheidung von Dominik immer noch wie seine eigene Tochter behandelt hatte, war nicht allein gekommen. Auch Dominiks Mutter Glinda war da. Uns beide verband ein schwieriges Verhältnis. Ihrer Meinung nach war ich nie gut genug für Dominik gewesen und sie hatte unserer Ehe keine Träne nachgeweint. Doch zum ersten Mal in all den Jahren, in denen ich diese Frau schon kannte, schien sie sich ernsthaft darüber zu freuen, mich wohlauf zu sehen.

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"Den Kindern geht es gut", versicherte ich den beiden, noch ehe sie fragen konnten. Ich konnte sehen, wie ihnen ein Stein vom Herzen fiel. Schnell führte ich sie ins Wohnzimmer und zündete ein Feuer im Kamin an, damit wir wenigstens ein wenig Licht hatten. Glinda bat um etwas zu Essen. Ich konnte ihr allerdings nur eine Packung trockener Asia-Snacks anbieten, die sie dennoch dankbar annahm. Dann berichtete ich von den Ereignissen des heutigen Tages und wie die Kinder und ich uns im Schulkeller versteckt hatten. "Und euch ist nicht passiert?", fragte ich besorgt. "Wurde niemand verletzt?"

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"Uns geht es allen gut", antwortete Glinda. "Mark und Kira haben uns sofort ins Auto gescheucht, als die ersten Raketen in der Nähe der Stadt einschlugen. Wir haben uns so schnell und so weit es ging von den Bohrtürmen und der Stadt entfernt und haben uns draußen in der Wüste versteckt. Siana und ihr Mann und auch Dennis, Stev und die Kinder haben sich selbst in Sicherheit gebracht. Es ist zum Glück niemanden etwas passiert. Allerdings haben Dennis und Stev kein Dach mehr über dem Kopf. Ihr Haus ist komplett niedergebrannt." Ich keuchte entsetzt auf. Wie viele meiner Freunde hatten wohl noch ihr Zuhause verloren? Auch Glinda wirkte unglaublich müde und erschöpft. Sie schien in den letzten Stunden um Jahre gealtert und wirkte nun wie eine gebrochene, alte Frau.

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"Aber wer waren diese Aggressoren?", fragte ich weiter. Es war eine Frage, die mich schon seit Beginn des Angriffes beschäftigte. "Wer hätte einen Grund unsere friedliche Stadt ohne Vorwarnung anzugreifen und zu zerstören?"

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Ich hatte nicht mit einer Antwort gerechnet, aber Anan überraschte mich und antwortete sofort. "Simnistrien!" Ich runzelte zweifelnd die Stirn. "Simnistrien ist tausende Kilometer weit entfernt auf der anderen Seite des Atlantiks. Ich glaube wirklich nicht..." Doch Anan ließ mich nicht weiter aussprechen. "Ich sage dir Oxana, das war das Werk von Simnistrien." Um seiner Aussage Nachdruck zu verleihen, schlug er mit seinen Mittel- und Zeigefinger in seine offene linke Handfläche. "Simnistrien hasst uns, seit dem Krieg zwischen unseren beiden Nationen vor über 40 Jahren. Die SimNation mag diesen Krieg inzwischen überwunden haben, aber in Simnistrien ist kein Tag vergangen, an dem die Regierenden dieses Landes nicht Rache geschworen hätten."

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"Ach, Anan", unterbrach ihn seine Frau müde. "Für dich ist Simnistrien doch am gesamten Leid der Welt schuld. Selbst wenn unser Hund schief Pupst, dann war es Simnistrien. Wir sollten erst einmal den morgigen Tag abwarten. Lass die von der Regierung kommen und alles gründlich aufklären. Es bringt doch nichts, wenn wir wild mit haltlosen Anschuldigungen um uns werfen." Obwohl ich Glindas Hunde-Bemerkung mehr als unpassend fand, musste ich ihr doch zustimmen. Wir wussten einfach zu wenig, um die Ereignisse beurteilen zu können.

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"Es war Simnistrien", schrie Anan nun wütend. Ich zuckte erschrocken zusammen, denn ich war eine solch heftige Reaktion von meinem Ex-Schwiegervater nicht gewohnt. Er erkannte seinen Fehler und senkte die Lautstärke seiner Stimme wieder. Dennoch blieb er hoch erregt. "Ich habe vor 40 Jahren in Simnistrien gekämpft. Es war ein furchtbarer, sinnloser Krieg, und ich schäme mich dafür, dass die SimNation diesen Krieg damals heraufbeschworen hat. Aber dadurch kenne ich das simnistrische Militär. Genau diese Hubschrauber haben sie auch schon vor 40 Jahren eingesetzt. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Simnistrien uns angegriffen hat. Und nach all den Spannungen zwischen unseren Ländern in den letzten Jahren, überrascht es mich nicht einmal."
 
Ach Mann! Ich bin echt nicht der Typ für solche Geschichten! Hör bitte endlich auf mit diesen schlimmen Sachen! Sonst werde ich nie, nie, nie wieder eine deiner Geschichten lesen!!!
 
@Annny

Nun, so schnell wird die Sonne nicht wieder scheinen. Es kommt noch einiges auf Oxana und die Kinder zu.
Ich hoffe trotzdem, dass du der Geschichte treu bleibst.
 
Hallo Stev,

habe mir die letzten zwei Tage mal deine Story hier durchgelesen und bin absolut begeistert! Sie war/ist durch das Auf und Ab der Gefühle so fesselnd, dass ich gar nicht mehr mit lesen aufhören konnte.
Bin ja zutiefst über diese epischen Ausmaße deiner Geschichte beeindruckt, die sich ja über alle drei Sims-Teile spannt.

Bei Oxana bin ich zwischendurch immer wieder von bemitleiden und mitfreuen bis in der Luft zerreißen geschwankt. Neben ihrer nicht vorhandenen Menschen- und Männerkenntnis (was Klaudia aber geerbt hat *hat die Sims3-Singleprojekt-Geschichte schon gelesen*), erkennt sie das Glück und die Hilfe durch andere nicht, selbst wenn man sie mit der Nase draufstößt.
Das Wohl der Anderen und das Gerede der Menschen sind ihr offensichtlich wichtiger. Vor allem am Anfang war das ganz stark.
Was ich persönlich unglaubwürdig fand, war die Tatsache, dass sie sich Dominik an den Hals wirft und sofort mit ihm schläft, obwohl sie ihn noch drei Tage vorher nicht ausstehen konnte. Nur, weil sie ihm das Kind von Albert unterjubeln will, weil sie Angst vor dem Gerede der Leute hat und die Ehe der Kappes nicht gefährden will. Kein Selbstvertrauen das Mädel. *kopfschüttel*

Als ich das erste Mal von Dominik las, dachte ich mir "Was ein A****!" Aber eigentlich ist er ein ganz lieber und außerdem - und da muss ich seiner Mutter leider recht geben - ist Oxana es gar nicht wert an seiner Seite zu sein. Nicht nur wegen der jahrelangen Lügerei, sie war ja auch nie ehrlich zu sich selbst und zu ihren Gefühlen auch Dominik gegenüber.
Er muss aber auch echt absolut von sich überzeugt gewesen sein, weil er nicht schon am Anfang stuzig geworden ist, dass Oxana auf einmal angerannt kam. Genauso wie er all die Jahre von dem Betrug nichts gewusst haben will. Sooooo blind kann man doch gar nicht sein.

Was mich bei Dominik aber immer noch stört, ist, dass er Oxana bei ihrem Nach- bzw. Mädchennamen nennt. Auch wenn es liebevoll gemeint ist, find ich es furchtbar. Eine Kosename wie "Schatz" oder "Herzerl" hätte es auch getan. Muss ja nicht gleich "Perle" sein...

Sollte man mit den Kappes nicht verfeindet sein? Fand es nämlich erstaunlich, dass Gerda Oxanas beste Freundin ist. Was mir besonders gut gefallen hat, ist, dass Gerda nach Alberts Tod doch noch ihr Glück gefunden hat. :)

Kinga.... ja, sie hatte es nicht ganz so leicht... und dass für sie eine Welt zusammengebrochen ist, als sie das mit ihrem Vater erfahren hat, ist nur allzu verständlich. Auch, dass sie wütend auf ihre Familie ist, aber der Hass ihrer Mutter gegenüber ist nach all der langen Zeit echt übertrieben. Sie weiß wahrscheinlich gar nicht mehr, warum das so ist. Sie hasst ihrer Mutter anscheinend um des Hassens willens.
Interessant ist übrigens, dass Joanna und Ewa das geschickt ausnutzen um die Blech-Seite in die Familie zu bekommen. Oxana hat sich ja geweigert, aber bei Kinga hatten sie leichtes Spiel. Ziemlich gewieft. Ok, Joanna hat Kinga auch wieder auf den Boden der Tatsachen gebracht und von ihrem Drogentrip runtergeholt, aber die Art der Hilfe ist eine ganz andere, als sich Oxana je vorstellen könnte.
Die Kapitel über Kingas "Ausbildung" fand ich übrigens super spannend, erschreckend, aber spannend!

Klaudia ist knuffig und ganz die Mutter. :D Mehr sag ich dazu nicht, außer, dass die Klaudia-Geschichte im Dreier jetzt mehr Sinn ergibt bei einigen Dingen.
Aber ich bin sehr froh, dass sie die Hasstiraden ihrer Schwester relativ unbeschadet überstanden hat. Und mit Sky hat sie jetzt einen süßen kleinen Bruder mit dem sie das unternehmen kann, was sie mit Kinga nicht konnte.

Roland ist zu gut für diese Welt. Ich bin mir nicht sicher, ob Oxana jemals wirklich erkannt hat, was für einen tollen Freund sie da hat.

Tristan ist auch knuffig. Ich fand es nur nicht so gut, dass er erst dem armen Stev verspricht, dass er ihn nicht veräppeln will und es dann aber doch tut. Wo ist er eigentlich, als der Krieg losgeht? Du hast ihn gar nicht mehr erwähnt? Geht es ihm gut?

Die Kapitel über den Krieg machen einem echt Angst. Das fühlt sich echt lebensnah an. Auch das mit Skys Klassenlehrerin ist sehr authentisch dargestellt. Kann mir gut vorstellen, dass Menschen vollkommen Dummes tun, weil sie unter Schock stehen und nicht mehr klar denken können.
Was ist eigentlich mit Dominik passiert? Irgendwie hab ich das Gefühl, dass er von Sim-Quaida als Geißel gehalten wird und bestimmt noch schlimmer ausschaut als Oxana bei ihrer Entführung damals. Armes Kerlchen. :(

Wirklich traurig (und zum heulen) fand ich babcia Stasias Beerdigung, bzw. die letzten Tage davor. :schnief:
Aber diese Seite hatte nie etwas mit der "Familie" zu tun oder? Das war nur Oxanas Dad, aber mit ihrem Paps hatte das nichts zu tun.


Ich glaub, das war's erstmal von meiner Seite aus. Nochmal ein riesengroßes Lob und Respekt :up: für deine tolle Geschichte, die im Übrigen viel besser ist, als es eine Soap Opera oder Telenovela je wird sein können.

Freue mich jetzt schon auf's nächste Kapitel und werd derweil mal deine Sims 1-Geschichte lesen. :)

LG Deko
 
Kapitel 160: Opfer

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Anan klang felsenfest überzeugt von seiner Aussage, dass Simnistrien uns angegriffen hätte. Vielleicht stimmt es ja sogar. Zumindest würde es erklären, warum ich seit Wochen Dominik nicht mehr erreichen konnte, der für einen privaten Wachdienst in dem südamerikanischen Land arbeitete. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich nicht bemerkte, dass jemand das Haus betreten hatte. Erst, als der Mann in den Schein des Kamins trat, erkannte ich meinen jüngeren Bruder Orion.

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Sofort sprang ich aus dem Sessel auf und drückte meinen Bruder fest an mich. Ihm ging es gut, und auch Desdemona war bei dem Angriff nicht verletzt worden. Auch der Rest der Kappes war nicht zu Schaden gekommen. Gerda, ihr Mann Volker, Hans, Mika und Elvira hatten alle Zuflucht in einem alten unterirdischen Lagerraum inmitten der Maisfelder gesucht. Die Farm der Kappes, Norman, stand noch unversehrt. Meine Familie hatte bei dieser Katastrophe sehr viel Glück gehabt. Gott musste seine schützende Hand über uns gehalten haben.

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"Können wir kurz ungestört sprechen?", bat mich Orion und winkte mit dem Kopf in Richtung Küche. Ich runzelte die Stirn, nickte aber und wir entfernten uns von Dominiks Eltern, die zwar neugierig hinübersahen, aber keine Fragen stellten. Fragend sah ich meinen Bruder an. "Deine Schwiegereltern wissen doch nichts von Justice?" Darum ging es als! Ich schüttelte den Kopf. "Natürlich nicht. Nicht einmal Dominik weiß Bescheid." Ich senkte meine Stimme, soweit ich es vermochte, dennoch befürchtete ich, dass Glinda und Anan etwas von dem Gespräch aufschnappen können. Besorgt sah ich zu den beiden hinüber. Meine Ex- und Hoffentlich-bald-wieder-Schwiegereltern mussten nicht erfahren, dass meine Schwester die Patin der Mafiaorganisation Justice in SimCity war.

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"Joanna hat mich gewarnt, dass in den nächsten Wochen oder Monaten großer Ärger anstehen könnte", erklärte Orion. "Es gab Gerüchte in der Unterwelt, aber niemand konnte genaueres sagen. Joanna hatte mir bereits Anweisungen gegeben, dich und deine Familie nach SimCity zu bringen, aber der Angriff kam früher als erwartet." "Wer hat uns angegriffen?", fragte ich nun meinen Bruder, denn er schien mehr zu wissen, als wir anderen. "Laut Joannas Informationen, und die sind nun auch einige Wochen alt, plante wohl Simnistrien diesen Überfall. Diese Informationen waren allerdings nicht sehr zuverlässig."

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Also hatte Anan recht. Es war unglaublich befreiend, dem Feind endlich ein Gesicht geben zu können. Gleichzeitig stieg die Angst in mir auf. Wenn der Angreifer wirklich Simnistrien war, dann befand sich die SimNation im Krieg mit ihrem schlimmsten Feind. Und dieser Krieg würde morgen nicht vorbei sein. Er würde vermutlich noch Wochen andauern.

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"Tut mir leid, dass ich keine besseren Nachrichten habe, Oxana", entschuldigte sich mein Bruder bei mir. "Mein Kontakt zu Joanna ist mit den Angriffen abgebrochen. Das gesamte Handy- und Telefonnetz ist zusammengebrochen. Außerdem scheinen die Simnistrier Störsignale auszusenden. Es ist mir nicht gelungen, Fernseh- oder Radionachrichten zu empfangen. Wir sind zurzeit isoliert vom Rest der SimNation und ich habe keine Ahnung, welches Ausmaß diese Angriffe hatten. War nur Sierra Simlone Stadt betroffen? Oder waren es gezielt Angriffe auf alle Stadt der Sierra Simlone oder gar des ganzen Landes? Du solltest in jedem Fall schon mal die notwendigsten Sachen packen. Es könnte sein, dass wir jeden Tag nach Norden aufbrechen und versuchen werden, uns nach SimCity durchzuschlagen. Allerdings können wir nur dich und die Kinder mitnehmen. Dein Mitbewohner Tristan wird hier bleiben müssen."

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Oh Gott, Tristan! Bei all der Aufregung hatte ich meinen Mitbewohner vergessen. Meine Augen weiteten sich vor Entsetzen. "Ich habe Tristan seit dem Angriff nicht gesehen", erklärte ich meinem Bruder, der mich verwirrt anstarrte. "Ich war so in Sorge um die Kinder und so unendlich müde, dass es mir nicht in den Sinn gekommen war, nach Tristan zu sehen. Oh Gott, Orion, er arbeitet doch auf den Ölfeldern, dort wo die Angriffe begonnen haben."

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Ich lief sofort zu Tristans Zimmer und riss die Tür auf. Doch wie nicht anders zu erwarten, fand ich das Zimmer leer vor. Die Bettdecke war noch so zerwühlt, wie Tristan sie am Morgen zurückgelassen hatte. Tristan durfte nichts passiert sein. Das durfte einfach nicht sein! Und was war ich für eine Freundin, die nicht einmal daran dachte sich zu vergewissern, dass ihr Mitbewohner, der nun schon seit 20 Jahren das Haus mit ihr teilte, bei einem verheerenden Angriff auf die Stadt nicht zu Schaden gekommen war?

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Ich musste ihn suchen gehen! "Anan, Glinda, bleibt bitte hier und passt auf die Kinder auf", bat ich meine Ex-Schwiegereltern im Vorbeilaufen und griff nach den Autoschlüsseln, die im Regal neben dem Kamin lagen. "Wo willst du suchen?", fragte Orion. "Auf den Ölfeldern", antwortete ich gehetzt. "Vielleicht liegt Tristan dort irgendwo verletzt. Ich muss einfach nachschauen." Orion überlegte einen Moment, ob er mich aufhalten sollte, doch dann nickte er nur und ich lief hinaus und durch den anhaltenden Regen hindurch zu meinem Wagen.



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Als ich im Auto saß, kam mir der Gedanke, dass Tristan womöglich bei Frank und damit in Sicherheit war. Eilig fuhr ich in die Dustlane, doch niemand reagierte auf mein beharrliches Hämmern gegen die Tür. Offenbar war das Haus verlassen. Also hetzte ich zurück zum Wagen und fuhr eiligst zum Bohrturm Nr. 5, Tristans Arbeitsstelle. Der Anblick der brennenden Anlage verschlug mir die Sprache. Der Bohrturm war in sich zusammengebrochen. Die Gebäude waren zerstört, offenbar direkt von einer Rakete getroffen. Die Hitze schlug mir ins Gesicht und der dichte Qualm nahm mir die Luft zum Atmen.

