Fotostory Sunrise

Ich bin froh, dass der Tod im letzten Moment noch reagiert hat und ihr "Nein" akzeptiert.

Deine zweite Todesgestalt finde ich auch interessant. Hat sich ein bisschen hübscher zurecht gemacht als unser Hauptprotagonist :D Ich bin gespannt, wohin das noch führt und inwiefern sie in das Geschehen eingreifen wird.
 
*Staub wegpuste* *hust, röchel, sterb*

Sorry, dass es mal wieder so lange nicht weiterging, aber ich hatte bei dem Kapitel mal wieder einen Hänger beim Text. Bis zur Hälfte des Kapitel gings und dann war Schluss. Aber heute hat es jetzt doch endlich Klick gesagt und ich konnte die weiteren Bilder vertexten. Schon peinlich, dass die Bilder irgendwann im Mai entstanden sind und es bis jetzt gedauert hat, aber so ist es halt leider manchmal. :argh:

Aber dafür geht es jetzt weiter und ich wünsch euch viel Spaß beim Lesen. :hallo:
 
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I spend so much time believing all the lies
To keep the dream alive
Now it makes me sad it makes me mad at truth
For loving what was you
(Billy Idol – Eyes without a face)​


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Ich sah sie fragend an und wartete.
„Und vielleicht hätte ich gar nicht mehr eingreifen sollen. Vielleicht hätte ich einfach warten sollen, denn früher oder später wirst du dein Ende finden, wenn du den Weg wie bisher weiterführst. Vielleicht hätte ich besser nicht versuchen sollen, dich aufzuhalten.“ Sie lächelte spitzbübisch. „Aber ich kann einfach nicht anders, ich muss es versuchen. Aber du kennst das Gefühl ja nur zu gut.“
Ich nickte. „Ja, das kommt mir bekannt vor.“ Auch ich lächelte nun. Es war leicht mit Asaliah zu reden und zu lachen. Fast so einfach wie mit Annabelle. Doch ich wusste, dass alles was Asaliah mir versuchen würde zu sagen, nicht auf fruchtbaren Boden fallen würde. Ich wollte meinen eingeschlagenen Weg nicht ändern. Ich war davon überzeugt, dass ich es auch nicht mehr konnte.


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Ich lehnte mich ein wenig zurück. „Und was gedenkst du jetzt zu tun, wo du dich entschieden hast zu handeln?“
Asaliah sah mich einen Moment scharf an, das Lächeln vollständig aus ihrem Gesicht verschwunden. Doch es währte nur kurz an, schnell kehrte die Wärme in ihrem Blick zurück und sie beugte sich ein wenig näher zu mir heran. „Ich werde versuchen, dir zu zeigen warum das Alles nie sein kann.“
„Aber ich kenne die Gründe“, protestierte ich.
„Das mag sein, aber du hast sie dir nicht genau angesehen. Ihnen nicht ins Gesicht geschaut und sie nicht mit eigenen Augen gesehen.“
Ich dachte kurz nach. „Aber das stimmt nicht. Ich habe so viel über Annabelle nachgedacht und was das alles für Konsequenzen haben kann, wenn ich mich einmische. Ich denke, ich kenne die Gründe zur Genüge.“


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„Du magst sie ja kennen, aber ich rede von sehen.“ Sie sah mich eindringlich an, aber ich konnte mir nicht vorstellen, was sie meinte. Wie sollte ich mir etwas ansehen, was noch gar nicht geschehen war? Selbst wir konnten nicht so weit in die Zukunft greifen. Und doch machte Asaliah nicht den Eindruck, dass sie es anders als wörtlich meinte.
„Wie meinst du das?“
„Das wirst du sehen, wenn du mir vertraust?“ Sie ließ es als Frage klingen und ich erstarrte. Ich überlegte lange und sie ließ mir die Zeit. Vertraute ich ihr? Oder tat ich es nicht? Ich war mir nicht sicher, aber ich hatte ihr schon so viel von mir erzählt. Kam es jetzt noch darauf an?
„Ich vertraue dir.“ Es war leise, aber ich sagte es.
Asaliah nickte und stand auf. „Dann komm, ich werde dir jetzt versuchen die Augen zu öffnen.“


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Sie führte mich zu einem Spiegel, der vorher noch nicht da gewesen ist. Dessen war ich mir sicher. Ich sah sie fragend an und sie nickte.
„Du hast Recht, aber ich brauche ihn, sonst kann es nicht funktionieren.“ Sie lächelte kurz, wurde dann aber wieder ernst. „Es ist ein wenig schwierig, aber wenn du die ganze Zeit meine Hand hältst wird es funktionieren. Bitte lass mich nicht los, egal was passiert.“
Ich nickte. „Verstanden.“
„Gut, dann wollen wir mal los.“ Mit den Worten griff sie nach meiner Hand. Ihre Haut fühlte sich kühl an, aber merkwürdig vertraut und passend. Als wenn unsere Hände dafür gemacht wären, einander zu halten. Erstaunt blickte ich sie an, aber ihr Gesicht war voller Konzentration auf das was auch immer sie vorhatte.
„Bereit?“
Ich nickte und sie schloss die Augen. Ich machte es ihr gleich und die Zeit schien sich zu drehen.


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Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber nicht, dass wir uns mitten in Annabelles Wohnstube wiederfinden würden. Unwillkürlich fing ich an zu lächeln, auch wenn ihr Gesichtsausdruck nichts Gutes zu verheißen schien. Dann fiel mir ein, dass Annabelle mich ja sehen könnte und ich zuckte zusammen.
Doch Asaliah griff meine Hand noch fester. „Keine Sorge, solange du meine Hand hältst, kann sie dich weder sehen noch hören.“
„Danke“, flüsterte ich und meinte es von ganzen Herzen.
„Bedanke dich nicht zu früh. Wir sind nicht hier, damit du bei ihr sein kannst, sondern damit du verstehst, warum du aufhören musst.“
Ich nickte zwar, aber ihre Worte kamen kaum bei mir an. Zu sehr genoss ich es wieder in Annabelles Nähe zu sein. Asaliah schien das zu ahnen, denn sie seufzte leise neben mir.


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Es dauerte nicht lange, dann stand Annabelle auf und ging ins Schlafzimmer. Ich wollte ihr nicht folgen, aber Asaliah war unerbittlich mit mir. Annabelle legte ihre Kleider ab, schlüpfte in ihr Nachtgewand, legte sich auf das Bett und wartete, während der engelhafte Tod und ich als Zuschauer daneben standen.
„Muss das sein?“ fragte ich meine Begleiterin genervt.
„Ja, muss es. Du sollst schließlich etwas hieraus lernen.“ Sie klang traurig, aber nicht wegen mir. Ich begriff, dass auch sie für Annabelle Mitleid empfand und so schluckte ich meinen beginnenden Ärger runter.
Wir warteten nicht lange, da ging die Tür auf und Robert betrat das Schlafzimmer. Er war schon umgezogen und stieg sofort zu Annabelle ins Bett. Ich wollte mich abwenden, aber Asaliah zwang mich zuzuschauen.
Robert nahm Annabelle in den Arm und küsste sie. Nicht so, wie ich gedacht hätte, sondern fast schon zärtlich. „So ist es brav“, raunte er mit einer leichten Drohung in der Stimme.


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Ich schluckte. Ich wollte das nicht sehen, aber Asaliahs Griff um meine Hand wurde noch stärker und es war mir unmöglich mich zu befreien. Ich wollte mich abwenden, aber sie schüttelte den Kopf. „Sieh genau hin“, befahl sie und ich fühlte ihre Macht, die der meinen so ähnlich war. Ich hatte keine Wahl. Ich konnte den Kopf nicht abwenden, die Augen nicht schließen.
Robert packte Annabelle fester und der Kuss, den er ihr aufzwang wurde drängender. Er drückte Annabelle immer fester in die Kissen und legte sich mit all seinem Gewicht auf sie.
Heiße Wut schoss durch meinen Körper und jetzt war ich es, der Asaliahs Hand versuchte zu zerquetschen. Und als Roberts Hand Annabelles Nachtgewand hochschob, hielt ich den Anblick nicht länger aus. Mit aller Kraft, die ich hatte löste ich meine Hand aus Asaliahs und im Bruchteil eines Moments teleportierte ich mich weg.


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Ich landete irgendwo im Nirgendwo und im strömenden Regen. Ich brauchte einen Moment um mich zu sammeln, doch Asaliah war mir schon gefolgt.
„Das war noch nicht alles, was du sehen solltest.“ Sie klang streng, aber trotzdem mit einem Hauch von Mitleid. Ich war mir nur nicht sicher, ob es mir galt oder Annabelle.
„Ich will nichts mehr sehen“, maulte ich.
„Aber du musst.“ Sie war unerbittlich. „Und jetzt nimm gefälligst wieder meine Hand und lass uns zurückkehren. Wir waren noch nicht fertig.“
„Nein.“ Ich ging ein paar Schritte von ihr weg und sah sie nicht an. Ich wollte nicht mehr.
„Du hast gesagt, dass du mir vertraust. Und ich halte dich nicht für jemanden, der so etwas nur so leicht dahin sagt.“
„Das bin ich auch nicht, aber das eben... es ist einfach zu viel für mich.“


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Ich setzte mich auf einen der umstürzten Bäume und Asaliah nahm neben mir Platz.
„Ich weiß, dass es schwer ist, den geliebten Menschen mit jemand anderen zu sehen, aber genauso sieht ihre Realität aus. Sie gehört Robert und es ist sein Recht, sie so zu behandeln. So ist es und so wird es bis zum Ende ihres Lebens sein.“
„Und genau das ist es, was ich nicht ertrage.“ Ich seufzte. „Genau deshalb habe ich alles auf mich genommen, nur um ihr ein wenig von der Liebe zu geben, die sie verdient.“
„Aber du tust ihr damit im Endeffekt nur weh. Ihr schadet es mehr als es ihr an Freude bringt und du weißt auch genau warum. Du willst es dir nur nicht eingestehen.“
„Weil sie dadurch erkennt, was sie alles mit Robert nicht hat“, flüsterte ich beklommen.
Asaliah nickte. „ Und nicht nur das. Sie muss es vor Robert verstecken, denn was denkst du, was passiert, wenn er das mitbekommt.“


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Ich schluckte. Natürlich wusste ich, was für ein Risiko das alles für Annabelle bedeutete. Aber ich war mir sicher, dass es das wert war.
„Ich sehe schon, dass du immer noch nicht überzeugt bist. Aber wir sind ja auch noch nicht fertig.“
„Ich bin aber fertig. Ich will nichts mehr sehen.“ Ich wusste, dass ich wie ein bockiges Kind klang, aber es war mir egal. Ich wollte nicht mehr sehen, wie ausgeliefert Annabelle Robert war.
„Wie ich schon sagte, du musst.“ Asaliah klang wieder wie Stahl.
„Nein!“ Das konnte ich aber auch. Sie war schließlich auch nur ein Tod und hatte keinerlei Macht über mich.
„Ich weiß, du willst nicht, aber ich verspreche dir, dass du die Beiden nicht mehr zusammen sehen wirst. Wenn es das ist was dich davon abhält.“ Sie sah mich zweifelnd an, doch ihr Blick bohrte sich in meinen, zwang mich sie anzusehen.
„Ich möchte nicht mehr.“


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„Das verstehe ich, aber ich befürchte du musst. Es gibt noch zwei Sachen, die du dir ansehen musst. Und wie gesagt, Robert wird nicht mehr auftauchen.“ Sie sah mich weiter mit ihren eisblauen Augen an, doch es lag auch Wärme darin und auch ihre Stimme klang beschwörend.
„Also schön“, gab ich mich geschlagen. „Wenn dir soviel daran liegt.“
Sie lachte ein glockenhelles Lachen, das von Herzen kam. „Du Dummerchen, es geht hier nicht um mich, sondern um dich. Mir liegt nichts daran, dir weh zu tun. Aber manchmal braucht es ein wenig Schmerz, damit man wieder glücklich sein kann.“
„Dann meinst du, Annabelle braucht die Schläge, damit sie ihr Glück findet?“
„Wer weiß schon, was die Zukunft bringt.“ Asaliah stand auf und hielt mir ihre Hand entgegen.
Ich erhob mich ebenfalls, sah auf Asaliahs ausgestreckte Hand und schluckte. Wollte ich wirklich noch mehr sehen? Ich schluckte und streckte ihr meine Handfläche entgegen. Ihre kühlen Finger umschlossen erneut meine Hand und die Zeit verschwamm wieder.


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Wir landeten nochmal in Annabelles und Roberts Wohnzimmer, aber diesmal war es nicht Annabelle, die mir sofort ins Auge fiel, sondern zwei kleine Kinder, die sich gegenseitig im Arm hielten. Das Feuer hinter ihnen knisterte und das Mädchen quietschte vor Vergnügen als ein Holzscheit mit einem Knacks zerbrach. Sie sah aus wie eine Miniversion von Annabelle, während der Junge Robert wie aus dem Gesicht geschnitten war.
Asaliah drückte meine Hand fester. „Das ist was passiert, wenn du aufhörst dich in ihr Leben einzumischen. Diese beiden Kinder werden sie für alles versöhnen, was Robert ihr angetan hat. Die Beiden sind die Liebe und der Sinn ihres Lebens.“
Ich schluckte beklommen und war dankbar für ihren Händedruck.
Das Mädchen packte ihren Bruder an den Haaren und zog ihn mit sich auf den Fellteppich. Schon fing der Kleine an zu brüllen und ein perlendes Lachen erklang von der anderen Seite des Raums.


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Sofort ging mein Blick zu dem fröhlichen Geräusch. Sie saß vor dem Fenster, eine Stickerei auf dem Schoß und immer noch wunderschön. Aber das Leben hatte Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen. Tiefe Falten zogen sich über die vorher noch so makellose Haut. Sie sah alt aus. Nur ihr Haar war immer noch tiefschwarz, nicht ein graues Haar versteckte sich in dem züchtigen Zopf, der sie strenger aber auch erwachsener aussehen ließ.
„Hör auf deinen Bruder zu ärgern.“ Sie versuchte die Erheiterung aus ihrer Stimme herauszuhalten, aber es gelang ihr nicht ganz. Und so blieb die Schelte für das kleine Mädchen vollkommen wirkungslos, während der Junge weiter vor sich hin krähte.
Annabelle erhob sich und legte ihren Stickrahmen auf den Schemel. Mit geübten Handgriffen schnappte sie sich das schreiende Kind und machte ein paar Grimassen für ihn. Sofort beruhigte sich der Junge und sie setzte ihn wieder neben seine Schwester.
„Siehst du jetzt, wie glücklich sie sein kann trotz des Ehemanns?“ fragte Asaliah und brachte mich dazu den Blick von den Kindern zu nehmen.


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„Ja“, flüsterte ich beklommen. Es war als hätte sie mir mit einem Holzhammer vor den Kopf geschlagen und ich wollte nur noch weg von hier. „Können wir bitte gehen?“
Asaliah nickte, drückte meine Hand aufmunternd und als nächstes waren wir wieder am Strand angelangt. Sie ließ meine Hand los und ich ging ein paar Schritte auf das Meer zu, versuchte das Gesehene zu verarbeiten. Doch es war einfach zu viel für mich. Ich schritt noch weiter auf das dunkle Wasser zu und starrte in den Nachthimmel.
„Wird es wirklich so passieren?“
„Ich weiß es nicht genau, aber das ist die wahrscheinlichste Möglichkeit. In fast allen Zukünften in denen ich war, gab es diese beiden Kinder und Annabelle war glücklich. In denen wo es die Zwillinge nicht gab...“
„Nein, sprich bitte nicht weiter.“ Mir schnürte allein der Gedanke an eine Zukunft ohne das Strahlen in Annabelles Augen die Kehle zu.


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Asaliah schwieg und ich war ihr dankbar dafür. Ich wollte nichts mehr hören über Zukunftsvisionen. Ich wollte nur noch alleine mit meinen Gedanken sein, wollte das gerade Gesehene verarbeiten.
Und so stand ich da am Meer, lauschte den Wellen und starrte auf den Mond.
Eine ganze Unendlichkeit schien zu vergehen und doch verging die Zeit nicht weiter. Eine Welle nach der Nächsten schwappte ans Ufer, färbte den Sand schwarz.
Und dann brach der Damm in mir und alles was ich noch spürte waren Asaliahs Arme die sich um meinen Körper schlangen.


*Fortsetzung folgt*​
 
  • Danke
Reaktionen: Cindy Sim
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I want to come home.
It's been so long since I've been away
And please, don't blame me 'cause I've tried
I'll be coming home soon to your love to stay
(Lynyrd Skynyrd – Coming Home)​


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Ich warf mich in ihre Arme, ließ mich von ihr halten, während ich all meinen Kummer über die Situation heraus weinte. Und Asaliah hielt mich fest, solange wie die überaus peinliche Situation andauerte. Ich schämte mich meiner Tränen, aber ich konnte auch nichts dagegen tun. Asaliah verstand mich und sagte kein Wort.
Nach einer Weile versiegte der Strom und ich löste mich verlegen von Asaliah.
„Es tut mir Leid“, fing ich an mich heiser zu entschuldigen, aber sie winkte nur ab.
„Keine Sorge, ich verstehe dich. Ich hoffe nur, dass du hieraus jetzt gelernt hast und dich in Zukunft von ihr fern hältst.“
Ich nickte traurig. „Ja, es war sehr deutlich und ich werde mich von jetzt an von ihr fern halten. Es sei denn die Pflicht zwingt mich.“


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„Genau, die Pflicht ist alles dich noch zu ihr führen darf. Und ich hoffe für dich, dass es nicht so bald sein wird.“ Asaliah lächelte mich zufrieden an. „Versprich mir bitte, dass du dich daran hältst.“
Ich nickte wieder. „Ich verspreche es. Ich habe eingesehen, dass ich Annabelle nicht gut tue und mich von ihr fern halten muss. Danke, dass du mir den richtigen Weg gezeigt hast.“
„Gern geschehen. Aber jetzt wird es Zeit für dich wieder zu gehen.“
Sie hatte Recht. Es war Zeit zu gehen und doch fiel es mir eigenartig schwer den Strand zu verlassen. „Es war schön dich kennen zu lernen und ich hoffe, wir sehen uns wieder.“
„Mich hat es auch gefreut und ich hoffe inständig, dass wir uns das nächste Mal unter anderen Voraussetzungen wieder sehen.“ Sie zwinkerte mir zu.
Ich sah sie noch ein Mal an, lächelte und verschwand dann ohne einen weiteren Abschiedsgruß.


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Ich hielt mich an mein Versprechen und die Sehnsucht nach Annabelle wurde immer weniger. Vielleicht, weil ich wusste, dass es die richtige Entscheidung gewesen war und der Gedanke daran, dass sie auch ohne mich glücklich werden konnte. Auf jeden Fall fiel es mir leicht, mich von ihr fern zu halten.
Der Winter zog derweil ins Land und es wurde von heute auf morgen eisig kalt. Dann kam der Schnee und bedeckte die Welt mit weißen Flaum. Für mich war der Winter immer eine arbeitsreiche Zeit und so hatte ich auch kaum Zeit mich in meinen Gefühlen zu verwirren.


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Eines der ersten Opfer der Winterkälte war ein junger Mann, dem mitten in der Nacht das Feuer ausgegangen war. Er war einfach an dem Stein an dem er sich gelehnt hatte eingeschlafen und merkte noch nicht einmal, dass er vom Schlaf in den Tod hinüberdämmerte. So wie ihm erging es vielen Menschen in der Baronie. Die Armut zwang die Leute draußen zu übernachten und die bitterkalte Nacht holte viele Opfer. Einen nach dem Anderen holte ich in diesen Nächten.


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Aber nicht alles waren natürliche Tode in diesem Winter. Es gab auf Grund der fortschreitenden Armut im Land noch mehr Morde und nicht immer war es ein professioneller Mörder sondern der eigentlich nette Junge von Nebenan, der seinen Nachbarn für ein paar Geldstücke oder ein Stück Brot umbrachte. Ich machte keinen Unterschied. Es berührte mich nicht mehr, warum die Menschen taten was sie taten und begleitete sie alle in die Ewigkeit.


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Und wie immer traf der eisige Winter auch die alten und kranken Menschen. Sie hatten kein Feuerholz mehr, um sich in den windschiefen Hütten zu wärmen. Die alten Decken brachten kaum genug Wärme, um sie in den schlimmen Sturmnächten vor der Kälte zu schützen und so starben ebenfalls viele Menschen im Schlaf. Erst am Morgen fanden ihre Angehörigen sie erfroren im Bett liegend. Doch auch das war mir wieder egal geworden. Das Elend der Menschen spielte keine Rolle mehr für mich.


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Gegen Ende des harten Winters jedoch, wurde ich an einen Ort gerufen, den ich nie mehr wiedersehen wollte. Es war ein stürmischer Februartag und dicke Schneewolken hingen am Himmel, versprachen einen weiteren Schneesturm. Der Wind peitschte die schon vereinzelt fallenden Flocken wild durch die Gegend und überall türmten sich die Schneewehen.
Der Turm stand wie ein Bollwerk in dem drohenden Sturm, als ich dort ankam. Ich fragte mich, warum ich an diesen Ort gerufen worden war. Hier lebte doch niemand, wie konnte es hier denn Tod geben?
Ich wollte nicht hier sein, wollte nicht den Ort sehen, der mich mehr als alles andere an sie erinnerte, aber ich hatte keine Wahl. Meine Pflicht hatte mich hierher gerufen und hier musste ich sein.


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Als ich den Turm betrat, fand ich mich der Person gegenüber, die mich ebenfalls an Annabelle erinnerte: Hugh. Ich hatte ihn lange nicht mehr gesehen. Worüber ich froh war, denn ich hatte eigentlich gedacht, dass er der Einzige wäre, den ich öfter sehen würde auf Grund seines Berufes. Aber auch für ihn schien es ein harter Winter gewesen zu sein, mit nur wenigen Aufträgen. Einen flüchtigen Moment fragte ich mich, ob er wohl immer noch für Robert arbeitete, aber dann schob ich den Gedanken ganz weit weg und konzentrierte mich auf die Situation.
Hugh war gerade dabei seinem Opfer den letzten Stoß zu geben, als ich mich langsam den Beiden näherte. Der fast schon tote Mann sagte mir nichts, sein Gesicht kam mir nicht bekannt vor und so machte ich mich daran seine Seele einzufangen, während sein Mörder seine Taschen leerte. Ich hatte die Essenz des Mannes gerade aufgenommen, als Hugh ziemlich obszön fluchte.


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Es war dann doch Neugier, die mich dazu bewogen hatte zu bleiben, obwohl ich hätte gehen sollen. Draußen tobte inzwischen der Sturm und ein eisiger Wind pfiff durch die undichten Fenster und die Tür. Hugh überlegte einen Moment und setzte sich dann an den Tisch an dem auch ich häufig gesessen hatte, während ich auf Annabelle wartete.
Den Kopf in die Hände gestützt, mit finsterer Miene saß er da und ich konnte mich nicht zurück halten.
„Was hast du denn gesucht?“ Ich wusste, er konnte mich nicht wirklich hören, aber ich spürte, dass er auf die Frage reagierte. Für ihn war es unbewusst, aber mir war klar, dass das Band zwischen uns noch immer existierte.
„Er hätte das verfluchte Emblem bei sich haben müssen. Ich habe doch gesehen wie er es bekommen hat. Verdammte Schei*e, ich brauche das Ding.


