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You get nothin' for nothin'
Tell me who can you trust
We got what you want
And you got the lust
(AD/DC – If you want blood)
Es war einer der längsten Tage in meiner gesamten Existenz. Ich fragte mich die ganze Zeit, ob ich das Richtige getan hatte. Ich hatte diesem Mann alles erzählt, mein gesamtes Dasein vor ihm ausgebreitet und jetzt konnte ich nur noch abwarten, wie er sich entscheidet.
Ich hatte in den letzten Monaten schon viele Fehler begangen und je länger dieser endlose Tag andauerte, umso mehr war ich davon überzeugt, dass dieser hier der Größte war.
Was hatte ich mir nur dabei gedacht, dem Assassinen so viel von mir zu enthüllen. Er mochte vielleicht gar nicht so ein schlechter Mensch sein, trotz seines Berufes, aber eigentlich kannte ich ihn kaum. Vielleicht war er in dem Moment gerade auf dem zu Robert, um ihm alles über Annabelle und mich zu erzählen. Ich wusste ja nicht, wie weit seine bezahlte Loyalität ging.
Und so machte ich mich Abends mit sehr gemischten Gefühlen auf den Weg zu Hugh. Ich betrat seine Hütte wie ich sie verlassen hatte: nicht durch die Haustür. Aber ich machte mich durch Räuspern bemerkbar.
„Ich wusste auch so, dass du da bist“, wurde ich von ihm begrüßt. „Ich spüre, wenn jemand in meiner Nähe ist. Ein Leben wie meines und man entwickelt gewisse Fähigkeiten.“ Er lachte trocken.
„Ich wollte nur höflich sein.“
„Natürlich. Schließlich willst du ja auch etwas von mir. Setz dich, dann kann ich wenigstens so tun, dass wir uns wie normale Geschäftspartner unterhalten.“ Er deutete auf den Hocker vor ihm.
Ich nahm das als ein gutes Zeichen und setzte mich ihm gegenüber.
„Wir sind also Geschäftspartner?“ fragte ich mit echter Neugier in der Stimme.
„Noch nicht, aber ich habe über deine Geschichte nachgedacht. Es erklärt einiges, was mir vorher noch nicht so klar gewesen ist.“
„Dann glaubst du mir?“
„Die wahnwitzige Enthüllung, dass du der Tod bist? Ich weiß nicht, aber du scheinst für vieles verantwortlich zu sein, was ich mir nicht erklären konnte. Warum ich zum Beispiel deine Liebste einmal umgebracht und ihr dann später einen sehr ernst gemeinten Rat gegeben habe. Wie mir scheint, hat sie ihn nicht befolgt. Dummes Kind.“
„Ich weiß, es tut mir Leid, dass ich dich auf diese Weise benutzt habe. Aber damals hatte ich, wie heute auch, keine andere Wahl.“
Er nickte. „Ja, du hast dich in eine ganz schöne Misere gebracht. Was soll ich dazu sagen, außer das Liebe aus uns allen nur Idioten macht.“
Ich lächelte. „Da kann ich dir nur Recht geben.“
„Aber gut, was vergangen ist, ist vergangen. Wie schon gesagt, ich habe über deine Situation nachgedacht und so schwer es mir auch fällt, muss ich zugeben, dass du Recht gehabt hast. Dein Problem mit Robert hat auch was mit mir zu tun. Wie du ja weißt, arbeite ich für das royale Schwein und ich war mir von Anfang an nicht sicher, ob mich das nicht meinen Kopf kosten könnte.“
„Ja, ich kenne deine Bedenken ihm gegenüber.“
„Weil du mich und... sie belauscht hast. Noch etwas worüber ich nicht sehr glücklich bin. Ich halte mein Privatleben gerne fern von allen anderen.“ Hugh funkelte mich an. „Doch am Ende wird abgerechnet, nicht wahr?“
„Am Ende bekommt jeder das was er verdient.“
Hugh lachte laut auf. „Das kann ich mir kaum vorstellen.“
„Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich dir das große Geheimnis verrate, was nach dem Tod kommt.“ Ich konnte mir das Lachen auch nicht verkneifen.
„Man kann es ja mal versuchen.“ Hugh grinste. „Aber gut, wo waren wir. Ach ja, Robert. Ich denke, ich kann dir helfen. Nicht, weil du mich dieses Mal so nett und ehrlich darum bittest, sondern aus rein egoistischen Gründen. Ich habe schon länger darüber nachgedacht, den nicht gerade sehr einträglichen Job von Robert hinzuwerfen. Meine Zeit ist mir viel zu wertvoll, um sie weiter mit dem lächerlichen Kleinkrieg zwischen ihm und dem anderen Mistkerl zu verschwenden.“
„Das freut mich zu hören.“ War alles was ich sagen konnte, zu groß war die Erleichterung.