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Der grelle Schein der Flammen nahm mir die Sicht, sodass ich das Zelt in direkter Nachbarschaft zur brennenden Ruine zunächst nicht bemerkte. Ein Krankenwagen stand daneben und ich erkannte, dass es sich wohl um eine Art Lazarett handeln musste. Eilig lief ich darauf zu. Als ich näher kam, erblickte ich Frank, der zusammengekauert mit gesenktem Kopf vor dem Eingang des Zeltes hockte. Dieser Anblick ließ mich das Schlimmste befürchten und ich wurde unweigerlich langsamer, um die schreckliche Gewissheit noch einige Sekunden länger hinauszögern zu können.

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Er hörte meine Schritte und blickte zu mir auf. Sofort sprang er von der Holzkiste auf. Trotz der Dunkelheit konnte ich genau erkennen, dass er geweint hatte. Oh Gott, nein, das durfte nicht wahr sein. Ich wollte in das Innere des Zeltes hineinschauen, doch Frank hielt mich zurück. "Oxana, es ist etwas passiert", begann er mit bebender Stimme zu sprechen. "Die Rakete...alles explodierte...er…er…"

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Ich konnte nicht länger zuhören, ich musste es mit eigenen Augen sehen. Ich riss mich von Frank los und schaute ins Innere des Lazarettzelts. Und da sah ich ihn. Ich brauchte keinen Arzt um zu wissen, dass er tot war. Niemand konnte solche Verletzungen überlebt haben. Die Tränen schossen mir in die Augen. Die ersten Tränen, die ich an diesem Tag vergoss.

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Benny! Eingetrocknetes Blut bedeckte sein ganzes Gesicht. Niemand hatte offenbar bis jetzt die Zeit gefunden, es zu waschen. Aber immerhin waren seine Augen geschlossen. Ich streckte meine Hand aus und strich eine Haarsträhne zurück, die sich auf seine Stirn geklebt hatte. Doch ein schauer durchfuhr meinen Körper, als ich seinen kalten Leichnam berührte. Benny musste sofort beim ersten Angriff ums Leben gekommen sein.

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Nun kam auch Frank ins Zelt und legte mir tröstend den Arm auf den Rücken. "Ich glaube nicht, dass er lange leiden musste", versuchte er mich zu beruhigen. Vermutlich stimmte das sogar, doch das war kein Trost für mich. Ich hatte Benny geliebt, auch wenn das nun schon viele Jahre zurück lag. Er war der erste Mann für mich gewesen und unsere Trennung war schmerzhaft verlaufen, insbesondere für ihn. Wir hatten nie die Gelegenheit gehabt, uns auszusprechen und ein freundschaftliches Verhältnis aufzubauen. Wie schon bei meinen Vätern hatte ich die Chance zur Wiedergutmachung verpasst.

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"Ich hab ihn direkt neben Tristan gefunden", erklärte Frank, "aber ich konnte nichts mehr für ihn tun. Ich bin zu spät gekommen." "Tristan, was ist mit ihm?", bedrängte ich Frank, da ich noch immer nichts über das Schicksal meines Mitbewohners in Erfahrung gebracht hatte. "Er ist schwer verletzt, aber er lebt. Ich konnte ihn gerade noch aus den Trümmern ziehen, bevor der Turm über ihm zusammenbrechen konnte. Er liegt gleich hinter dem Vorhang."

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Frank schob mich mit seiner Hand auf meinem Rücken um den Vorhang herum. Und dort lag mein Mitbewohner, leichenblass, aber das langsame Heben und Senken seiner Brust verriet eindeutig, dass er noch am Leben war. Doch auch er zeigte deutliche Spuren von Verletzung im Gesicht und ein Schlauch steckte in seiner Nase, um ihm das Atmen zu erleichtern. Frank beugte sich zu Tristan hinüber und küsste ihn auf die Stirn. Tristan versuchte die Augen zu öffnen, doch mehr als ein kurzes Flackern gelang ihm nicht und er verlor umgehend wieder das Bewusstsein.

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Landschwester Mphenikohl trat an uns heran. "Bitte, Herr Linse braucht jetzt sehr viel Ruhe. Es ist sehr schön, dass es so viele Menschen gibt, die um ihn besorgt sind, aber wenn er wieder zu Kräften kommen soll, dann muss er sehr viel Schlafen. Viel mehr kann ich für ihn nicht tun. Er müsste ins Krankenhaus, aber das wird in der jetzigen Situation nicht möglich sein. Wir haben versucht mit dem Krankenwagen zum Hospital nach Seda Azul zu fahren, doch die Brücke über den Rio Seco wurde ebenfalls von Raketen zerstört. Wir mussten wieder umkehren und haben dann dieses Lazarett hier errichtet."

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"Ich wünschte bloß, Dr. Reichardt wäre in der Stadt. Aber er befand sich zum Zeitpunkt des Angriffes offenbar im Krankenhaus von Seda Azul. Ich bin eine einfache Landschwester und meine Fähigkeiten sind für eine solche Katastrophe einfach nicht ausreichend. Aber ich werde tun, was in meiner Macht steht, um ihren Freund und den anderen verletzten zu helfen. Gehen sie nach Hause, Kindchen. Gehen sie zurück zu ihren Kinder, denn die werden sie jetzt dringender brauchen, als Herr Linse. Und er ist ja nicht alleine." Mit einem Nicken deutete sie auf Frank und lächelte. Ich nickte schweigend. "Danke, Schwester Mphenikohl. Möge Gott sie beschützen." Ich verabschiedete mich noch von Tristan und Frank und fuhr dann auf direktem Weg zurück in die Simlane.​
 
Hallo Stev,

habe mir die letzten zwei Tage mal deine Story hier durchgelesen und bin absolut begeistert! Sie war/ist durch das Auf und Ab der Gefühle so fesselnd, dass ich gar nicht mehr mit lesen aufhören konnte.

Ui! Die Geschichte in nur zwei Tagen zu lesen ist aber ein ganz schöner Brocken. Ich freue mich, dass du dabei geblieben bist.

Bin ja zutiefst über diese epischen Ausmaße deiner Geschichte beeindruckt, die sich ja über alle drei Sims-Teile spannt.

Ja, und bald schreibe ich schon seit 10 Jahren an der Story. Aber es macht immer noch Spaß :)

Bei Oxana bin ich zwischendurch immer wieder von bemitleiden und mitfreuen bis in der Luft zerreißen geschwankt.

Genau so war es auch geplant. Der Leser sollte viele, aber bei weitem nicht alle Entscheidungen von Oxana gutheißen können.

Das Wohl der Anderen und das Gerede der Menschen sind ihr offensichtlich wichtiger. Vor allem am Anfang war das ganz stark.

Ja, sie hat lange gebraucht um zu verstehen, dass ihr eigenes Glück genau so wichtig ist, wie das Wohl der anderen. Und mit ihrem Versuch, sich immer erst um das Wohl der anderen zu kümmern, hat sie erst dafür gesorgt, dass viel Leid entsteht. Immerhin war es immer gut gemeint.

Was ich persönlich unglaubwürdig fand, war die Tatsache, dass sie sich Dominik an den Hals wirft und sofort mit ihm schläft, obwohl sie ihn noch drei Tage vorher nicht ausstehen konnte.

Das war ja genau die Absicht. Sie hat ja keinen Mann und Partner gesucht, sondern nur jemanden, dem sie das Kind unterschieben kann. Dominik sollte glauben, das Kind sei von ihm. So wie Oxana ihn damals kennt, nimmt sie an, dass er sich keinen Deut mehr für sie und das Kind interessieren wird, wenn er davon erfährt und sie sitzen lässt. Aber es kam eben alles ganz anders, den Dominik ist eben nicht das A-Loch, für des Oxana ihn hielt.


...und außerdem - und da muss ich seiner Mutter leider recht geben - ist Oxana es gar nicht wert an seiner Seite zu sein. Nicht nur wegen der jahrelangen Lügerei, sie war ja auch nie ehrlich zu sich selbst und zu ihren Gefühlen auch Dominik gegenüber.

Da gebe ich dir vollkommen Recht. Das ist auch mit einer der Gründe, warum Dominik sich schließlich für die Scheidung entscheidet und hofft, mit Ingrid eine Frau zu finden, die ihn wirklich liebt.


Er muss aber auch echt absolut von sich überzeugt gewesen sein, weil er nicht schon am Anfang stuzig geworden ist, dass Oxana auf einmal angerannt kam. Genauso wie er all die Jahre von dem Betrug nichts gewusst haben will. Sooooo blind kann man doch gar nicht sein.

Ja, Dominik hat an seiner Unwiderstehlichkeit nie gezweifelt ;) Und Oxana ist eine sehr gute Schauspielerin. Sie hat ihn nie spüren lassen, dass sie ihn nicht lieb. Und die meiste Zeit über war sie ihm ja auch treu. Lediglich ein Jahr vor Alberts Tod hat sie die Affäre begonnen. Und da die beiden sich dann immer nur außerhalb der Stadt getroffen haben, ist es Dominik nicht aufgefallen.

Was mich bei Dominik aber immer noch stört, ist, dass er Oxana bei ihrem Nach- bzw. Mädchennamen nennt. Auch wenn es liebevoll gemeint ist, find ich es furchtbar.

Daran stören sich offenbar sehr viele. Insbesondere meine weiblichen Leser :D Aber es ist nun mal sein Kosename für Oxana. Und sie war ja ganz entsetzt, als er sie auf einmal nur noch “Oxana” nannte, denn da wusste sie genau, dass sie ihn verloren hatte.

Sollte man mit den Kappes nicht verfeindet sein? Fand es nämlich erstaunlich, dass Gerda Oxanas beste Freundin ist.

Man muss sich lediglich mit einem Kappe verfeinden. Das war bei mir Miranda in einem der frühen Kapitel.

Was mir besonders gut gefallen hat, ist, dass Gerda nach Alberts Tod doch noch ihr Glück gefunden hat.

Sie musste ja, auch wegen Oxana, viel leiden. Da wollte ich ihr auch mal was Gutes tun.

..., aber der Hass ihrer Mutter gegenüber ist nach all der langen Zeit echt übertrieben. Sie weiß wahrscheinlich gar nicht mehr, warum das so ist. Sie hasst ihrer Mutter anscheinend um des Hassens willens.

Genau so ist es. Aber ich glaube, das ist ganz typisch für Hass. Wenn man erst lang genug hasst, weiß man nicht mehr, wie man damit aufhören soll.

Interessant ist übrigens, dass Joanna und Ewa das geschickt ausnutzen um die Blech-Seite in die Familie zu bekommen. Oxana hat sich ja geweigert, aber bei Kinga hatten sie leichtes Spiel. Ziemlich gewieft.

Joanna hat die Chance gesehen und sie beim Schöpf ergriffen.

Ok, Joanna hat Kinga auch wieder auf den Boden der Tatsachen gebracht und von ihrem Drogentrip runtergeholt, aber die Art der Hilfe ist eine ganz andere, als sich Oxana je vorstellen könnte.

Ja, wenn Oxana wüsste, dass Joanna ihre Tochter in die Organisation aufgenommen hat, dann wäre sie richtig wütend. Allerdings ahnt Oxana, dass ihre Schwester mehr mit Kinga plant als sie ihr offenbart. Nur will sie sich das selbst nicht eingestehen und verschließt daher die Augen vor der Wahrheit. Das Wichtigste ist ihr in dem Moment, dass Kinga wieder clean wird und ihr Leben in geordnete Bahnen lenkt.

Die Kapitel über Kingas "Ausbildung" fand ich übrigens super spannend, erschreckend, aber spannend!

Diese Kapitel zu drehen hat besonderen Spaß gemacht. Da konnte ich meiner Fantasie freien Lauf lassen.

Klaudia ist knuffig und ganz die Mutter. Mehr sag ich dazu nicht, außer, dass die Klaudia-Geschichte im Dreier jetzt mehr Sinn ergibt bei einigen Dingen.

Vielleicht nicht ganz die Mutter, aber ihr doch sehr ähnlich. Klaudia ist noch wesentlich schüchterner als Oxana.

Wo ist er [Stev] eigentlich, als der Krieg losgeht? Du hast ihn gar nicht mehr erwähnt? Geht es ihm gut?

Doch erwähnt habe ich ihn. Den Angriff haben Stev und sein Partner Dennis gut überstanden. Sie haben sich in der Wüste versteckt, als der Angriff begann. Aber ihr Haus ist leider den Flammen zum Opfer gefallen.

Die Kapitel über den Krieg machen einem echt Angst. Das fühlt sich echt lebensnah an.

Danke schön! Ich hab zum Glück nie einen Krieg am eigenen Leib miterlebt und werde es hoffentlich auch nicht müssen. Es ist also schön zu hören, dass ich die Situation dennoch glaubwürdig schildern kann.

Was ist eigentlich mit Dominik passiert? Irgendwie hab ich das Gefühl, dass er von Sim-Quaida als Geißel gehalten wird und bestimmt noch schlimmer ausschaut als Oxana bei ihrer Entführung damals. Armes Kerlchen.

Dominik bekommt noch seine eigenen Kapitel in denen wir genau sehen werden, wie es ihm ergeht ;)

Wirklich traurig (und zum heulen) fand ich babcia Stasias Beerdigung, bzw. die letzten Tage davor.

Das war wiederum eine Situation, die sehr nah an meinen eigenen Erfahrungen lag. Mich rühren diese Szenen daher auch jetzt immer noch, wenn ich sie lese.

Aber diese Seite hatte nie etwas mit der "Familie" zu tun oder? Das war nur Oxanas Dad, aber mit ihrem Paps hatte das nichts zu tun.

nein, der Teil der Familie hat nichts mit “Justice” zu schaffen.

Ich glaub, das war's erstmal von meiner Seite aus. Nochmal ein riesengroßes Lob und Respekt für deine tolle Geschichte, die im Übrigen viel besser ist, als es eine Soap Opera oder Telenovela je wird sein können.

Vielen, vielen Dank. Und entschuldige die realativ späte Antwort. Aber so einen langen Kommentar muss man in Ruhe lesen und natürlich gebührend gegenkommentieren.

Freue mich jetzt schon auf's nächste Kapitel und werd derweil mal deine Sims 1-Geschichte lesen.

Das freut mich :) Und ich würde mich auch freuen, deine Meinung zu meinem “Erstlingswerk” zu hören.
 
Doch erwähnt habe ich ihn. Den Angriff haben Stev und sein Partner Dennis gut überstanden. Sie haben sich in der Wüste versteckt, als der Angriff begann. Aber ihr Haus ist leider den Flammen zum Opfer gefallen.

Ich meinte eigentlich Tristan (falls es nicht so rüberkam), aber das hatte sich im Folgekapitel ja herausgestellt, wo er ist. Noch so ein armes Kerlchen. :( Hoffen wir mal, dass er da heil rauskommen wird.

Sein Frank und Mirandas Frank sind aber zwei unterschiedliche Franks, oder? Das verwirrt mich immer so ein bissel.

Das letzte Kapitel war wieder super, bin hier nur am mitleiden... *zitter*
 
@Dekowolke

Ach, du meintest Tristan, das hab ich dann falsch verstanden :lol

Und ja, der Frank von Tristan und der von Miranda sind zwei unterschiedliche Sim. Jetzt wo du es sagst, könnte es echt verwirrend sein, insbesondere da beide auch noch schwarzhaarig sind. Aber Mirandas Frank ist einer der studenten, die in einem der Häuser in La Siesta Tech leben. Den wollte ich dann nicht umbenennen. Und Tristans Frank ist ja schon sehr lange mit dabei.

Danke für den Kommentar!
 
Kapitel 161: Im Anmarsch

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Der Regen wurde wieder stärker, als ich mich auf dem Weg zurück in die Simlane machte. Vielleicht würde der anhaltende Schauer dafür sorgen, dass die letzten lodernden Brände in der Stadt bald erloschen. Zuhause angekommen versicherte ich Anan, der bei den Kindern geblieben war, dass wir drei in dieser Nacht alleine zurechtkommen würden und schickte ihn nach Hause zu seiner Frau und Dominiks jüngeren Geschwistern. Anschließend ging ich ins Schlafzimmer. Die Kinder schliefen bereits. Ich setzte mich auf den Nachttisch und beobachtete schweigend Sky und Klaudia. Sie sahen so friedlich aus und schienen die Schrecken des Tages fast vergessen zu haben. Und das war auch gut so, denn sie brauchten Kraft für die kommenden Tage. Wer konnte schon wissen, was noch alles auf uns zukäme?

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Klaudia und Sky waren in Sicherheit, zumindest vorerst. Doch ich hatte noch ein weiteres Kind und ich wusste nicht, wie es ihm ging. Ich ging wie mechanisch in Kingas altes Zimmer, in dem nun Sky zuhause war. Vielleicht hoffte ich so, meiner Tochter näher zu sein. Obwohl Orion mir bereits gesagt hatte, dass die Telefonverbindungen unterbrochen waren, nahm ich mein Handy und wählte Joannas Nummer. Ich hatte meine Tochter in die Obhut meiner Schwester gegeben und ich musste mich einfach versichern, dass es ihr gut ging, dass es in SimCity zu keinem Angriff gekommen war und Kinga nicht verletzt wurde. Doch alle meine Versuche waren vergebens. Mein Handy hatte einfach keinen Empfang und das Festnetz war ebenfalls tot.

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Da mir nichts anderes blieb, betete ich zu Gott, dass er Kinga beschützen, dass er seine schützende Hand über uns alle halten möge. Auf einmal übermannte mich die Müdigkeit. Den ganzen Tag hatte ich sie nicht gespürt, doch jetzt merkte ich, dass auch ich am Rande meiner Kräfte war. Ich überlegte erst, mich auf das Sofa zu legen. Doch ich wollte so nah wie möglich bei meinen Kindern sein. Also legte ich mich zwischen die beiden und war eingeschlafen, sobald ich die Augen geschlossen hatte.