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Dieser elendige Mistkerl wird verdammt wütend sein, wenn ich ihm sein Abzeichen nicht bringe.“ Hugh fluchte noch weiter und schlug mit der Hand auf den Tisch.
„Er muss es irgendwo versteckt haben und ich habe es nicht mitbekommen. Ich werde langsam zu alt für diesen Scheiß. Vor zwanzig Jahren wäre mir so etwas definitiv nicht passiert.“
„Vielleicht hat er das Teil ja doch bei sich.“ Es war seltsam wieder mit jemanden zu reden, auch wenn er mich nicht hören konnte. Und doch schien es wieder zu funktionieren. Hugh stand auf und durchsuchte die Leiche noch einmal. Und diesmal hatte er Erfolg, in einer versteckten Tasche im Mantel des Fremden fand er was er suchte und grinste zufrieden.
„Den Göttern sei Dank oder wem auch immer. Jetzt kann ich mich doch wieder bei dem Mistkerl blicken lassen.“
Er wollte gerade den Turm verlassen, als es an der Tür klopfte. Wir zuckten beide zusammen als eine Stimme durch den heulenden Sturm erklang.
„Lucien! Bist du da? Bitte mach die Tür auf, es ist eisig kalt hier draußen.“


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Ich konnte mich nicht mehr rühren, alles an mir stand unter Schock. Doch Hugh reagierte mit der kühlen Gelassenheit seines Berufes. Er schnappte sich den Toten und trug ihn die morsche Treppe nach oben. Nachdem er wieder unten war, verwischte er die Spuren seines Werkes indem er die Flecken mit dem herein gewehten Laub überdeckte. Währenddessen klopfte Annabelle noch ein paar Mal an die Tür. Ich hatte einerseits Angst, dass sie wieder gehen würde und ich sie nun doch nicht sehen würde und andererseits Angst, dass sie nicht wieder gehen würde.
Mit bangen Augen verfolgte ich alle Schritte von Hugh und als mir klar wurde, dass er ihr die Tür öffnen würde, kam wieder Bewegung in mich. Ich versteckte mich hinter der Tür, damit sie mich nicht gleich sah. Etwas anders fiel mir nicht ein, ich hatte keine Erklärung hierfür, aber ich konnte auch nicht einfach verschwinden und sie mit Hugh allein lassen.


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Mit einem leicht charmanten Lächeln öffnete Hugh die Tür. Der Sturm wirbelte Schnee hinein und hätte Hugh die Tür nicht festgehalten, wäre sie mir sicher ins Kreuz gekracht, so sehr drückte der Wind dagegen.
Annabelle zögerte nicht lange und trat in den Raum, froh aus dem eisigen Wind heraus zu sein. Sie hatte kaum realisiert, dass nicht ich es war, der ihr die Tür geöffnet hatte. Sie schüttelte sich den Schnee aus den Haaren und drehte sich dann erst zu uns um.
Einen Moment sah sie panisch aus, sie hatte Hugh ja noch nie bewusst gesehen und er war nicht gerade das, was man vertrauenerweckend nennt, aber dann sah sie mich in der Ecke stehen und ihr Blick wurde weicher.
„Nun junge Frau, was kann ich für Euch tun?“ Hugh sah sie gespannt an, anscheinend nicht daran gewöhnt, dass junge Frauen an so entlegenen Orten mitten in einem Schneesturm auftauchten.


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„Darf ich mich setzen?“ Fragte Annabelle und Hugh nickte, während er sich vor ihr aufbaute. Und während Annabelle sich auf den einzigen Stuhl im Raum setzte, überwand auch ich meine Starre und ließ mich neben Hugh auf dem Boden nieder, in der Hoffnung, dass Annabelle die richtigen Worte fand, denn mir waren sie ausgegangen.
„Ich suche jemanden“, antwortete sie auf die Frage.
„Das ist offensichtlich.“ War Hughs trockener Kommentar. Daraufhin huschte ihr Blick zu mir, ehe sie den Assassinen wieder fixierte.
„Er ist aber nicht hier.“
„Das ist ebenfalls offensichtlich. Stellt sich mir nur die Frage, warum sucht Ihr jemanden in diesen von den Göttern verfluchten Wetter und an so einem entlegenen Ort.“
„Weil er hier früher mal gewohnt hat.“ Ihr Ton war eisig und ich konnte nicht anders als verstohlen Lächeln, weil es diesmal nicht mich traf.


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„Hier wohnt schon seit Jahrzehnten niemand mehr.“ War Hughs nicht gerade sehr freundliche Antwort. „Ich schätze mal, er hat Euch nur was vorgespielt um einen ungestörten Ort für ein Stelldichein zu haben.“ Er grinste dreckig.
„Ihr wisst nicht wovon Ihr redet“, fauchte sie ihn an.
Mir wurde ganz mulmig zu mute, also stand ich auf und ging langsam auf Annabelle zu und schüttelte den Kopf in der Hoffnung, dass sie still sein würde.
„So, so. Ich weiß also nicht wovon ich rede ja. Ihr kommt hier mitten in einem Sturm an, ruft nach Eurem Liebsten und ich sehe da einen Ring an Eurem Finger. Das heißt Ihr seid verheiratet und Euer Mann soll nichts davon wissen, also habt ihr euch immer hier getroffen. Ich schätze mal, das letzte Mal ist schon lange her und nun hat Euer Liebster euch versetzt.“ Während er redete ging Hugh in Richtung Tür und posierte sich davor.


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„Und jetzt seid Ihr hier, trefft einen völlig Fremden und versucht Eure Ehre zu verteidigen.“ Er sah sie an, aber nicht finster sondern mit einer Art Verständnis, die mich überraschte.
Auch Annabelle schien das zu überraschen, denn sie antwortete ihm vollkommen ruhig. „Fast, ich brauche meine Ehre nicht zu verteidigen, denn da ist nichts passiert, wofür ich mich schämen müsste.“
Hugh zog eine Augenbraue hoch, was ein wenig seltsam aussah mit seiner Augenklappe. „Warum glaube ich Euch das nur nicht.“
Annabelle sah ihn einen Moment an, dann glitt ihr Blick zu mir. „Ihr habt Recht. Etwas gibt es für das ich mich schämen sollte.“​

*Fortsetzung folgt*​
 
Da hat die gute Annabelle ja ganz schöne Probleme am Hals. Wäre zwar zu schön gewesen, wenn alle irgendwie glücklich werden ohne Dramatik, aber das wäre doch irgendwie zu langweilig gewesen. Der Tod tut mir leid, er wird wohl noch gewaltige Schwierigkeiten bekommen. Schade um Asaliahs Versuch, die Dame war so sympathisch, die einzige die hier wirklich selbstlos helfen will, ich hoffe sie bekommt man irgendwann wieder zu sehen. Wirklich spannend wird jetzt, was aus Annabelle wird. Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass Hugh aus Nettigkeit die Sache verschweigt. Andererseits ist er mit Robert nicht so auf gutem Fuß, dass er sofort hinrennt um ihm davon zu erzählen, wahrscheinlicher ist, dass er das Mädchen erpresst. Und immer noch sind Roberts seltsame Situation und dubiosen Vorhaben ein Rätsel.
 
@ Cindy
Ach, das war ganz einfach. =)
Ich war mir nicht sicher ob ich den Cliffhanger nehme oder den nächsten Satz noch schreibe, aber im Endeffekt wäre es aufs Gleiche rausgekommen. ;)

@ lunalumi
Jupp, Annabelle hat echt kein Glück im Leben. Aber ich muss auch sagen, wer wird schon glücklich ohne Dramatik, so ein weichgespültes Leben will doch auch keiner. =)
Ja, es war echt ein guter Versuch von Asaliah und man kann da noch nicht mal dem Tod einen Vorwurf machen, es war einfach Schicksal, dass er Annabelle doch wiedersieht.
Zu Hugh: noch weiß er ja nicht, dass Annabelle Roberts Frau ist. Er erinnert sich auch nicht daran, dass er sie schon mal "umgebracht" hat.
Was er allerdings mit der Situation anstellt, sollte ihm doch klar werden, wer Annabelle ist, hängt wohl davon ab, wie sehr er Robert hasst und ihm schaden will. Hugh ist nämlich keineswegs ein herzloser Mörder, auch wenn er sich normalerweise wie einer verhält.
 
So, liebe Llyn, endlich mal. :schäm:
Gelesen hab ich´s natürlich schon lange - ich freue mich immer sehr, wenn Deinen Benachrichtigung in mein Postfach flattert - aber zum Kommentieren scheint mir immer die Zeit durch die Finger zu rinnen. :argh:
Deshalb hab ich´s mir jetzt einfach mal auf meine ToDo-Liste gesetzt: in meinen Lieblingsstories Kommis hinterlassen. :lol:

Also, den Teil mit Asaliah fand ich sehr berührend. Vor allem, weil so klar ersichtlich wird, dass trotz allem Schmerz und Leid, den Annabelle durchlebt und durchleben wird, doch auch etwas Gutes für sie daraus erwächst, und man so sehen kann, dass es immer Hoffnung gibt. *Schnief*
Und echt, die Zwillinge sind ja auch super putzig. Wäre schon schade, wenn sie gar nicht erst geboren würden. ;)

Deshalb habe ich Luciens Entscheidung, sich von Annabelle fernzuhalten, auch durchaus nachvollziehen können und sogar auch begrüßt - obschon ich etwas überrascht war, dass er sagt, dass es ihm leicht gefallen ist.

Was mir jetzt aber schon etwas Angst macht, ist, dass er zum Turm gerufen wird (habe ich Dir schon gesagt, dass ich dieses Lot liebe? Nein? Also dann: ich liebe dieses Lot!!! :lol:), denn das bedeutet ja wohl offensichtlich, dass dort jemand sterben wird - und das kann dann ja eigentlich nur Annabelle oder Hugh sein.
Da möchte ich jetzt aber nicht wählen, weil ich beides nicht will. :D Ich mag Hugh, irgendwie, auch wenn er ein Killer ist (aber ich mag ja auich Ezio :lol:).
Als Ausweg fällt mir da nur ein, dass vielleicht noch eine dritte Person auftaucht. Vielleicht Robert? Bestimmt ist dieses Emblem, dass Hugh seinem Opfer abnehmen sollte, für ihn.
Und wenn Robert da auftaucht und Annabelle dort entdeckt, denkt er bestimmt, sie hat was mit Hugh, und dann bleibt Hugh keine Wahl, dann muss er Robert kalt machen. So. Jetzt hab ich Annabelle und Hugh gerettet. :D

Ich bin auf jeden Fall schon sehr gespannt, wie es weitergeht, und vielen Dank, dass Du hier weitermachst und uns schöne Stunden bescherst! :lalala:
 
Was mir jetzt aber schon etwas Angst macht, ist, dass er zum Turm gerufen wird (habe ich Dir schon gesagt, dass ich dieses Lot liebe? Nein? Also dann: ich liebe dieses Lot!!! :lol:), denn das bedeutet ja wohl offensichtlich, dass dort jemand sterben wird - und das kann dann ja eigentlich nur Annabelle oder Hugh sein.

Wie ich das verstanden habe, wurde er doch wegen Hughs Opfer gerufen?
 
@ Julsfels
Ach, das kenn ich doch. Mir geht es doch auch immer so. Bei einem Fulltimejob, dem Haushalt und diversen Hobbies hat man einfach nicht immer die Zeit, die man so braucht. :)

Ja, wenn es so weitergeht, dann könnte es für Annabelle eine Versöhnung mit ihrem üblen Schicksal geben, aber das weiß sie ja leider nicht. Und ob es auch so kommen wird, hängt ja auch von Annabelle selber ab... %)

Lucien ist es diemal leicht gefallen, weil er halt gewusst hat, dass es Annabelle ohne ihn besser ergehen kann. Die Hoffnung darauf hatte er immer vor Augen, wenn die Sehnsucht nach Annabelle zu groß wurde. ;)

Und Cindy hat natürlich Recht, dass der Tod in den Turm gerufen wurde, wegen Hughs Opfer. Annabelle, Hugh und auch Robert werden noch eine Weile weiterleben (müssen). :lol:
Im Übrigen liebe ich den Turm auch, darum kehre ich auch immer wieder gerne dahin zurück.

@ All
In der Hoffnung, dass ich mich heute von meinem Strickzeug trennen kann, versuche ich dann auch endlich mal weiter zu machen. Noch habe ich ja ein paar Tage Urlaub. :cool:
 
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It's amazing how you can speak right to my heart
Without saying a word you can light up the dark
Try as I may I can never explain
What I hear when you don't say a thing
(Ronan Keating – When you say nothing at all)​


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Stille. Ich hielt den Atem an. Gespannt wie Annabelle fortfahren wollte, sah ich sie an. Und auch Hugh neben mir wartete auf das was sie noch sagen wollte. Ich spürte die leichte Anspannung in seinem Körper, hörte seinen ruhigen Atemzüge, doch von Annabelle spürte ich nichts weiter als ihren Blick, der immer noch auf mich gerichtet war. Zum Glück dachte Hugh wohl, dass sie nur die Tür ansah, weil sie ihn nicht anschauen wollte.
Es verging eine Minute, dann zwei. Doch Annabelle schwieg noch immer. Dann nach einer Ewigkeit seufzte sie leicht.
„Ich habe den einzigen Menschen von mir gestoßen, der für mich da war. Und das nur weil ich Angst hatte.“ Sie schluckte, sah kurz nach unten, doch dann sah sie wieder zu mir und ihr Blick glühte vor Intensität.


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„Doch das ist jetzt vorbei. Ich bin es leid weiter allein zu sein. In einer Ehe, die mir nichts als Schmerzen und Leid gebracht hat. Ich brauche einen Freund und ich hatte gehofft ihn hier zu finden.“
Schweigen. Doch dann hörte ich ein Lachen neben mir.
„Mylady, hier findet ihr nichts weiter als Ratten und Dreck. Ihr solltet nicht hier sein und nach lange verschwundenen Menschen suchen. Reißt Euch zusammen und geht zu Eurem Mann zurück. Vielleicht hat er ja noch nicht herausgefunden, dass Ihr ihn betrügt.“
Annabelle starrte den Assassinen finster an. „Ich betrüge ihn nicht. Ich sagte doch, dass ich einen alten Freund gesucht habe. Jemanden mit dem ich reden kann und nichts anderes.“
„Redet Euch das nur ein. Aber ich kenne den Blick und ich kann eure Körpersprache lesen. Ihr sucht nicht nur einen Freund hier.“


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Annabelle starrte ihn noch ein paar Sekunden wütend an, aber dann senkte sie den Blick auf ihre Hände. Ich wagte kaum mich zu bewegen, zu gespannt war ich wozu der Assassine sie noch bringen würde zu zugeben.
„Vielleicht habt Ihr recht, aber das gibt Euch nicht das Recht über mich zu richten. Ihr kennt weder mich, noch meine Situation.“
Wieder lachte Hugh, aber diesmal freundlicher. „Ich richte nicht über Euch. Ich bin der Letzte, der dazu das Recht hat. Aber ich gebe Euch einen Rat: Geht nach Hause. Vergesst, dass Ihr hier wart. Vergesst diesen Mann und vergesst, dass Ihr Gefühle für ihn habt. Geht zu Eurem Mann zurück und macht weiter als wäre nie etwas anderes passiert. Alles andere wird nur übel für Euch ausgehen, glaubt mir.“


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Wieder herrschte Stille nach diesen Worten, selbst der Sturm hatte nachgelassen und der Wind heulte weniger stark durch die modrigen Fensterläden.
„Ich weiß“, flüsterte Annabelle nach einer Weile. „Glaubt mir, ich weiß das. Darum habe ich Lucien ja auch weggestoßen. Weil ich das alles, was Ihr gerade gesagt habt, weiß. Aber es ist mir egal. Ich ertrage es nicht mehr, dass ich niemanden mehr habe mit dem ich reden kann. Ich ertrage die Einsamkeit nicht mehr.“ Die letzten Worte waren nur noch ein Hauch und am Liebsten wäre ich zu ihr gegangen, hätte sie in den Arm genommen und ihr gesagt, dass sie nie wieder einsam sein würde. Doch ich konnte nicht, nicht so lange Hugh da war.
„Lernt damit zu Leben. Es ist gar nicht so schwer wie Ihr jetzt denkt. Mit der Zeit gewöhnt man sich an alles.“
„Ich will mich aber nicht daran gewöhnen. Ich will nicht länger eine lebende Leiche sein. Ich will leben und das kann nicht in diesem Gefängnis von Ehe.“


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Mich hielt es nicht länger neben Hugh. Ich ging auf Annabelle zu und kniete mich vor ihr hin. „Ich verzeihe dir und ich werde dich nie wieder verlassen.“
Die Worte waren heraus ehe ich über mögliche Konsequenzen nachdenken konnte. Doch Annabelle ließ sich nicht anmerken, dass ich mit ihr gesprochen hatte. Einzig lehnte sie sich ein wenig zur Seite, ganz so als würde sie sich Hugh zuwenden.
„Ein Gefängnis kann auch Sicherheit bieten.“
„Ich will keine Sicherheit mehr. Ich will das Abenteuer und alles was dazu gehört.“
„Dann seid Ihr eine Närrin. Solche Abenteuer gehen nie gut aus.“
„Ich weiß, aber wenigstens habe ich es dann gehabt und frage mich nicht mehr, was ich verpasst habe im Leben.“ Sie sah Hugh an, doch ihr Blick streifte auch mich.


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„Aber genug der Worte. Lucien ist nicht hier und werde jetzt gehen. Ich denke nicht, dass Ihr mich aufhalten werdet.“
Hugh schüttelte den Kopf. „Ich halte Närrinnen nie auf. Ist mir zu gefährlich.“ Er zwinkerte ihr zu und trat von der Tür weg.
Annabelle erhob sich und ich trat schnell Seite, damit sie mir nicht ausweichen musste. „Wenn du kannst komme morgen wieder her. Ich bin hier und warte auf dich.“
Als Annabelle an mir vorbei ging, nickte sie mir so kurz zu, dass Hugh es unmöglich hätte sehen können.
„Ich wünsche Euch viel Glück bei Eurem Abenteuer. Ich hoffe wirklich, dass Ihr es euch noch anders überlegt. Es wäre zu schade um Euch, wenn es schlimm ausgeht.“
„Vielen Dank für Euren Rat.“ Annabelle trat hinaus in die Dunkelheit und verschwand aus meinem Sichtbereich, während Hugh ihr noch hinterher starrte.


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Nachdem Hugh die Tür geschlossen hatte, setzte er sich auf den Stuhl auf dem eben noch Annabelle gesessen hatte. Er fuhr sich durch die Haare und schüttelte den Kopf. „Wenn ich nur wüsste, woher ich das Gefühl habe das arme, verlorene Ding zu kennen.“
Ich ignorierte ihn und starrte meinerseits die Tür an. Ich konnte es nicht glauben. Annabelle wollte mich wiedersehen und sie hatte zugegeben, dass sie Gefühle für mich hat. Und das alles vor einem Menschen, den sie weder kennt noch dem sie trauen sollte. Das war alles so kompliziert geworden, doch trotz allem schwebte ich wie auf einer Wolke. Vergessen war das Versprechen, dass ich mir und Asaliah gegeben hatte. Nur ein Wort von Annabelle und all meine guten Vorsätze waren wie weggeweht.

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Am nächsten Morgen war der Sturm des Vorabends komplett verschwunden und die Sonne schien. Der Schnee glitzerte in der kalten Wintersonne, doch das alles war nebensächlich geworden. Wie ich ihr versprochen hatte, wartete ich am Turm auf sie.
Es dauerte auch nicht lange bis sie den Weg betrat. Ich war nervös, während sie scheinbar ruhig auf mich zu kam. Ich lächelte sie an, ich konnte nicht anders. Sie lächelte zurück.
„Guten Morgen“, begrüßte sie mich fröhlicher als ich sie seit langem gehört hatte.
„Guten Morgen. Ich hatte gehofft, dass du kommst.“ Das war noch untertrieben.
„Ich sagte doch, dass ich es leid bin allein und vernünftig zu sein.“ Sie lachte gelöst. Sie war wirklich wie ausgewechselt, als würde sie wirklich hinter ihrer Entscheidung stehen.