„Glaube bloß nicht, dass ich mich jetzt bei dir bedanke, nur weil du mir einen Grund lieferst.“
„Das erwarte ich auch nicht. Ich weiß, was ich dir angetan habe.“
„Nichts, was schlimmer ist, als das was ich den meisten Menschen angetan habe. Ich bin kein guter Mensch, aber ich denke das weißt du, sonst hättest du nicht mich um Hilfe gebeten.“
„In dir steckt mehr als man am Anfang erwartet und daher würde ich dich auch nicht als schlechten Menschen bezeichnen. Aber meinem Urteil kann man nicht trauen, dazu interessieren mich so Dinge wie gut und schlecht wenig. Am Ende nehme ich jeden mit.“
„Drohungen ziehen bei mir nicht.“
Ich lächelte. „Das sollte auch keine sein. Nur eine Tatsache. Wie sieht dein Plan aus? Ich gehe davon aus, dass du schon genau weißt, wie es weitergeht.“
Hugh nickte. „Ich werde zuerst meine Anstellung bei dem Bastard Sir Georg beenden. Ich lege keinen Wert darauf noch weiter das Mädchen für alles für ihn zu sein. Der soll seinen Kram schön alleine machen.“
„Und denkst du, das klappt ohne Probleme?“
„Georg ist kein Problem. Ich weiß Dinge über ihn, die den bösen Wolf zu einem kleinen Welpen machen. Ich mache mir mehr Sorgen darüber, wie der feine Herr Sir Robert reagiert. Er hat mehr zu verlieren als Georg und könnte es nicht so einfach aufnehmen, dass ich ihm den Dienst verweigere.“
„Was ich nicht verstehe ist, wie hilft es mir, wenn du den Dienst bei Robert aufgibst? Verzeih die Frage, aber alles was ich will, ist das Annabelle nicht zu einer Mörderin wird.“
„Das habe ich nicht vergessen, keine Angst. Ich muss aufhören für ihn zu arbeiten, weil es sonst nicht so einfach für Annabelle ist, mich für die Ermordung ihres Gatten anzuheuern.“
„Warum sollte sie dich anheuern? Ich will nicht, dass sie irgendjemanden anheuert.“ Ich war vollkommen verwirrt.
„Du willst nicht, dass sie den Weg einschlägt, den sie bereit ist einzuschlagen. Das verstehe ich, aber im Endeffekt willst du doch verhindern, dass Robert stirbt um die natürliche Ordnung nicht zu zerstören. Und das kann ich dir ermöglichen. Ich kann nicht verhindern, dass Annabelle Schritte einleitet. Sie ist verzweifelt und das ist immer gefährlich. Aber ich kann so verhindern, dass Robert vor der Zeit stirbt.
Zur Not kann ich es auch nur so aussehen lassen, das Robert tot ist. Aber das kommt mit einem Preis. Wie der aussieht, nun das können wir dann besprechen, wenn es soweit ist. Das ist alles was ich dir anbieten kann.“
Es verschlug mir die Sprache. Das war mehr und zugleich weniger als ich erwartet hatte. Mehr, weil er zugesagt hatte mir zu helfen und weniger, weil er Annabelle nicht davon abbringen konnte, wirklich den Tod von Robert in Kauf zu nehmen.
„Das wird genügen“, sagte ich und stand auf.
Hugh tat es mir instinktiv gleich. Ich stellte mich vor ihn hin und ergriff seine Hand. Ich konnte seine Verwirrung spüren, als er fühlte wie etwas Unsichtbares nach ihm griff.
„Dann ist es abgemacht. Ich werde die nötigen Schritte einleiten und du wirst deine Liebste so weit zurückpfeifen, dass sie nicht vorher eingreift, ehe ich nicht bereit bin.“
„Ich gebe mein Bestes. Ich danke dir.“
„Bedanke dich nicht zu früh. Am Ende wird abgerechnet.“
„Wollen wir nur hoffen, dass das Ende nicht so bald kommt.“ Mit den Worten ließ ich ihn zurück. Ich spürte, dass ich hier mehr erreicht hatte, als ich zu hoffen gewagt hatte. Und seltsamerweise fühlte es sich so an als hätte ich so etwas wie einen Freund gewonnen. Mir war klar, dass der Assassine seine eigenen Gründe hatte, sich auf die Abmachung einzulassen, aber solange er tat, was er versprochen hatte, sollte mir das egal sein.
Als ich die Hütte diesmal auf dem normalen Weg verlassen hatte, wurde mir erst richtig bewusst, was ich gerade erreicht hatte. Robert würde nicht so bald sterben, es sei denn ich bekam endlich den Auftrag von Oben für ihn und das lag noch in der Ferne.
Eigentlich war es das was ich gewollt hatte, aber mir war auch klar, dass für Annabelle die Ehehölle noch weitergehen würde und vielleicht hatte ich es auch noch schlimmer gemacht. Wenn Robert seinen Verbündeten verlor, war er vielleicht verzweifelt und verzweifelte Menschen machten grausige Dinge.