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In den ersten Sekunden nach dem Aufwachen hatte ich die vage Hoffnung, dass alles nur ein böser Alptraum gewesen war. Doch der Geruch von verbranntem Holz lag schwer in der Luft und erinnerte mich daran, dass die halbe Stadt Opfer der Flammen wurde. Klaudia musste schon länger wach im Bett gelegen haben, denn sie schlüpfte aus dem Bett, sobald ich die Decke anhob, um selbst aufzustehen. Als wir in die Küche kamen, schlug uns bereits ein unangenehmer Geruch entgegen, und ein Blick in den Kühlschrank genügte um festzustellen, dass einige der Lebensmittel bereits schlecht geworden waren. Das einzige essbare waren die trockenen China-Snacks, die ich auch schon Glinda angeboten hatte.

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"Sky und du, ihr geht heute nicht zur Schule. Ich will euch nicht aus dem Augen lassen", erklärte ich ihr. Klaudia nickte bloß und aß stumm weiter. "Solange wir nicht genau wissen, was geschehen ist, verlasst ihr beide nicht das Haus." Wieder nickte Klaudia. Sie hatte ganz offensichtlich den Ernst der Lage erkannt. Dann musste ich schlucken, denn ich hatte ihr noch nichts von Tristans Verletzung erzählt. Aber Klaudia war alte genug, um über alles informiert zu werden.

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Sie nahm es besser auf, als ich vermutet hatte. Zwar konnte ich genau erkennen, dass sie geschockt war, aber sie blieb ruhig. Es gab kein Geschrei und keine Tränen. "Aber Onkel Tristan wird wieder gesund, ja?", fragte sie schließlich nach einer längeren Pause, in der wir beide auf unseren trockenen Nudeln herum kauten. "Schwester Mphenikohl ist sehr zuversichtlich", versicherte ich ihr. "Und Frank kümmert sich gut um ihn. Tristan ist also in besten Händen."

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Draußen regnete es immer noch. Doch das änderte nichts daran, dass es immer wärmer wurde. Es war Sommer und wir befanden uns in der Sierra Simlone. Dieses schwülwarme Klima war die ideale Voraussetzung, damit Lebensmittel besonders schnell verdarben. Bevor der Gestank in der Küche noch schlimmer werden konnte, schnappte ich mir einen großen Müllsack und schmiss alles hinein, was in unserem abgetauten Kühlschrank bereits verdorben war oder kurz davor stand zu verderben.

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Die asiatischen Snacks würden erst einmal für eine Weile reichen, aber ich musste mich dennoch dringend nach etwas richtigem zum Essen umsehen. Da weder Herd noch Mikrowelle funktionierten, war der Grill die einzige Möglichkeit, etwas Warmes zuzubereiten. Nur war alles was man hätte grillen können, verdorben. Das fehlende fließende Wasser machte unsere Leben zusätzlich schwierig. Aber immerhin hatten wir noch die Wasserpumpe hinter dem Haus und eine Gießkanne neben der Toilette verrichtete ebenfalls gute Dienste.

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Das Baden in der Holzwanne war hingegen für Klaudia und mich eher unangenehm. Sky hingegen hatte sichtlich Spaß daran. Ich wünschte mir, dass ich die Situation so leicht nehmen könnte wie er es tat. Kinder hatten dafür einfach eine Gabe, die mit dem Alter leider verlorenging.

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Der Tag ging ereignislos vorbei. Ich hatte versucht, im zerstörten Stadtzentrum ein paare Lebensmittel zu besorgen, doch die nicht zerstörten Läden waren bereits restlos ausverkauft. Als die Sonne unterging, stellte ich Kerzen im Wohnzimmer auf, damit wir wenigstens etwas Licht hatten. Klaudia und Sky verbrachten den Abend damit, Schach zu spielen. Und trotz seines jungen Alters war Sky ein ernstzunehmender Gegner für Klaudia.

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Ich machte es mir mit einem Buch auf dem Sofa bequem. Es hätte in idyllischer Abend sein können, wäre am Tag zuvor nicht unsere Stadt angegriffen worden. Ich versuchte erst, einen Roman zu lesen, doch es gelang mir nicht, mich auf das Gelesene zu konzentrieren. Ich las zwar die Worte, aber mit meinen Gedanken war ich ganz woanders. Schließlich legte ich den Roman beiseite und holte ein Geschichtsbuch aus dem Regal. Anan und auch Orion waren überzeugt, das Simnistrien der Angreifer war. Der Krieg zwischen Simnistrien und der SimNation vor 45 Jahren war mir aus meiner Schulzeit zwar noch ein Begriff, aber ich wollte mehr über die Hintergründe erfahren und darüber, wie der Krieg damals geführt wurde. Und die Brutalität, mit der die SimNation damals gegen Simnistrien vorgegangen war, erschreckte mich. Ich konnte nur hoffen, dass die Simnistrier nicht auf Rache aus waren.

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Mit dem nächsten Tag kehrte wieder so etwas wie Normalität ein. Es war Samstag und der seit Tagen andauernde Regen hörte auf. Die letzten Flammen in der Stadt waren bereits letzte Nacht erloschen. Nur auf den Ölfeldern brannte es immer noch, allerdings trieb der Wind die Rauchschwaden weg von der Stadt. Sky nutzte das Wetter, um mal wieder im Pool zu planschen. Ich hielt ihn nicht davon ab. Sollte der Kleine ruhig etwas Spaß haben.

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Klaudia fand ihre eigene Zuflucht. Die Staffelei in ihrem Zimmer benutzte sie schon immer häufig. Doch in diesen Tagen malte sie ununterbrochen, solange das wenige kostbare Tageslicht es zuließ.

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Und für mich wurde es Zeit, mich wieder um die Farm zu kümmern. Die Rinder würden auch gut ein paar Tage ohne mich zu Recht kommen und das Pferd war sicherlich von alleine wieder auf die Weide zurückgekehrt. Durch den Regen der letzten Tage musste ich mir auch keine Sorgen um die Bewässerung der Felder machen. Zum Glück wurden die Wasserpumpen dort alle über einen Dieselgenerator angetrieben. Aber die Bäume auf der Plantage brauchten mal wieder etwas Pflege.

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Ich wusste selber, dass die Arbeit auf der Plantage auch eine Art Flucht für mich war. Sie hielt mich davon ab, mir zu viele Gedanken zu machen. Gedanken, über das, was noch auf uns zukommen mochte, Gedanken über den Tod von Skys Lehrerin und von Benny, Gedanken über die zerstörte Stadt, Gedanken über meine Tochter, von der ich nicht wusste, ob es ihr gut ging, oder nicht und Gedanken über Dominik, der in dem Land war, dass einen Krieg gegen uns angefangen hatte. Hier auf der Plantage, bei strahlendem Sonnenschein, schien die Welt noch in Ordnung.

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Doch das war sie nicht. Das wurde mir wieder bewusst, als ich Gerda völlig außer Atem auf dem Fahrrad die Straße entlang strampeln sah. Sie entdeckte mich in der Plantage und steuerte direkt auf mich zu. Flink sprang sie vom Fahrrad, lehnte es an einen der Orangenbäume und lief die letzten Meter auf mich zu. "Oxana, sie kommen", stieß sie schwer atmend aus. "Langsam, Gerda", beruhigte ich meine Freundin. "Wovon redest du? Wer kommt?" "Die Soldaten", keuchte Gerda. "Ein Konvoi ist unterwegs aus Richtung Süden. Es sind mindestens zwei Transportfahrzeuge. Hans hat sie von unseren Feldern aus gesehen. Und es sind nicht unsere Leute, Oxana. Hans schwört, dass er die Simnistrische Flagge auf den Jeeps gesehen hat."

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Entsetzt weiteten sich meine Augen. Nun war es also soweit. Die Ruhe vor dem Sturm war vorbei, das wusste ich instinktiv. "Hast du eine Ahnung, was sie vorhaben?", fragte ich Gerda, doch sie schüttelte verständlicherweise dem Kopf. Niemand konnte ahnen, was diese Invasoren vorhatten, doch mit Sicherheit war es nichts Gutes. "Gerda, bleibst du bitte bei mir und den Kindern?", fragte ich meine Freundin. "Wenn ich alleine bleibe und sie kommen, weiß ich nicht, was ich tun soll." Gerda verstand meine Ängste und versprach, mich nicht alleine zu lassen.
 
Kapitel 162: Noch ein Kind

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Die Simnistrier waren im Anmarsch. Ich rief sofort die Kinde zusammen und wies sie an, sich zusammen mit uns im Wohnzimmer aufzuhalten. Ich erzählte ihnen nicht, was los war. Aber da Gerda und ich ständig aus dem Fenster auf die Straße starrten und die Kinder sahen, wie nervös wir beide waren, merkten sie unweigerlich, dass etwas Bedrohliches bevorstand.

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Und dann sahen wir den Jeep, der mit hoher Geschwindigkeit die Straße herunter raste. In meinem Inneren keimte die Hoffnung auf, dass er unser Haus einfach ignorieren würde, dass er vorbei brauste und nur eine Staubwolke zurückließ. Doch mit einem Schlag schob sich eine dunkle Wolke vor die gleißende Sonne und im selben Augenblick verlangsamte der Jeep seine Fahrt und bog in die Simlane ein. Gerda und ich liefen hastig zum Fenster, das zur Veranda hinaus ging. Immer noch hatte ich die Hoffnung, dass der Jeep einfach weiter fahren würde, dass er nur zufällig in die Simlane eingebogen war. Doch meine Hoffnungen wurden jäh enttäuscht. Mit quietschenden Reifen hielt der Jeep vor meinem Haus und drei bewaffnete Soldaten sprangen heraus und setzten ihren Fuß auf Grünspans staubigen Boden.

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Die drei liefen auf das Haus zu. "Oh Gott, Gerda, sie kommen", rief ich aufgeregt. "Was sollen wir jetzt tun? Sollen wir weglaufen? Uns verstecken?" Doch Gerda konnte mir keine Rat geben. Sie war ebenso verängstigt und erschrocken wie ich. Ich konnte nicht einschätzen, wie sich die simnistrischen Soldaten verhalten würden. Aber wenige Tage zuvor hatten sie große Teile unserer Stadt ohne Vorwarnung in Schutt und Asche gelegt. Das ließ nichts Gutes hoffen.

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Gerda und ich liefen eilig vom Fenster weg und ich scharte die Kinder dicht um mich. Im nächsten Moment flog die Tür mit einem lauten Knall auf. Einer der Soldaten hatte sich mit einem kräftigen Tritt Zugang zu meinem Haus verschafft. Dabei war die Tür nicht einmal verschlossen gewesen. Gerda, Klaudia und ich schauten voller Angst zu dem Mann hinüber, doch wir blieben halbwegs ruhig. Nur Sky konnte sich einen Angstschrei nicht verkneifen und klammerte sich fest an mich.

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Die drei stürmten in das Haus hinein. Wir standen verängstigt in der Ecke. Ein der drei Soldaten brüllte uns an. "Auf den Boden! Auf den Boden!" Er richtete seine Pistole auf uns, doch dieser zusätzlichen Drohung hätte es gar nicht bedurft. Keiner von uns zögerte, sich hinzuhocken. "Kopf nach unten", brüllte er weiter. "Und ich will keinen Mucks hören!" Es kam mir so vor, als ob er diese Worte gezielt zu Sky gesagt hätte. Und auch der Junge hatte diese Warnung offensichtlich verstanden, denn augenblicklich verstummt sein Schluchzen und wurde zu einem kaum hörbaren Wimmern.

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Der Typ, der auch schon die Tür eingetreten hatte, machte sich umgehend daran, das Haus zu demolieren. Er schmiss alles um, was ihm in den Weg kam. Er griff den Schachtisch und schleuderte ihn in die Mitte des Zimmers. Die darin aufbewahrten Schachfiguren ergossen sich über den Boden. Wild trat er auf die Korbsessel ein, die seinem festen Stiefeln keinen ernsten Widerstand bieten konnten. Und auch vor den Schränken machte er keinen Halt, die mit lautem Getöse auf den Holzboden krachten und ihren Inhalt freigaben.

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Der dritte Soldat hatte sich aufgemacht, um das Haus nach weiteren Bewohnern abzusuchen. "Hier ist niemand mehr", teilte er seinem Kumpel mit, als er wieder in das Wohnzimmer kam. "Die Frauen und Kinder sind hier offensichtlich ganz allein." Die beiden Soldaten sprachen Simnistrisch miteinander, allerdings waren die Unterschiede zwischen unseren beiden Sprachen so gering, dass ich die Soldaten problemlos verstehen konnte.

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Der Soldat, der soeben noch mein Haus zertrümmert hatte, grinste fies. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, aber es lief mir auch so kalt der Rücken hinunter. "Das heißt also, keiner ist da, der diese Schlampen beschützen könnte. Für mich klingt das so, als ob wir hier unseren Spaß haben könnten." Der Typ begann dreckig zu lachen und der dritte Soldat stimmte mit ein.

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Der Soldat mit den schwarzen Haaren, die ihm in die eine Hälfte des Gesichtes hingen, schritt auf den älteren der drei Soldaten zu, der weiterhin die Waffe auf uns vier Gerichtet hielt, und klopfte ihm auf die Schulter. "Na, Bran, mit welcher willst du anfangen?", fragte er. Das dreckige Grinsen in seinem Gesicht wurde nur noch breiter. Obwohl sie es uns verboten hatten, blickte ich flehentlich auf. Ich richtete meinen Blick auf den älteren Soldaten, da ich die Hoffnung hatte, dass er der Vernünftigste von den dreien sein könnte. Doch ich hatte mich ganz offensichtlich geirrt. "Ich schnappe mir die kleine Dicke", sagte er uns grinste Klaudia an. "Du kannst dann die Alte in dem karierten Fummel haben. Adrian, du passt solange auf die verkniffene Schachtel und den kleinen Bastard hier auf", sagte er zu den dritten Soldaten. "Wir rufen dich dann, wenn wir fertig sind. Wird auch nicht lange dauern."

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Das könnte ich nicht zulassen! Ich konnte nicht zulassen, dass diese Widerlinge sich an meiner Tochter vergingen. Ungeachtet der Warnungen und der auf mich gerichteten Waffen sprang ich auf. "Machen Sie mit mir was sie wollen, aber lassen sie meine Tochter in Ruhe", flehte ich die beiden Soldaten an. "Sie ist doch noch ein Kind!"

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Doch die Soldaten zeigten nicht das geringste Mitgefühl. Ganz im Gegenteil. Der Typ mit den langen schwarzen Haaren machte zwei eilige Schritte auf mich zu und schlug mir mit seiner Pistole mitten ins Gesicht. "Halt dein dreckiges Maul, Schlampe", schrie er mich an. "Keiner sagt uns, was wir zu tun oder zu lassen haben. Und jetzt setzt dich wieder hin. Los, auf den Boden mit dir!"

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Ich blieb stehen. Es war egal, ob er mich schlug. Ich würde nicht zulassen, dass diese Typen meinen Kindern etwas antaten. Das erkannte wohl auch der Soldat. Denn er nahm seine Waffe herunter und richtete sie direkt auf Gerdas Kopf. "Du setzt dich jetzt sofort hin oder ich blase der verkniffenen Alten den Schädel weg und das direkt vor deinen Kindern. Hast du mich verstanden?!" Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich wollte Klaudia schützen, ich musste sie schützen. Aber ich konnte nicht zulassen, dass Gerda erschossen wurde. Ich blickte zu Gerda hinunter. Sie blickte nicht auf, aber ihre Augen waren weit geöffnet. Und sie betete. Man konnte zwar nichts hören, aber ihre Lippen bewegten sich stetig und formten ein "Ave Maria" nach dem anderen. Meine Hände zitterte vor hilfloser Wut.

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Nein, ich konnte nicht zulassen, dass Gerda starb. Sie hat meinetwegen so viel durchmachen müssen und dennoch war sie mir immer eine gute Freundin gewesen. Selbst heute ist sie zum mir geeilt, um mich vor den anrückenden Soldaten zu warnen. "Bitte", flehte ich den Soldaten ein letztes Mal an, "nicht meine Tochter." Doch der fasste mich nur an den Schultern und drückte mich zu Boden. Meine Knie leisteten keinen Widerstand. Der ältere Soldat, Bran, fasste Klaudia am Ellbogen und riss sie hoch. "Gleich zeige ich dir was eine echter simnistrischer Mann ist", lachte er und musterte Klaudia dabei gierig. Meine Tochter versuchte sich zu wehren, doch gegen die Muskelkraft dieses Mannes kam sie einfach nicht an.

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Ich fühlte mich so machtlos. Meine Tochter war in größter Not und ich konnte ihr nicht helfen ohne Gerdas oder Skys Leben zu gefährden. Ich brauchte ein Wunder. Gott, schick mir ein Wunder! Noch nie hatte ich Gottes Hilfe so nötig gehabt, wie in diesem Augenblick. Er musste eingreifen. Er musste Klaudia einfach vor diesem Schicksal bewahren. Er durfte es nicht zulassen, er durfte einfach nicht!