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„Das freut mich wirklich und überrascht mich, ehrlich gesagt.“
„Ich weiß, du hast jedes Recht wütend auf mich zu sein. Ich war echt unmöglich zu dir, aber ich hatte Angst. Angst vor mir selbst, weil ich noch nie das gefühlt habe, was ich fühle, wenn ich in deiner Nähe bin. Angst davor was es bedeutet, für mich, für dich und auch für meine Ehe. Angst vor der Zukunft, weil ich keine Ahnung habe wie es weiter geht. Einfach Angst vor allem.“ Sie holte kaum Luft zwischen den Sätzen.
„Und jetzt hast du keine mehr?“
„Nein, eigentlich nicht. Mir ist klar geworden, dass ich mich hiervor nicht verstecken kann. Denn egal was ich in den letzten Wochen gemacht habe, du warst immer in meinen Gedanken. Ich konnte nicht aufhören an dich zu denken und je mehr Zeit verstrich umso mehr wurde mir klar, dass der Fehler nicht war mich auf dich einzulassen, sondern dich gehen zu lassen.“


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Ich war sprachlos.
„Ich weiß, dass ist jetzt alles zu viel auf einmal, aber ich schleppe diese Worte schon so lange mit mir herum. Sie mussten jetzt einfach raus.“ Sie lachte befreit und mein Herz machte einen riesigen Sprung.
„Vielleicht können wir ein wenig spazieren gehen und darüber reden, wenn es dir recht ist?“
Ich nickte und sie hakte sich bei mir unter. Mir fehlten immer noch die Worte, aber ihre warme Hand auf meiner, fühlte sich so richtig an.
„Du musst auch gar nichts sagen, es genügt mir schon, dass du überhaupt da bist.“ Sie sah mich von der Seite aus an mit so viel Wärme in den Augen.
„Mir genügt es auch“, brachte ich heiser hervor, zu überwältigt von der gesamten Situation.
„Dann lass uns einfach eine Weile schweigend gehen.“


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Annabelle führte mich zu einem ihrer Lieblingsplätze. Wir hatten auf dem ganzen Weg dahin nicht ein Wort miteinander gesprochen. Doch das brauchten wir auch nicht. Ihre Hand lag in meiner und immer wieder trafen sich unsere Blicke. Ich fühlte mich lebendiger als jemals zuvor und ihr schien es genauso zu gehen. Es war als würde nach einer wirklich finsteren Nacht endlich wieder die Sonne scheinen und so war es ja auch.
Der Sturm von gestern war vergessen und auch die Kälte zwischen Annabelle und mir war wie weggewischt.
„Wir sind gleich da.“
„Ich weiß. Es ist einer deiner liebsten Plätze hier.“
„Woher weißt du das?“ Sie schien aber nicht sonderlich überrascht.
„Ich hatte ein Auge auf dich, auch wenn du mich nicht mehr sehen wolltest.“
„Du hast weiter auf mich geachtet, obwohl ich so ekelhaft zu dir war?“
„Natürlich. Ich konnte nicht anders. Erst vor kurzem habe ich deine Entscheidung akzeptiert, dass du mich nicht mehr in deinem Leben willst. Und dann standest du plötzlich wieder vor mir...“


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Am Teich angekommen ließen wir uns in den Schnee nieder. Es war wirklich kalt, aber das spielte weder für sie noch für mich eine Rolle.
„Es tut mir Leid“, fing Annabelle an, aber ich wollte ihre Entschuldigung nicht hören.
„Das braucht es nicht. Es hat eine Weile gedauert, aber ich hatte deine Entscheidung verstanden.“
„Aber ich habe dir weh getan und das war wirklich das Letzte was ich wollte.“
„Das weiß ich jetzt und darum sollten wir nicht mehr darüber sprechen. Du sagtest gestern, dass du leben willst. Und das kannst du nur in der Zukunft und nicht in der Vergangenheit. Nur noch das Jetzt zählt.“
Sie strahlte mich an. „Das möchte ich gerne glauben.“
„Dann glaub es.“


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„Ich versuche es.“ Sie schaute in Richtung des gefrorenen Teichs. „Ich gebe mir Mühe es zu glauben.“
Wir schwiegen wieder, aber es war ein angenehmes Schweigen. Und doch war da eine gewisse Spannung zwischen uns, wann immer unsere Blicke sich trafen. Und das taten sie oft.
„Das hier hat mir gefehlt. Es war alles so düster und trist ohne dich. Selbst die Zeiten wo Robert weg war und ich meine Ruhe vor ihm hatte, wusste ich, das mir etwas fehlt.“
„Mir hat es auf gefehlt und ich habe mich oft gefragt, wie es dir so geht.“
„Wir wollten nicht mehr über die Vergangenheit sprechen.“
„Du hast doch angefangen“, neckte ich sie und ich wurde mit einem perlenden Lachen belohnt.
„Ich bin ja schon ruhig.“
„So war es auch wieder nicht gemeint. Rede ruhig weiter. Ich habe deine Stimme so vermisst.“


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„Vielleicht sollten wir dann über die Zukunft reden, wenn die Vergangenheit Vergangenheit ist.“
„Das wäre eine Möglichkeit ja. Wie stellst du dir denn die Zukunft so vor?“
„Ich weiß es ehrlich gesagt gar nicht. Ich weiß ja, dass es alles so schwierig ist. Ich weiß nicht, wann ich mich davon schleichen kann und dich sehen kann. Und dann ist da noch die Sache, dass du ja ein Geist bist, was das alles noch schwieriger macht.“
Ich nickte. „Das kann ich leider nicht ändern, so gerne wie ich das auch wollte.“
Sie starrte auf das Wasser. „Warum kannst du nicht wirklich sein?“


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„Ich bin so wirklich wie ich sein kann.“ Mit den Worten erhob ich mich und reichte ihr meine Hand. Inzwischen hatte sich die Sonne verzogen und neuer Schnee fiel.
Annabelle nahm meine Hand und zog sich hoch. Sie stand so nahe neben mir und ihre Hand war warm und weich in meiner. Ich sah ihr in die Augen und hob meine andere Hand an ihr Gesicht. Liebevoll strich ich über ihre von der Kälte gerötete Wange.
„Ich bin wirklich.“​

*Fortsetzung folgt*​
 
Schön, dass es hier noch weiter geht :)
Und was für eine wunderbare, schöne, harmonische Fortsetzung. Ich fürchte, das wird nicht lange so bleiben? Du hast ja schon angedeutet, dass diese Veränderungen Probleme bringen können/werden.
Ich frage mich, welche Rolle der Assassine in Zukunft noch einnehmen wird. Spätestens, wenn ihm aufgeht, woher er die junge Frau denn kennt ;)
 
  • Danke
Reaktionen: Llynya
Ja, finde ich auch. :D
Ich hatte Probleme mit meinem PC, der wollte die Sims einfach nicht mehr fehlerfrei spielen. :Oo: Ich hatte dann versucht, die Nachbarschaft auf den Laptop zu ziehen, aber das wollte auch nicht so. Aber jetzt nach gefühlten 100 Jahren, habe ich es endlich geschafft und die Sims und die Nachbarschaft laufen jetzt. :)

Und ja, die Fortsetzung war doch sehr harmonisch. Die nächste wird es auch noch sein. Ein wenig Glück sollte den Beiden doch auch gegönnt sein. =)
Tja, Hugh spielt schon noch eine Rolle, fragt sich nur was für eine. :glory:
 
26

No one can take you away from me now
Don't worry if they take me away
No one can take you away from me now
Don't matter how long we have to wait
(Marillion – No one can)


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Es war so einfach geworden wieder mit ihr zusammen zu sein. Ich dachte nicht mehr an mein Versprechen Asaliah gegenüber. Um ehrlich zu sein, war es sogar komplett aus meinem Gedächtnis verschwunden. Verdrängt von dem Glück und der Liebe zu Annabelle. Verdrängt von dem wunderbaren Gefühl, dass Annabelle wieder zu mir gehörte und ich sie spüren konnte. Alles andere war wieder zur Nebensache geworden.
Bis auf natürlich meine Aufgabe den Menschen auf die andere Seite zu helfen. Ich wusste, dass ich diese Pflicht wahrnehmen musste. Gerade damit die Höheren Mächte nicht aufmerksam auf mich wurden. Nicht jetzt und in der näheren Zeit.


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Ich wollte nur eines in meiner freien Zeit tun: mit Annabelle zusammen sein.
Und zu meinem Glück wollte sie das Selbe. Wann immer wir konnten, trafen wir uns und damit es nicht auffiel, waren diese Treffen nicht immer am Turm. Wir entdeckten die Gegend und fanden immer mehr Plätze an denen wir uns ungesehen sehen konnten. Meistens wartete ich auf sie und da es noch immer kalt und ungemütlich war, versuchte ich alles damit sie die Kälte nicht spürte. Verlassene Lagerplätze im Wald boten genug Gelegenheit ein Feuer anzuzünden und das unwirtliche Wetter erträglich zu machen.
Meistens war es schon fast Abend, wenn sie es endlich schaffte sich von Zuhause ungesehen wegzuschleichen, aber nie zeigte sie was es sie kostete. Denn wann immer sie mich sah, strahlte sie über das Ganze Gesicht.


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„Schön, dass du da bist.“ Ich versuchte nie ihr zu zeigen, wie viele Sorgen ich mir um sie machte. Schließlich war die Zeit, die wir miteinander hatten zu viel kostbar um sie mit Sorgen zu verbringen.
„Ich konnte nicht früher. Tut mir Leid.“ Auch Annabelle vermied es von Robert oder den Problemen mit ihm zu sprechen.
„Hauptsache ist doch, dass du hier bist.“ Ich zog sie in meine Arme und wie immer schmiegte sie sich an mich. Und wie immer war dieser wundervolle Moment viel zu kurz.
Viel zu schnell löste sie sich von mir, aber wie immer lächelte sie mich dabei an und hielt meine Hand fest um mich mit sich zu ziehen.


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Wir setzen uns an Feuer, saugten die Wärme auf, die es spendete und genossen die Gegenwart des Anderen.
„Ich hoffe, dass es bald Frühling und damit wärmer wird. Ich kann es kaum erwarten mit dir in der Sonne zu sitzen.“ Sie rieb sich die Hände und ich musste mich zusammenreißen sie nicht zu berühren.
„Wärmer würde wohl schon reichen.“
„Für es Erste ja. Aber trotzdem würde ich viel lieber mit dir in der Sonne sitzen, als hier im Halbdunkeln im Wald an einem Feuer.“
„Und das wo ich mir so viel Mühe mit dem Ambiente gegeben habe. Ich dachte es gefällt dir.“ Ich seufzte übertrieben und sie stupste mich an.


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„Natürlich gefällt es mir. Es ist so gemütlich auf der kalten Erde.“ Sie sagte es mit einem Lachen, aber es erreichte nicht ganz die Augen.
„Ich weiß“, meinte ich ernst. „Ich wäre auch viel lieber im Warmen, aber wir können uns nicht immer im Turm treffen.“
„Nicht, dass es da gemütlicher wäre. Schließlich ist dein Turm nicht mehr der Jüngste.“
„So wie ich meinst du wohl?“ Ich konnte es mir nicht verkneifen, sie ein wenig zu reizen.
„Du bist nicht alt, du bist nur Tot.“
„Au, das hat gesessen.“ Ich warf mich nach hinten, schloss die Augen und spielte tot.
Annabelle lachte herzlich. Ich öffnete vorsichtig ein Auge und schielte zu ihr rüber. Sie war wirklich fröhlich diesmal, aber ich spürte, dass sie schon wieder gehen musste.


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Es war nur eine leichte Veränderung in ihrer Haltung, ihrer Stimme und ihren Augen. Sehr geringfügig, aber für mich leicht zu erkennen.
„Du musst schon wieder gehen oder?“ Ich fragte, obwohl ich die Antwort schon kannte.
Sie nickte und stand auf. Sie klopfte sich den Puderschnee vom Kleid und reichte mir die Hand. Ich stand ebenfalls auf und sie zog mich näher. Ich nahm sie in die Arme und diesmal ließ sie sich länger von mir festhalten. Wir sahen uns in die Augen und die Zeit blieb stehen.


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Ich wollte sie endlich wieder küssen, aber ich hielt mich zurück. Auch wenn ich mir sicher war, dass sie mich nicht wieder wegstoßen würde, wollte ich sie nicht zu etwas drängen.
Doch sie war es leid zu warten, dass ich den ersten Schritt machte. Sie küsste mich und alles um uns herum wurde nebensächlich. Die Kälte, die nahende Dunkelheit, das Wissen, dass sie ihren Mann betrog. Ihre Lippen auf meinen und ihr Körper so nah an meinem, dass ich ihren Herzschlag spüren konnte. So schnell wie ein Vogel und doch so beständig.
Ich wollte nicht, dass der Moment endete, aber er musste es leider. Annabelle löste sich von mir.
„Ich muss jetzt wirklich gehen.“ Sie sah mich noch einmal an und machte sich dann auf den Weg. Kurz bevor sie zwischen den Bäumen verschwand, drehte sie sich noch mal zu mir um. „Wir sehen uns so bald es geht.“
„Ich kann es kaum erwarten.“


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Ich war total verrückt danach mehr Zeit mit ihr zu verbringen. Es war die glücklichste Zeit in unser beider Existenz. Wann immer wir konnten, verbrachten wir Zeit zusammen. Es war nicht immer einfach einen Weg zu finden, aber wir fanden einen. Manchmal besuchte ich sie zu Hause, aber nur um ihr den Ort zu nennen an dem ich auf sie warten würde. Ich wollte nicht riskieren, dass Robert Wind davon bekam, dass seine Frau Zeit mit jemand anderen verbrachte.
Die Zeit verging mal langsam und mal viel zu schnell. Der lange Winter ging langsam zu Ende und ein nasser, kühler Frühling folgte.


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Es war der erste schöne Frühlingstag in diesem Jahr. Es war warm und sonnig. Ich beschloss Annabelle zu besuchen, doch als ich bei ihr zu Hause ankam, war sie nicht da. Ich überlegte kurz und begab mich an den Fluss, an dem sie immer Wäsche wusch. Ich hatte Glück, mein Instinkt hatte mich richtig geleitet. Ich verließ mich immer mehr auf ihn, da ich mich weigerte meine Fähigkeiten einzusetzen, um sie aufzuspüren.
„Einen wunderschönen sonnigen Tag hübsche Frau“, begrüßte ich sie mit einer leichten Verbeugung.
Sie drehte sich zu mir um. In keinster Weise erschrocken darüber, dass ich da war. „Den wünsche ich Euch auch.“
„Ich dachte, ich überrasche dich heute mal. Das Wetter ist zu schön, um es mit Arbeit zu verbringen.“
„Da hast du ohne Zweifel Recht, aber ich muss leider die Wäsche machen. Aber danach habe ich sicher noch ein wenig Zeit.“
„Ich habe das zwar noch nie gemacht, aber ich helfe dir gerne.“


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Es war seltsam, aber erstaunlicherweise machte ich die Wäsche nicht schmutziger als sie war. Eigentlich war ich sogar gut darin und schneller als erwartet waren Annabelle und ich fertig damit.
Wir ließen den Korb am Ufer stehen und setzen uns ins frische Gras. Es war noch etwas feucht, aber es fühlte sich gut an nicht mehr auf gefrorenen Boden zu sitzen.
„Vielen Dank für die Hilfe. Ohne dich wäre ich immer noch dabei.“
„Du brauchst dich nicht zu bedanken. Ich habe es rein aus egoistischen Gründen gemacht. Jetzt habe ich dich für eine Weile länger nur für mich und muss dich nicht mit dreckigen Unterhosen teilen.“


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„Nun und was wirst du jetzt mit mir machen, wo du mich von diesen fiesen Wäscheteilen befreit hast?“
Ich griff zu ihr rüber und zog sie an mich. „Erstmal nur hier mit dir liegen und die Sonne genießen. Das war es doch was du vor ein paar Wochen wolltest.“
Sie kuschelte sich an mich und strich mit den Fingern sanft über meine Brust. „Ich dachte, du handelst aus egoistischen Gründen und jetzt sagst du, dass du es für mich gemacht hast. Ist das nicht ein Widerspruch?“
„Ganz und gar nicht. In dem ich dich glücklich mache, bin ich glücklich.“
„Dann bin ich auch ein Egoist.“ Sie lehnte den Kopf an meine Schulter und ich drückte einen leichten Kuss auf ihr Haar.


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Wir lagen schweigend im Gras, genossen die Nähe des Anderen. Die Sonne strahlte auf uns herab und entschädigte uns für die Kühle vom Boden. Mir machte die Kälte ja nichts aus, aber ich wusste, dass Annabelle trotz den wärmenden Strahlen bald anfangen würde zu frieren.
„So schön es auch ist, wir sollten bald aufstehen“, meinte ich nach einer Weile.
„Ich denke wir sollten noch liegen bleiben. Es ist so schön.“
„Aber...“
„Nein, kein Aber. Es ist wundervoll hier mit dir zu sein und die Sonne auf dem Gesicht zu spüren. Da macht die Kälte gar nicht so viel aus.“
„Aber du musst doch frieren?“


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„Ein wenig“, gab sie zu.“
„Vielleicht gibt es dafür eine Lösung.“ Mit den Worten zog ich sie halb auf mich. Sie lachte nur. „Und besser so?“
„Geringfügig. Besonders warm bist du auch nicht.“
Ich hatte vergessen, dass auch ich Kälte ausstrahlte. „Tut mir Leid.“
„Braucht es nicht. Es stört mich nicht sonderlich. Es gehört halt zu dir.“ Sie schmiegte sich an mich, doch ich merkte das die Stimmung anfing zu kippen. Wenn das geschah, wusste ich, dass sie bald gehen würde. Aber diesmal wollte ich sie länger bei mir haben. Ich wollte noch nicht, dass sie ging. Ich wollte nicht wieder allein sein, mit nichts mehr als meiner Arbeit. Ich war eben doch ein größerer Egoist als sie.


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Doch natürlich konnte ich nicht riskieren, dass sie zu lange bei mir blieb. Schließlich wusste ich ja um ihren nicht so verständnisvollen Ehegatten. Also ließ ich zu, dass sie aufstand und sich langsam bereit machte, wieder zu gehen.
„Ich wünschte es wäre nicht so. Ich wünschte, ich müsste nicht gehen. Aber...“
„Ich weiß.“
Sie nahm meine Hand und beugte sich vor, hauchte mir einen Kuss auf die Wange. „Damit du mich nicht vergisst.“
„Das würde ich niemals.“ Ich drückte ihre Hand ein wenig fester und in dem Moment hörte ich ein Geräusch. Noch war es weit weg, aber ich erkannte die Schritte.
Ich ließ ihre Hand los und zeigte ihr, dass sie still sein sollte.

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Sie verstand mich sofort. Ohne auch nur noch einmal zu mir zu sehen wandte sie sich wieder zu ihrem Wäschekorb zu. Und das nicht eine Sekunde zu früh. Ich hatte mich verschätzt. Robert war viel schneller gewesen als ich gedacht hatte.
„Was brauchst du hier denn so lange?“ fuhr er sie an. „Ich warte schon seit Stunden darauf, dass du wieder kommst. Hatte ich dir nicht gesagt, dass du dich beeilen sollst?“
„Es tut mir lei...“ versuchte Annabelle sich zu entschuldigen, aber Robert dachte nicht daran, sie ausreden zu lassen.
„Wage es ja nicht dich noch einmal dich meinen Anordnungen zu widersetzen“, brüllte er sie an. „Ich will keine Entschuldigungen mehr von dir hören. Und jetzt komm gefälligst mit. Wir haben noch viel zu 'besprechen'.“​

*Fortsetzung folgt*​
 
Ja, ich habe geraden einen Lauf und ganz viel Inspiration. Vielleicht hat sich in der langen Pause alles angesammelt. :lol:
Doch es ist noch harmonisch. Aber es ist ja auch eine Liebesgeschichte, da gibt es eben auch mal gute Zeiten. :cool:
Stimmt, wenn es immer so harmonisch weiter geht, dann wäre es ja langweilig. =)
 
  • Danke
Reaktionen: Cindy Sim
Danke Llynya für die Fortsetzung.:)
So schön, das den beiden auch mal ein wenig Ruhe und Gemeinsamkeit gegönnt wird :love:
Bin schon gespannt was noch kommt.
(ach, kann man dem nervigen Ehemann nicht so ein bisserl was unter den Tee mischen? :glory: dann kann ihn der "Tod" holen und alles ist gut =))
 
Gerne doch. Ich habe im Moment einfach so viel Spaß mit der Geschichte. =)
Die Beiden habe es einfach auch verdient. Mussten ja lange genug leiden. ;)

Um den nervigen Ehemann wird sich schon irgendwann noch gekümmert, aber leider kann der Tod ja niemanden holen, dessen Zeit noch nicht abgelaufen ist. :(
 
27

How do you love in a house without feelings?
How do you turn what the savage tame?
I've been looking for someone to believe in
Love me, again and again
(Razorlight – Wire to Wire)​


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Es war wie ein Weckruf. Wir hatten uns zu sicher gefühlt. Robert konnte immer und überall auftauchen und es war sein Recht. Annabelle war seine Ehefrau und sie gehörte ihm.
Wir konnten uns nur noch an wenigen Tagen sehen, denn Robert hatte seine Augen ständig auf sie gerichtet. Doch bei manchen Gelegenheiten war Annabelle alleine.
Nun nicht ganz: sie hatte mich. Ich nutzte es immer aus, wenn sie Roberts Klauen entkommen konnte. So kam es auch, dass wir uns an ungewöhnlichen Orten trafen.
An diesem Tag war es die Kirche. Ich wusste nicht, was Annabelle hier wollte, aber es war mir auch egal. Hauptsache ich konnte bei ihr sein.


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„Annabelle, was machen wir hier?“ Fragte ich sie, während sie den Weg zur Eingangstür der Kirche entlangging.
„Das wirst du schon sehen.“ Kam ihre nicht sehr informative Antwort. Ich zuckte mit den Achseln und folgte ihr ergeben. Sie öffnete die schwere Kirchentür und betrat den nur leicht erleuchteten Vorraum, wo niemand zu sehen war.
Ich war schon einmal hier gewesen, vor gar nicht allzu langer Zeit und erinnerte mich an den alten Priester, den ich auf die andere Seite begleitet hatte. Mir lief ein Schauer über den Rücken, vielleicht war es eine Vorahnung.


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Sie ging in die Kirche und setzte sich auf eine der vorderen Bänke. Wir waren die einzigen Besucher an dem Tag. Der große Raum war leer und strahlte Ruhe aus. Wir konnten diese Stille nicht durchbrechen, denn auch wenn keine Besucher da waren, konnten doch die Priester ganz in der Nähe sein.
Und trotzdem war ich zufrieden damit mit ihr da zu sitzen. Ich versuchte ihre Stimmung zu lesen, aber alles was ich spürte war die ehrwürdige Atmosphäre, die der Raum ausstrahlte. Von ihr kam nichts. Sie sah mich auch nicht an, sondern hielt den Blick starr auf den Altar gerichtet. Ich wunderte mich immer mehr, was wir hier taten. Aber ich traute mich nicht, noch einmal zu fragen. Geduldig wartete ich auf eine Aufklärung.


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Ein wenig Zeit verging, dann öffnete sich eine der hinteren Türen und wir hörten Schritte auf uns zukommen.
„Annabelle, wie schön Euch zu sehen. Ihr wart schon lange nicht mehr hier. Wir haben Euch vermisst.“ Der Geistliche schien sich wirklich über ihren Besuch zu freuen.
„Ich war sehr beschäftigt in der letzten Zeit.“ Annabelle klang wirklich, als würde sie die Nachlässigkeit bedauern. Ich war überrascht, ich wusste nicht, dass sie sonst regelmäßig her kam.
„Das haben wir uns schon gedacht. Aber Ihr wisst ja, der heilige Geist ist geduldig.“
„Ja, das ist er wirklich.“ Annabelle lächelte den Priester an. „Ich bin hier, weil ich fragen wollte, ob ich den hinteren Friedhof besuchen darf? Ich weiß, ich bin lange nicht mehr hier gewesen, aber ich würde so gerne ein wenig Zeit dort verbringen.“


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„Aber natürlich. Ihr wisst doch, dass Ihr nur zu fragen braucht. Ich schließe Euch gleich die Tür auf.“ Der Geistliche machte sich sogleich daran, die hintere Tür der Kirche aufzuschließen. Annabelle folgte ihm und ich ihr. Verwundert darüber, warum ein Friedhof abgeschlossen war. Normalerweise waren diese Plätze der Öffentlichkeit immer zugänglich.
„Vielen Dank.“
„Gerne doch, nehmt Euch so viel Zeit wie Ihr braucht.“ Der Priester nickte ihr kurz zu und ließ sie dann alleine.
Sie trat hinaus in das Sonnenlicht. Nach dem Halbdunkel der Kirche tat die Helligkeit schon fast in den Augen weh. Annabelle seufzte kaum das sie einen Schritt hinaus gemacht hatte.


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Sie ging durch den Rosenbogen direkt auf eines der Gräber zu. Der ganze Friedhof war gepflegt. Man sah, dass die Männer der Kirche sich liebevoll um dieses Stück kümmerten. Vor jeden Grab standen angezündete Kerzen und nicht ein Fitzelchen Unkraut wuchs auf den Gräbern.
Ich fragte mich, was wir hier wollten und das Gefühl, das etwas Unerwartetes passieren würde, ließ mich nicht los.
„Warum sind wir hier? Und was ist das hier für ein Platz, dass er abgeschlossen wird?“ Ich konnte meine Neugier nicht weiter unterdrücken.
„Hier liegen die Menschen, deren Familien es sich leisten können, die besondere Pflege der Geistlichen zu bezahlen. Die Priester haben schon lange erkannt, dass die Kollekte nicht reicht, um alle Missstände der Baronie zu richten. Um den wirklich armen Menschen hier zu helfen, nehmen sie Geld von den trauernden Hinterbliebenen. Den Reichen, die niemals einfach so für die Armen Geld spenden würden.“


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„Hm“, meinte ich nur und sah mich um. Es war wirklich gepflegt hier und so friedvoll. Ich konnte verstehen, dass man diesen Platz hier den normalen Friedhöfen vorzog. Vorausgesetzt man konnte sich das Leisten. Das sah den Priestern ähnlich, sich diesen Dienst bezahlen zu lassen. In dieser Welt machte niemand etwas umsonst.
„Ich weiß, moralisch gesehen ist es vielleicht auch nicht richtig. Aber sie machen es aus den richtigen Gründen. Sie helfen wirklich denen, die sich sonst nicht helfen können.“
„Hm“, konnte ich nur wiederholen.
„Ich komme gerne her. Hier ist so ruhig und man ist ungestört. Den meisten Menschen ist es nicht gestattet hier her zu kommen. Nur denjenigen, die hier Verwandte liegen haben, ist es jederzeit gestattet. Nur tun sie es nicht sonderlich oft, meistens an Feier- oder Todestagen.
Mir ist gestattet her zu kommen, weil ich als Kind freiwillig bei den Gottesdiensten geholfen habe.“


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„Hm“, machte ich zum dritten Mal. Annabelle grinste und schlug mir spielerisch auf den Arm.
„Warum setzen wir uns nicht auf die Bank und ich versuche zu erklären, warum ich mich heute mit dir hier treffen wollte.“
„In Ordnung. Ich bin schon gespannt.“
Die Bank war hart und kühl, aber der Ausblick machte das wieder wett.
„Ich habe nachgedacht“, fing sie nach ein paar Minuten Schweigen an. „Über uns und unsere Situation. Es kann so nicht weitergehen. Wir haben in letzter Zeit sehr viel Glück gehabt, aber das kann nicht ewig anhalten. Ich will nicht sagen, dass ich dich nicht mehr sehen will. Die Götter mögen mich davor bewahren, diesen Fehler noch einmal zu machen.“ Sie lächelte mich an. „Aber es wird immer schwerer vor Robert zu verstecken, wie glücklich ich bin.“
Ich sah sie an, sprachlos.