Aber nun war es zu spät, ich musste jetzt alles tun um Annabelle zu beschützen. Zu spät für Zweifel und auch zu spät um noch umzukehren.
„Du bist also doch da. Ich hatte schon gedacht, dass ich diesen Gang alleine machen muss.“ Hughs Stimme war voller Sarkasmus, als ich ihm leicht verspätet zu dem Treffen mit Robert folgte.
„Es ist für mich nicht immer einfach, bestimmte Orte auf Anhieb zu finden.“
„Macht dir das nicht Probleme bei deiner Aufgabe die Toten zu holen?“
„Nein, denn ich da kenne ich Ort und Zeit. Nur wenn ich Orte oder Menschen finden soll, die nicht auf meiner Liste stehen habe ich Schwierigkeiten.“
„Gut zu Wissen. Und jetzt tu einfach das, was du sonst immer gemacht hast. Sei still und beobachte. Nicht, dass der abgehalfterte Lord noch Lunte riecht.“
Hugh öffnete die Tür zu der alten Bauernkate, in der er sich immer mit Robert traf.
„Das wurde auch langsam Zeit“, fauchte dieser Hugh an. „Ich habe euch schon vor Tagen eine Nachricht hinterlassen.“
„Ich freue mich auch immer, Euch zu sehen Euer Durchlaucht.“ Hugh ließ sich nicht einschüchtern. Eine der Eigenschaften von ihm, die ich schon immer bewundert habe.
„Spart Euch das. Was sollte das?“
Hugh setzte sich erst einmal. „Was sollte was?“
„Ihr wisst ganz genau was ich meine. Warum habt Ihr den Dienst bei Georg gekündigt? Das war nicht unsere Abmachung!“
„Hugh nickte. „Das stimmt. Aber Ihr habt Euch ja auch nicht daran gehalten.“
„Was soll das heißen?“ Robert starrte ihn finster an.
"Eure letzte Zahlung ist ausgeblieben und ohne Geld, keine Leistung.“
„Das kann doch nicht Euer ernst sein?“ Robert brüllte schon fast. „Wollt Ihr mir ernsthaft erzählen, dass Ihr so dringend Geld braucht? Ich habe Euch doch gesagt, dass Ihr das Geld bekommt und ich halte meine Versprechen immer.“
„Ich auch. Denkt immer daran.“ Hughs Drohung war viel effektiver als Roberts.
„Ihr habt mir versprochen, mich wieder dahin zu bringen, wo ich hin gehöre.“
„Nein, ich habe einen Vertrag mit Euch geschlossen. Das ist was anderes als ein Versprechen. Verträge kann man brechen, Versprechen nicht.“
„Was redet Ihr da für einen Unsinn?“ Robert klang fassungslos. „Ihr wollt unseren Vertrag brechen? Habt Ihr euch das auch gut überlegt?“
„Eigentlich habt Ihr den Vertrag gebrochen. Meine Dienste für Euer Gold. Ich habe geliefert, Ihr nicht. Ein ganz eindeutiger Vertragsbruch.“
„Ich werde Euch schon noch das Geld geben. Ich brauche nur noch mehr Zeit.“
Hugh sah Robert einen Moment lang an, ehe er antwortet. „Ihr hattet mehr als genug Zeit. Und ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass Ihr in nächster Zeit auch nur einen Pfennig habt, um ihn mir zu geben.“
„Wie kommt Ihr auf den absurden Gedanken?“ Trotz der Worte klang Robert verunsichert.
„Ich habe da so meine Quellen. Ich weiß, dass Ihr total abgebrannt seid und nicht einer Eurer Gläubiger sich mehr auf Euer Wort verlässt. Ich steige einfach nur aus, ehe Ihr noch mehr Schulden macht. Ihr solltet mir Dankbar sein.“
„Euch dankbar sein? Ihr seid der größte Verräter, der mir je unter gekommen ist.“ Robert starrte den Assassinen eisig an, doch dieser war sich seiner Überlegenheit wohl bewusst.
„Seht es wie Ihr wollt, aber ich bin raus. Ich werde mir für Euch nicht mehr die Hände schmutzig machen.“
„Das werdet Ihr bereuen. Wenn ich wieder an der Macht bin, werde ich Euch finden und dann gnaden Euch die Götter. Ihr werdet qualvoll und elendig verrecken.“ Robert spuckte fast vor Hass.
Hugh stand nur gelassen auf. „Macht besser keine Versprechen, die Ihr nicht halten könnt. Einen schönen Abend noch, Eure hochverehrte Durchlaucht.“
„Verschwindet endlich und tretet mir nie wieder unter die Augen“, brüllte Robert Hugh noch hinterher, doch dieser war bereits in die Nacht verschwunden.