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Und dann hörte ich IHRE Stimme. "Soldaten Abromawitsch, Jukow und Dabratsch, was ist hier los?" Ich wagte es aufzublicken und obwohl das Sofa mir die Sicht auf die Frau versperrte, erkannte ich, dass sich das Verhalten der drei Soldaten mit einem Schlag verändert hatte. "Wir, ähm...", stotterte Bran, der älteste der drei, doch die Frau ließ ihn gar nicht erst aussprechen. "Ihr solltet nach einem geeigneten Hauptquartier Ausschau halten und es beanspruchen. Von mehr war nie die Rede gewesen." Die drei Soldaten ließen betroffen die Köpfe sinken. "Geht mir aus den Augen", herrschte die Frau sie an. "Kehrt zum Lager bei Seda Azul zurück und kommt mir in den nächsten Tagen lieber nicht mehr unter die Augen." "Jawohl, Frau Kommandantin", stammelten die drei und verließen eiligst das Haus.

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Die Frau gehörte offensichtlich zu der simnistrischen Armee. Dennoch hatte sie uns gerade gerettet und dafür würde ich ihr auf ewig dankbar sein. Wir spürten alle intuitiv, dass wir nun in Sicherheit waren. "Mami", schluchzte Klaudia laut und warf sich mir um den Hals. Bis eben war sie tapfer geblieben. Trotz ihrer Angst und bei vollem Bewusstsein, was sie erwartet hätte, hatte sie ihre Tränen unterdrückt. Doch jetzt ließ sie alles heraus und mir erging es nicht anders. "Es ist alles gut, mein Schatz", flüsterte ich ihr immer wieder zu und drückte ihren vor Weinkrämpfen bebenden Körper fest an mich.

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Und dann trat ER durch die Tür. Kasimir! "Ich danke ihnen noch einmal vielmals, für ihre Unterstützung, Kommandantin Ermanowa." Die Frau nickte Kasimir knapp zu. "Halten sie sich bereit, wenn wir ihre Unterstützung brauchen, Herr Tellermann", erwiderte sie. Dann sah sie sich kurz im Haus um. "Dieses Gebäudes scheint wirklich geeignet, genau so, wie sie es beschreiben haben, Herr Tellermann. In zwei Tagen werden wir hier unser Hauptquartier einrichten. Ich würde ihnen und ihrer Familie", sie blickte zu mir und den Kindern herüber, "raten, dann nicht mehr hier zu sein. Ich werde meine Männer nicht immer zurückhalten können und ich habe nicht vor, rund um die Uhr ein Auge auf sie zu haben. Wir sind im Krieg und wir alle wissen, was das bedeutet." Damit drehte sie sich um und sie und ihre zwei verbliebenen Soldaten verließen das Haus.

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Im ersten Moment war ich zu verdutzt, um zu reagieren. Ich verstand nicht, wieso Kasimir plötzlich aufgetaucht war. Aber er hatte uns gerettet. Als mir das klar wurde, gab es kein Halten mehr für mich. Ich lief auf ihn zu und warf mich ihm um den Hals. Kasimir war überrascht von solch einem Gefühlssaubruch. Doch nachdem die erste Schrecksekunde verklungen war, schloss er mich fest in seine Arme. Und zum ersten Mal seit Tagen fühlte ich mich sicher. Jetzt war es nicht mehr ich, die stark sein musste für die Kinder. Jetzt konnte ich mich fallen lassen und Kasimir war da, um mich aufzufangen.​
 
Fantastische Kapitel, Stev! Hatte die ganze Zeit Gänsehaut. Du beschreibst den Krieg, der ja nur noch schlimmer werden wird, so grausamst genau und mit allen Schrecken, dass man unweigerlich Angst hat.
Die vier hatten wohl Glück im Unglück, dass die Kommandatin und Kasimir aufgetaucht sind. Von der Sache hätte sich Klaudia bestimmt nie wieder erholt.

Aber was hat die Überschrift eigentlich mit dem Text zu tun? Passt irgendwie gar nicht zusammen...

*wartet voller Bangen auf's nächste Kapitel*


/offtopic: Deine Sims 1-Geschichte ist auch super toll. Wusste gar nicht, dass man damit Geschichten erzählen kann/konnte. Schade, dass die Kinder nie erwachsen werden.
 
Ich habe hier leider mangels Zeit lange nicht mehr mitgelesen, geschweige denn einen Kommentar verfasst. Aber auch, ohne wirklich alles mitbekommen zu haben, möchte ich Dir ein großes Lob für Deine letzten Kapitel da lassen. Die Bilder zum Kriegsszenario sind mitreissend, und ich kann mir aus eigener Erfahrung vorstellen, dass sie Dich viel Arbeit gekostet haben müssen. Vor allem benötigt man ja neben viel Geduld auch eine Menge Custom Content, um diese Szenen überhaupt glaubwürdig darstellen zu können. Ich habe vorher noch nie gesehen, dass so etwas mit den Sims dargestellt worden ist. Sehr interessant! Sehr gut, weiter so!
 
@Dekowolke
Danke schön! Ich bekomme selbst eine Gänsehaut, wenn ich das Kapitel lese. Schön, dass es meinen Lesern da genau so geht :) Aber ich hätte Klaudia niemals etwas antun können. Ich hätte mir einfach nicht zugetraut die Folgen einer Vergewaltigung auch nur ansatzweise glaubwürdig darzustellen. Klaudia hat auch schon so genug Angst gehabt.
Die Überschrift ist ein Zitat aus dem Kapitel. Oxana sagt an einer Stelle: "Sie ist doch noch ein Kind!".

Cool, dass du auch mein Sims1 Geschichte gelesen hast (oder zumindest mal reingeschaut hast). Ja, auch mit dem 1. Teil konnte man schon Fotogeschichten erzählen. Nur hatte man damals nicht die Möglichkeit, die Mimik der Sims einzufangen. Ja, erwachsen wurden die Kinder leider nie. Ich hab sie dann aber nach einer Weil einfach gegen Erwachsene ausgetauscht. Genetik gab es damals ja noch nicht, daher war es nicht so schlimm.

@Dani
Schön, dass du jetzt dennoch wieder liest und auch einen Kommentar dalässt. Ja, es war viel Arbeit, die Kriegsszenen zu drehen. Es ist schon alleine sehr viel Zeit für die Suche der ganzen Downloads drauf gegangen. Aber offenbar hat sich die Mühe ja gelohnt :)
Danke für dein Lob!
 
Kapitel 163: Einfach ein guter Freund

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Kasmir war da. "Alles in Ordnung, Perle", beruhigte er mich. Dabei strich er über meine Wange und wischte die letzten Tränen weg. Ich genoss diese Berührung. Zu lange hatte ich niemanden mehr gehabt, der mich auf diese Art berührt hätte. "Wieso bist du hier?", fragte ich flüsternd. "Wegen dir", antwortete er ohne Umschweife. "Ich musste einfach wissen, wie es dir geht." Ich lächelte ihn an. Es tat so gut zu wissen, dass es jemanden gab, der sich um einen sorgte. "Ich habe Kommandantin Ermanowa gebeten, mich nach Sierra Simlone Stadt mitzunehmen. Die simnistrische Armee hat in Seda Azul ihr vorläufiges Lager aufgeschlagen."

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"Und sie hat dir einfach so geholfen?", fragte ich ungläubig. Kasimirs Mine wurde mit einem Schlag ernst. "Nein, nicht einfach so. Ich hab ihr angeboten, sie mit Informationen über Sierra Simlone Stadt zu versorgen. Unter anderem habe ich ihr dein Haus als Kommandozentrale in der Stadt vorgeschlagen."

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Ich traute meinen Ohren nicht. "Du hast was getan? Kasimir, dazu hattest du kein Recht!" Kasimirs Mine blieb regungslos. "Ich lasse doch nicht zu, dass diese dreckigen simnistrischen Schweine mein Haus als Kommandozentrale nutzen. Womöglich wird hier der Feldzug gegen die restliche SimNation geplant. Wie konntest du so etwas nur tun?" "Ich habe es getan, um dich zu beschützen", antwortete er. "Ohne mein Eingreifen, hätten diese Soldaten dir und den Kindern wer weiß was alles angetan. Und ich bin mir nicht sicher, ob euer Schicksal Kommandantin Ermanowa auch nur im geringsten interessiert hätte, wenn ich nicht mit ihr zusammenarbeiten würde."

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Wütend wand ich mich von ihm ab und stützte mich auf die Rückenlehne des Sofas. "Ich verstehe deine Wut, Oxana", sagte er behutsam und legte seine Hand auf meine Schulter. "Aber die Simnistrier sind im Land. Und sie sind stark. Wir müssen uns auf diese neue Situation einstellen. Wenn mir Widerstand leisten, dann können wir nur verlieren. Ich habe einfach versucht, das Beste aus dieser Situation zu machen." Kasimirs Worte hatten durchaus ihre Logik. Aber ich konnte und wollte diese Logik nicht teilen. Simnistrien war gnadenlos in unser Land eingefallen. Ich würde bis zum letzten Kämpfen, um sie wieder zu vertreiben. Und Dominik würde das auch tun, wenn er hier wäre. Dominik war nicht so wie Kasimir. Er kämpfte immer für das Richtige, so ausweglos es auch scheinen möchte. Deshalb war er auch schon seit Jahren im Simnistrien. Und deshalb liebte ich ihn und nicht Kasimir. Das wurde mir in diesem Augenblick deutlicher als jemals zuvor.

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Aber Dominik war nicht hier. Ich atmete tief durch und wand mich Kasimir wieder zu. "In zwei Tagen werden die Simnistrier ihr Quartier also in meinem Haus aufschlagen?", fragte ich müde. Kasimir nickte. "Du und die Kinder, ihr könnt mit mir nach Seda Azul kommen. In meiner Wohnung ist…" Ich stoppte Kasimir mit einem Handzeichen. "Nein, die Kinder und ich werden nicht nach Seda Azul gehen. Du und ich...das würde einfach nicht gut gehen." Ich sah, wie Kasimir in sich zusammen sackte. "Du weißt, dass ich dich immer noch liebe?", flüsterte er mehr, als dass er sprach. "Und ich liebe Dominik", antwortete ich ruhig.

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Kasimir atmete schwer, aber schließlich begann er zu nicken. "Gut, meine Aufgabe ist hier dann getan. Ich musste es einfach noch einmal versuchen, Perle." Mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen drehte er sich um und griff nach der Türklinke. "Bitte geh nicht", rief ich ihm hinterher. "Ich will nicht alleine mit den Kindern zurück bleiben. Ich habe Angst, Kasimir. Wenn du hier bleiben würdest, als guter Freund, ich würde mich gleich viel sicherer fühlen." Kasimirs Hand verharrte für mehrere Sekunden regungslos auf der Klinke, doch dann ließ er sich los, ohne die Tür zu öffnen. "In Ordnung. Ich bleibe für die nächsten Tage hier. Als Freund, einfach als ein guter Freund."

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Mir fiel ein Stein vom Herzen. Dann wand ich mich Gerda zu, die blass wie ein Leichentuch bei den Kindern stand. "Geht es dir gut?", fragte ich besorgt und merkte, wie mir selbst wieder die Tränen kamen. Gerda kam langsam auf mich zu. Sie wollte nicken, aber gleichzeitig schüttelte sie auch mit dem Kopf. Ich konnte diese Reaktion nur zu gut verstehen. Mir ging es nicht anders Schrecken und Erleichterungen lagen einfach zu dicht beieinander.

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Also nahm ich sie einfach in den Arm. Gerda klammerte sich regelrecht an mir fest und ich spürte, dass sie immer noch am ganzen Körper zitterte. "Soll dich Kasimir nach Hause begleiten?", fragte ich meine Freundin und sie bejahte diese Frage mit einem zögerlichen Nicken. "Wir stehen das alles gemeinsam durch", flüsterte ich ihr zum Abschied zu. "Wir werden uns nicht unterkriegen lassen."

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Keine Sekunde, nachdem Kasimir und Gerda das Haus verlassen hatten, brach Klaudia in Tränen aus. All die Angst und der Schrecken der letzten Tage und Stunden hatten sich in ihr aufgestaut und jetzt brachen alle Dämme. Sky ließ sich von diesem Gefühlsausbruch anstecken und weinte ebenfalls bitterlich. Und so sehr ich die strake Schulter für die Kinder sein wollte, auch ich musste meinen Tränen freien Lauf lassen. Wir saßen auf dem Sofa, inmitten unseres demolierten Wohnzimmers, und hielten uns gegenseitig fest. Der Kampf mit den Tränen schien mehr als einmal fast gewonnen, doch es reichte ein Schluchzen, um die Gefühle übermannten uns erneut. So saßen mir zusammen, bis es draußen dunkel wurde.

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Doch meine Gedanken schweiften immer wieder ab. Sky und Klaudia waren sicher, zumindest für den Augenblick. Sie waren bei mir und ich konnte sie beschützen, wenn es notwendig war. Aber was war mit Kinga? Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie es meiner ältesten Tochter ging. Ich konnte nur beten, dass Joanna für ihre Sicherheit garantierte. Und Dominik? Ich hatte immer noch kein Lebenszeichen von ihm.

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Nachdem die Kinder im Bett waren und ruhig schliefen, versuchte ich noch einmal Joanna zu erreichen. Doch ohne Strom funktionierte unser Haustelefon nicht und mein Handy hatte nach wie vor keinen Empfang, was Sinn machte wenn man bedenkt, dass die Funkmasten ebenfalls keinen Strom mehr hatten.



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Die Ereignisse des vergangenen Tages hatten die Kinder zum Glück nicht zu stark traumatisiert. Zumindest rein oberflächlich schien es ihnen wieder gut zu gehen. Klaudia kümmerte sich vorbildlich um ihren Bruder und las ihm aus seinem Lieblingsbuch „Das kleine Haus“ vor. Allerdings war ich mir sicher, dass der Schreck Klaudia tief in den Knochen saß. Ich konnte nur hoffen, dass sie diese Beinahe-Vergewaltigung würde überwinden können.

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Sky war hingegen noch zu jung um überhaupt zu begreifen, was die Soldaten uns gestern angedroht hatten. Ich beneidete ihn beinah um seine kindliche Einstellung zu den Dingen. Es kümmerte ihn wenig, dass eine fremde Armee in unser Land einmarschiert war, denn von Politik verstand er noch nichts. Und selbst der Stromausfall war für ihn eher ein Spaß, eine Abwechslung, durch die er neue und alte Spielchen entdeckte, wie etwa das Herumspritzen in einer Pfütze.

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Er entdeckte, dass man mit Seifenblasen auch wunderbar im Regen spielen konnte. Man musste sich einfach nur vorstellen, die Blasen seinen Ufos, und die Regentroffen Laserstrahlen, die die fremden Eindringlinge vom Himmel schossen.

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Goya wurde als Spielkameradin wiederentdeckt, die nicht so vorhersehbar war, wie die Figuren in seinen Computerspielen.

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Und wenn man ganz tief in Klaudias alter Spielzeugkiste wühlte, dann entdeckte man(n) sogar das ein oder andere "doofe Mädchenspielzeug", mit dem man durchaus sehr viel Spaß haben konnte.

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Aber ich konnte den Krieg nicht ausblenden. Zudem musste ich bereits morgen das Haus für die simnistrische Armee räumen und ich wusste nicht, wohin ich mit den Kindern gehen sollte. Natürlich boten sich Dominiks Eltern oder mein Bruder an. Und da ich selbst in einer solchen Kriese meine Ex-Schwiegermutter Glinda nicht um einen Gefallen bitten wollte, war mein Bruder die erste Wahl. Ich brauchte noch nicht einmal nach ihm zu rufen, denn er kam selbst herüber und bat mich, ihn auf die Plantage zu begleiten, wo wir uns ungestört unterhalten konnten.

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Ich tat ihm den Gefallen. Bereits auf dem Weg hinter das Haus erzählte ich ihm, von dem Überfall durch die simnistrischen Soldaten und dass ich mein Haus bis morgen räumen müsste. "Ich habe gehofft, ich und die Kinder könnten bei Desdemona und dir unterkommen. Ich weiß, euer Haus ist nicht gerade groß, aber bei Dominiks Eltern ist noch weniger Platz", plapperte ich direkt drauf los. Doch Orion schien gar nicht zuzuhören.

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"Du wirst nicht bei mir und Desdemona wohnen!" Diese Worte waren wie ein Schlag in mein Gesicht. War das etwa Orions Ernst? Doch bevor ich nachhaken konnte, sprach mein Bruder weiter. "Du und die Kinder, ihr werdet noch heute Nacht die Sierra Simlone verlassen." "Aber die Farm...", warf ich ein, doch Orion unterbrach mich rigoros. "Die Farm ist jetzt vollkommen egal. Wir haben Krieg. Heute Nacht hat einer von Joannas Agenten Kontakt mit mir aufgenommen. Die Lage ist schlimmer, als du dir das vorstellen kannst. Joanna hat einen Transport organisiert. Du, die Kinder und Desdemona werdet nach SimCity gebracht."

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Ich war sprachlos. "Wie ich dir schon vor ein paar Tagen mitteilte, können wir deinen Mitbewohner Tristan leider nicht mitnehmen. Im Wagen ist nur Platz für vier Leute. Ich werde auch hier bleiben. Joanna braucht mich hier unten als wachsames Auge für "Justice". Der Norden der SimNation ist zurzeit noch frei von simnistrischen Invasoren. Ihr werdet in SimCity also vorerst sicher sein. Sollte die Lage sich weiter zuspitzen, dann wird Joanna euch ins Ausland schaffen. Und du, Schwesterchen, gehst jetzt ins Haus und packst das Notwendigste zusammen. Mehr als eine Tasche könnt ihr nicht mitnehmen. Und kein Wort zu niemandem! Hast du mich verstanden? Nicht einmal zu deinen Schwiegereltern. Wir können es nicht riskieren, dass die Simnistrier euch bei der Flucht ertappen."​
 
Kapitel 164: Abschied

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Orions Anweisungen waren eindeutig gewesen. Eine Tasche, für mehr Gepäck war kein Platz. Ich eilte ins Schlafzimmer und begann die Schränke zu durchwühlen. Es hatte keinen Sinn Kleidung mitzunehmen. Die konnten wir ins SimCity neu kaufen. Also kramte ich Dokumente, wie unsere Reisepässe, Geburtsurkunden und die Sparbücher hervor. Etwas Bargeld und Schmuck nahm ich auch mit.