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„Hier ist ein Ort, an dem Robert mich nie vermuten würde. Daher dachte ich mir, hier ist der richtige Platz um wirklich ungestört zu sein.“
„Ich weiß, wie schwer es für dich ist...“
„Nein, das glaube ich nicht. Robert lässt mich kaum noch aus den Augen. Er bewacht mich, wie ein Hund seine Hütte. Ich weiß nicht warum er das tut. Was der Anlass dafür ist, aber ich vermute, dass es damit zu tun hat, dass ich in den letzten Wochen so ausgewechselt bin. Nicht, dass ich mich darüber beschweren will. Ich würde unsere gemeinsame Zeit um nichts in der Welt eintauschen. Aber leider macht es meine Situation zu Hause nicht einfacher.“
„Aber was können wir tun? Ich weiß nicht, wie ich dir helfen soll. Ich kann nichts gegen Robert unternehmen.“
„Das weiß ich doch und ich will auch gar nicht, dass du dich in meine Ehe einmischt. Das ist etwas womit ich alleine umgehen muss.“


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„Aber ich will mich einmischen. Ich kann es nicht ertragen, wie er dich behandelt. Auch wenn er angeblich jedes Recht dazu hat, weil er dich geheiratet hat.“
„Danke dir, aber...“
„Nein, ausnahmsweise akzeptiere ich diesmal kein Aber. Wir werden zusammen damit fertig werden.“
Sie sah mich an, als würde sie mich zum ersten Mal sehen. „Vielleicht hast du Recht.“
„Nicht nur vielleicht. Du hast es selbst gesagt: alleine kannst du nicht damit fertig werden.“
„Ja, das habe ich gesagt, aber ich wollte nie, dass du in meine Probleme mit Robert reingezogen wirst. Ich dachte immer, ich könnte dich von diesem Teil in meinem Leben fernhalten. Damit ich wenigstens eines habe, was gut und richtig ist. Aber da war ich wohl einfach naiv.“
„Vielleicht ein bisschen.“


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„Du bist dir sicher, dass du mir beistehen willst?“ Ihre Stimme war angespannt und ihr Blick glühte vor Intensität. Wie konnte ich da irgendetwas anderes als „Ja“ sagen. Sie nickte zufrieden.
„Ich weiß noch nicht, wie ich es anstellen soll, aber Robert muss verschwinden. Ich glaube nicht, dass ich es noch lange mit ihm in einem Haus aushalte.“ Da war er wieder, der Stahl in ihrer Stimme. Ich konnte mir denken, an was für eine Lösung sie dachte und ich schauerte.
„Was hast du vor?“
„Noch bin ich mir nicht sicher, was die beste Lösung wäre. Es gibt trotz allem Hass ihm gegenüber immer noch so viel zu bedenken. Schließlich hat nur die vermaledeite Hochzeit mit ihm meinen Hof vor dem Verkauf bewahrt. Zuerst muss ich also eine Lösung finden, den Hof zu behalten und dann kann ich mich um das Problem Robert kümmern.“


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„Zuerst müssen wir uns um eine Lösung für den Hof kümmern und dann müssen wir eine Möglichkeit finden, mit Robert fertig zu werden“, korrigierte ich sie.
Sie nahm meine Hand in ihre. „Verzeih, du hast Recht.“
„Was können wir tun, damit du den Hof behalten kannst? Ich kenne mich mit den gerade herrschenden Gesetzen nicht aus.“
„Die Gesetze haben damit wenig zu tun. Es liegt eher daran, dass sein Name unsere Gläubiger ruhig gestellt hat. Meine Mutter und ich konnten die Abgaben nicht mehr zahlen nach Vaters Tod und meine Heirat mit Robert hat die Meisten ruhig gestellt. Auch wenn er sein Vermögen verloren hat, hat er immer noch einen Namen.“
„Aber jetzt ist es auch dein Name, reicht das nicht schon?“
„Nein, nicht wenn Robert nicht mehr da ist. Dann bin ich ein Niemand.“
„Du kannst niemals ein Niemand sein.“


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„Für dich vielleicht, aber für meine Gläubiger bin ich nur die Ehefrau von Robert und davor war ich nur die ledige Tochter. Eben ein Niemand. Ich brauche eine Lösung dafür.“
„Würde das Problem nicht weggehen, wenn du die Gläubiger auszahlst?“
„Wenn ich das könnte, hätte ich es schon längst getan. Aber weder Robert noch meine Mutter halten es für angebracht, dass ich mich um die Finanzen kümmere. Daher kann ich nichts tun, um das Geld vom Hof aus aufzutreiben.“
„Das ist ein... da kommt jemand.“ Annabelle hörte sofort auf meine Hand zu halten und sah binnen eines Augenblicks für einen Außenstehenden so aus, als würde sie nur die Ruhe des Ortes genießen.
„Meine Liebe, es wird langsam Zeit. Die Sonne wird bald untergehen und es ist nicht mehr so sicher wie früher auf den Straßen.“ Der Priester warf sie also raus.
„Ihr habt Recht. Ich bin schon zu lange hier gewesen, aber es ist einfach zu schön hier.“ Annabelle stand auf.
„Ihr könnt jederzeit wiederkommen. Für Euch ist die Tür immer offen.“


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„Vielen Dank. Ich weiß die Ehre wirklich zu schätzen.“ Der Geistliche begleitete sie zur Tür und ich folgte den Beiden.
„Es wäre uns eine Freude, wenn Ihr diese Ehre öfter in Anspruch nehmen würdet.“
„Wenn es meine Zeit erlaubt, werde ich sicher bald wieder her kommen.“
Sie hatten die äußere Tür der Kirche erreicht.
„Ich wünsche Euch einen sicheren Heimweg. Passt gut auf Euch auf.“
„Danke und Euch noch einen angenehmen Abend.“ Annabelle reichte ihm die Hand zum Abschied. Der Händedruck war nur kurz und so bedeutungslos wie dieses Ritual immer war. Kaum hatte sich die schwere Kirchentür geschlossen,machte sie sich auf den Heimweg.
„Wir sehen uns bald wieder. Ich muss jetzt wirklich heim.“ raunte sie mir noch zu und ging schnellen Schrittes auf den Torbogen zu.


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„Soll ich dich nicht besser begleiten? Der Kirchenmann hatte Recht, die Straßen sind wirklich nicht mehr so sicher, wie sie es einst waren.“
„Nein, danke. Ich denke ich wäre jetzt lieber alleine. Ich muss nachdenken.“
Sie ließ mich stehen und eine kalte Hand legte sich über mein Herz. Das ganze Gespräch heute hatte auch mich nachdenklich gemacht. Nicht darüber, wie man Robert stoppen konnte, sondern eher darüber was diese Möglichkeit aus Annabelle machen würde. Mir war klar, dass sie früher oder später planen würde, ihn endgültig aus dem Weg zu räumen. Und ich wusste, dass dieser Weg unsere Beziehung und sie für immer verändern würde.​


*Fortsetzung folgt*​
 
28

I know who you are baby
I know what they call you girl
Never put you down baby
I'm just like you baby, I'm on the hunt
(Lynyrd Skynyrd – On the Hunt)


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Sie war nicht die Einzige, die nachdenken musste. Das ganze Gespräch auf dem Friedhof hatte auch mich dazu gebracht. Weder wollte ich, dass sie selbst Robert etwas antat noch wollte ich, dass sie jemand anderen dafür beauftragte. Denn das war es worauf es letztendlich hinauslaufen würde. Annabelle würde früher oder später versuchen den ungeliebten Ehemann für immer loszuwerden. Und das konnte ich nicht zulassen. Nicht ehe seine Zeit abgelaufen war.
Während ich die wenigen Möglichkeiten, die ich hatte immer wieder durchspielte, machte ich meine Arbeit. Doch ich war nicht mit dem Herzen dabei. Die jahrhundertelange Routine half mir dabei, die Seelen sicher auf die andere Seite zu bringen, denn mein Kopf war mit möglichen Lösungen gefüllt, die alle nicht durchführbar waren.


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Die verschiedenen Leute, die auf die andere Seite brachte, spürten nichts von meinem Dilemma. Und weil ich auch nach Tagen nicht einen Schritt weiter war, versuchte ich mich mehr auf die Menschen zu konzentrieren. In der Hoffnung das mir deren Leben einen Weg eröffneten wie ich Annabelle helfen konnte und sie gleichzeitig davor bewahren konnte, ein Mensch zu werden, den sie irgendwann hassen würde.
Ich hoffte nur, dass ich Zeit genug hatte. Schließlich musste sie erst das Problem mit dem Hof lösen, ehe sie sich um den Mistkerl kümmern konnte. Ich hatte ihr versprochen zu helfen und das wollte ich auch tun. Und wenn meine Hilfe nur daraus bestand, sie vor sich selbst zu schützen.


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Die Zeit verging und ich hatte keine Nachricht von Annabelle erhalten, wann und wo wir uns das nächste Mal sehen konnte. Wann immer ich kurz bei ihr erschien, schüttelte sie den Kopf. Robert war immer um sie herum, beobachtete sie und ließ sie nicht eine Sekunde allein. Es war frustrierend.
An einem Abend holte ich einen noch relativ jungen Mann, der sich aus Versehen selbst vergiftet hatte. Die Armut hatte ihn dazu getrieben Pilze im Wald zu sammeln und leider hatte einen erwischt, der nicht so essbar war wie er gedacht hatte. Seine Seele wollte noch nicht aufgeben, doch er hatte keine Chance. Ich nahm ihn mit auf die andere Seite.
Und doch hatte ich in dem Moment als ich seine Essenz in mir aufnahm, eine Idee, die vielleicht eine Lösung für meine Zwickmühle war.


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Alles was ich brauchte war ein wenig Geduld, dann würde sich schon die Gelegenheit ergeben, wie ich die Seele von Annabelle retten konnte. Es war schon ein wenig Ironie in dem Gedanken, dass ausgerechnet ich versuchen würde eine Seele auf der Seite des Lichts zu halten, anstatt sie auf die andere Seite zu bringen.
Ich wartete in der lokalen Taverne. Ich wusste, dass ich früher oder später dort erfolgreich sein würde.
„Und du denkst wirklich, dass Sir Georg sich darauf einlässt? Ich habe gehört, dass er sich immer mehr auf den Neuen verlässt und solange der nicht mitmacht, haben wir keine Chance.“
„Was ist, wenn ich euch sage, dass er gerade auf den Weg hierher ist.“


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„Wie hast du das denn geschafft?“
„Ich habe ihm nur ein paar Bier versprochen und nichts anderes.“
Das Gespräch plätscherte an mir vorbei. Ich wusste zwar, dass es um den Rivalen von Robert ging und ich eigentlich dem Gerede mehr Aufmerksamkeit schenken sollte, aber ich konnte nicht. Meine gesamtes Augenmerk war auf die Tür gerichtet, wo ich jeden Moment mit denjenigen rechnete auf den ich wartete. Ich musste ihn hier abpassen, denn für das was ich vorhatte, musste ich ein wenig Zeit mit ihm verbringen.


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Es dauerte nicht lange, ehe Hugh erschien. Er betrat die fast leere Taverne und für einen Moment war es still in dem Raum. Die wenigen anderen Gäste schauten kurz zur Tür und nahmen dann ihre Gespräche wieder auf. Die Männer an vorderen Tisch allerdings nicht. Sie warteten darauf, dass sich der Assassine zu ihnen setzte. Ich wartete weiter an die Wand gelehnt, wartete darauf, wie das Gespräch verlaufen würde.
„Nun, wo ist das Bier?“ War seine erste Frage und schon stand ein Krug vor ihm. Er nahm einen tiefen Schluck und stellte den Becher wieder vor sich hin. „Also, warum bin ich hier? Ihr könnt mir nicht erzählen, dass ihr mich nur zum Trinken einladen wolltet.“
„Nein, natürlich nicht. Wir möchten Sir Georg etwas vorschlagen.“
„Und warum macht ihr das dann nicht? Hält euch doch keiner von ab.“ Hugh nahm einen weiteren Zug aus dem Becher. Das war nicht gut. Ich brauchte ihn nüchtern.


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„Nun ja...“, stammelte der Mann neben ihm.
„Nun spuckt schon aus. Was wollt ihr vom Boss?“ Ein weiterer Schluck.
Einer der Männer auf der anderen Seite des Tisches mischte sich ein. „Es geht um die Patrouillen. Wir brauchen einen neuen Plan.“
Hugh sah den Mann misstrauisch an. „Warum? Wollt ihr euer eigenes Ding drehen? Das ist keine gute Idee. Darauf lässt er sich niemals ein.“
„Nein, nein. Darum geht es nicht. Wir wollen einfach nur die Nachtschicht, weil die Damen, die wir sehen nur Tagsüber frei sind.“
Hugh lachte. „Ihr wollt die Nachtschicht, damit ihr eure kleinen Liebschaften weiter fortführen könnt. So eine beschissene Ausrede habe ich schon lange nicht mehr gehört.“
„Das ist die Wahrheit. Wir wollen sonst auch nichts anderes. Ich schwöre.“


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Hugh nahm noch einen letzten Schluck aus dem fast leeren Krug und stand dann auf. „Vielen Dank für das Bier. Ihr könnt gerne versuchen mich nochmal zu bestechen, wenn ihr mit einer besseren Geschichte aufwarten könnt. Guten Abend die Herren.“
„Wartet...“, rief ihm noch einer der Männer hinterher, aber Hugh blieb nicht stehen.
Ich folgte ihm hinaus in die Nacht. Es hatte anscheinend geregnet, denn überall waren Pfützen auf dem Boden, doch der Himmel war schon wieder wolkenlos.
Der Assassine verlangsamte seine Schritte nicht, obwohl ich mir sicher war, dass er meine Anwesenheit spürte. Ich folgte ihm den ganzen Weg bis zu seiner Hütte. Es überraschte mich ein wenig, dass er immer noch dahin zurückkehrte, obwohl er doch bei dem anderen Lord angestellt war.


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In seiner Kate angekommen schloss er die Tür ab und warf sich auf sein Bett. Er machte sich noch nicht mal mehr die Mühe Licht anzuzünden. Ich setzte mich ihm gegenüber.
„Ich brauche deine Hilfe.“
Hughs einzige Reaktion war eine leichtes Schaudern.
„Ich habe ein Problem und ich fürchte, du bist der Einzige der mir helfen kann. Mal wieder.“
Nichts, außer das er ein wenig auf der Bettdecke herumrutschte, um sich bequemer hinzusetzen.
„Es tut mir Leid, dass ich jedes Mal zu dir komme, wenn ich nicht mehr weiterkomme. Aber du bist der Einzige, dem ich trauen kann.“
Ein leichtes Zucken des Kopfes in meine Richtung.
„Es geht um die junge Frau, der du gesagt hast, dass sie sich von mir fernhalten soll.“


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Er setzte sich ein wenig auf.
„Ich muss sie davon abhalten, das zu tun worin du Meister bist.“
Hugh drehte sich ein wenig in meine Richtung.
„Daher muss ich dich bitten, dass du etwas tust, wovon ich nie gedacht habe, dass ich das einmal sagen werde.“
Er zog die Beine an und lehnte sich gegen die Wand.
„Ich möchte, dass du Robert vor ihr beschützt.“
Sein Kopf drehte sich endgültig in meine Richtung.
„Verstehe das nicht falsch. Ich hasse ihn mehr als alles andere. Ich will das alleine nur für sie und das ist die größte Ironie die es geben kann.“
Er sah mich an und doch durch mich durch.
„Niemals wäre mir in den Sinn gekommen, dass ich irgendwann einmal diesen Mistkerl schützen würde. Aber leider muss es sein.“


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Hugh stand auf und ging direkt an mir vorbei.
„Seine Zeit ist noch nicht abgelaufen und ich kann nicht zulassen, dass jemand mit dem natürlichen Lauf der Dinge herumpfuscht.“
Er stellte sich vor das Wasserfass und wusch sich die Hände.
„Ich kann nicht riskieren, dass die Mächte auf diese vertrackte Situation aufmerksam werden.“
Ich stellte mich neben ihn.
„Ich kann nicht erlauben, dass ich Robert holen muss. Es darf nicht sein.“
Er schüttelte sich die Hände trocken.
„Vor allem darf Annabelle nicht diejenige sein, die seinen Tod verursacht.“


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„Du scheinst sie ja wirklich zu lieben.“
Ich blinzelte und Hugh lachte. „Jetzt bist du wohl endlich ruhig. Ich gedenke nicht dir zu helfen und jetzt verschwinde.“
„Du kannst mich hören und sehen?“ Ich war verwirrt.
„Sehen? Nein. Hören? Ja, verdammt. Und jetzt nimm dein Gejammer und verschwinde. Ich brauche nicht noch mehr Liebesdrama in meinem Leben. Davon habe ich genug gehabt.“
„Bist du denn gar nicht neugierig?“
„Warum sollte ich neugierig sein? Neugier brachte noch nie etwas Gutes. Einige behaupten sogar, dass sie Katzen umbringt.“
„Stellst du dir nicht die Frage, wer ich bin und warum du mich nicht sehen kannst, aber hören? Ist da nicht ein Funken Interesse?“ Ich wollte nicht aufgeben. Ich musste ihn dazu bringen mir zu helfen. Eine andere Möglichkeit hatte ich nicht.


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„Du bist Lucien. Das hast du doch gerade eben noch gesagt in deiner Tirade darüber wie du deiner Liebsten helfen kannst. Nein, warte, wie ich deiner Liebsten helfen kann.“ Er grinste. „Und warum ich dich nicht sehen kann, nun ich denke mal, dass du einfach nicht bereit bist, dich zu zeigen. Und nein, ich will mich nicht da mit reinziehen lassen. Ich habe schon genug eigene Probleme.“
„Aber ein paar deiner Sorgen, haben ebenfalls mit Robert zu tun. Wäre das nicht ein Grund mir zu helfen?“
Er stutzte. Ich konnte sehen, wie sein Verstand versuchte mein Argument zu entkräften.
„Hm, vielleicht und sich sage nur vielleicht, ist da etwas dran. Mir ist auf jeden Fall gerade so einiges klar geworden. Ich wusste, dass Robert eine Frau hat, aber ich wusste nicht, wer sie ist. Vielen Dank für die Information.“


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„Ich bitte dich inständig: hilf mir und hilf ihr. Sie ist unschuldig und ich möchte wirklich, dass es so bleibt.“
„Niemand ist unschuldig.“
„Bitte. Ich möchte wirklich versuchen, dir zu erklären, warum du mir helfen sollst. Ich schwöre, du wirst es nicht bereuen und alles was es dich kostet ist ein wenig deiner Zeit.“ Ich sah ihn an während er überlegte, versuchte abzuwägen ob sich eine Zusammenarbeit lohnt. Ich konnte nur warten, wie seine Entscheidung ausfallen würde.
„Also gut, erzähl. Ein wenig Zeit kann ich erübrigen.“ Er stellte sich mit verschränkten Armen vor mich, ohne zu wissen, dass ich vor ihm stand.
Ich atmete noch einmal tief durch, traf eine Entscheidung und fing an zu erzählen.


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„Mein Name ist nicht Lucien. Um ehrlich zu sein, ich habe keinen Namen, denn ich bin der Tod und glaube mir oder nicht, du arbeitest schon dein ganzes Leben für mich ohne es zu wissen...“
Die Sonne ging schon langsam auf, als ich fertig war mit der Geschichte. Ich ließ nur weniges aus. Ich brauchte Hugh und ich wusste, ich konnte ihn nur mit Ehrlichkeit überzeugen mit mir zu arbeiten.
„...Und jetzt brauche ich deine Hilfe und ich bitte dich diesmal vollkommen offen darum. Wirst du mir helfen?“
Stille, die ewig zu dauern schien. Er hatte sich nicht einmal bewegt.
„Komm morgen wieder. Dann kann ich dir eine Antwort geben.“ Seine Stimme war belegt und ich hörte die Erschütterung über meine Enthüllung darin.
„Das werde ich.“ Ich nickte ihm nochmal zu, obwohl er das nicht sehen konnte und dann verschwand ich.


*Fortsetzung folgt*​
 
  • Danke
Reaktionen: Malve und Cindy Sim
Es ist einfach Wahnsinn wie toll deine Bilder sind. Soviel Liebe zum Detail. :love:

Die Geschichte ist auch super, ich bin froh das ich sie entdeckt habe!

Gruß :hallo:
 
  • Danke
Reaktionen: Llynya
Huhu Malve :hallo:

Danke für das Kompliment. :schäm: Ich bau halt einfach gerne Wälder. :cool:

Mich freut es auch, dass du die Story entdeckt hast. Ich freu mich immer über jeden Leser!
 
  • Danke
Reaktionen: Tigerkatze und Malve
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You get nothin' for nothin'
Tell me who can you trust
We got what you want
And you got the lust
(AD/DC – If you want blood)
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Es war einer der längsten Tage in meiner gesamten Existenz. Ich fragte mich die ganze Zeit, ob ich das Richtige getan hatte. Ich hatte diesem Mann alles erzählt, mein gesamtes Dasein vor ihm ausgebreitet und jetzt konnte ich nur noch abwarten, wie er sich entscheidet.
Ich hatte in den letzten Monaten schon viele Fehler begangen und je länger dieser endlose Tag andauerte, umso mehr war ich davon überzeugt, dass dieser hier der Größte war.
Was hatte ich mir nur dabei gedacht, dem Assassinen so viel von mir zu enthüllen. Er mochte vielleicht gar nicht so ein schlechter Mensch sein, trotz seines Berufes, aber eigentlich kannte ich ihn kaum. Vielleicht war er in dem Moment gerade auf dem zu Robert, um ihm alles über Annabelle und mich zu erzählen. Ich wusste ja nicht, wie weit seine bezahlte Loyalität ging.