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Die ganzen Möbel, die Bücher, Fotoalben, alles musste hier bleiben. Vermutlich würde ich davon nichts mehr wiedersehen, sollte ich jemals in die Sierra Simlone zurückkehren. Aber von den Gemälden im Arbeitszimmer konnte ich mich einfach nicht trennen. Sie zeigten meine Kinder, Dominik, meine Mitbewohner und mein kleines grünes Häuschen, in dem alles begonnen hatte. Unter dem Teppich im Wohnzimmer war eine Luke verborgen, die zu einem winzigen Lagerraum führte. Viel mehr als die Gemälde passte dort nicht hinein. Vielleicht würden sie ja dort unten sicher vor den Simnistriern verborgen bleiben.

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Es fiel mir schwer mich mit dem Gedanken anzufreunden, alles zurücklassen zu müssen. Mein ganzes Hab und Gut, mein Haus, meine Farm. Aber noch viel schwere fiel es mir, alle meine Freunde, meine Familie zurückzulassen, ohne die Möglichkeit, mich richtig zu verabschieden. Orion hatte mir klar gemacht, dass ich niemandem etwas von unserer Flucht erzählen durfte. Ich würde mich daran halten, denn ich verstand, was für ein Risiko wir mit der Flucht eingingen. Aber ich musste mich einfach von einigen Leuten verabschieden, auch wenn diese nicht erfahren würden, dass es möglicherweise unser letztes Wiedersehen war. Meine Ex-Schwiegereltern gehörten zu diesem Kreis.Es passte wunderbar, dass Anan vorbeikam und mich und die Kinder herüberbat, gerade als ich die Portraits im Lagerraum verstaut hatte.

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Da es nicht danach aussah, als ob wir bald wieder Strom hätten, mussten die Lebensmittel, die nicht schon vor Tagen verdorben waren, schnellstens aufgebraucht werden. Also wurde mit der gesamten Familie gegrillt. Es regnete wie schon seit Tagen ohne Unterbrechung, dennoch saßen wir im Freien unter einem Baldachin. Glinda schaute immer wieder besorgt nach oben, denn das Wasser sammelte sich über unseren Köpfen und drückte den Baldachin gefährlich weit nach unten, aber wir blieben zum Glück trocken.

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Trotz des Regens war es ein wundervoller Nachmittag. Selbst Glinda unterließ jeden noch so kleinen Seitenhieb. Vermutlich saß auch bei ihr der Schock ob der Zerstörung unserer Heimatstadt zu tief. Doch ich war mir sicher, dass sie bald wieder die alte Hexe sein würde, die mir mein Leben schwer machte, die ich aber trotzdem nicht mehr missen wollte. Obwohl ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, entging es Anan nicht, dass mir sehr viel durch den Kopf ging. "Was beschäftigt dich, Tochter?", fragte er mich, als wir einen Moment ungestört waren. Sein Blick war so fürsorglich, so voller Zuneigung, dass ich ihm fast alles erzählt hätte. Ich war mir sicher, dass Anan niemandem auch nur ein Wort verraten würde, aber ich riss mich zusammen und schwieg.

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Er akzeptierte meine Ausflüchte, dass ich einfach nur aufgrund der Ereignisse der letzten Tage angespannt wäre. So abwegig war dies auch nicht, immer hin war die halbe Stadt niedergebrannt und viele Freunde und Bekannte wurden verletzt oder sind gar gestorben. Aber irgendetwas in Anans Blick ließ mich vermuten, dass er mich durchschaut hatte. Mein Schwiegervater kannte mich einfach zu gut.

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Die Kinder wollten noch etwas Zeit mit ihren Großeltern verbringen. Da ich nicht wusste, wann sie wieder die Gelegenheit dazu haben würden, ließ ich sie gewähren. Ich nutzte derweil die Zeit, um mich noch ein letztes Mal mit Gerda zu treffen. "Mutter, schau, Oxana kommt", bemerkte Miranda, als sie mich auf das Farmhaus der Kappes zukommen sah. Miranda hielt ihre Tochter Franziska auf den Arm und man konnte an ihrem dicken Kugelbauch erkennen, dass der nächste Nachwuchs nicht mehr lange auf sich warten ließ. Meine beste Freundin, die im Arm ihres Mannes Volker auf der Bank vor dem Haus saß, blickte auf.

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Es tat gut, Gerda so strahlen zu sehen. Offensichtlich hatte sie den gestrigen Vorfall mit den Soldaten gut überwunden. Gerda konnte sich auf ihre Familie verlassen, auf ihren Ehemann und auf ihre Kinder, die nicht zulassen würden, dass sie in Depressionen verfiel. Gerda war ebenfalls erleichtert mich wohlauf zu sehen. So wie ich mir Sorgen um sie gemacht hatte, hatte auch meine Freundin sich um mein Wohlergehen gesorgt.

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Und offensichtlich kam Gerda auch besser ohne Strom zurecht als ich. "Willst du einen Kaffee, Oxana", fragte sie mich. Als ich sie verwundert ansah, lachte sie nur und führte mich hinters Haus. Und dort stand eine alte Eisentonne, in der ein Feuer brannte und auf dem Rost stand eine Kanne, mit frisch gebrühten Kaffee. Mit dem heißen Kaffee in der Hand, dem ersten seit über fünf Tagen, setzten wir uns an den Küchentisch und unterhielten uns. Fast hätte ich vergessen, dass eine Invasionsarmee auf unsere Stadt zumarschierte und ich noch in dieser Nacht fliehen würde.

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Ich hätte stundenlang so mit ihr weiterreden können. Aber die Zeit drängt. Sobald die Sonne untergangen war, würde Joannas Kontaktmann kommen, um uns sicher nach SimCity zu bringen. "Pass auf dich auf, Gerda", sagte ich meiner Freundin zum Abschied. "Ich fürchte, dass ist unser letzter friedlicher Tag in Sierra Simlone Stadt. Sobald die Simnistrier einmal hier sind, wird sich alles ändern." Doch Gerad lächelte zuversichtlich. "Ich vertraue Gott, Oxana. Es wird sich alles zum Guten wenden. Das hat es bis jetzt noch immer getan." Dabei schaute sie zufrieden lächeln durch die Scheibe der Eingangstür zu Volker hinüber. In diesem Moment erkannte ich, wie sehr Gerda diesen Mann liebte. Er war ihre große Liebe.

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"Pass auch gut auf dich auf, Oxana", fuhr Gerda fort. "Und habe ein wachsames Auge auf Desdemona. SimCity ist eine große, aufregende Stadt, nicht zu vergleichen mit diesem kleinen Nest. Ich habe Angst, dass meine Mona sich in diesem Großstadtdschungel leicht verirren könnte. Sie braucht jemanden, der sie wieder auf den rechten Weg führt." Mir fiel die Kinnlade hinunter. Gerda wusste also von unserer Flucht und sie hat sich nichts anmerken lassen. Gerda grinste breit und zwinkerte mir zu. Dann hielt sie sich den Zeigefinger vor die dünnen Lippen um mir zu signalisieren, dass sie kein Wort verraten würde. Und ich vertraute meiner Freundin. Bei ihr war unser Geheimnis in guten Händen.



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Es fiel mir schwer, mich von Gerda zu verabschieden. Doch die Dämmerung setzte bereits ein und es wurde allerhöchste Zeit aufzubrechen. Auf dem Weg zurück zur Simlane, kam mir die gesamte Situation so surreal vor. Der Regen war in ein leichtes Nieseln übergegangen. Die ganze Stadt wirkte vollkommen ruhig. Nichts deutete darauf hin, was für eine Zerstörung wir in den letzten Tagen erlebt hatten. Selbst der beißende Geruch nach verbrannten Holz und brennendem Öl ist von dem Regen weggespült worden. Ich begann ernsthaft daran zu zweifeln, ob es nicht ein Fehler war, die Sierra Simlone zu verlassen. Und dann vernahm ich ein seltsames Geräusch. Es hörte sich an wie Feuerwerk, doch ich realisierte schnell, dass es sich vermutlich um das Knattern einer Maschinenpistole handeln musste. Das Geräusch kam aus dem Süden, aus Richtung Ganado Alegro. Ich konnte nicht einschätzen, wie nah die simnistrischen Soldaten schon sein mussten, aber der Lärm der Maschinengewehre war deutlich zu hören.

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Uns blieb keine Wahl, wir mussten so schnell es ging die Sierra Simlone verlassen. Aber es fiel mir so unendlich schwer. Als ich das Haus betrat und das verwüstete Wohnzimmer betrachtet, kamen mir unweigerlich die Tränen. Warum tat Simnistrien uns das an? Ich konnte es einfach nicht verstehen. Wie tief musste der Hass auf die SimNation sitzen, dass sie unser Land überfielen, unsere Häuser verwüsteten und unsere Leben zerstörten.

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Noch hatte ich die Kinder nicht über unsere Flucht informiert. Zum einen war die Gefahr zu groß, dass sie sich verplappert hätten. Zum anderen wusste ich auch nicht wie ich ihnen vermitteln sollte, dass wir unsere Heimat, möglicherweise für immer verlassen mussten. Sky lief mir zuerst in die Arme. Ich wischte mir hastig die Tränen aus dem Gesicht und hoffte, dass mein Sohn das feuchte Glänzen bei dem fahlen Kerzenschein nicht bemerken würde. "Geh in dein Zimmer und pack deine zwei Lieblingsspielsachen in deinen Rucksack, Schatz", wies ich ihn sanft an. "Und dann komm wieder ins Wohnzimmer."

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"Was ist los, Mama?" Klaudia hatte mein Gespräch aus der Küche heraus belauscht. An ihrem Tonfall erkannte, dass sie bereits etwas ahnte. Die Schüsse draußen waren inzwischen so laut, dass wir sie selbst im Haus hören konnten. "Gewehre?", fragte Klaudia ängstlich und ich nickte. "Du hast gerade gehört, was ich zu deinem Bruder gesagt habe", setzte ich mit zitternder Stimme an. "Packe zwei, drei Sachen ein, die du unbedingt mitnehmen möchtest. Ich habe schon alle Dokumente, also nimm mit, was du möchtest. Wir werden gleich abgeholt."

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"Dein Tante Joanna hat einen Transport nach SimCity organisiert, für Sky, dich, mich und Tante Desdemona. Der Wagen wird gleich hier sein." Mein Stimme begann sich zu überschlagen und die Tränen nahmen mir die Sicht. "Ich habe keine Ahnung, wann...und ob wir jemals zurückkommen werden." Klaudia biss sich auf die Lippen. Auch sie kämpfte mit den Tränen. Ich hatte die Sorge, dass sie widersprechen, sich mir widersetzen würde. Kinga hätte dies mit Sicherheit getan. Aber Klaudia erkannte den Ernst der Lage, hatte ihn vor wenigen Tagen am eigenen Leib zu spüren bekommen. Sie nickte stumm und eilte in ihr Zimmer.

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Klaudia war kaum in ihrem Zimmer verschwunden, als auch schon ein schwarzer Van vor dem Haus hielt. Durch die Scheibe hindurch erkannte ich Desdemona, die auf dem Beifahrersitz saß. Ich rief die Kinder und schickte sie hinaus zum Wagen, während ich mich noch ein letztes Mal im Haus umsah.

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"Du verschwindest also." Kasimir hatte sich von hinten an mich heran geschlichen und ich erschrak heftig. Gleichzeitig hatte ich ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil ich ihm nichts von meinem Weggang erzählt hatte. Daher nickte ich nur, ohne ihm direkt in die Augen zu schauen. "Vielen Dank für alles, was du für mich getan hast Kasimir. Aber ich muss an meine Kinder denken. Es ist zu gefährlich, wenn wir hier bleiben." Das verstand auch Kasimir. Entschuldigend strich ich über seinen Oberarm und stieg dann zu meinen Kindern in das Auto.

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Als der Wagen losfuhr, warf ich einen letzten Blick auf Grünspan. In diesem kleinen grünen Haus hatte ich viel Leid, aber auch so viel Freude erlebt. Meine Kinder waren hier aufgewachsen, ich hatte Dominik hier geheiratet. Ich war immer davon ausgegangen, in diesem Haus meinen Lebensabend zu verbringen. Der Gedanke, es jemals verlassen zu müssen, war mir nie gekommen.​
 
Wie immer ein schönes Kapitel, wenn auch ein trauriges. Man spürt den Abschiedsschmerz, den Oxana hat, beim Lesen.

Ich bewundere ja Gerdas Gottvertrauen. Die Liebe zu ihrem Mann Volker muss ihr eine unheimliche Kraft geben.
Wobei ich mir sicher bin, dass sie sich mit dem "wird schon alles gut werden" nur selbst beruhigen/belügen will, weil sie ganz genau weiß, dass dem nicht so ist. Man hofft irgendwie auf ein Happy End, weiß aber ganz genau, dass es (wahrscheinlich) keins geben wird. :schnief:

Was ist eigentlich mit Hans und Miranda? Hab ich da was überlesen oder steht noch gar nicht fest, was mit den beiden geschehen ist?
 
Kapitel 165: Flucht

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Unser Fluchtweg führte uns über die alte Landstraße, die nicht mehr war, als eine Schotterpiste, die sich in engen Kurven durch die Berge und Schluchten des Gebirges zog, welches die Sierra Simlone vom Rest der SimNation trennte. Nach Aussage unseres Fahrers wurde die neue Schnellstraße von den Simnistriern gut bewacht und ein durchkommen wäre nicht möglich. Von diesem abgelegenen Weg schienen sie aber nichts zu ahnen. Um dennoch nicht die Aufmerksamkeit auf uns zu lenken, fuhren wir ohne Licht. Die Straße war kaum zu erkennen und die Schlucht immer nur einen Handbreit entfernt, aber wir durften kein Risiko eingehen.

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Durch den nun schon seit Tagen anhaltenden Regen war der Rio Seco, der in der Schlucht unter uns dahin floss, zu einem reißenden Strom angeschwollen. Mit Grauen musste ich daran denken, dass vor vielen Jahren genau auf dieser Piste Albert und Gerda von der Straße abgekommen waren und ich den Fluss stützten. Albert, der Mann, mit dem ich ein gemeinsames Leben beginnen wollte, hat diesen Unfall nicht überlebt. Ich wollte gar nicht daran denken, was passieren könnte, wenn unsere Fahrer in der Dunkelheit zu nah an den Rand der Schlucht herankam.

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Doch mit einem Augenblick war dieses Angst wie weggeblasen, denn ein viel ernsteres Hindernis stand uns im Weg. Offensichtlich hatten die simnistrischen Soldaten die alte Landstraße inzwischen entdeckt und sie gesichert. Ein Militär-Jeep blockierte die Straße und zwei Soldaten standen mit Maschinengewehren bewaffnet davor und versperrten uns den Weg.

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Nein, nein, nein! Das durfte nicht sein. Es durfte einfach nicht so enden. Wir waren so kurz davor, dem Schrecken des Krieges zu entkommen und mit einem Schlag schien alles vorbei. Was würden die Simnistrier mit uns anstellen? Würden sie uns für unseren Fluchtversuch in ein Straflager stecken? Oder würden die beiden uns in ihrer blinden Wut an Ort und Stelle umbringen?

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"Haltet euch alle gut fest!", schrie mit einem Mal unser Fahrer. Er hatte unseren Fluchtwagen fast vollständig zum Stehen gebracht, als wir die Straßenblockade vor uns aufgetaucht war. Jetzt aber umfasste er mit beiden Händen fest das Lenkrad und gab Vollgas.

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Die Reifen drehten auf dem Untergrund aus Sand und Kies zunächst wild durch, doch dann schoss unser Fluchtwagen nach vorne. Desdemona und die Kinder schrien voller Panik, während ich nur krampfhaft versuchte, mich irgendwo festzuhalten. Die beiden Soldaten starten uns ungläubig mit weit aufgerissenen Augen an und sprangen in letzter Sekunde zur Seite, als sie merkten, dass das auf sie zurasende Fahrzeug nicht langsamer werden würde. Doch der einzige Ausweg der ihnen blieb war hinunter in den Fluss und damit vermutlich in den sicheren Tod. Unser Fluchtfahrzeug knallte mit voller Wucht gegen den Militärjeep. Unser Auto wurde beinah hochgeschleudert, doch der Fahrer schaffte es irgendwie, die Kontrolle wiederzuerlangen. Der Jeep hingegen hatte weniger Glück und stürzte hinunter in den reißenden Fluss.

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Ich zitterte am ganzen Körper. Sky klammerte sich fest an mich und Klaudia weinte nur. Desdemona schaute fassungslos hinunter in die Schlucht. Doch weder vom Jeep noch von den beiden Soldaten war auch nur die geringste Spur zu erkennen. Und unser Wagen fuhr unbeirrt weiter. Die Motorhaube war sichtlich zerbeult, doch der Motor surrte leise vor sich hin und der Ort des Entsetzens lag mit jeder Sekunde weiter hinter uns zurück. Und mit jeder Sekunde kamen wir dem sicheren SimCity ein Stück näher.

Gedanken

Würde ich Grünspan je wiedersehen? Ich wusste es nicht. Ohne Vorwarnung waren die Simnistrier in die Sierra Simlone eingedrungen. Niemand konnte ahnen, wann sie meine Heimat wieder verließen und ob sie es überhaupt taten.

Doch ich musste nicht nur mein Zuhause verlassen. Ich ließ auch viel Freunde und Bekannte zurück. Tristan war schwer verwundet und ich hatte nicht einmal den Mut gefunden, mich von ihm zu verabschieden. Ich wusste, dass er bei Frank in guten Händen war. Hätte ich Tristan noch einmal gesehen, dann hätte ich ihm unsere Flucht nicht verheimlichen können. Und ich hätte es nicht über das Herz gebracht, ihn in einer besetzten Stadt zurückzulassen.

Das Schicksal vieler Freunde war mir indes unbekannt. Roland war in Seda Azul und ich konnte nur hoffen, dass es ihm dort gut ging. Andere hatten hingegen nicht so viel Glück gehabt. Dominiks Bruder Dennis und Stev hatten ihr Haus verloren und Skys Lehrerin, Frau Jolowitz, und Benny mussten diesen sinnlosen Angriff mit ihrem Leben bezahlen.
Dominiks Schicksal blieb weiterhin ungewiss. Seit nun fast drei Wochen habe ich kein Lebenszeichen mehr von ihm bekommen. Zur Zeit des Überfalls befand sich Dominik in Simnistrien. Wurde er dort als Bürger der SimNation gefangengenommen? Musste er sich verstecken? Ich wusste es nicht und konnte nur beten, dass es ihm gut ging.

Aber immerhin waren wir jetzt auf dem Weg nach SimCity. Klaudia und Sky waren in Sicherheit und dafür war ich unendlich dankbar. Ich hoffte, dass sich auch meine anderen Probleme aufklären würden, wenn ich erst einmal in SimCity ankam.

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Ein heftiges Rütteln des Autos führte dazu, dass ich mit meinem Kopf gegen die Fensterscheibe stieß. Vorsichtig öffnete ich meine Augen. Draußen war es inzwischen hell. Eine riesige rosarote Sonnenscheibe erhob sich soeben über dem Land. Ich musste eingeschlafen sein. Meine letzte Erinnerung war die Bergstraße in der Sierra Simlone, kurz nachdem wir der simnistrischen Patrouille entkommen waren. Doch ein Blick aus dem Fenster verriet mir eindeutig, dass wir nicht mehr länger in der Sierra Simlone waren.

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Im Wagen herrschte vollkommene Stille. Ich konnte nicht erkennen, ob Desdemona auf dem Beifahrersitz ebenfalls schlief, aber ein Blick zur Seite offenbarte, dass sowohl Sky als auch Klaudia eingeschlafen waren. Das war auch bitter notwendig. Die Kinder hatten in den letzten Tagen und Stunden so viel Leid und Schrecken erfahren müssen, wie die meisten Menschen nicht einmal in einem ganzen Leben.

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Allerdings schlief Sky offensichtlich doch nicht so tief, wie ich zunächst angenommen hatte. Als ich behutsam seine kleine Hand streichelte, schlug er die Augen auf. Er blinzelte müde, doch dann entdeckte er die für ihn unbekannte Landschaft, die an uns vorbeizog. "Ist das ein Wald, Mama?", fragte er neugierig, als er die saftig grünen Bäume am Straßenrand sah. "Ja, Liebling", antwortete ich ihm im Flüsterton, um die anderen nicht zu wecken, und Sky bestaunte mit offenem Mund die grüne Natur. Wenn ich die Landschaft richtig einschätzte, dann befanden wir uns im nördlichen Teil der Provinz Simtonge, möglicherweise auch schon im südlichen Simster. Bis SimCity war es immer noch ein langer Weg, aber wir kamen unserem Ziel näher.

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Ich blickte auf die Straße und bemerkte, dass wir das einzige Fahrzeug auf der Autobahn waren, das in Richtung Norden unterwegs war. Doch auf der gegenüberliegenden Fahrbahn zog sich eine ganze Kolonne von Militärfahrzeugen dahin. Und sie alle trugen das Wappen des Fürsten der SimNation. Es tat sich also doch etwas! Die restliche SimNation hatte die Sierra Simlone nicht vergessen. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Meine Schwiegereltern, meine Freunde und Bekannten, alle, die ich in der Sierra Simlone zurücklassen musste, konnten also auf baldige Hilfe hoffen.



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Die Fahrt nach SimCity zog sich hin, wie ein klebriges Karamellbonbon. Unser Fahrer machte kaum Pausen, dennoch erreichten wir erst am späten Nachmittag die mir noch gut aus meiner Kindheit vertrauten Vororte der Stadt. Ein endgültiges Gefühl der Sicherheit breitete sich in mir aus, als ich das Herrenhaus der von Spinnwebs und das quietschbunte Haus meiner verrückten Pateneltern Silvia und Frankie Maschuga erkannte. Wir waren also endlich angekommen. Der Wagen bog in die Einfahrt meines Elternhauses ein und kam zum Stehen. Sofort riss ich die Tür aus und stieg ins Freie. Der ganze Albtraum hatte ein Ende gefunden.

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Ich schaffte es einmal tief durchzuatmen, als auch schon die Haustür meines Elternhauses aufflog und meine Zwillingsschwester Joanna heraustrat. "Xana, Gott sein Dank, ihr seid da!", rief sie aufgeregt und lief auf mich zu. Und da gab es auch für mich kein Halten mehr und ich rannte meiner Schwester entgegen.

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Wir fielen uns gegenseitig um den Hals. "Geht es euch gut, Xana?", fragte meine Schwester immer und immer wieder. "Ist euch nichts passiert? Seid ihr in Ordnung? Nach meiner letzten Nachricht habe ich nichts mehr von Orion gehört. Ich wusste nicht einmal, ob ihr die Sierra Simlone verlassen habt. Das Handy- und Telefonnetzt ist vollständig zusammengebrochen. Es ist schwer überhaupt noch an irgendwelche Nachrichten zu kommen." Joanna hörte gar nicht mehr auf zu reden. "Es ist alles gut, Jojo", unterbrach ich meine Schwester sanft. "Dank dir geht es uns allen gut."

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Ich löste mich aus Joannas fester Umarmung. Meinem Schwager Tobias war unsere Ankunft ebenfalls nicht entgangen. Er beendet seine Arbeit an einem alten Autowrack im hinteren Teil des Gartens und kam zu uns herüber. Nachdem er zuerst mich kurz begrüßt hatte, umarmte er Sky stürmisch. "Du bist dann wohl mein kleiner Neffe Sky, was? Wir kennen uns noch nicht, aber ich bin dein Onkel Tobi." Joanna umarmte erst Desdemona herzlich und begrüßte dann ihre Nichte. Hätte wir nicht vor einem Krieg fliehen müssen, dann hätte man unsere Zusammenkunft für ein glückliches Familientreffen halten können.

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Plötzlich war ein lautes Klopfen aus dem Kofferraum unseres Fluchtwagens zu hören. Unser Fahrer sprang erschrocken aus dem Auto und wir alle musterten das Fahrzeug misstrauisch. Alle, bis auf meinen Sohn. Ich versuchte ihn noch festzuhalten, doch Sky lief einfach los und öffnete die Klappe des Kofferraums. Und meine Überraschung hätte nicht größer sein können, als plötzlich Goya heraussprang. "Ich könnte sie doch nicht alleine bei den bösen Männern lassen", erklärte er trotzig. "Also habe ich sie in den Kofferraum springen lassen, als niemand hingeguckt hat, und habe ihr gesagt, sie soll ganz leise bleiben." Er strahlte über das ganze Gesicht und fing sofort an, mit seiner tierischen Freundin zu toben, die begeistert in das Spiel mit einstimmte.​
 
Ich bewundere ja Gerdas Gottvertrauen. Die Liebe zu ihrem Mann Volker muss ihr eine unheimliche Kraft geben.
Wobei ich mir sicher bin, dass sie sich mit dem "wird schon alles gut werden" nur selbst beruhigen/belügen will, weil sie ganz genau weiß, dass dem nicht so ist.

Nun, man hat immer die Möglichkeit in Verzweiflung zu verfallen oder sich Hoffnung zu bewahren, so unwahrscheinlich diese auch scheinen mag. Gerda hat sich für letzteres entschlossen. Und sie hat ja mit Hoffnung gute Erfahrungen gemacht. Ihr erster Mann hat sie betrogen, dafür hat sie einen liebenden zweiten Mann erhalten. Und sie war gelähmt und kann jetzt wieder wie durch ein Wunder laufen. Vielleicht ist ihr Gottvertrauen gar nicht so unbegründet.

Was ist eigentlich mit Hans und Miranda? Hab ich da was überlesen oder steht noch gar nicht fest, was mit den beiden geschehen ist?

Miranda geht es gut. Man hat sie ja mit dickem Babybauch im letzten Kapitel zu sehen bekommen. Hans habe ich zwar nicht expliziet erwähnt, aber auch ihm geht es gut, genauso wie dem Rest der Kappe-Kinder.

Vielen Dank für deinen Kommentar und entschuldige, dass ich erst jetzt antworte.

Liebe Grüße
Stev
 
Kapitel 166: Wut und Verzweiflung

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Ich war Sky keineswegs böse, dass er unsere treue Hündin mit nach SimCity genommen hat. Eher war ich böse auf mich selbst, dass ich Goya einfach so in der Sierra Simlone zurückgelassen hätte. Joanna scheuchte uns alle ins Haus hinein. Erstaunt stellte ich fest, dass meine Schwester einen Buttler beschäftigte, dem sie auftrug, schnellst möglich das Abendessen zu servieren. In SimCity war von dem Krieg im Süden des Landes offenbar nicht viel zu spüren. Wir hatten im ganzen Haus Licht und auch das Essen fiel mehr als üppig aus. Für einen Moment hätte ich vergessen können, dass mein Zuhause der Schauplatz eines grausamen Kampfes geworden war.

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Nachdem wir gegessen hatten, kamen Joannas Kinder nach Hause. Trotz des Krieges ging das Leben in SimCity seinen gewohnten Lauf. Die Kinder waren ganz normal zur Schule gegangen und hatten hinterher noch die Musikschule besucht, so wie sie es immer taten. Ich konnte nur hoffen, dass meine Nichte und mein Neffe nicht gezwungen waren, diesen Alltagstrott in den kommenden Tagen und Wochen zu unterbrechen. Magdalena war ein halbes Jahr jünger als Klaudia und Jakób zwei Jahr älter als Sky. Magda und Klaudia kannten sich bereits von früheren Familientreffen und ich war mir sicher, dass sich auch die Jungs gut verstehen würden. Magda schnappte sich auch sofort alle drei und führte sie in das Dachzimmer, welches vorerst Klaudias und Skys neues Zuhause werden würde.

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Da wir Erwachsenen nun unter uns waren, konnte ich mit Joanna und Tobias in Ruhe über die Ereignisse der letzten Tage sprechen. Desdemona war im Badezimmer beschäftigt, sodass wir wirklich unter uns waren. Während mein Schwager ein Feuer im Kamin entfachte, setzte ich mich mit meiner Schwester auf die Couch im Wohnzimmer. "Was genau ist passiert, Jojo", fragte ich sie. "Ich weiß inzwischen, dass Simnistrien uns angegriffen hat. Aber warum? Und warum waren wir diesem Angriff so schutzlos ausgeliefert?"

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"Wir waren so schutzlos, weil die SimNation sich in Simropa zu sehr isoliert hat", antwortete Tobias anstelle meiner Schwester und setzte sich zu mir auf das Sofa. "Unsere Regierung hat jahrelang auf ihre Unabhängigkeit beharrt und sich jedweden Verhandlungen über einen Beitritt zur Simropäischen Union oder gar zur NATO widersetzt. Und jetzt haben wir den Salat. Die Simropäische Union hat ihr "Unbehagen" über die Angriff Seitens Simnistriens geäußert. Das ich nicht lache. Portugal und Spanien haben uns ihre Unterstützung zugesagt. Moralisch, wohlgemerkt. Unsere feinen Nachbarn sind zum jetzigen Zeitpunkt weder bereit die Grenze für die Flüchtlinge aus der Sierra Simlone zu öffnen, geschweige denn, uns militärisch gegen Simnistrien zu unterstützen."

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"Heißt das etwa, wir stehen völlig ohne Verbündete dar?", fragte ich fassungslos. "Was ist mit unserer eigenen Armee? Ich habe Militärkolonnen gesehen, die in den Süden unterwegs waren?" Tobias lachte bitter. "Ach ja, unser feines Militär. Jetzt, nach fast einer Woche haben sie es geschafft, sich halbwegs zu organisieren. Du hast Recht, die Streitkräfte wurden mobil gemacht und marschieren Richtung Süden. Aber unsere Armee ist winzig. Wir haben gerade einmal 80.000 Soldaten. Simnistrien hat nach unseren letzten Informationen fast 30.000 Mann in der Sierra Simlone stationiert. Und mindestens 500.000 weitere Mann stehen in der Heimat bereit."

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"Und sie kämpfen mit modernsten Waffen. Ihre Hubschrauber haben unsere Flugabwehrstellungen am Golf von Cádiz mühelos ausgeschaltet. Ihre Flugzeuge sind für unser Radar praktisch unsichtbar. Vorgestern sind die ersten Bomber ohne Gegenwehr fast bis nach Simtropolis vorgedrungen." Ich musste tief schlucken. Dann war es im Norden der SimNation doch nicht so friedlich, wie ich angenommen hatte. Und womöglich war es nur eine Frage der Zeit, bis die Schrecken des Krieges auch SimCity erreichten.

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"Aber wir stehen nicht ganz alleine dar", brachte sich meine Schwester in das Gespräch ein. "Noch am Tag des Angriffs auf die Sierra Simlone, erfolgte eine offizielle Kriegserklärung des Königs von Simrokko gegen Simnistrien. Blut ist eben dicker als Wasser und der simrokkanische König ist mit einer Cousine unseres Fürsten verheiratet. Die Simnarischen Inseln haben sich dem Königreich umgehend angeschlossen. Das erschwert den Simnistriern den Zugang zu unserer südlichen Küste. Aber wir wissen nur zu gut, dass die Simnarischen Inseln praktisch keine Kriegsmarine besitzen und die Flotte Simrokkos ist hoffnungslos veraltet. Bereits in den ersten drei Kampftagen haben sie zwei Fregatten verloren und die simnistrischen Flugzeugträger auf ihrer Fahrt in unsere Hoheitsgewässer kaum verlangsamen können."

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Ich konnte nicht länger ruhig sitzen bleiben und sprang vom Sofa auf. "Und jetzt!" brüllte ich meine Schwester an, ohne daran zu denken, dass die Kinder mich hören könnten. "Sollen wir darauf warten, dass Simnistrien uns vernichtet? Uns in unseren Löchern verkriechen und hoffen, dass alles wieder gut werden wird?" Ich schlug mit der Faust gegen die Rückenlehne des Sofas, auf dem Joanna saß, und ignorierte den Schmerz, der durch meine Hand fuhr. Joanna blickte mit voller Mitgefühl an.

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"Uns bleibt gar nichts anderes übrig, Oxana", erklärte meine Schwester ruhig. Ich ließ mutlos die Schultern sinken. "Wenn es hart auf hart kommen sollte, wenn wir in SimCity nicht länger sicher sind, dann werde ich dafür sorgen, dass wir alle das Land verlassen. Dank "Justice" stehen mir einige Mittel und Wege offen. Und das Fürstenhaus verhandelt ununterbrochen mit Staatschefs aus aller Welt. Einer meiner Informanten im Fürstenpalst in Santa Regina teilte mir vor wenigen Stunden mit, dass Simbirien bereit ist, auf unserer Seite in den Krieg einzutreten. Und Simbirien steht in einem militärischen Bündnis mit Russland. Das könnte dem ganzen Krieg eine Wendung geben."

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Ich konnte Joannas Hoffnung nicht teilen. Was würde es ändern, wenn Simbirien oder gar Russland in den Krieg eingriffen? Beide Staaten waren tausende Kilometer von der SimNation entfernt. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich versuchte sie zu unterdrücken, denn ich wollte vor meiner Schwester und ihrem Mann nicht schwach erscheinen. Also gab ich vor durstig zu sein und eilte in die Küche, um mir ein Glas Wasser zu holen.

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Doch meine Nerven lagen blank. Meine Hände zitterten so sehr, dass mir das Glas aus den Händen glitt und in der Edelstahlspüle in tausend Scherben zersprang. Und nun gab es kein Halten mehr für mich. Ich fing an hemmungslos zu weinen. Tobias erkannte, dass er sich jetzt besser zurückziehen sollte und meine Schwester folgte mir umgehend in die Küche. "Es ist doch nur ein bescheuertes Glas, Xana", redete sie beruhigend auf mich ein.

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Joanna wusste genau, dass ich nicht wegen des Glases so aufgelöst war. Ich musste endlich all die Dinge los werden, die mir nun schon seit Tagen und Wochen auf der Seele lasteten. "Ich musste meine engsten Freunde, meine Familie, mein Zuhause zurücklassen", schluchzte ich. "Ich weiß nicht, ob ich sie jemals wiedersehen werde. Und ich weiß nicht, ob ich Dominik jemals wiedersehe. Er ist jetzt irgendwo dort in Simnistrien. Ich habe miterlebt, was die Simnistrier den Menschen in der Sierra Simlone angetan haben. Sie sind böse und grausam und er ist ihnen schutzlos ausgeliefert. Und...und...ich weiß nicht, wo meine kleine Kinga ist. Ich weiß nicht, ob es meiner Tochter jetzt gut geht."

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"Kinga geht es gut, Oxana", versicherte mir meine Schwester umgehend. Sie faste mich mit beiden Händen fest an den Schultern und zwang mich, ihr in die Augen zu sehen. "Du hast Kinga in meine Obhut gegeben und ich würde niemals zulassen, dass ihr etwas zustößt. Kinga ist in Sicherheit, Oxana." Ein Blick in Joannas Augen genügte mir um zu wissen, dass sie die Wahrheit sprach. Ich schniefte einige Male und nickte schließlich. Langsam hörten die Tränen auf zu fließen. "Du schläfst jetzt erst einmal, Schwesterherz. Nach all den Strapazen der vergangenen Tage brauchst du vor allem etwas Ruhe. Und dann sehen wir weiter. In Ordnung?" Ich nickte schwach und ließ mich von Joanna in mein Schlafzimmer führen.