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Und so machte ich mich Abends mit sehr gemischten Gefühlen auf den Weg zu Hugh. Ich betrat seine Hütte wie ich sie verlassen hatte: nicht durch die Haustür. Aber ich machte mich durch Räuspern bemerkbar.
„Ich wusste auch so, dass du da bist“, wurde ich von ihm begrüßt. „Ich spüre, wenn jemand in meiner Nähe ist. Ein Leben wie meines und man entwickelt gewisse Fähigkeiten.“ Er lachte trocken.
„Ich wollte nur höflich sein.“
„Natürlich. Schließlich willst du ja auch etwas von mir. Setz dich, dann kann ich wenigstens so tun, dass wir uns wie normale Geschäftspartner unterhalten.“ Er deutete auf den Hocker vor ihm.
Ich nahm das als ein gutes Zeichen und setzte mich ihm gegenüber.


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„Wir sind also Geschäftspartner?“ fragte ich mit echter Neugier in der Stimme.
„Noch nicht, aber ich habe über deine Geschichte nachgedacht. Es erklärt einiges, was mir vorher noch nicht so klar gewesen ist.“
„Dann glaubst du mir?“
„Die wahnwitzige Enthüllung, dass du der Tod bist? Ich weiß nicht, aber du scheinst für vieles verantwortlich zu sein, was ich mir nicht erklären konnte. Warum ich zum Beispiel deine Liebste einmal umgebracht und ihr dann später einen sehr ernst gemeinten Rat gegeben habe. Wie mir scheint, hat sie ihn nicht befolgt. Dummes Kind.“
„Ich weiß, es tut mir Leid, dass ich dich auf diese Weise benutzt habe. Aber damals hatte ich, wie heute auch, keine andere Wahl.“
Er nickte. „Ja, du hast dich in eine ganz schöne Misere gebracht. Was soll ich dazu sagen, außer das Liebe aus uns allen nur Idioten macht.“


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Ich lächelte. „Da kann ich dir nur Recht geben.“
„Aber gut, was vergangen ist, ist vergangen. Wie schon gesagt, ich habe über deine Situation nachgedacht und so schwer es mir auch fällt, muss ich zugeben, dass du Recht gehabt hast. Dein Problem mit Robert hat auch was mit mir zu tun. Wie du ja weißt, arbeite ich für das royale Schwein und ich war mir von Anfang an nicht sicher, ob mich das nicht meinen Kopf kosten könnte.“
„Ja, ich kenne deine Bedenken ihm gegenüber.“
„Weil du mich und... sie belauscht hast. Noch etwas worüber ich nicht sehr glücklich bin. Ich halte mein Privatleben gerne fern von allen anderen.“ Hugh funkelte mich an. „Doch am Ende wird abgerechnet, nicht wahr?“
„Am Ende bekommt jeder das was er verdient.“
Hugh lachte laut auf. „Das kann ich mir kaum vorstellen.“


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„Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich dir das große Geheimnis verrate, was nach dem Tod kommt.“ Ich konnte mir das Lachen auch nicht verkneifen.
„Man kann es ja mal versuchen.“ Hugh grinste. „Aber gut, wo waren wir. Ach ja, Robert. Ich denke, ich kann dir helfen. Nicht, weil du mich dieses Mal so nett und ehrlich darum bittest, sondern aus rein egoistischen Gründen. Ich habe schon länger darüber nachgedacht, den nicht gerade sehr einträglichen Job von Robert hinzuwerfen. Meine Zeit ist mir viel zu wertvoll, um sie weiter mit dem lächerlichen Kleinkrieg zwischen ihm und dem anderen Mistkerl zu verschwenden.“
„Das freut mich zu hören.“ War alles was ich sagen konnte, zu groß war die Erleichterung.
„Glaube bloß nicht, dass ich mich jetzt bei dir bedanke, nur weil du mir einen Grund lieferst.“
„Das erwarte ich auch nicht. Ich weiß, was ich dir angetan habe.“


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„Nichts, was schlimmer ist, als das was ich den meisten Menschen angetan habe. Ich bin kein guter Mensch, aber ich denke das weißt du, sonst hättest du nicht mich um Hilfe gebeten.“
„In dir steckt mehr als man am Anfang erwartet und daher würde ich dich auch nicht als schlechten Menschen bezeichnen. Aber meinem Urteil kann man nicht trauen, dazu interessieren mich so Dinge wie gut und schlecht wenig. Am Ende nehme ich jeden mit.“
„Drohungen ziehen bei mir nicht.“
Ich lächelte. „Das sollte auch keine sein. Nur eine Tatsache. Wie sieht dein Plan aus? Ich gehe davon aus, dass du schon genau weißt, wie es weitergeht.“
Hugh nickte. „Ich werde zuerst meine Anstellung bei dem Bastard Sir Georg beenden. Ich lege keinen Wert darauf noch weiter das Mädchen für alles für ihn zu sein. Der soll seinen Kram schön alleine machen.“
„Und denkst du, das klappt ohne Probleme?“


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„Georg ist kein Problem. Ich weiß Dinge über ihn, die den bösen Wolf zu einem kleinen Welpen machen. Ich mache mir mehr Sorgen darüber, wie der feine Herr Sir Robert reagiert. Er hat mehr zu verlieren als Georg und könnte es nicht so einfach aufnehmen, dass ich ihm den Dienst verweigere.“
„Was ich nicht verstehe ist, wie hilft es mir, wenn du den Dienst bei Robert aufgibst? Verzeih die Frage, aber alles was ich will, ist das Annabelle nicht zu einer Mörderin wird.“
„Das habe ich nicht vergessen, keine Angst. Ich muss aufhören für ihn zu arbeiten, weil es sonst nicht so einfach für Annabelle ist, mich für die Ermordung ihres Gatten anzuheuern.“
„Warum sollte sie dich anheuern? Ich will nicht, dass sie irgendjemanden anheuert.“ Ich war vollkommen verwirrt.
„Du willst nicht, dass sie den Weg einschlägt, den sie bereit ist einzuschlagen. Das verstehe ich, aber im Endeffekt willst du doch verhindern, dass Robert stirbt um die natürliche Ordnung nicht zu zerstören. Und das kann ich dir ermöglichen. Ich kann nicht verhindern, dass Annabelle Schritte einleitet. Sie ist verzweifelt und das ist immer gefährlich. Aber ich kann so verhindern, dass Robert vor der Zeit stirbt.


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Zur Not kann ich es auch nur so aussehen lassen, das Robert tot ist. Aber das kommt mit einem Preis. Wie der aussieht, nun das können wir dann besprechen, wenn es soweit ist. Das ist alles was ich dir anbieten kann.“
Es verschlug mir die Sprache. Das war mehr und zugleich weniger als ich erwartet hatte. Mehr, weil er zugesagt hatte mir zu helfen und weniger, weil er Annabelle nicht davon abbringen konnte, wirklich den Tod von Robert in Kauf zu nehmen.
„Das wird genügen“, sagte ich und stand auf.
Hugh tat es mir instinktiv gleich. Ich stellte mich vor ihn hin und ergriff seine Hand. Ich konnte seine Verwirrung spüren, als er fühlte wie etwas Unsichtbares nach ihm griff.


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„Dann ist es abgemacht. Ich werde die nötigen Schritte einleiten und du wirst deine Liebste so weit zurückpfeifen, dass sie nicht vorher eingreift, ehe ich nicht bereit bin.“
„Ich gebe mein Bestes. Ich danke dir.“
„Bedanke dich nicht zu früh. Am Ende wird abgerechnet.“
„Wollen wir nur hoffen, dass das Ende nicht so bald kommt.“ Mit den Worten ließ ich ihn zurück. Ich spürte, dass ich hier mehr erreicht hatte, als ich zu hoffen gewagt hatte. Und seltsamerweise fühlte es sich so an als hätte ich so etwas wie einen Freund gewonnen. Mir war klar, dass der Assassine seine eigenen Gründe hatte, sich auf die Abmachung einzulassen, aber solange er tat, was er versprochen hatte, sollte mir das egal sein.


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Als ich die Hütte diesmal auf dem normalen Weg verlassen hatte, wurde mir erst richtig bewusst, was ich gerade erreicht hatte. Robert würde nicht so bald sterben, es sei denn ich bekam endlich den Auftrag von Oben für ihn und das lag noch in der Ferne.
Eigentlich war es das was ich gewollt hatte, aber mir war auch klar, dass für Annabelle die Ehehölle noch weitergehen würde und vielleicht hatte ich es auch noch schlimmer gemacht. Wenn Robert seinen Verbündeten verlor, war er vielleicht verzweifelt und verzweifelte Menschen machten grausige Dinge.
Aber nun war es zu spät, ich musste jetzt alles tun um Annabelle zu beschützen. Zu spät für Zweifel und auch zu spät um noch umzukehren.


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„Du bist also doch da. Ich hatte schon gedacht, dass ich diesen Gang alleine machen muss.“ Hughs Stimme war voller Sarkasmus, als ich ihm leicht verspätet zu dem Treffen mit Robert folgte.
„Es ist für mich nicht immer einfach, bestimmte Orte auf Anhieb zu finden.“
„Macht dir das nicht Probleme bei deiner Aufgabe die Toten zu holen?“
„Nein, denn ich da kenne ich Ort und Zeit. Nur wenn ich Orte oder Menschen finden soll, die nicht auf meiner Liste stehen habe ich Schwierigkeiten.“
„Gut zu Wissen. Und jetzt tu einfach das, was du sonst immer gemacht hast. Sei still und beobachte. Nicht, dass der abgehalfterte Lord noch Lunte riecht.“
Hugh öffnete die Tür zu der alten Bauernkate, in der er sich immer mit Robert traf.


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„Das wurde auch langsam Zeit“, fauchte dieser Hugh an. „Ich habe euch schon vor Tagen eine Nachricht hinterlassen.“
„Ich freue mich auch immer, Euch zu sehen Euer Durchlaucht.“ Hugh ließ sich nicht einschüchtern. Eine der Eigenschaften von ihm, die ich schon immer bewundert habe.
„Spart Euch das. Was sollte das?“
Hugh setzte sich erst einmal. „Was sollte was?“
„Ihr wisst ganz genau was ich meine. Warum habt Ihr den Dienst bei Georg gekündigt? Das war nicht unsere Abmachung!“
„Hugh nickte. „Das stimmt. Aber Ihr habt Euch ja auch nicht daran gehalten.“
„Was soll das heißen?“ Robert starrte ihn finster an.
"Eure letzte Zahlung ist ausgeblieben und ohne Geld, keine Leistung.“


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„Das kann doch nicht Euer ernst sein?“ Robert brüllte schon fast. „Wollt Ihr mir ernsthaft erzählen, dass Ihr so dringend Geld braucht? Ich habe Euch doch gesagt, dass Ihr das Geld bekommt und ich halte meine Versprechen immer.“
„Ich auch. Denkt immer daran.“ Hughs Drohung war viel effektiver als Roberts.
„Ihr habt mir versprochen, mich wieder dahin zu bringen, wo ich hin gehöre.“
„Nein, ich habe einen Vertrag mit Euch geschlossen. Das ist was anderes als ein Versprechen. Verträge kann man brechen, Versprechen nicht.“
„Was redet Ihr da für einen Unsinn?“ Robert klang fassungslos. „Ihr wollt unseren Vertrag brechen? Habt Ihr euch das auch gut überlegt?“
„Eigentlich habt Ihr den Vertrag gebrochen. Meine Dienste für Euer Gold. Ich habe geliefert, Ihr nicht. Ein ganz eindeutiger Vertragsbruch.“


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„Ich werde Euch schon noch das Geld geben. Ich brauche nur noch mehr Zeit.“
Hugh sah Robert einen Moment lang an, ehe er antwortet. „Ihr hattet mehr als genug Zeit. Und ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass Ihr in nächster Zeit auch nur einen Pfennig habt, um ihn mir zu geben.“
„Wie kommt Ihr auf den absurden Gedanken?“ Trotz der Worte klang Robert verunsichert.
„Ich habe da so meine Quellen. Ich weiß, dass Ihr total abgebrannt seid und nicht einer Eurer Gläubiger sich mehr auf Euer Wort verlässt. Ich steige einfach nur aus, ehe Ihr noch mehr Schulden macht. Ihr solltet mir Dankbar sein.“
„Euch dankbar sein? Ihr seid der größte Verräter, der mir je unter gekommen ist.“ Robert starrte den Assassinen eisig an, doch dieser war sich seiner Überlegenheit wohl bewusst.


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„Seht es wie Ihr wollt, aber ich bin raus. Ich werde mir für Euch nicht mehr die Hände schmutzig machen.“
„Das werdet Ihr bereuen. Wenn ich wieder an der Macht bin, werde ich Euch finden und dann gnaden Euch die Götter. Ihr werdet qualvoll und elendig verrecken.“ Robert spuckte fast vor Hass.
Hugh stand nur gelassen auf. „Macht besser keine Versprechen, die Ihr nicht halten könnt. Einen schönen Abend noch, Eure hochverehrte Durchlaucht.“
„Verschwindet endlich und tretet mir nie wieder unter die Augen“, brüllte Robert Hugh noch hinterher, doch dieser war bereits in die Nacht verschwunden.​



*Fortsetzung folgt*​​
 
Liebe Juls,

ich bin auch froh, dass ich es geschafft mich wieder der Geschichte widmen zu können. Die letzten Jahre hatten mich so aus der Bahn geworfen, dass ich weder Zeit, Lust noch Spaß an den Sims hatte. Und es hat immer an mir genagt, dass ich die Story noch nicht beendet habe. :zitter: Aber jetzt habe ich wieder mehr Zeit, Motivation und Inspiration um dranzubleiben. :nick:
Und wie ja schon an anderer Stelle gesagt habe, lass dir Zeit. Es läuft solange die Server noch stehen, nichts weg und Totgeglaubte leben länger.

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Und dann gibts jetzt dann gleich mal die Nr. 30. Im Moment habe ich noch Fortsetzungen in Petto. Darum geht es jetzt zügiger weiter. Hoffe ich zumindest. :)
 
30


You're the voice, try and understand it
Make the noise and make it clear, oh, whoa
We're not gonna sit in silence
We're not gonna live with fear
(John Farnham – You're the Voice)​


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Es war getan. Der erste Schritt um ein noch größeres Unglück zu verhindern, als die schlimme Ehe mit dem royalen Mistkerl. Ich konnte wirklich nicht riskieren, dass ich Robert vor seiner Zeit holen muss. Natürlich wusste ich, dass auch Robert irgendwann sterben musste, aber der Zeitpunkt war noch in der Ferne.
Es tat mir weh, dass sie leiden musste und ich nichts tun konnte, um den ungeliebten Mann aus Annabelles Leben verschwinden zu lassen. Auf jeden Fall nicht endgültig.
Ich durfte auch nicht riskieren, dass Annabelle herausfand, wer ich wirklich bin. Es war mir klar, dass ich es nicht auf ewig verhindern konnte, dass sie mein Geheimnis herausfand, aber ich musste es so lange versuchen wie es ging.


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Doch zuerst musste ich dafür sorgen, dass der Plan aufging. Ich fing Annabelle auf dem Weg in den Stall ab. Ich wusste ja, dass Robert noch auf dem Weg nach Hause war und wir so ein wenig Zeit hatten. Nicht viel, aber hoffentlich genug.
„Was machst du hier?“ Annabelle war nicht begeistert mich zu sehen, oder war es doch mehr Angst vorm dem Erwischt werden?
„Keine Sorge, dein Mann ist noch eine Weile unterwegs.“ Ich versuchte sie zu beruhigen.
„Woher weißt du das?“ Sie klang misstrauisch.
„Vertrau mir.“ Ich lächelte sie an. „Setzen wir uns einen Moment, dann hast du den Weg im Blick, sollte er doch früher hier sein, als ich denke.“
Wir setzten uns auf die Bank vor der Scheune und sofort stellte sich die Vertrautheit zwischen uns ein. Annabelles Anspannung legte sich und auch ich fühlte mich nicht mehr so unruhig.


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„Wie läuft es bei dir? Hast du schon eine Idee, wie du den Hof retten kannst?“ Ich war mehr als neugierig, denn während ich Vorbereitungen getroffen hatte, war sie sicher nicht untätig gewesen.
„Nicht nur eine, sondern viele. Aber leider ist es nicht so einfach. Ich weiß noch nicht, wie ich es schaffen kann, dass die Gläubiger still halten. Es sind einfach so viele Schulden. Mein Vater hatte schon einen Haufen davon, aber seit Robert hier der Herr ist, sind sie geradezu explodiert. Er war ja noch nie sparsam, aber er wirft das Geld, was wir nicht haben, mit vollen Händen raus. Ich verstehe nicht, wo er das alles lässt, denn hier passiert einfach nichts. Das Stalltor fällt bald auseinander und das Dach ist auch undicht. Aber all das stört den Hausherrn ja nicht. Ich bin ja schuld, dass es kaputt ist, weil ich nicht besser auf die Sachen aufpasse.“ Sie seufzte und ich wollte nach ihrer Hand greifen, aber sie faltete die Hände und ich zog meine zurück.


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„Aber egal. Es spielt keine Rolle, was er mit dem Geld macht. Es würde ja auch nicht nichts nützen, wenn er das Geld für etwas Sinnvolles ausgeben würde. Solange wie er immer mehr Schulden macht, wird es fast unmöglich sein den Hof zu retten.“
Ich sah sie an und hatte eine Idee. „Es hört sich vielleicht ein wenig abwegig an, aber was ist, wenn du den Hof aufgibst? Ich weiß, dass hört sich schlimm an, aber denk einmal darüber nach...“
Sie sah mich an und ich wusste, dass ich einen Fehler gemacht hatte. „Bitte, es war nur eine Idee. Sei mir nicht böse, dass ich es vorgeschlagen habe.“


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„Nein, bin ich nicht. Ich habe selber schon daran gedacht. Aber ich kann mein Zuhause nicht aufgeben. Das kann ich einfach nicht. Ich liebe den Hof, die Tiere, den Garten, das Haus. Ohne das alles wäre ich nur noch ein halber Mensch.“ Sie sah mich eindringlich an.
„Das verstehe ich.“ Ich gab ihr die Bestätigung, die sie brauchte. Auch wenn ich so die mir am Besten erscheinende Idee wieder verwerfen musste.
„Hm“, machte ich dann. Ich musste ihr ja noch von dem Assassinen erzählen, doch die Worte waren schwer zu finden. Ich durfte jetzt keinen Fehler begehen. „Erinnerst du dich an den Tag, an dem du zum Turm gekommen bist um mich zu sehen?“
„Ja, aber ich sehe nicht, warum du mich das jetzt gerade fragst.“ Sie sah mich fragend an und ich wurde nervös.
„Nun ja, ich habe den Mann, den du da getroffen hast, ein wenig im Auge behalten. Schließlich hätte er eine Gefahr für dich sein können und womöglich Robert berichten können...“
Sie nickte. „Ja. Darüber habe ich mir auch schon Gedanken gemacht. Gut, dass du dich darum gekümmert hast.“


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Mir wurde etwas leichter ums Herz. „Nun ja. Ich musste es einfach tun. Ich konnte ja nicht riskieren, dass du Ärger bekommst.“
„Den bekomme ich doch immer, aber trotzdem danke für deine Besorgnis.“ Sie lächelte ihr bezauberndes Lächeln, was wie ich inzwischen wusste nur mir gehörte.
„Es muss ein Ende haben.“ Ich sagte es mit fester Stimme, wohl wissend, dass ich im Moment nicht dazu beitrug.
„Das wird es! Aber was ist jetzt mit dem Mann aus dem Turm? Du wolltest mir doch etwas über ihn erzählen.“
„Stimmt, das wollte ich. Also hör zu...“, begann ich, aber dann wurde ich von Schritten unterbrochen. Gerade noch rechtzeitig warnte ich Annabelle vor ihrem Ehemann. Sie zuckte zusammen und tat nur eine Sekunde später so, als wäre sie allein.
Nur nütze ihr das Nichts. Roberts schlechte Laune war sofort spürbar, kaum das er um die Hausecke gebogen kam. Er ging auf Annabelle zu und baute sich vor ihr auf.
„Was treibst du hier draußen?“ Brüllte er sie an und sie nahm gleich eine Schutzhaltung ein.


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Aber es nützte nichts. Robert packte sie am Arm. Gab ihr noch nicht einmal Zeit zu antworten. „Du wirst gefälligst nicht hier in der Dunkelheit sitzen und nichts tun.“ Gewaltsam riss er sie von der Bank und sie konnte sich nicht wehren.
„Ab ins Haus mit dir, du unnützes Stück.“ Wie eine Puppe schüttelte er sie und drängte sie in Richtung Haus. Annabelle stolperte über den Saum ihres Kleides und fiel zu Boden.
„Du dumme Kuh. Kannst du noch nicht mal gehen oder was.“ Robert fluchte und trat noch einmal nach ihr, während sie noch am Boden lag.
Hass wallte in mir auf, aber ich wusste, dass ich nicht eingreifen durfte. Ich konnte ihr nicht helfen.


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Das Einzige, was ich tun konnte, war zu gehen. Ich teleportierte mich weg und ließ sie allein. Ich musste es tun, aber es brach mir wieder einmal das Herz.
Ich landete an einem einsamen Strand. Ich setzte mich in den klammen Sand und starrte auf das aufgewühlte Wasser. Die Brandung rauschte und das Wasser suchte sich seinen Weg über den Strand. Eine lange Weile tat ich nichts, als auf das Wasser zu sehen. Den Rhythmus der Wellen in mich aufzunehmen und meine Gedanken leer werden zu lassen. Ich durfte nicht darüber nachdenken, was ihr noch passieren würde, sonst würde ich verrückt werden.


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Die Nacht schritt voran und ich musste überlegen, was ich tun konnte. Mir war an diesem Abend so klar geworden, dass es so nicht weiter gehen konnte. Ich konnte zwar verhindern, dass Robert starb, aber ich musste dafür sorgen, dass er Annabelle nicht mehr weh tun konnte.
Langsam formte sich eine Idee in meinem Kopf, aber dafür brauchte ich Hilfe. Ich selber konnte nichts tun, aber ich wusste, wenn ich fragen konnte.
Ich stand auf und klopfte mir den Sand von der Kleidung. Es war schon sehr spät geworden. Selbst der Mond hatte sich schon so weit hinter den Horizont verzogen, dass er schon gar nicht mehr zu sehen war. Ich überlegte kurz und spielte ein wenig mit der Zeit herum. Nicht viel, nur bis zu dem Zeitpunkt als ich Annabelle verlassen hatte. Es erschien mir genug, dass Hugh inzwischen zu Hause sein müsste.


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Ich irrte mich nicht. Als ich seine Hütte betrat, war er gerade noch beschäftigt. Er hatte wohl selber ein wenig Wut im Bauch, so schnell wie er eine Liegestütz nach der anderen machte.
„Habe ich heute nicht schon genug für dich getan.“ Selbst um mich vorwurfsvoll an zu schnauzen, hatte er noch genug Luft.
„Es tut mir leid, aber wie du weißt, habe ich sonst niemanden an den ich mich wenden kann.“
„Oh, der arme Tod. Keiner will mit ihm spielen.“ Er stieß sich noch einmal vom Boden ab und stand dann auf. Ein paar Schweißperlen glitzerten auf seiner Stirn, sonst sah man ihm die Anstrengung nicht an. Ich war ein wenig beeindruckt und nahm ihm deshalb seinen spöttischen Ton nicht übel. Er hatte ja Recht.


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„Na dann, schieße schon los. Was ist denn passiert, dass du mal wieder meine Hilfe brauchst?“ Verschwunden war der Spott von davor, verdrängt von Professionalität. Es wunderte mich ein wenig, wie schnell er bereit war mir Unterstützung anzubieten angesichts seines Berufes.
Schnell erklärte ich ihm, was noch an dem Abend vorgefallen war. Ich verschwieg allerdings, dass ich ein wenig mit der Zeit gespielt hatte. Es war zwar nichts Schlimmes, aber ich wollte nicht noch mehr aufzeigen, wie anders ich war.
„Ich habe ja Respekt vor dir, dass du dich so zurückhalten kannst, wenn es um deine Freundin geht. Ich könnte nicht einfach so dabeistehen, wenn ich an deiner Stelle wäre.“
„Ich habe keine andere Wahl. Ich kann nicht eingreifen, weil es ihr dann noch mehr schaden würde. Das habe ich dir doch erklärt.“
Er nickte. „Ja, ich habe es auch verstanden. Aber ganz ehrlich, mir wären alle Konsequenzen egal, wenn ich damit die Frau, die ich liebe, schützen kann.“


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„Dann bist du ein mutigerer Mann als ich.“
Hugh lachte kurz auf und setze sich dann aufs Bett. Da er mich immer noch nicht sehen konnte, wusste er nicht immer in welche Richtung er schauen musste, wenn er mit mir sprach.
„Also, du willst solche Übergriffe verhindern und doch dafür sorgen, dass Schweinepriester Robert überlebt.“
Ich nickte. „Genauso habe ich es mir vorgestellt.“
„Und ich soll mir jetzt eine Lösung ausdenken?“
„Du hast mehr Erfahrung als ich in der Materie. Ich meine mit Menschen an sich. Ich existiere zwar schon sehr lange, aber ich kenne mich nur mit dem Tod aus und nicht mit dem Leben. In letzter Zeit habe ich mehr über sie gelernt als in den Jahrhunderten davor, aber ich weiß immer noch nicht genug über das tägliche Leben.“
„Ich verstehe.“ Hugh gähnte und schnalzte dann mit der Zunge. „Ich werde versuchen mir etwas auszudenken. Versprechen kann ich nichts, aber denke darüber nach. Aber jetzt brauche ich erst einmal Schlaf.“


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Ich erkannte den Rauswurf und ließ den Assassinen alleine. Ich kehrte zum Turm zurück, weil ich mir dachte, dass Annabelle mich dort zuerst suchen würde. Ich hoffte, das mit ihr alles in Ordnung war und Robert die Grenzen nicht zu weit überschritten hatte.
Es war ein langer Tag, denn ich traute mich nicht zu ihr zu gehen. Aus reiner Angst, dass Robert uns erwischen würde. Um nichts in der Welt wollte ich noch mehr Leid in ihrem Leben verursachen.
Ich stand die ganze Zeit oben an den Zinnen und beobachtete den Weg. Mit jeder Minute, die verstrich, wurde ich nervöser. Mit jeder Stunde, die der Tag voranschritt, verschwand die Hoffnung immer mehr.
Mit der Zeit fing ich an nervös auf und ab zu gehen, immer ein Auge auf den Streifen Stein zwischen dem Grün.


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Und als sie endlich den Weg entlang schritt, rannte ich ihr fast entgegen. Ich fasste sie zur Begrüßung nur leicht um die Hüften, vor Angst, dass ich ihr weh tun würde wenn ich sie zu fest umarmte. Sie spürte mein Zögern und lächelte ein schiefes Grinsen. „Es ist nicht so schlimm gewesen. Nachdem du gegangen bist, war es auch schon vorbei.“
Kein Vorwurf, keine Beschwerde. „Ich musste gehen. Ich konnte es nicht mit ansehen. Es tut mir Leid.“
Sie nickte. „Ich weiß. Ich kann nicht lange bleiben, ich wollte dich nur wissen lassen, dass ich in Ordnung bin.“
„Danke!“ Ich war ihr wirklich Dankbar.
„Und natürlich treibt mich die Neugier her. Du wolltest mir gestern doch noch was über den Mann erzählen, der hier war. Er ist doch jetzt nicht hier oder?“
„Nein, ist er nicht. Wir sind allein.“


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Sie sah mich erwartungsvoll an und ich schluckte. „Dieser Mann heißt Hugh und er hat einen speziellen Beruf. Er ist ein bezahlter Mörder.“
Stille.
„Ich weiß, wie sich das anhört, aber ich bin mir sicher, dass er uns helfen kann.“
Annabelle starrte mich an, als hätte ich plötzlich zwei Köpfe und ich konnte ihre entsetzen Gedanken fast hören, so sehr spiegelten sie sich in ihrem Gesicht wider. Doch dann verhärtete sich ihr Blick und ein Feuer begann in ihren Augen zu lodern.


*Fortsetzung folgt*


Aber ich habe noch ein kleines Beruhigungsbildchen für Euch:


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Sehr genial! Vielen Dank fürs posten!
Ich bewudere sich, wie du das hinbekommst :-) Freut mich sehr!
Und ich bin auch schon gespannt, wie es wohl weitergeht...





~ Mit eingefügtes komplettes erstes Posting von Llynya entfernt ~ julsfels
 
Huhu Adiehl,

vielen Dank fürs Lesen! Freut mich, dass es dir gefällt. :)
Wie es weitergeht erfährst du gleich. ;)
 
31


I see all the angry faces
Afraid that could be you and me
Talkin' about what might have been
I'm thinkin' about what it used to be
(Robert Tepper – No easy way out)​


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„Und du glaubst wirklich, dass er uns helfen würde?“ Wir hatten uns auf die Treppen gesetzt und scheinbar hatte Annabelle vergessen, dass sie eigentlich schon wieder auf dem Weg nach Hause sein müsste.
Ich nickte. „Ja, das denke ich schon. Das ist schließlich sein Job.“
„Aber wie sollen wir ihn bezahlen? Ich meine, er will sicher Geld haben und das haben wir nicht. Es sei denn du hast hier ein Vermögen versteckt. Das würde allerdings all unsere Probleme lösen.“
„Tut mir Leid, aber nein. Hier gibt es nichts außer Spinnweben und verfallene Möbel.“
„Wehe wenn das nicht stimmt.“ Sie zwinkerte mir zu. „Das wäre sonst ein ganz schöner Vertrauensbruch.“


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Ich lachte. „Keine Sorge. Das ist die ganze Wahrheit über meine finanzielle Situation.“
„Dann bleibt eben doch die Frage, wie schaffen wir es das dieser Assassine uns hilft.“ Sie stockte kurz bei dem Wort Assassine, aber das hielt sie nicht davon ab weiter zu sprechen. „Ich kann kaum auf dem Markt Lebensmittel einkaufen, weil kein Geld da ist. Wie soll ich dann genug davon aufbringen, um dem Mann seinen Dienst zu bezahlen?“
„Vielleicht kann ich ihn überzeugen.“
„Und wie? Denkst du, dass er nur aus reiner Gutherzigkeit helfen wird?“ Sie klang skeptisch.
„Natürlich nicht. Ich dachte auch nicht unbedingt daran, ihn damit zu überreden. Ich dachte eher daran, dass ich ihm ein wenig Angst mache. Ich bin schließlich nicht wirklich ein Mensch.“
„Meinst du ernsthaft, dass du das kannst? Ich weiß ja nicht, wie das gehen soll.“


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„Lass das nur meine Sorge sein. Ich habe da schon eine Idee.“ Eigentlich hatte ich ihn ja schon überzeugt, aber das musste sie ja nicht wissen. Für einen Moment hatte ich ein schlechtes Gewissen, für all die Lügen, die ich ihr erzählen musste. Aber dann bekämpfte ich das Gefühl. Ich hatte keine andere Wahl.
„Aber ich will nicht, dass du dich in Schwierigkeiten bringst. Es reicht doch schon, dass ich in dieser Misere stecke.“ Sie sah mich ernst an und ich fühlte eine Welle der Zuneigung zu dieser Frau.
„Was sollte er schon mit mir machen? Er kann mich nicht verletzen. Das ist einer der Vorteile an meinem Dasein.“ Ich brachte das Wort Geist nicht mehr über die Lippen.
„Aber wer weiß, was er sonst noch machen kann.“ Der ernste Blick wich nicht aus ihrem Gesicht.


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„Mach dir bitte keine Sorgen. Ich werde vorsichtig sein und wenn ich nicht erfolgreich bin, dann lassen wir uns etwas anderes einfallen. Wir haben ja sowieso noch das Problem mit dem Hof.“
Sie nickte. „Ja, dafür brauchen wir auch noch eine Lösung.“
„Wir finden eine.“ Ich versuchte sie zu überzeugen.
„Bestimmt. Aber es schadet bestimmt nicht, schon mal mit dem Mann zu sprechen. Vielleicht kann er uns ja auch gar nicht helfen oder er lehnt den Auftrag von vornherein ab.“


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„Das glaube ich nicht. Er scheint sehr professionell zu sein.“
„Das mag wohl sein, aber wenn wir ihn nicht mit Geld bezahlen, wer weiß.“ Annabelle sah hinauf zum Himmel. „Ich bin schon viel zu lange hier. Ich muss jetzt wirklich gehen. Danke dir, dass du dich darum kümmerst.“ Sie gab mir einen Kuss auf die Wange und stand dann auf.
„Das ist doch selbstverständlich. Sei vorsichtig und passe auf dich auf.“
„Mach ich doch immer. Bis bald und melde dich, wenn du etwas Neues weißt.“
„Natürlich. Bis dann.“ Ich sah ihr noch lange nach, auch nachdem sie schon längst zwischen den Bäumen verschwunden war.


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Ein paar Tage später fand unser recht ungewöhnliches Treffen statt. Sowohl Annabelle als auch Hugh hatten Zeit gefunden sich an einen neutralen Ort zu treffen. Ich war nervös und aufgeregt, weil sich die Beiden zum ersten Mal mit dem Wissen von einander trafen und ich konnte nur hoffen, dass Hugh kein Wort über meine wahre Natur verriet.
„Einen wunderschönen guten Tag, die Herrschaften.“ Hugh klang spöttisch, als er die kleine Lichtung betrat. Aber inzwischen kannte ich ihn ein wenig und wusste, dass es nur seine Art war mit Kunden umzugehen. Nur nicht zu viel von sich selbst enthüllen und immer schön zeigen, dass er überlegen war.
Da Hugh mich immer noch nicht sehen konnte, mussten wir ein wenig improvisieren. Ich hoffte nur, dass seine Instinkte ihn nicht verließen.


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„Hallo Hugh“, begrüßte ich ihn, während Annabelle neben mir schwieg. Ich war mir nicht sicher, ob sie nicht doch einen Rückzieher machen würde.
„Lucien, schön dich zu sehen.“ Ich hörte die Ironie in seiner Stimme. „Und das ist also Annabelle. Ich muss sagen, ich hatte mir so etwas schon gedacht, als du mich im Turm überrascht hast.“
„Warum?“ Annabelle klang eisig. Ich spürte ihr Misstrauen jemanden gegenüber, von dem sie wusste, dass er Menschen für Geld tötete.
„Du hattest diesen verzweifelten Blick und ich wusste, dass du früher oder später diesen Weg einschlagen würdest. Ich mache diesen Beruf schon zu lange, um mich in Menschen zu irren. Allerdings hätte ich nicht so eine verrückte Geschichte erwartet.“
Annabelle sah ihn skeptisch an. Ich konnte sehen, wie sie versuchte herauszufinden, wie viel Hugh wusste.
„Er weiß alles. Es ging nicht anders. Ich musste ihm alles erzählen, sonst hätte er sich nicht bereit erklärt, uns hier zu treffen.“


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„Tja, und das war ein ganz schöner Schock für mich. Hat mein Weltbild ein wenig erschüttert. Aber da es hier ums Geschäft geht, ist selbst so eine Geistergeschichte nur nebensächlich.“ Hugh war wirklich ein Profi. „Also wie soll es ablaufen. Soweit ich es verstanden habe, kann Robert noch nicht gleich sterben.“
Annabelle zuckte bei dem Wort sterben leicht zusammen, aber dann fasste sie sich .„Das ist richtig. Ich muss zuerst den Hof retten und leider muss Robert so lange noch am Leben bleiben.“ Annabelle hörte sich ebenfalls geschäftsmäßig an.
„Hm, aber muss er dafür frei sein? Wenn sein Name das ist, was die Gläubiger davon abhält den Hof zu übernehmen, dann braucht es doch nicht wirklich viel mehr als ab und an ein Lebenszeichen von ihm, nicht wahr?“


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Das war ein neuer Gedanke. Auf die Idee waren weder Annabelle noch ich gekommen. Etwas verdutzt sahen wir Hugh an, der lächelte.
„Darauf seid ihr wohl nicht gekommen. Tja, nicht immer ist jedes Problem sofort mit Mord zu lösen. Es gibt genug andere Dinge, die man mit unliebsamen Personen machen kann.“
„Und wie soll das ablaufen? Ich mein, jemand muss ihn aus dem Weg räumen, sicher verwahren und immer wenn man sein Wort braucht, ihn immer wieder aus der Versenkung holen. Wie soll das funktionieren?“ Annabelle klang mehr als skeptisch und auch ich war etwas überrascht. Ich hatte nicht mit der Lösung gerechnet.
„Ja, das erfordert etwas mehr als einen einfachen Mord. Aber um es kurz zu machen, auch ich habe noch eine Rechnung mit dem Bastard offen und mir würde es wirklich viel Spaß machen, ein wenig Zeit mit ihm zu verbringen.“ Da war Stahl in Hughs einzigem Auge. Er meinte es wirklich ernst.


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„Und was verlangt Ihr von uns, damit Ihr so einen großen Auftrag übernehmt? Ich kann nicht abschätzen, wie viel Zeit ich brauche um den Hof aus den Schulden zu bekommen.“
„Das hat Euer freundlicher Geist schon übernommen. Nicht wahr... Lucien?“ Die Pause gefiel mir nicht, aber ich ließ mir nichts anmerken.
„Ja, ich werde mich an unsere Abmachung halten.“ Ich sagte es in aller Deutlichkeit.
„Was hast du ihm versprochen?“ Sie klang besorgt.
„Das erkläre ich dir ein anderes Mal. Jetzt sollten wir uns auf Robert konzentrieren.“ Ich hoffte, sie würde erst mal nicht wieder nachfragen. Ich wusste zwar schon die Antwort auf diese Frage, aber ich wollte nicht, dass Hugh sie hörte. Es war mir zu Riskant.
„Okay“, sie gab nach. „Wie habt Ihr Euch das Ganze vorgestellt. Wo wollt Ihr Robert lassen? Wie können wir an ihn herankommen, wenn wir ihn brauchen?“
„Interessant, dass Ihr nicht fragt, wie ich ihn fassen werde. Nein, Ihr braucht auch nicht zu fragen. Ihr werdet mir einfach vertrauen müssen, dass ich meine Arbeit verstehe. Wo ich ihn verstecke? Nun, ich habe da schon einen schönen Platz für ihn gefunden. Und was das an Robert herankommen betrifft, Lucien kann mich kontaktieren. Darin ist er ja gut.“


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Hugh stand auf. „Lasst es mich einfach wissen, wenn ihr beide euch entschieden habt, ob ihr meine Hilfe wollt oder nicht.“ Er hielt sich an den Plan. Wir wollten ja nicht zu vertraut vor Annabelle erscheinen. Zu meinem Leidwesen musste sie denken, dass wir uns nur kurz kannten.
„Das werden wir.“ Annabelles Stimme klang fest, aber ich spürte den leichten Zweifel dahinter. Sie war sich noch unsicher, das musste ich ändern. Hughs dunkle Gestalt verschwand innerhalb weniger Sekunden in dem Zwielicht des Waldes. Doch ich ging auf Nummer sicher, ehe ich das Wort an Annabelle wendete.
„Nun, was denkst du?“
„Ich weiß nicht. Es wäre zu schön um wahr zu sein, wenn das mit der Entführung wirklich funktionieren würde. Aber kann man dem Mann wirklich trauen? Er ist ein Mörder und nicht gerade vertrauenerweckend.“


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Ich rutschte auf dem Stein ein wenig näher an sie heran und legte den Arm um sie. „Ich denke schon, dass er ehrlich ist. Womöglich ist er der einzige ehrliche Mensch auf der Welt. Zumindest was seinen Beruf betrifft. Wenn er etwas verspricht, dann hält er das auch. Alles andere wäre sehr abträglich in seinem Geschäft.“
Annabelle schmiegte sich in meine Umarmung. „Vielleicht hast du Recht. Trotzdem muss ich noch darüber nachdenken.“
„Warst du schon so darauf bedacht, Robert umzubringen, dass es dich jetzt Überwindung kostet, es nicht zu tun?“ Ich musste diese Frage stellen. Ich musste wissen, ob ich sie schon verloren hatte oder nicht.
„Nein, eigentlich nicht. Der Gedanke wirklich jemanden zu töten, selbst jemanden den ich so hasse wie Robert, missfällt mir total.“ Ich war beruhigt. Noch war sie meine Annabelle und kein mordlüsternes Monster. „Aber trotzdem muss ich noch eine Nacht darüber schlafen. Es ist eine schwere Entscheidung.“


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„Das kann ich verstehen.“ Ich zog sie auf meinen Schoß. „Aber du musst zugeben, dass es eine Möglichkeit ist, die wir ernsthaft in Betracht ziehen sollten. So bekommen wir hoffentlich Zeit genug, um genug Geld aufzutreiben.“
Annabelle lachte mich an. „Ja, ich gebe es zu. Den Assassinen zu finden, war wirklich ein glücklicher Zufall.“ Sie stupste mich mit der Nase an. „Das hast du wirklich gut gemacht.“
„Dann bist du also stolz auf mich?“
Statt einer Antwort küsste sie mich. Lange.


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Wir hörten erst auf, als es anfing zu regnen. Wir hatten gar nicht bemerkt, dass die dunklen Wolken aufgezogen waren. Lachend lösten wir uns von einander.
„Ich schätze mal, das ist ein Zeichen, dass wir gehen sollten.“ Ein wenig wehmütig klang ich schon, trotz der Tatsache, dass wir diesmal wirklich viel Zeit zusammen gehabt hatten.
„Das denke ich auch.“ Annabelle stand auf und schaute zum Himmel. „Das sieht auch aus, als würde es gleich einen richtigen Wolkenbruch geben. Wir sollten schleunigst zusehen, dass wir einen Unterstand finden.“
„Das haben wir nun davon, dass wir uns den entlegensten Platz überhaupt gesucht haben für unsere Verabredung.“
„Woanders wäre es zu gefährlich gewesen und jetzt komm endlich. Dir macht der Regen vielleicht nichts aus, aber ich mag es nicht sonderlich klatschnass zu werden.“


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Der Regen wurde schlimmer und wir kämpften uns durch völlig durchnässte Unterholz. Es war kaum möglich, schnell zu gehen oder zu laufen. Doch nach einer Weile wurden die Bäume lichter und das Laufen wurde einfacher. Inzwischen stürzte das Wasser nur so auf uns herunter.
Annabelle zog mich in eine bestimmte Richtung und ich folgte ihr ohne groß auf meine Umgebung zu achten. Kurze Zeit später erreichten wir einen alten Bauernhof mit einer offenen Scheune. Den trockenen Unterschlupf direkt vor Augen, rannten wir vollkommen durchnässt auf den Stall zu.​


*Fortsetzung folgt*​
 
32

Kiss me in the morning
Before I open up my eyes
Would you kiss me in the morning
Sunrise
(Extreme – Sunrise)​


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„Sieht so aus, als müssten wir hier eine Weile bleiben“, meinte ich als wir im Heuschober angekommen waren.
„Das hm... ist sehr ärgerlich.“ Ich hörte Annabelles Lächeln mehr als das ich es sah. Ich drehte mich zu ihr um und versuchte den Grund für ihre Fröhlichkeit zu finden. Aber außer, dass sie total durchnässt war, konnte ich nichts erkennen. Sie ging an mir vorbei und ich sah nach draußen. „Wirklich, es sieht nicht so aus, als wenn es bald aufhört. Es schüttet wie aus Kübeln.“
„Aha.“ Ich hörte wie sie im Stroh raschelte.
„Ich hoffe, du musste nicht allzu bald wieder daheim sein?“
„Nein, eigentlich nicht. Robert hat sich für ein paar Tage verzogen.“


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„Trotzdem glaube ich nicht, dass der Regen vor morgen Früh aufhört.“ Ich starrte die düsteren Wolken an, die den gesamten Himmel bedeckten.
„Hm hm.“
„Ich habe selten so einen Wolkenbruch erlebt.“
„Willst du nicht langsam aufhören, den Regen zu betrachten?“ Annabelle hörte sich leicht ungeduldig an.
„Aber sonst gibt es hier doch nicht viel zu...“ Ich drehte mich zu ihr um und alle weiteren Gedanken über den Regen und alles andere erlöschten wie eine Kerzenflamme im Sturmwind.
„Wird es dir nicht auch langsam kalt in deinen nassen Kleidern?“ Fragte sie mich mit vollkommener Unschuldsmiene, während mein Denken immer noch völlig ausgelöscht war durch ihren Anblick.


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„Mhm“, brachte ich gerade noch so heraus.
„Vielleicht solltest du sie dann auch ausziehen.“ Sie schlug es vor, als wenn es das Normalste der Welt wäre, doch ihre Stimme zitterte.
Ich schluckte, konnte mich kaum bewegen.
„Ich kann dir auch dabei helfen.“ Annabelle machte einen Schritt auf mich zu und das löste meine Erstarrung. Ich entledigte mich meiner Kleidung und schmiss sie auf den mit Stroh bedeckten Boden. Ich stürzte mich fast in Annabelle wartende Umarmung. Sie lachte glücklich und schlang ihre Arme um mich. Das Gefühl ihrer kühlen, noch leicht nassen Haut an meiner brachte mich fast um den Verstand.
Annabelle Hände strichen sanft über meinen Körper und dann setzte mein Denken komplett aus.


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Die Nacht brach herein, während Annabelle und ich eng umschlungen im Stroh lagen. Es pikste fürchterlich, aber das war nebensächlich.
Ich nahm ihre Hand in meine. „Das war … unerwartet.“ Ich fand kaum die Stimme wieder.
„Das ist nicht das Wort, was ich verwendet hätte.“ Annabelle kicherte und schmiegte sich noch enger an mich. „Längst überfällig würde auch passen, aber du warst ja immer so anständig. Wenn ich jetzt nicht den ersten Schritt gemacht hätte, würdest du immer noch verzückt den Regen anstarren.“
Ich küsste lachend ihren Scheitel. „Ich wollte dich halt nicht bedrängen.“
„Natürlich, du Unschuldslamm.“ Ihr Kopf ruhte auf meiner Schulter und ich fühlte sie gähnen. „Ich bin müde, aber ich will nicht schlafen, weil ich nicht will, dass die Nacht endet. Ergibt das Sinn?“
„Schon, aber du solltest trotzdem versuchen zu schlafen. Ich wecke dich schon, wenn es Zeit ist zu gehen.“
„Du verstehst manchmal wirklich nichts.“ Sie nuschelte nur noch und einen Moment später war sie auch schon eingeschlafen.