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Desdemona lag bereits im Bett. Wir würden uns für die Zeit in SimCity das Zimmer teilen müssen. Ich war mir sicher, dass sie gehört hat, wie ich vorhin wütend geworden war. Und auch meine bitterlichen Tränen dürften ihr nicht entgangen sein. Aber sie rührte sich nicht, als ich mich ins Bett legte. Und ich war ihr dankbar dafür, denn ich war nicht in der Verfassung, um mit ihr über meine Gefühle zu reden. Sie war zwar meine Schwägerin und ich mochte sie sehr gern, aber unsere Beziehung war nicht tief genug, als dass ich ihr mein Herz ausgeschüttet hätte. Mit einem letzten Gedanken an Dominik und Kinga fiel ich in einen festen, traumlosen Schlaf.



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Geweckt durch Geräusche aus der Küche, schlug ich meine Augen auf. Es war noch fast dunkel in dem Zimmer, aber es dämmerte draußen bereits und die Sonne würde bald aufgehen. Als ich die Küche betrat, entdeckte ich Joanna, die Eier und Milch zu einem Waffelteig verrührte. "Guten Morgen, Xana", begrüßte sie mich. Die dunklen Ringe unter ihren Augen verrieten deutlich, dass sie heute Nacht nicht gut geschlafen hatte. Vermutlich traf das auch schon auf die vorherigen Nächte zu. Ich sammelte ein paar dreckige Teller ein, die ich im Esszimmer fand, und spülte sie ab.

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Joanna hielt die Schüssel in der einen Hand und rührte den Teig kräftig mit der anderen, während sie unruhig von Ecke zu Ecke schritt. "Eigentlich könnte auch Sebastian, mein Buttler, das Frühstück vorbereiten", erklärte sie, ohne dass ich danach gefragt hätte. "Aber es ist für mich zu einem Ritual geworden, dass ich das jeden Morgen selbst erledige. Das ist nur ein kleiner Beitrag, den ich für meinen Mann und meine Kinder leiste, aber "Justice" lässt mir nicht viele Möglichkeiten, um mich intensiver um meine Familie zu kümmern. Ich werde gleich nach dem Frühstück aufbrechen. Zurzeit passieren einfach zu viele Dinge." Sie seufzte. "Ich möchte, dass du heute Nachmittag zu mir in das Hauptquartier kommst", setzte sie fort. "Dort können wir in Ruhe über alles reden." Ich nickte.

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Gemeinsam mit den Kindern frühstückten wir und dann verließ meine Schwester das Haus. Da wir bei unserer Flucht aus Sierra Simlone Stadt so gut wie nichts mitgenommen hatten, erlaubte mir Joanna, mir etwas aus ihrem Kleiderschrank rauszusuchen. Beim Anziehen bemerkte ich zwar, dass wir Zwillinge waren, deshalb aber nicht unbedingt einen identischen Körperbau hatten. Joannas Sachen zwickten hier und da, und an manchen Stellen waren sie mir einfach zu locker. Aber schließlich fand ich etwas, mit dem ich zufrieden war.

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Ein kurzer Anruf von Joanna hatte genügt, damit Klaudia und Sky sofort eine Schule in SimCity besuchen konnten. Ich war mir zunächst unsicher, ob es klug war, die Kinder während einer solchen Krise zur Schule gehen zu lassen. Aber Joanna überzeugte mich davon, dass es besser für die Kinder war, wenn der Alltag so normal wie möglich verlief. Niemand konnte sagen, wie lange der Krieg von SimCity fern bleiben würde. Und bis dahin sollten die Kinder ein normales Leben genießen dürfen.

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Ich nutzte die Zeit, um mich gründlich in meinem Geburtshaus umzusehen. Das Haus meiner Kindheit hatte sich stark verändert. Es war nun über 20 Jahre her, dass ich es zum letzten Mal betreten hatte. Und damals musste ich es im Streit mit meinen Eltern verlassen. Ich hatte mich nicht mehr hier her getraut. Für Joanna war dieses Haus hingegen immer ihr Zuhause geblieben. Im Laufe der Jahre hatte sie es ihren Bedürfnissen und ihrem Geschmack angepasst. Ich schaute die Bücherregale durch, auf der Suche nach Büchern aus meiner Kindheit. Doch ich entdeckte nichts Vertrautes. Das hier war zwar immer noch das Haus meiner Eltern, auf der anderen Seite war es das aber auch nicht mehr. Es war ein seltsames Gefühl, dass sich nicht richtig beschreiben ließ.

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Die wenigsten Veränderungen hatte das Haus von außen erfahren. Immer noch bildeten die roten Backsteinwände einen wunderbaren Kontrast zu dem gelben Putz. Auch das Gewächshaus, dass Dad immer ein Dorn im Auge gewesen war, stand noch im Garten. Sicher, es gab auch einige Veränderungen, aber wenn ich mir das Gebäude ansah, dann tauchten doch die ein oder andere Kindheitserinnerungen auf.

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Und auch wenn das Haus aufgrund der vielen Veränderungen nur bedingt Erinnerungen weckte, so taten es doch die vielen Familienbilder, die in der oberen Etage hingen. Viele der gezeigten Szenen waren mir unbekannt. Ich kannte nicht den 16 jährigen Orion, der seine kleine Nichte auf dem Arm hielt, auch nicht die vielen Zeitaufnahmen aus der Kindheit meines Neffen und meiner Nichte. Als diese war zu einer Zeit geschehen, als ich keinen Kontakt zu meiner Familie hatte. Dafür rührte mich das Bild meines Paps fast zu Tränen. Ich besaß keine Bilder von ihm, auch nicht von Dad. Paps noch einmal sehen zu können, und sei es nur auf der Leinwand, war einfach wunderbar.

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Sky und Jakób würden erst in ein paar Stunden von der Schule wiederkommen und bis zu meinem Treffen mit Joanna hatte ich auch noch etwas Zeit. Ich bat Tobias um eine Leine für Goya und machte mich anschließend auf dem Weg zum Friedhof. Die Gräber meiner Eltern waren im tadellosen Zustand. Ich hatte von Joanna auch nichts anderes erwartet. Da es wieder ein warmer Tag zu werden versprach, goss ich lediglich die Blumen und zündete eine Kerze an.

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Eine für Paps, aber auch eine für Dad. Ich hatte Dad inzwischen seine Fehler verziehen. Ich wusste nicht genau, wann es geschehen war. Vermutlich kurz nachdem ich auf der Mission, auf die Joanna mich für "Justice" geschickt hatte, fast umgekommen wäre. Ich hatte immer noch das Bild in meinem Kopf, wie ich halb Tod im Wald liege, und ein Engel mich zur Straße trägt. Und dieser Engel hatte verblüffende Ähnlichkeit mit Dad.​
 
Kapitel 167: Ein wachsames Auge

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Ich verbrachte einige Stunden auf dem Friedhof. Zum ersten Mal fand ich seit Tagen wieder etwas Ruhe und innere Zufriedenheit. Da der Tag inzwischen weiter vorangeschritten war, brachte ich Goya wieder zum Haus meiner Schwester und machte mich anschließend auf den Weg, um mich mit Joanna zu treffen. Ich fand ihren Arbeitsplatz, das Gebäude der "Sky Meal", der Catering-Agentur der Fluggesellschaften in der SimNation, ohne Schwierigkeiten. Die Dame am Empfang hatte mein Kommen offenbar bereits erwartet, denn sie unterbrach ihr Telefongespräch bei meinem Anblick und schickte mich sofort hoch in die dritte Etage, wo sich das Büro meiner Schwester befand.

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Mit dem Fahrstuhl fuhr ich in das oberste Stockwerk und klopfte an Joannas Bürotür. Umgehend wurde ich von ihr hereingebeten. Joanna saß an ihrem riesigen Schreibtisch und tippte eifrig an ihrem Computer. Ein Lächeln überzog ihr Gesicht, als sie vom Bildschirm aufblickte und sah, dass ich ihrer Einladung tatsächlich gefolgt war. Offenbar war sie sich bis zum Schluss nicht sicher gewesen, ob ich bereit wäre, das Hauptquartier von "Justice", der Mafia-ähnlichen Organisation, der meiner Schwester vorstand, zu betreten. Und diese Befürchtung war durchaus berechtigt. Mein bisher einziger Kontakt mit "Justice" hätte für mich fast mit dem Tod geendet und dementsprechend hielten sich die Sympathien für die Organisation meiner Schwester in Grenzen.

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Joanna beendet die e-mail, an der sie gerade schrieb, und klappte den Bildschirm ihres Computers herunter. Sie kam auf mich zu und begrüßte mich mit einem Kuss auf die Wange. Doch bevor sie noch etwas sagen konnte, fiel ich ihr ins Wort. "Wo ist Kinga? Ich muss sie einfach sehen! Ich muss mich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass meine Tochter wohlauf ist."

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"Xana, ich habe dir doch schon gestern Abend erklärt, dass es Kinga gut geht", erwiderte meine Schwester. "Ich muss sie trotzdem sehen, Jojo. Wir haben uns nie ausgesprochen. Ich habe Kinga einfach fortgeschickt. Wir hatten nie die Chance das Geschehen richtig aufzuarbeiten. Ich konnte Kinga nie richtig erklären, warum ich ihr nie erzählt habe, dass Albert und nicht Dominik ihr Vater ist. Und ich konnte ihr nicht erklären, warum ich sie von Zuhause wegschicken und in deine Obhut geben musste. Und jetzt ist da dieser Krieg. Ich habe Angst, dass...dass ich nicht mehr die Gelegenheit haben könnte, sie um Verzeihung zu bitten. Ich habe mich bereits von Dad und Paps im Streit getrennt. Und wir beide wissen, dass ich nicht mehr die Möglichkeit hatte, mich mit ihnen auszusöhnen. Mit Kinga soll mir das nicht auch passieren." Joanna streichelte mir behutsam den Rücken. Genau in diesem Moment wurde die Tür geöffnet und die junge Frau vom Empfang betrat mit einer Kanne Kaffee in der Hand das Büro.

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Sie stellte die Kanne auf einen niedrigen Tisch in einer Ecke des Büros ab und goss zwei Tassen ein. Dann verließ sie wortlos wieder den Raum. Joanna ging auf die dampfenden Tassen zu, nahm sie in die Hand und reichte mir anschließend eine davon. Dann forderte sie mich auf, mich auf die Couch am Fenster zu setzen. "Du wirst noch jede Menge Gelegenheiten haben, dich bei Kinga für alles zu Entschuldigen", setzte sie unser Gespräch fort. "Aber es wäre ein Fehler, wenn du sie jetzt sehen würdest, Xana. Kinga ist noch nicht bereit dafür."

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Ich blickte Joanna verständnislos an. Meine Schwester fuhr sich unsicher mit den Fingern durch die Haare und biss sich auf die Unterlippe. Sie überlegte genau, was sie mir nun sagen sollte. "Du hast mich vor zwei Jahren gebeten, mich um Kinga zu kümmern, damit sie wieder ein geregeltes Leben führen kann. Und ich habe dir versprochen, dass ich das für dich tun werde...allerdings auf meine Art. Kinga hat riesige Fortschritte gemacht. Du würdest sie kaum wiedererkennen. Von dem unreifen Mädchen, das du in meine Obhut gegeben hast, ist nicht mehr viel übrig." Es war das erste Mal, dass Joanna und ich so offen über Kinga sprachen. Und mein Herz machte einen Freudensprung als ich hörte, wie gut Kinga sich in den letzten Jahren entwickelt hatte.

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Doch Joanna trübte meine Freude augenblicklich wieder. "Aber Kingas Hass auf dich ist immer noch unverändert stark, Xana. Es tut leid, aber ich fürchte, deine Tochter würde dich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sehen wollen. All die Briefe, die du ihr in den letzten Jahren geschrieben hast, hat sie ungeöffnet zerrissen. Sie ist nicht bereit, dir zu verzeihen. Möglicherweise wird sie irgendwann dazu in der Lage sein, aber bis dahin ist es noch ein langer Weg. Wenn ich dir aber jetzt erlauben würde, Kinga zu sehen, dann befürchte ich, dass all die Narben, die bei ihr langsam angefangen haben zu verheilen, wieder aufbrechen könnten. Die zwei Jahre Arbeit, die ich in Kinga investiert habe, um sie zu einer vernunftbewussten Frau zu erziehen, wären dann umsonst gewesen. Und das möchtest du doch auch nicht, nicht wahr? Ich werde dir daher nicht erlauben, sie zu sehen. Noch nicht."

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Das war zu viel für mich. Die Tränen schossen mir wieder einmal in die Augen und ich stand hastig vom Sofa auf. Ich hielt die Kaffeetasse fest umklammert und blickte durch das große Fenster hinaus auf die Dächer von SimCity. Doch ich nahm die Stadt gar nicht wahr. Meine Gedanken waren nur bei Kinga. Wie konnte ich es so weit kommen lassen, dass meine eigene Tochter mich so sehr hasste? Wieso konnte ich es nicht verhindern? "Kinga ist weit entfernt von jedem Kampfgeschehen", setzte Joanna ruhig fort. "Sie ahnt noch nicht einmal, dass die SimNation sich in einem Krieg befindet. Dein Besuch würde ihr Leben, das so langsam wieder geordnete Bahnen annimmt, nur durcheinanderwirbeln. Du musst mir einfach vertrauen, dass ich mich gut um deine Tochter kümmere."

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"Ich vertraue dir doch, Jojo", versichert ich meiner Schwester. "Sonst hätte ich die Zukunft meiner Tochter nie in deine Hände übergeben. Ich weiß, dass du nur das Beste für sie willst." Joanna kam auf mich zu und nahm mich fest in den Arm. Es tat so gut, von ihr getröstet zu werden. Sie gab mir den Halt, den ich mir in der jetzigen Situation so sehr von Dominik gewünscht hätte. Aber er war hunderte von Kilometern weit entfernt und ich konnte nur dafür beten, dass er immer noch am Leben war.

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Die nächste Welle der Verzweiflung überrollte mich. Joanna spürte das sofort. "Du denkst an Dominik, nicht wahr?", fragte sie und ich nickte, während eine einzelne Träne meine Wange herunterlief. "Du weißt nicht, ob es ihm auch gut geht?", fragte ich meine Schwester verzweifelt. Joanna schüttelte mit dem Kopf. "Nein, ich weiß nicht mehr über Dominiks Verbleiben, als du." Meine Schultern sackten zusammen und der kleine Hoffnungsschimmer, der soeben in mir entflammt war, erlosch augenblicklich. Wenn nicht einmal Joanna etwas über Dominiks Verbleib wusste, dann war jede Hoffnung vergebens. Doch Joanna hört nicht auf zu sprechen. "Ich habe keine weitern Informationen über Dominik, aber heute Morgen ist jemand aufgetaucht, der mehr weiß."

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Meine Schwester fasst mich an den Schultern und drehte mich um 180 °, so dass ich über ihren Schreibtisch hinweg in die andere Ecke des Büros schauen konnte. Ich drehte meinen Kopf nach hinten und blickte Joanna verständnislos an. Doch mit einem Kopfnicken gab sie mir zu verstehen, dass ich in die von ihr angedeutete Richtung schauen sollte. Und da erst bemerkte ich die Gestalt, die nun langsam aus dem Schatten hervortrat. Ich erkannte den Mann sofort, auch wenn er anders aussah, als ich ihn in Erinnerung hatte. Dennoch dauert es einige Sekunden, bis mein Gehirn das Gesehen verarbeiten konnte. Meine Knie wurden weich und ich sackte zu Boden.

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"Dad." Meine Stimme war zuerst nicht mehr als ein Flüstern, doch dann begann ich regelrecht zu schreien. "Dad, Dad, Dad! Dad, du bist es!" Ich rappelte mich so schnell es ging auf und lief auf meinen Vater zu, der in der Ecke des Büros meiner Schwester stand. Ich sprang ihm einfach in die Arme, so als ob ich nicht bereits 44, sondern gerade einmal 16 wäre. Und Dad fing mich mit Leichtigkeit auf. Trotz seiner bereits deutlich über 60 Jahre spürte ich die Kraft in seinem Körper. "Meine, Oxana", sagte er und drückte mich fest an sich. "So wild wie eh und je."

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Dad setzte mich wieder ab und ich konnte meinen Blick gar nicht von ihm wenden. Er war älter geworden. Die Haare waren nicht mehr leuchten rot, sondern inzwischen grau und unzählige Falten waren in seinem Gesicht erschienen. Aber er war es ganz sicher. Seine Augen waren immer noch so kornblumenblau und strahlend, wie ich sie aus meiner Kindheit kannte. Und auch er betrachtet mich ganz aufmerksam. Ich versuchte zu ergründen, was ich für diesen Mann empfand, denn ich nun seit 20 Jahren nicht mehr gesehen hatte und der mir so viel Leid und Schmerzen zugefügt hat. Doch da war keine Spur von Hass mehr. Ich war einfach nur wahnsinnig froh, meinen Vater, den ich nie um Verzeihung bitten konnte und den ich schon seit Jahren für Tod hielt, wiederzusehen.

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"Wo warst du all die Zeit?", war das erste, was ich ihn fragte. Ich wunderte mich nicht darüber, dass Dad noch lebte. Ich hatte immer geahnt, dass er es war, der mich damals vor Joannas Ex-Lover Giovanni gerettet hatte. Aber ich wollte zu gerne wissen, warum er all die Jahre vorgegeben hatte, tot zu sein. Dad antwortet mir nicht sofort. Stattdessen ging er hinüber zu dem Regal, in dem Joanna ihren Alkohol aufbewahrte, und zog eine Flasche Whiskey heraus. "Diese Frage wird dir deine Schwester sicherlich bei Gelegenheit gerne beantworte", erwiderte er schließlich, nachdem er ein Glas mit der bräunlichen Flüssigkeit gefüllt hatte und genüsslich einen Schluck davon nahm. "Heute aber bin ich hier, um dir etwas über den Verbleib von Dominik zu erzählen."

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"Dominik? Du weiß wo mein Mann ist? Geht es ihm gut? Du musst mir alles darüber erzählen, Dad", stürmte ich auf meinen Vater ein. Joanna kam auf mich zu und legte ihre Hand auf meinen Rücken um mich etwas zu beruhigen, aber ihrem Blick konnte ich entnehmen, dass sie genau so neugierig darauf war zu erfahren, was mit Dominik geschehen war, wie ich. Dad setzte das Whiskyglas an seinen Lippen an und leerte es in einem Zug. "Sehr guter Tropfen, Kleines", lobte er Joanna und stellte das Glas ab. "Nun denn", wandte er sich wieder uns zu, "dann setzt euch mal hin, die Geschichte ist etwas länger."

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"Du darfst nicht glauben, dass deine Schwester nicht ein wachsames Auge auf deinen Mann gehabt hätte, Oxana. Und zwar war das mein Auge. Ich habe in den letzten zwei Jahren immer mal wieder in Simnistrien nach dem Rechten gesehen und überprüft, ob die Lage dort ruhig blieb. In den letzten Wochen begann es sichtlich zu brodeln, also habe ich ein Lager in der Nähe der Bohrtürme aufgeschlagen, für deren Sicherheit Dominik zuständig war, um ihn besser im Auge behalten zu können."

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"Doch wochenlang geschah nichts. Die simnistrische Regierung machte es den simnationalen Ölfirmen zwar nicht gerade leicht, ihrer Arbeit nachzugehen, aber bis auf verstärkte Kontrollen der Transporter und des Personals geschah nichts weiter. Dominik ging seiner Arbeit nach, die aber im Wesentlichen darin bestand, Diebe vom Gelände der Ölfirmen fern zu halten, die sich immer wieder im Dschungel rumtrieben und hofften, etwas von dem Öl mitgehen lassen zu können."

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"Die Nacht vor drei Wochen war eigentlich wie jede andere zuvor auf. Etwa gegen Mitternacht wurde der Schichtwechsel vollzogen. Dominik hatte die letzten vier Stunden vor den Toren des Geländes Wache gehalten und wurde jetzt von einem seiner Kollegen aus dem Sicherheitsteam abgelöst. Ich bin mir sicher, dass er sich auf ein paar Stunden Schlaf nach einem anstrengenden Tag freute."

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"Doch der wurde ihm an diesem Tag verwehrt. Kaum dass dein Mann die Tore hinter sich geschlossen hatte, sprang eine Gruppe bewaffneter simnistrischer Soldaten aus dem Unterholz und stürmte auf das Gelände der Ölgesellschaft zu. Geblendet von dem hellen Licht der Laternen, die zu beiden Seiten des Tores hingen, erkannte der Sicherheitsmann am Tor die Gefahr erst, als es für ihn bereits zu spät war."

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"Und er wird auch keine Gelegenheit mehr bekommen, diesem Fehler wieder gut zu machen. Ohne ein Wort der Warnung eröffneten die Simnistrier das Feuer und der überraschte Mann fiel tot zu Boden, noch ehe er begriffen hatte, was da genau vor sich ging."

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"Dominik hingegen zögerte nicht einen Augenblick. Er brauchte nicht erst die Leiche seines jungen Kollegen zu sehen, um zu begreifen, dass alle Mitarbeiter der Ölgesellschaft in großer Gefahr waren. Er hängte sich das Gewehr über die Schulter und stieg hastig die Leiter zu einem der Wachtürme hinauf. Er sah die simnistrischen Soldaten mit ihren Pistolen in den Händen und handelte augenblicklich. Zwei Schüsse erklangen und zwei der simnistrischen Angreifer gingen zu Boden. Die anderen Soldaten erkannten die Gefahr und suchten Deckung hinter dicken Baumstämmen, während Dominik selbst hinter der niedrigen Betonmauer Schutz suchte."

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"Dominiks Ganze Aufmerksamkeit galt den Soldaten vor dem Tor, die sich verschanzten und immer wieder Schüsse auf ihn abgaben, denen er zum Teil nur knapp entgehen konnte. Aber immerhin hielt er sie in Schacht. Dominik war eindeutig in der besseren Position und hätte diesen Angriffstrupp sogar zum Rückzug zwingen können. Doch einem der Simnistrier war es gelungen, unbemerkt über die Mauer zu klettern und nun schlich er sich heimtückisch an deinen Mann heran, der die Gefahr in seinem Rücken nicht bemerkte."

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"Du warst nah dran, Witwe zu werden, Tochter. Doch zu Dominiks Glück war ich nicht nur in Simnistrien um ihn zu beobachten, sondern auch um ihn zu schützen. Ich hatte genau beobachtet, wie der Soldat über das Tor geklettert war. Auch ich hatte meine Wege, hinter die Mauern des Ölbohrturmgeländes zu kommen. Der Soldat hat wohl nicht mit weiteren Sicherheitskräften gerechnet, denn dann wäre er nicht ohne Deckung einfach die Leiter hinaufgeklettert. So stellte er ein leichtes Ziel für mich dar und ich konnte Dominik das Leben retten."

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"Doch in Sicherheit war er deswegen nicht. Der kurze Moment der Ablenkung genügte und die restlichen Soldaten, die im Dschungel Deckung gesucht hatten, stürmten auf das Tor zu. Dominik hatte keine Chance mehr sie aufzuhalten. Und mit Schrecken stellte er fest, dass die Simnistrier keine Gnade zeigten. Sie schossen wahllos auf jeden, der sich auf dem Gelände befand. Die Bohrturmarbeiter, die durch die Schüsse aus ihrem Schlaf gerissen wurden und aus den Schlafsälen lugten, um zu sehen, was es mit dem Lärm auf sich hatte, wurden kaltblütig niedergeschossen. Dominik erkannte, dass er hier niemandem mehr helfen konnte, zumal weitere Soldaten aus dem Dschungel stürmten. Er tat das einzig Richtige und sprang die vier Meter vom Wachturm. Und dann rannte er in den Dschungel, so schnell und so weit wie er konnte."​
 
Kapitel 168: Atempause

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Es war schockierend zu erfahren, was Dominik widerfahren war. "Und was ist dann geschehen?", fragte ich erschrocken. Mein ganzes Gesicht war tränenverschmiert. Ich konnte nicht einmal sagen, ob es Tränen der Angst oder Tränen der Erleichterung waren. Doch Dad schüttelte lediglich den Kopf. "Ich weiß es nicht, Töchterchen. Ich hatte selbst genug damit zu tun, mich vor den simnistrischen Soldaten zu verstecken. Als es auf dem Gelände der Ölgesellschaft wieder ruhig wurde, versuchte ich Dominik zu folgen. Doch seine Spuren verloren sich schnell im Dschungel."

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"Aber Dominik hat über zwei Jahre in Simnistrien verbracht. Er kennt den Dschungel und seine Gefahren. Wenn er es geschafft hat, den simnistrischen Patrouillen aus dem Weg zu gehen, dann stehen die Chancen ganz gut, dass er noch am Leben ist. Und deine Schwester", Dad deutete auf Joanna, "setzt all ihre Mittel ein um Dominik aufzuspüren. Wenn er noch am Leben ist, dann werden wir ihn finden und sicher nach Hause bringen."

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Ich erhob mich von meinem Sessel und schritt langsam auf das Fenster zu. In meinem Kopf schwirrten so viele Gedanken umher. Dominik war dem simnistrischen Überfall entkommen, aber bedeutete dies auch, dass er noch immer am Leben war? Ich klammerte mich mit einer Hand an den Fensterrahmen, da ich merkte, dass meine Knie erneut drohten nachzugeben. Dominik musste noch am Leben sein. Ein Leben ohne ihn, konnte ich mir einfach nicht vorstellen.

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Doch trotz all meiner Sorge um Dominik, konnte ich die Freude darüber, Dad wiederzusehen, nicht verbergen. Es gab so viele Dinge, die ich in Fragen wollte. Und ich musste ihn endlich um Verzeihung bitten. Doch als ich mich umdrehte, war sein Stuhl leer. Ich blickte mich hastig in dem Raum um, doch von Dad war keine Spur zu sehen. "Er ist verschwunden", erklärte Joanna mit einem traurigen Lächeln. "Daran wirst du dich gewöhnen müssen. Er taucht immer wieder aus dem Nichts auf und in der nächsten Minute ist er wieder verschwunden."



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Meine Nerven lagen einfach nur blank. Trotz der weiterhin sehr angespannten politischen Situation, nahm sich Joanna die Zeit, mich zurück in die Simlane zu begleiten. Der Whirpool im Garten war ein idealer Ort, um wieder zur Ruhe zu kommen.

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Joanna und ich mussten beide loslachen als wir feststellten, dass wir genau denselben Badeanzug trugen. Hin und wieder merkte man doch, dass wir Zwillinge waren. Das warme Wasser im Pool lockerte nicht nur meine verspannten Muskeln, sondern auch mein Geist fühlte sich auf einmal leichter an. Ich plantschte mit meinem Händen auf der Wasseroberfläche herum und ehe ich es mich versah, befanden sich Joanna und ich schon mitten in einer Wasserschlacht.

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Doch dieser Moment der Ausgelassenheit wehrte viel zu kurz. Schnell kehrte der Ernst des Alltags wieder bei uns ein. Joanna begann mir von Dad zu erzählen. "Etwa fünf Jahre nach seinem vermeidlichen Tod stand er plötzlich vor meiner Tür. Ich konnte es im ersten Moment kaum glauben. Als Dad damals mit der Jacht in den Sturm hinaus gesegelt war, hatte er wirklich vor, sein Leben zu beenden. Doch wie durch ein Wunder überlebte er den Schiffsuntergang. Doch als er merkte, dass ihn alle für tot hielten, entschloss er, dass es das Beste sei, uns in diesem Glauben zu lassen. Er muss erkannt haben, wie viel Leid er in all den Jahren seiner Familie, und dir im Besonderen, durch sein rücksichtsloses Verhalten zugefügt hat."

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"Doch er blieb nicht lange. Ich hatte es damals kaum geschafft, mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass er nicht tot war, als er auch schon wieder ohne Nachricht verschwand. Es dauerte über ein Jahr, bis ich wieder von ihm hörte. Seitdem arbeitet er von Zeit zu Zeit für mich. Meist bringt er mir von sich aus nützliche Informationen und manchmal, so wie in Dominiks Fall, schicke ich ihn auf eine bestimmt Mission. Allerdings ist Dad nicht immer der Zuverlässigste. Es kann schon mal passieren, dass er einen meiner Aufträge einfach unerledigt abbricht. Trotzdem bin ich überglücklich, dass er wieder bei uns ist."

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Leider musste Joanna wieder zurück ins "Justice"-Hauptquartier. Ich hätte mich zu gerne noch länger mit meiner Schwester über Dad unterhalten. Wir hatten vieles, was bei meinem Weggang vor über 20 Jahren geschehen war, noch immer nicht richtig besprochen. Im Whirlpool wurde es mir langsam zu warm und ich legte mich auf die Luftmatratze im Pool und genoss die Sonnenstrahlen, die hier in SimCity nicht so erbarmungslos auf einen niederbrannten, wie in der Sierra Simlone. Dad hatte Joanna gebeten, mir nichts von seiner Rückkehr zu erzählen. Und ich verstand seine Bitte sogar. Vor wenigen Jahren wäre ich noch nicht bereit gewesen, ihm seien Taten zu verzeihen. Ich war ihm dankbar, dass er mich zu nichts gedrängt hatte.



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Meine Kinder begannen sich in SimCity richtig wohl zu fühlen. Magdalena nahm Klaudia problemlos in ihren Freundeskreis auf. Klaudia blühte regelrecht auf. Zuhause in der Sierra Simlone hatte sie nie viele Freunde gehabt. Sie dachte bis jetzt auch, dass sie das gar nicht brauchen würde, doch sie wurde eines Besseren belehrt. Erst jetzt merkte sie, wie viel Spaß es machen konnte, nach der Schule einfach mit ein paar Freundinnen wild im Kinderzimmer zu tanzen und Neuigkeiten über diverse Popstars auszutauschen.

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Sky und Jakób verstanden sich ebenfalls super. Obwohl Sky fast zwei Jahre jünger war, war er für Jakób ein willkommener Spielkamerad. Nach der Schule konnten sie zusammen an der Konsole zocken.

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Und Ball spielen machte mit einem Jungen auch viel mehr Spaß als mit seiner doofen Schwester. Die konnte ja eh nicht fangen.

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Klaudia fand in Ann-Lee, der Tochter meiner Pateneltern Frankie und Sylvia Mashuga, innerhalb kürzester Zeit eine wirklich gute Freundin. Mit ihr konnte sie lachen und einfach vergessen, was in der Sierra Simlone alles vorgefallen war. Die beiden Mädchen lagen einfach auf einer Wellenlänge.

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Aber ihrer Cousine Magda konnte sie sich voll und ganz anvertrauen. Der Raketenangriff auf unsere Stadt und die anschließende Flucht hatten sie wirklich sehr mitgenommen. Aber das schlimmste Ereignis war das Eindringen der Soldaten in unser Haus. Obwohl sie körperlich nicht verletzt wurde, saß der Schreck darüber, dass sie möglicherweise zum Sex gezwungen worden wäre, immer noch sehr tief. Ich hatte schon mehr als einmal mit ihr ausführlich über das Geschehene gesprochen, aber es fiel Klaudia sehr viel einfacher, ihre Gefühle einer Gleichaltrigen anzuvertrauen.
 
Die letzten Kapitel waren ja richtig friedlich. Schöner Ausgleich. Man hat die Kriegsschrecken zwar noch im Hinterkopf, aber durch die räumliche Entfernung rücken sie da auch nicht weg. Wobei ich mir sicher bin, dass das Kriegsgeschehen früher oder später alle wieder einholen wird.

Dass Dad wieder auftaucht, war eine echte Überraschung! Und dass er Oxana etwas über Dominik sagen konnte, war ebenfalls mehr als willkommen. Allerdings denke ich noch immer, dass er u.U. in simistrische Gefangenschaft geraten wird. Natürlich hoffe ich es nicht, aber da sein Verbleib weiterhin unklar ist, wäre das durchaus im Rahmen des Möglichen.

Es ist schön zu lesen, dass es den Kindern wieder besser zu gehen scheint und sie schnell neue Freunde gefunden haben. Das dürfte sie die traumatischen Ereignisse für einige Augenblicke vergessen lassen bzw. helfen sie besser zu verarbeiten.


Bin - wie immer - auf die Fortsetzung gespannt.

(p.s. die Stachels waren auch wieder super. Noch ein Junge, man man man. xD)
 
@Deko

Ja, ich wollte meinen Sims mal eine Verschnaufpause gönnen. Der Krieg wird natürlich nach wie vor ein Thema bleiben.
Ich hatte schon immer geplant, Arek eine Rückkehr zu ermöglichen. Den ersten Auftritt hatte er ja bereits, als er Oxana aus den Fängen von Giovani befreite. Aber da war es ja nicht klar, ob Oxana nicht nur haluziniert hatte.
Über Dominiks Schicksal werden wir bald schon mehr erfahren.
Die Kinder haben sich in SimCity wirklich gut eingelebt. Joannas Kinder waren bei der Integration äußerst hilfreich.

Vielen Dank für deinen Kommentar (auch für die Stachels) :)
 
Mann, unglaublich, dass deine Fotostory inzwischen auch hier langsam den Ende zugeht. Es kommt mir vor, als wäre es noch gar nicht so lange her, dass du angefangen hast, sie hier einzustellen.

Ich weiß, noch wie erleichtert ich damals an dieser Stelle der Story war. Einmal dass Oxana und den Kindern die Flucht aus dem unmittelbaren Kriegsgebiet geglückt ist (und vor allem unserem Pummelchen nix passiert ist. An diese Vergangenheit von ihr hab ich ja während des letzten Updates bei Klaudia ganz oft denken müssen.). Zum anderen, dass auch Dominik zumindest die Flucht geglückt war.

Es ist immer wieder schön, noch mal reinzulesen in deine Story. :)
 
@Bienchen

Ja, viele Updates werden tatsächlich nicht mehr folgen. Aber für ein paar Wochen und Monate ist noch Stoff da :D Und dann geht es ja nahtlos mit Klaudia weiter ;)

Ich war auch froh, als es wider etwas entspannter zuging. Nicht nur, dass meine Sims nicht weiter leiden mussten, auch Spieltechnisch war es viel einfacher, weil ich auf großartiges Posing und Kulissendesign verzichten konnte.

Was Pummelchen anging, so war ich mir selbst gar nicht mehr bewusst gewesen, dass ich ihr beinah eine Vergewaltigung zugemutet hätte. Ansonsten hätte ich bei den aktuellen Updates noch mal Bezug darauf genommen, denn es hätte wunderbar erklärt, warum Klaudia so eine Panik vor ihrem ersten Mal hat. Aber daran sieht man, dass man sich selbst als Autor nicht an alle Details seiner Geschichte erinnern kann, die im Verlauf von nun gut 10 Jahren entstanden ist.

Ich finde es sehr schön, dass du immer noch Zeit findest, hier mitzulesen und einen Kommentar da zu lassen :hallo:

PS: Das letzte, wenn auch leider unbebilderte, Kapitel von Anva werde ich mir bald vornehmen. Ich freue mich schon darauf.
 

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