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Den Rest der Nacht verbrachte ich damit, ihr beim Schlafen zu zu sehen. Ihre tiefen Atemzüge und ihr warmer Körper an meinem, waren Balsam für meine Seele. Noch nie hatte ich mich ihr näher gefühlt und noch nie hatte ich mich so glücklich und zufrieden gefühlt.
Als die Sonne langsam aufging, küsste ich sie auf die Schläfe und rüttelte sie sanft aus dem Schlaf. Sie öffnete die Augen und lächelte mich verschlafen an.
„Guten Morgen“, flüsterte ich.
„Was für eine schöne Art geweckt zu werden. Warst du die ganze Nacht wach?“
„Ich brauche doch keinen Schlaf.“
Annabelle setzte sich auf und ich war einen Moment enttäuscht über den Verlust ihrer Wärme. „Stimmt, das vergesse ich immer.“ Die gerade aufgehende Sonne berührte ihr Gesicht und ließ es strahlen. Ich setzte mich ebenfalls auf und küsste ihren Nacken.
„Das kitzelt.“ Sie wand sich aus meiner Umarmung und stand auf. „Und ich fürchte, die unbeschwerte Zeit ist vorbei. Ich sollte bald zu Hause sein, sonst wird meine Mutter noch misstrauisch.“


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Ich seufzte, aber hielt sie nicht davon ab, sich wieder anzuziehen. Genüsslich sah ich ihr dabei zu. Auch wenn die Nacht vorbei war und wir wieder in unsere Rollen schlüpfen mussten, wollte ich mir soviel wie möglich von der unbeschwerten, glücklichen Annabelle einprägen.
„Nun komm schon, zieh dich an. Wir müssen los.“ Sie warf mir meine immer noch leicht feuchte Kleidung zu und schweren Herzens kam ich ihren Wunsch nach.
„Ich wünschte, wir könnten hier bleiben.“
„Ich weiß. Ich auch.“ Sie küsste mich zärtlich und stieg dann die Leiter runter. Ich folgte ihr und zusammen machten wir uns in der langsam wärmer werdenden Morgensonne auf den Weg.
Ich brachte sie nach Hause, stellte sicher, dass niemand ihr Fehlen bemerkt hatte und ging dann schweren Herzens ebenfalls wieder an die Arbeit.


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Zumindest war das mein Plan, doch jemand hatte andere Pläne mit mir. Ich fand mich am Strand wieder und spürte sie eher als das ich sie sah. Ich weigerte mich, mich zu ihr umzudrehen. Wusste ich doch was sie mir zu sagen hatte. Also starrte ich auf die Wellen, wieder einmal.
„Du kannst mich also noch nicht einmal ansehen.“ Asaliah stellte sich neben mich.
„Wozu? Ich weiß, was du mir sagen willst.“ Ich wollte nicht mit ihr reden. Wollte nicht zugeben, dass ich mein Versprechen gebrochen hatte. Wollte nicht zugeben, dass es inzwischen nichts mehr gab, was mich von Annabelle fern halten würde. Ich wollte gehen, doch ich konnte mich nicht bewegen. Asaliahs Gegenwart hielt mich an diesem Strand fest. Sie brachte mich dazu, mich ihr und allem was sie mir zu sagen hatte zu stellen.


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„Was hast du getan?“ Asaliah sah mich an und ich fühlte den Vorwurf so sehr, dass ich mich doch zu ihr umdrehte.
„Das was ich für richtig hielt.“ Ich wollte mich nicht in eine Diskussion einlassen, also ging ich gleich in die Offensive.
„Das denke ich nicht. Ich denke, du hast getan was du, was sie wollte und nicht, was richtig ist.“ Ihre Stimme war eisig, aber doch war da Wärme in ihren Augen. „Du hast deinem Verlangen nach ihr nachgegeben und nicht einen Moment über mögliche Konsequenzen nachgedacht. Und noch viel Schlimmer hast du dich einem Sterblichen offenbart. Ich frage mich wirklich, was die schlimmere Sünde ist.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht sagen, ich bin enttäuscht von dir. Es gibt keine Worte dafür, wie sehr ich dir den Verrat übel nehme.“
„Welchen Verrat? Ja, ich habe mein Versprechen gebrochen, aber es war sie, die mich wiedersehen wollte.“


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„Das spielt doch keine Rolle. Du hättest ihr sagen müssen, dass du sie nicht mehr sehen willst. Es war ganz allein deine Entscheidung, dein Versprechen mir gegenüber zu brechen. Und es war ganz allein dein Handeln, was dich dazu getrieben hat, einem Sterblichen die Wahrheit zu sagen. Weißt du eigentlich, was du damit angerichtet hast?“ Trotz der harten Worte war Asaliah sehr ruhig.
Ich hob abwehrend die Hände. „Nichts habe ich angerichtet, außer einen Menschen Glück und Hoffnung zu bringen. Ich habe ihr Leben wieder lebenswert gemacht. Endlich hat sie das Glück gefunden, was sie verdient hat. Und was Hugh angeht, er ist kein Problem.“
Asaliah schüttelte den Kopf. „Du verstehst wirklich nichts. Jetzt mag Annabelle vielleicht glücklich sein, aber was ist mit Zukunft? Denkst du denn wirklich, dass du ihr diese Scharade ewig vorspielen kannst? Dass du nichts mehr als Lucien, der freundliche Geist bist? Du denkst wirklich nicht nach, bevor du handelst.“


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„Das lass mal schön mein Problem sein.“ So langsam wurde ich wütend. Sie stellte mir die Fragen, die ich versucht hatte zu verdrängen.
„Es ist aber nicht nur dein Problem. Was du tust, betrifft uns alle.“
„Wie sollte das uns alle betreffen?“
„In dem du Sterbliche einweihst, gefährdest du uns alle. Was ist wenn der Assassine redet? Was ist wenn er sich nicht an eure Abmachung hält? Was ist wenn er auf die Idee kommt, dass Wissen was du ihm enthüllst für seine Zwecke zu benutzen?“
„Das wird er nicht tun.“
„Und woher willst du das wissen? Weil ihr so gute Freunde seid?“ Asaliah schüttelte den Kopf. „Du vertraust den falschen Leuten. Menschen kann man nicht trauen, vor allem nicht mit solch wichtigen Dingen.“


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Ich sah sie an und sie schaute weg. „Daher weht also der Wind. Du hast selber schon einmal einem Menschen vertraut und er hat dich hintergangen. Und jetzt denkst du, nur weil es dir passiert ist, wird es mir auch passieren.“
Asaliah schaute auf den Boden, doch als sie Blick wieder auf mich richtete, war da eine Träne in ihrem Auge. „Du hast Recht. Ich habe schon mal einem Menschen vertraut und er hat mich verraten. Und nein, ich bin niemals solche Wege gegangen wie du. Es war anders...“
„Dann erzähle es mir. Hilf mir zu verstehen.“
„Ich weiß nicht, ob ich es kann.“ Ich sah, wie sie mit sich rang. Ich spürte, dass es sie quälte, was immer es auch war.
„Asaliah, bitte. Rede mit mir. So wie ich mit dir geredet habe. Vertrau mir, so wie ich dir vertraut habe.“


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„Ich vertraue dir. Ich habe dir immer vertraut und doch hast du mich hintergangen.“ Sie sah mich an, doch die Kälte von vorhin war aus ihrem Blick verschwunden.
„Ich weiß, ich habe mein Versprechen gebrochen und es tut mir Leid.“ Es stimmte, es tat mir leid, dass ich es tun musste, aber nicht die Tat selbst. Niemals würde es mir Leid tun, Annabelle zu lieben.
„Ich weiß. Aber das ändert rein gar nichts.“ Sie seufzte. „Es gibt nun einmal Dinge auf dieser Welt, die sich nicht durch Worte wieder herstellen lassen.“
„Dann lass es mich versuchen. Komm, setz dich mit mir in den Sand und lass uns reden.“ Ich deutete auf den weichen, warmen Platz direkt hinter der Wasserlinie. Sie sah mich noch einen Augenblick an und folgte dann meinem Vorschlag.


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„Du weißt, dass du mit mir reden kannst. Ich höre dir zu und ich bin für dich da. Auch wenn ich meine eigene Meinung habe, wie ich mein verkorkstes Dasein lebe.“ Ich zwinkerte ihr zu, doch sie sah mich nur resigniert an.
„Es geht doch gar nicht um nur deine Existenz. Sondern um uns alle. Es gibt Gründe, warum wir den Menschen nichts über uns sagen sollten. Menschen kann man nicht trauen mit Geheimnissen.“
„Das sagtest du bereits. Aber mich würde interessieren, wie du zu dieser Annahme kommt? Meine Erfahrung mit ihnen ist das genaue Gegenteil.“
„Das kommt nur daher, weil du noch nicht so viel mit ihnen zu tun gehabt hast, wie ich. Ich bin schon viel länger in diesem Beruf als du und habe viel mehr darauf geachtet, was sie tun als du.“


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„Und einer von den Menschen hat dich verraten?“ Ich wollte es wissen. Es gab etwas was sie mir verheimlichte und ich wusste, es war wichtig, dass sie mir es erzählte.
„Ja.“ Sie schwieg gleich wieder und sah auf die Wellen.
„Dann erzähl es mir. Ich schwöre dir, ich werde nicht darüber urteilen.“
Asaliah stand nun doch wieder auf. Sie konnte nicht still sitzen. Sie stellte sich direkt ans Wasser und die Wellen schwappten über ihre Füße. Ich stand ebenfalls auf und einem Impuls folgend schloss ich sie in die Arme. Sie versteifte sich leicht, doch dann akzeptierte sie die Berührung und schmiegte sich an mich.


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„Erzähl es mir“, flüsterte ich ihr ins Ohr, während ich sie in meinen Armen hielt. Ich spürte ihren Atem an meinem Nacken. Ich fühlte wie sie mit sich rang und wie angespannt ihr Körper war.
„Erzähl es mir“, wiederholte ich und strich ihr sanft über den Rücken.
„Ich kann es dir nicht erzählen.“ Sie wollte sich von mir lösen, aber ich hielt sie weiter fest.
„Erzähl es mir!“ Ich sah ihr in die Augen und einen kurzen Moment erkannte ich etwas Vertrautes, lang Vergessenes in ihrem Blick. Asaliah nutzte meine kurze Verwirrung und ehe ich es mich versah, küsste sie mich.​


*Fortsetzung folgt*​
 
Nein, heute keine Fortsetzung, dafür einen Haufen Outtakes. Habe ich ja schon lange nicht mehr gemacht und finde es wird langsam mal wieder Zeit. :schäm:



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„Nee, du. Ich will dich hier nicht sehen. Nee, nee, nee.“ Annabelle ist manchmal nicht einverstanden mit dem was ihr Lucien so erzählt.


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Manchmal macht er mir Angst, wenn er so starrt. :ohoh:


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„Du wirst immer die Einzige für mich sein.“ *sing*


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Nicht wirklich ein Outtake, aber ich mag die Option so sehr. Und ich mag meinen Selfsim und Hugh einfach gerne zusammen.


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Sie kann sich einfach nicht entscheiden. So viele geeignete Heiratskandidaten. *kopfschüttel*


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Und so sieht es aus, wenn Fraps mal keine Lust hat. Bis ich auf die Idee gekommen bin, den Rechner einfach mal neu zu starten, hatte ich schon ziemliche Panik. :D


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Ein Hintern zum Verlieben. :love:


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Unheimlich, wenn die Sims so etwas machen. Aber wirklich. o_O


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Ihm war kalt, darum meinte er Pelz tragen zu müssen. :Oo:


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Annabelle also wirklich. Wo hast du denn deine Hand. Ich bin geschockt!


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Ein typischer Fall von Doppelbesetzung.


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Mimimimi. Ich mag nicht mit dir reden. Das Problem, wenn man ernste Sims gebastelt hat. Sowohl Lucien als auch Hugh machen das nur, wenn sie sich unterhalten. Macht es immer schwierig mit den Beiden eine vernünftig aussehende Unterhaltung hinzubekommen.


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Wir sind ja so glücklich hinter den Kulissen.


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Selbst wenn er sie schlägt, steht sie noch auf ihn. Ich muss wohl mal ein ernstes Wort mit ihr reden. So geht das ja gar nicht.


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Wie süß. Sein erstes. :D


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Und dann mittendrin schlägt einfach der Blitz ein. Hoffentlich ist das kein böses Omen.​

:hallo::hallo:
 
  • Danke
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Ah, take my love, take it down
Oh, climb a mountain and turn around
And if you see my reflection in the snow covered hills
Well, the landslide will bring it down
(Fleetwood Mac – Landslide)​


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Einen Moment spürte ich ihre warmen Lippen auf meinen. Es fühlte sich vertraut und doch falsch an. Asaliah zog mich fester an sich, wollte ihren Kuss vertiefen. In meinem Kopf schrien mehrere Stimmen, dass ich den Kuss unterbrechen sollte, doch etwas hielt mich noch davon ab. Ich wusste nicht, was es war, dass sie gewähren ließ. Vielleicht war es diese unerklärliche Vertrautheit zwischen uns, vielleicht war es einfach nur Begehren. Aber nur in Teil von mir genoss es, während der größere Teil von mir sich dagegen sträubte. In mir kämpften beide Gefühle so sehr miteinander, dass es mich lähmte und ich den Kuss zwar nicht erwiderte, aber auch nichts dagegen unternahm. Doch dann erschien Annabelles vorwurfsvolles Gesicht vor meinem geistigen Auge. Das rüttelte mich wach und so nahm ich all meine Stärke zusammen und stieß sie von mir weg.


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„Was sollte das denn?“ verlangte ich wütend zu wissen. Asaliah sah mich schuldbewusst an, sagte aber kein Wort. Am Horizont versank die Sonne gerade langsam im Meer und färbte alles rot. Als sie nicht antwortete, packte ich sie an den Schultern.
„Was sollte das werden?“
Sie schloss für einen Moment die Augen, atmete tief durch und schaute mir dann herausfordernd ins Gesicht. „Das war ein Kuss, was sollte es denn sonst gewesen sein.“
„Das ist mir schon klar,“ entgegnete ich eisig. „Aber was sollte dieser Kuss? Ich dachte wir wären Freunde, Kollegen und nichts mehr.“
Sie sah zur Seite. „Vielleicht sollten wir uns setzen, dann versuche ich es zu erklären. Es hängt alles zusammen. Deine Frage, meine Reaktion, alles.“ Sie machte eine kurze Pause und zeigte einladend auf die Feuerstelle. „Bitte, es würde es einfacher für mich machen.“


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In der zunehmenden Dunkelheit zündete Asaliah das Feuer an. Widerstrebend setzte ich mich ihr gegenüber und wartete, dass sie anfing zu erklären. Doch sie schwieg.
„Also schön, jetzt sitzen wir. Bitte, erkläre es mir.“ Ich bemühte mich vernünftig sein, doch es fiel mir schwer. Ich konnte sie so gar nicht mehr einschätzen. Dieser Kuss hatte so vieles geändert. Die beginnende Freundschaft zwischen uns zerfiel wieder in Misstrauen.
Ihr Schweigen dauerte an. Gerade als ich sie wieder auffordern wollte zu reden, begann sie.
„Ich fürchte, ich bin nicht immer vollkommen ehrlich gewesen. Ich habe einige Dinge verschwiegen, weil sie für mich zu schmerzhaft waren. Ich dachte, ich könnte damit umgehen, aber ich kann es wohl doch nicht. Ich bin nicht so stark, wie ich immer dachte.“ Sie starrte in den Sand vor ihr. Nicht einmal streifte ihr Blick mich und das überzeugte mich davon, dass ihr der Kuss unangenehm war.


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„Es tut mir Leid.“ Sie hob den Kopf ein wenig und starrte anstatt in den Sand, in die Flammen. „Ich hätte dich nicht küssen sollen, aber dir so nahe zu sein, hat so vieles in mir wach gerüttelt, dass ich nicht anders konnte. Bitte verzeih mir.“
Ich sah sie prüfend an. „Es hat mich überrascht und überrumpelt. Und vielleicht bin ich bereit dir zur verzeihen, wenn du es mir erklärst, warum du das Bedürfnis hattest mich zu küssen.“
Sie lachte bitter auf. „Warum wohl. Ich fühlte mich in eine Zeit versetzt in der solche Dinge von Bedeutung waren. Ehe wir so geworden sind, wie wir jetzt sind. Ehe unsere Berufung uns zu gefühllosen Wesen gemacht hat.“


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„Was meinst du damit? Wir waren doch immer so. Es gab nichts vor dieser Existenz.“ Ich war verwirrt.
Asaliah sah mich für den Bruchteil einer Sekunde an. Nur wahrnehmbar durch eine winzige Bewegung ihres Kopfes. „Das stimmt so nicht.“ Sie sagte es mit Bestimmtheit. „Wir waren nicht immer so. Bevor wir Seelenfänger wurden, waren wir ganz normale Menschen. Mit allen was dazu gehört, sämtlichen Gefühlen, sämtlichen Eigenschaften. Wir können uns nur gnädigerweise nicht mehr daran erinnern, damit wir unseren Beruf vernünftig ausüben können und nicht von der Menschlichkeit in uns abgelenkt werden.“
Erschüttert sah ich sie an. „Wir waren mal Menschen?“ Ich war fassungslos. „Woher weißt du das? Kannst du dich erinnern?“


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Sie nickte. „Ja, das kann ich. Ich bin besonderer Fall. Ich erinnere mich an alles aus meinem Leben vor diesem.“
Eine Weile schwiegen wir beide nach diesem Geständnis. „Erzähl es mir bitte. Und zwar alles. Lass nichts aus. Bitte,“ bat ich sie sanft. Sie hob den Kopf dem Himmel entgegen und ich konnte sehen, wie sich ihre Gedanken in die Vergangenheit richteten.
„Ich bin vor mehreren Hunderten von Jahren als ganz normaler Mensch auf die Welt gekommen. Meine Mutter nannte mich Asaliah, nach dem Engel der umfassenden Liebe. Ich wuchs ganz normal auf, hatte eine wunderbare Kindheit und als es an der Zeit war, wurde mir ein Ehemann gesucht. Anfangs war ich voller Angst davor, aber ich hatte Glück, denn ich bekam dich.“ Erstaunt sah ich sie an, aber gerade als ich den Mund öffnete, hob sie die Hand und sah mich direkt an.


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„Bitte, unterbrich mich nicht. Es ist nicht einfach für mich, überhaupt darüber zu reden, gerade mit dir. Ich hatte mir eigentlich geschworen, dir niemals davon zu erzählen, weil ich weiß das es nur Unglück bringen kann.“ Sie sah mich beschwörend an, dann fuhr sie fort.
„Schon als ich mich dir zum ersten Mal zu erkennen gegeben hatte, war die Verbindung von damals sofort wieder vorhanden. Aber ich wusste, dass du dich an Nichts erinnern würdest. Darum wollte ich dir helfen mit deinen Gefühlen für Annabelle abzuschließen, nicht weil ich dich wieder haben wollte, sondern weil ich wusste, dass daraus niemals etwas Gutes entstehen kann. Aber ich fange jetzt doch am Schluss und nicht am Anfang unserer gemeinsamen Geschichte an.


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Sie ist nur kurz, aber sie war erfüllt von Liebe, Glück. Unsere Familien hatten mit unserer Vereinigung eine wirkliche Weitsicht bewiesen. Schon nach unserer ersten Begegnung war da etwas zwischen uns. Nach einer kurzen Zeit der Werbung und des Festlegen der Mitgift, wurden wir kurzerhand Verheiratet. Weder deine noch meine Familie war vermögend, doch für eine kleine Hütte reichten unsere beschränkten Mittel. Du hattest gerade bei der Wache angefangen und ich war als Wäscherin bei einer Adelsfamilie angestellt worden. Wir kamen gut über die Runden und waren glücklich unser eigenes kleines Reich zu haben.“


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Sie machte eine kleine Pause und ihrem Wunsch entsprechend, stellte ich keine Fragen, obwohl mir davon tausende auf der Zunge brannten. Das Feuer knisterte heimelich und hinter mir rauschte die Brandung. Irgendwo in den Bäumen sangen ein paar Nachtvögel.
„Wir waren wirklich glücklich“, fuhr sie nach einer Weile fort. „Wir versuchten eine Familie zu gründen, aber es klappte nicht. Ich wurde einfach nicht schwanger. Dabei war es unser größter Wunsch Kinder zu bekommen. Es war das Einzige was unser Glück trübte.


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Und doch tat es unserer Liebe keinen Abbruch. Jede Nacht hast du mich in deinen Armen gehalten und ich fühlte mich sicher und geborgen. Es war eine einfache und schöne Zeit für uns. Und doch nagte es an mir, dass ich einfach nicht fähig war unseren Wunsch nach einem Baby zu erfüllen. Denn ich wusste, dass nur ich dafür verantwortlich war. Du warst der Mann, du konntest nicht Schuld sein. In der damaligen Zeit war es noch undenkbarer als jetzt, dass ein Mann auch fehlbar sein konnte. Und doch hast du mir nie Vorwürfe gemacht. Im Gegenteil, du hast mir jeden Tag aufs Neue bewiesen, dass du mich liebst und mich niemals verstoßen würdest, wie es dir viele deiner Kameraden geraten haben.


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Unsere Ehe dauerte gerade mal ein Jahr, ehe sich düstere Schatten über unser Glück legten. Der Krieg zog übers Land und deine Anstellung bei der Wache, erstreckte sich nicht mehr nur auf Patrouillen in den umliegenden Gebieten, wo du es mit harmloseren Banditen zu tun hattest, sondern du wurdest mit in die Kämpfe geschickt. Dort standen dir ausgebildete Krieger gegenüber, anstatt von schlecht ausgestatteten Landmännern mit wenig militärischer Erfahrung. Ich war ständig in Angst, dass du nicht mehr wiederkommen würdest, wenn du mit deinen Gefährten losziehen musstest.
Diese ständige Sorge um dich, fraß sich in meine Gedanken und ließ sich nicht mehr verscheuchen. Und dann kamst du eines Tages wieder...“ Ihre Stimme verlor sich, ihre Augen starrten blicklos in das langsam ersterbende Feuer.
„Ich war gerade erst selbst von der Arbeit daheim, als du blutüberströmt vor mir zusammenbrachst.


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Ich war völlig geschockt. Ich hatte dich seit Wochen nicht mehr gesehen und hatte mir schon jedes mögliche Szenario ausgemalt, aber ich hätte niemals damit gerechnet, dass du so nach Hause kommst. Ich war starr vor Erschrecken und Angst, während du vor meinen Augen zu Boden gingst. Du sahst mich mit sterbenden Augen an und ich konnte mich nicht einen Zentimeter bewegen. Ich sah mit an, wie das Licht deine Augen verließ.“
In ihren Augen standen Tränen, aber sie weinte sie nicht.
„Als ich meine Starre endlich überwand, war es schon fast zu spät. Ich kniete mich zu dir, berührte deine Wange, zwang dich mich noch einmal anzusehen. Ich flehte dich an, nicht zu gehen. Versicherte dir, dass ich dich liebe und immer lieben werde. Doch ich konnte nichts tun. Du hast noch einen schweren Atemzug genommen und dann verließ das Licht deine Augen endgültig.


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Ich weiß nicht mehr viel von danach. Der Schmerz, dich zu verlieren, war einfach zu viel. Das nächste was ich weiß, ist dass ich davon rannte, so schnell meine schwachen Beine mich trugen. Weg von deinem toten Körper, weg von unserem Zuhause. Zuerst gehorchten mir meine Beine kaum und ich kam nur taumelnd voran. Doch kaum hatte ich unser Grundstück verlassen, fand ich meine Kraft wieder und ich rannte, bis alle Luft aus meinen Lungen gewichen war und meine Beine brannten wie Feuer. Ich rannte, bis ich das vertraute Rauschen der Wellen hörte, die an den kleinen Strand brandeten. Ich lief bis an das Wasser heran, stoppte erst als meine Röcke bereits nass wurden vom Wasser.


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Ich ließ mich in den nassen Sand fallen, kniete nieder und flehte die Götter an, mir dich wiederzugeben. Doch niemand schien mich zu hören. Ich wetterte gegen die Stille, schrie meinen Schmerz raus, während mir die Tränen über das Gesicht liefen. Ich tat alles, außer zu akzeptieren, dass du von mir gegangen warst. Ich warf mich in den Sand, schlug auf ihn ein und drohte den Göttern meinen Leben selbst ein Ende zu machen. Aber nichts passierte.“
Asaliah seufzte schwer, ihre Augen waren wieder trocken, doch lag jetzt ein Kummer darin der endlos erschien. „Aber du kannst dir sicher denken, dass sie mich am Ende doch noch erhört haben.


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In den alten Zeiten waren die Götter noch anfälliger für solche Verhandlungen als heute. Während sie sich heute nur noch selten zeigen, waren sie damals noch eher bereit den Menschen zu zu hören.
Als drohen nichts mehr nützte, versprach ich ihnen, dass ich alles tun würde, wenn sie mir dich nur zurückgaben. Ein dumpfes Grollen verkündete ihre Ankunft und ein Blitz voll gleißender Helligkeit zog sich über den verdunkelten Himmel. Dann wurde es schlagartig schwarz um mich herum und eine tiefe, dröhnende Stimme ertönte aus dem Nichts.“



*Fortsetzung folgt*​
 
Ich wuchs ganz normal auf, hatte eine wunderbare Kindheit und als es an der Zeit war, wurde mir ein Ehemann gesucht. Anfangs war ich voller Angst davor, aber ich hatte Glück, denn ich bekam dich.


:eek:

Wow! Das ist ja mal ein echter Plottwist!

Liebe Llynya, schön, dass es hier wieder weiter geht. Ich hab in den letzten Tagen alles noch einmal durch gelesen, um wieder hinein zu finden (und deine fiesen Cliffhänger haben mich gestern fast vom Schlafen abgehalten :lol:).

Die neuen Fortsetzungen gefallen mir richtig gut. Schön, dass wir mal ein paar mehr Informationen über die Hintergründe bekommen. Das ändert ja irgendwie alles. Ich frage mich, ob es normal ist, dass alle Tode früher Menschen waren oder ob es mit dem "Deal mit den Göttern" zu tun hat und nur die beiden früher Menschen waren. Also sie praktisch in die Ewigkeit zusammen sein können - obwohl sie das ja nun doch gar nicht sind.
Aber immerhin hat "Lucien" ja somit gar nicht wirklich gelogen - zumindest hatte er früher mal ein Leben als Mensch - und wenn er Annabelle irgendwann die Wahrheit sagt, wäre das Wort "Seelenfänger" vielleicht auch die angenehmere Umschreibung als "Tod". Sofern sie es denn von ihm erfährt und nicht von jemand anderen.
Was mich auch interessiert ist, was für einen Deal Hugh wohl haben möchte - oder vielmehr, was Lucien vorschwebt. Das Leben verlängern kann er ihm ja wohl nicht. Aber vielleicht möchte er vorgewarnt werden? Oder seine Geliebte noch ein letztes Mal sehen, falls diese vor ihm stirbt? Spoinagetätigkeit wäre natürlich auch praktisch, immerhin bemerken die meisten Menschen Lucien ja nicht.

Ich bin auf jeden Fall schon richtig gespannt auf die Fortsetzung und freue mich riesig, dass es hier wieder weiter geht!
 
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Huhu Cindy,


hach, was freu ich mich, dass du noch (oder wieder) mitliest. Ich habe mir letztens auch gerade mal wieder Nachts durchgelesen. Wenn man länger weg war, vergisst man immer wieder welche Story-Schätze hier so mit der Zeit veröffentlicht wurden. :)


:eek:

Ich hab in den letzten Tagen alles noch einmal durch gelesen, um wieder hinein zu finden (und deine fiesen Cliffhänger haben mich gestern fast vom Schlafen abgehalten :lol:).

Oh, Sorry. =) :glory: Ich musste mir übrigens auch alles noch mal durchlesen, weil ich auch nicht mehr wusste, was ich so alles geschrieben hatte. So ist das eben, wenn man lange raus ist.


Schön, dass wir mal ein paar mehr Informationen über die Hintergründe bekommen. Das ändert ja irgendwie alles. Ich frage mich, ob es normal ist, dass alle Tode früher Menschen waren oder ob es mit dem "Deal mit den Göttern" zu tun hat und nur die beiden früher Menschen waren.


Das war ja auch lange mal überfällig. Irgendwann muss ich ja auch mal Antworten liefern, auch wenn mein Erzähler sie ja nicht kennt oder nicht kennen will. Ob alle Tode früher mal Menschen waren, kann ich selbstverständlich noch nicht verraten, aber warum es jetzt so zwischen Asaliah und Lucien ist, das kommt in der nächsten Fortsetzung. Asaliahs Geschichte geht ja noch ein bisschen weiter. ;)



Aber immerhin hat "Lucien" ja somit gar nicht wirklich gelogen - zumindest hatte er früher mal ein Leben als Mensch - und wenn er Annabelle irgendwann die Wahrheit sagt, wäre das Wort "Seelenfänger" vielleicht auch die angenehmere Umschreibung als "Tod". Sofern sie es denn von ihm erfährt und nicht von jemand anderen.


Das stimmt natürlich. Und Lucien wird irgendwann höchstwahrscheinlich dazu Stellung nehmen müssen. Aber ob und wie er in die Lage kommt, dazu werde ich noch schweigen.



Was mich auch interessiert ist, was für einen Deal Hugh wohl haben möchte - oder vielmehr, was Lucien vorschwebt. Das Leben verlängern kann er ihm ja wohl nicht. Aber vielleicht möchte er vorgewarnt werden? Oder seine Geliebte noch ein letztes Mal sehen, falls diese vor ihm stirbt? Spoinagetätigkeit wäre natürlich auch praktisch, immerhin bemerken die meisten Menschen Lucien ja nicht.


Bisher ist Hugh erstmal nur daran gelegen, das Robert ihm keinen Strich durch die Rechnung macht. Schließlich hat dieser ja genug in der Hand um Hugh in ernsthafte Schwierigkeiten (Gefängnis, Hinrichtung etc.) zu bringen. Das beruht zwar auch auf Gegenseitigkeit, aber Robert ist verzweifelter als Hugh. Das die Aufgabe sich um Robert zu "kümmern" sich als arbeitsintensiver herausstellen könnte und daher auch mehr Lohn für ihn drin sein sollte, so weit ist Hugh noch nicht.
Aber was ihm Lucien anbieten könnte, was sich auch umsetzen lässt, das weiß Hugh auch noch nicht. Er ist sich bewusst, dass viele Dinge nicht im Bereich des Möglichen liegen.

Vielen lieben Dank für deinen Kommi!
 
  • Danke
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As you search the embers
Think what you've had, remember
Hang on, don't you let go now
You know, with every heartbeat, we love
(Journey – Ask the lonely)​


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„'Und wer glaubst du zu sein, dass du uns um diesen Gefallen zu bitten wagst?'
'Ich bin euch immer treu ergeben gewesen. Habe immer meine Opfergaben an den heiligen Orten mit Freuden hinterlassen. Ich flehe euch an, gebt ihn mir zurück.' Meine Stimme zitterte und während ich im Sand kniete, schlugen die Wellen immer heftiger um mich herum. Der Himmel verdunkelte sich noch mehr, doch mitten in der Schwärze fing es an rot zu glühen.
'Und warum glaubst, dass es uns kümmert?'
Ich überlegte kurz. 'Weil ihr mit mir redet', entgegnete ich mit einer plötzlich einsetzenden Ruhe. Ich war mir sicher, dass das die richtige Antwort war.
Es ertönte ein grollendes Lachen. 'Sie hat Feuer in sich', sagte eine weiblichere Stimme, während die erste Stimme immer noch lachte.
'Dann geben wir ihr Feuer!' Mit diesen Worten wurde aus dem wütenden Rot am Himmel ein riesiger Feuerball, der direkt auf mich zu raste.


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Ich hatte keine Chance. Der Feuerball traf mich mit unglaublicher Wucht und schleuderte mich ein Stück zurück auf den Strand. Der Aufprall ließ die Luft aus meinen Lungen entweichen und ein fürchterliches Knacken ertönte aus meinem Körper. Doch ich spürte keinen wirklichen Schmerz. Ich lag mit geschlossenen Augen auf dem kühlen Sand, neben mir glühten noch vereinzelte Funken, doch ich selbst brannte nicht. Im Gegenteil. In mir breitete sich eine noch nie gekannte Kälte aus, beginnend direkt in meiner Brust wo mein gebrochenes Herz ruhte.
'Du sagtest, dass du alles tun würdest, wenn wir dir deinen Liebsten zurück geben. Bist du bereit, dein Versprechen zu halten?' fragte die weibliche Stimme und mit leiser Stimme stimmte ich verzweifelt mit meiner inneren Stimme zu.


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'Dann mach dich bereit.' Mit diesen Worten traf mich etwas wie eine riesige Faust und Schmerz durchzuckte meinen Körper. Ich spürte, wie ich in die Luft gehoben wurde und wie sich die Luft um mich herum wie bei einem starken Gewitter anfühlte. Ich spürte wie mein Körper in die Luft gehoben wurde, aber ich konnte mich von selbst nicht rühren. Mich umgab eine Aura von Macht. Ich fühlte mich zusammengepresst und doch seltsam schwerelos. Es summte in jeder Faser meines Körpers und dann traf mich die Hitze, schmiedete meinen schwachen menschlichen Körper zu einem starken, unverletzlichen Gefäß göttlichen Willens. Meine Kleider verbrannten und ich wurde in diese weichen Gewänder gehüllt. Aber als ich dachte, dass es jetzt vorbei wäre, traf mich die nächste Welle unvorstellbarer Schmerzes. Ich verlor das Bewusstsein.


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Als ich wieder zu mir kam, war ich so, wie du mich hier vor dir siehst. Ich lag kopfüber im Sand, einen kurzen Moment noch zu schwach um aufzustehen. Doch ich wusste, dass es nur für kurze Zeit so sein würde. Ich spürte wie anders mein Körper jetzt war, wie viel Kraft jetzt in ihm steckte. Das Unwetter war vorbei und das Wasser hatte sich wieder beruhigt. Fast schon sanft umspülten die Wellen mich. Ich erhob mich langsam und blickte zum Himmel. Die Umwandlung hatte nicht nur meinen Körper, sondern auch meinen Geist verändert. Ich wusste ohne, dass man mir etwas erklärt hatte, was meine Aufgabe ab diesem Moment war. Trotz dessen war mir immer noch bewusst, worum ich die Götter gebeten hatte.
'Du bist jetzt und für alle Ewigkeit unser Werkzeug. Du gehörst jetzt uns.'
Ich nickte. 'Ich werde mein Versprechen halten, jetzt haltet eures.'
Die Stimmen fingen an zu lachen. 'Das haben wir bereits. Er war nie unser zu geben.' Und mit diesen Worten verschwanden die Stimmen.


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Ich wusste, dass sie für mich für immer verschwunden waren. Und ich rätselte, was sie gemeint hatten.
Doch mir blieb nicht viel Zeit zum Grübeln, es wartete Arbeit auf mich. Wochen vergingen und ich wusste immer noch nicht, was die Götter gemeint hatten, dass du nicht ihres zu geben warst. Also machte ich mich auf die Suche nach Antworten. Ich erspare dir jetzt, meine lange Irrfahrt, denn die Antwort war am Ende ganz Einfach: du warst nicht gestorben.“ Asaliah Stimme brach bei diesen letzten Worten. Doch ihre Augen brannten mit einer lang vergessenen Wut. Ich schwieg, weil ich nicht wusste, ob ich sprechen sollte oder nicht. Dann fuhr sie mit monotoner Stimme fort.
„Ich fand dich in den Armen einer anderen Frau, glücklich und ohne Spuren von deiner Verletzung. In dem Moment wusste ich, dass du mich getäuscht hattest. Mir wurde klar, was die Götter gemeint hatten. Du hattest deinen Tod nur vorgetäuscht.


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Ich war wie gelähmt. Sah dir zu, wie liebevoll du diese Fremde in den Armen hieltst, sie küsste und wie verliebt du sie ansahst. Es tat weh, aber nicht so sehr, wie es noch vor meiner Verwandlung weh getan hätte. Mit meinem neuen Dasein wurden mir auch die heftigen Emotionen eines echten Menschen genommen. Ich verspürte nur noch eine große Traurigkeit, aber keine Wut. Die kam erst später.
Als du dich von deiner neuen Frau verabschiedest hattest, tat ich das selbe mit dir. Ich sagte dir Lebewohl und verschwand für lange Zeit aus deinem Leben.“ Sie schwieg nun und ich wusste, dass ihre Geschichte fast zu Ende war.
„Aber du bist nicht ganz aus meiner Gegenwart verschwunden.“ Es war nicht wirklich eine Frage, aber ich wollte den letzten Rest auch noch aus ihr hervorlocken.
„Natürlich nicht, sonst wären wir jetzt nicht hier.“ Ihre Mundwinkel hoben sich zu einem winzigen Lächeln.


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„Es ist eine lange Zeit vergangen, seit dem ich dich an diesem Tag verlassen hatte. Aber ich konnte dich nicht vergessen. Immer wieder dachte ich an dich, doch ich hatte nicht den Mut nach dir zu suchen. Mit der Zeit verwandelte sich meine Traurigkeit in Wut und dann wieder in endlose Trauer. Mir wurde klar, dass du nie mir gehört hattest. Und im Laufe der Jahrhunderte begann ich dir zu verzeihen. Und ich habe dir verziehen, das musst du mir glauben.“ Ich versuchte zu nicken, nicht sicher was ich wirklich fühlte. Sie sah mich an und beendete dann ihre und meine Geschichte.
„Lange Zeit dachte ich, dass du genauso gestorben bist, wie jeder andere Mensch und ich war froh, dass ich nicht diejenige war, die dich auf die andere Seite geführt hat. Umso überraschter war ich, als ich entdeckte, dass du genau wie ich geworden warst. Ich konnte es kaum glauben, es kam mir vor wie ein böser Traum. Ich versuchte die Götter zu kontaktieren, aber sie schwiegen eisern. Bis heute denke ich, dass sie dich nur zu dem gemacht haben, was du jetzt bist, um mich zu bestrafen.“


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„Warum denkst du das?“ Ich sah sie fragend an. So schlimm fand ich meine Existenz nicht, bis auf ein paar Ausnahmen war ich zufrieden mit dem was ich war.
„Weil dieses Dasein als Werkzeug der Götter nichts ist, was ich jemanden wünsche. Weil ich mich immer noch daran erinnere wie es war mit dir. Weil ich dich immer noch liebe, egal wie sehr ich versuche es nicht zu tun.“ Den letzten Satz sagte sie leise, fast unhörbar.
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“
„Dann sag nichts. Es gibt eh nichts, was du tun kannst. Es ist zu spät um noch irgendetwas zu ändern. Aber vielleicht verstehst du jetzt, warum man Menschen nicht trauen kann. Sie werden dich immer verraten, denn du bist selber ein Verräter. Nicht nur in deinem früheren Leben als Mensch, sondern auch in deiner jetzigen Gestalt.“
Ich hob die Hand in Protest. „Ich habe keinerlei Erinnerung mehr daran und du hältst mir vor, dass ich dich betrogen habe. Du versuchst mich zu manipulieren und mir mein Glück zu nehmen, nur weil du behauptest, dass ich das Gleiche mit dir gemacht habe.“


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Ich wurde immer lauter und Asaliah zuckte zusammen. „Woher nimmst du dir das Recht mich jetzt noch einen Verräter zu nennen? Ja, ich habe mein Versprechen, mich von Annabelle fern zu halten gebrochen, aber sie war es die mich gesucht hatte. Nicht ich sie.“ Vor Wut sprang ich auf.
„Du bist nicht deswegen ein Verräter. Du verrätst die Menschen, die Seelen, die du holst. Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass es vielleicht gar keinen anderen Ort gibt, an den die Seelen gehen? Das uns die höheren Mächte nur in die Irre führen? Es gibt noch so vieles was du nicht weißt und auch nicht wissen willst. Und am Ende wirst du auch deine geliebte Annabelle verraten. Am Ende tun wir das alle mit den Menschen die wir lieben.“
Auch Asaliah war aufgesprungen. Ihre Augen funkelten vor Wut, aber es lag auch die große Trauer von der sie gesprochen hatte darin. Ich ertrug ihren Blick nicht länger.
„Du redest Unsinn. Du versucht nur wieder mich zu beeinflussen.“ Ich fasste einen Entschluss. „Aber das endet jetzt. Ich will dich nie wieder sehen. Bleib aus meinem Leben fern. Wenn du dich noch einmal einmischt, wirst du es bereuen.“


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Ich ließ sie stehen, ohne noch einmal zurück zu blicken. Immer noch voller Wut kam ich in meiner Zuflucht an. Ein paar vereinzelte Flocken fielen vom Himmel, aber sie schmolzen schnell in der relativ warmen Luft und kurze Zeit später war der Himmel wieder klar. Ich ließ mir Zeit auf dem Weg zu meinem See. Die Geschichte spielte sich noch einmal vor meinen Augen ab. Es klang unglaublich, aber ich wusste tief in mir drin, dass sie die Wahrheit erzählt hatte. Der Ärger über das Gespräch mit Asaliah verflog langsam und zurück blieben unzählige Fragen. Ich bereute meine letzten Worte allerdings keineswegs. Auch wenn ich keine Ahnung hatte, was ich tun würde, sollte ich sie noch einmal wieder sehen.


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Als ich an meinem Teich ankam, hatte sich die Wut vollkommen gelegt. Nur die Verwirrung war geblieben. Ich fragte mich, was passiert war als ich noch ein Mensch gewesen war. Hatte ich Asaliah wirklich geliebt und war ihre Version der Ereignisse nur ein Spiegel ihrer Emotionen? Oder war ich der Mistkerl, der seinen Tod vorgetäuscht hatte, um die ungeliebte Ehefrau los zu werden? Oder gab es noch eine andere Möglichkeit? War ich wirklich am Sterben gewesen und hatte wie durch ein Wunder überlebt und sie war es die gestorben und mich zurückgelassen hatte?
Ich wusste es nicht. In meinen Erinnerungen war nichts zu finden, was mir einen Hinweis auf eine frühere Existenz als Mensch gab. Ich konnte noch nicht mal sagen, wann ich mir meiner selbst bewusst geworden bin. Ich war einfach.


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Ich setzte mich auf die kühlen Steine, den Rücken gegen dieselben gedrückt. Mein Kopf schmerzte von der Anstrengung die Wahrheit herauszufiltern.
Und was meinte sie damit, dass ich Menschen verraten hatte. Ich hatte ihre Seelen auf die andere Seite geholt, genau wie es meine Aufgabe war. Ich hatte ihnen niemals etwas versprochen, sondern nur das erfüllt, was ihre Bestimmung gewesen ist. Ich habe nicht über sie gerichtet, das war die Aufgabe der höheren Mächte. Ich war nur der Überbringer, nur der Bote. Ich war weder für den Tod, noch für das verantwortlich, was auf der anderen Seite wartete. Ob es nun zum Guten oder zum Schlechten war. Ich war nicht verantwortlich und mit Sicherheit kein Verräter.
Und doch war da dieser winzige Samen des Zweifels in mir gesät. Was wenn sie doch Recht hat?


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Eine Weile saß ich einfach nur da. Spielte mehrere Szenarien durch und kam doch zu keinem Ergebnis. Es gab zu viele offene Fragen. Zu viele verworrene Aussagen und nur wenig, was sich wirklich beweisen ließ.
Nach einer Weile stand ich auf. Es brachte nichts, darüber nachzudenken. Es gab keine unmittelbare Lösung für das Rätsel meines Daseins. Es würde Warten müssen, bis sich die Möglichkeit ergab mehr zu erfahren und aus anderer Quelle als Asaliah.
Verbittert darüber keine Antworten zu finden, dachte ich daran wie wunderbar der Morgen angefangen hatte und wie desaströs der Tag geendet hatte. Ich hatte die Nacht mit Annabelle verbracht und ich war so glücklich wie noch nie zuvor gewesen und dann hatte mir Asaliah das alles genommen mit ihrem Kuss und der wahnwitzigen Geschichte. Da war sie wieder, die Wut.


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Ich beschloss etwas gegen dieses Grübeln zu tun. Also machte ich mich wieder an meine eigentliche Arbeit, auch wenn die Frage nach dem Warum immer im Hintergrund meines Bewusstseins lauerte. Doch warum sollte ich den Zorn der Götter noch mehr auf mich beschwören, wenn ich doch laut Asaliah eh schon mit einem Bein vor der Auslöschung befand.
Es tat mir seltsamerweise gut, etwas Produktives zu tun. Es erfüllte mich nicht mehr so mit Genugtuung wie früher einmal, aber es hielt mich auf Trab. Ich sah nichts Schlimmes mehr darin, die Seelen der Menschen auf die andere Seite zu befördern. So war es immer gewesen und so war es bestimmt.
Doch alles Arbeiten half nicht gegen die Sehnsucht nach meiner Geliebten. Wann immer ich konnte, wartete ich am Turm auf sie.


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An einem regnerischen Tag kam sie endlich den Weg zum Turm hinauf. Sie sah gesund aus und ich war erleichtert. Also hatte Robert ihr in der letzten Zeit nichts mehr angetan.
Mit einem Lächeln schritt ich ihr entgegen. Ich hob meine Hand, um ihre Wange zu berühren. „Ich dachte schon, du hättest mich vergessen“, flüsterte ich, überwältigt von der Erleichterung sie wohlauf zu sehen.
„Niemals“, hauchte sie und schlang ihre Arme um mich.​

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Now she'll never know
What anyone could tell her
Now she'll never know what anyone can see
Now she won't believe me ever again, completely
(Marillion – Now She'll never know)​


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Ich zog sie fest an mich und gab ihr einen leichten Kuss. „Ich schätze wir sollten lieber rein gehen, ehe wir wieder komplett nass werden.“
Annabelle lachte. „Das war doch gar nicht so schlimm. Schließlich hat es ja zu etwas Guten geführt.“ Sie zwinkerte verschmitzt und ich lief rot an. „Aber du hast Recht, lass uns rein gehen.“ Sie löste die Umarmung und zog mich regelrecht in den Turm.
Kaum innen angekommen, zog sich mich wieder an sich. „Du kannst heute ja gar nicht genug von mir bekommen“, meinte ich ein wenig irritiert. „Es ist so schön, dich in so guter Stimmung zu sehen.“
„Ich bin einfach glücklich, wenn ich bei dir bin.“ Sie lächelte mich an, doch dann ging ihr Blick durch den Raum. „Aber vielleicht sollten wir mal darüber reden wie es hier so aussieht.“ Sie löste sich von mir und ging in dem zugegebenermaßen sehr schmutzigen Raum umher.


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Dabei strich sie über den Jahrhunderte alten Staub, der auf den wenigen intakten Möbeln lag. Mit dem Fuß wischte sie die in den Raum gewehten Blätter ein wenig zur Seite, nur um den abgenutzten, schmutzigen Boden frei zu legen.
„Ist es denn wirklich so schwer mal einen Besen zu schwingen und hier ein wenig sauber zu machen?“
Wollte sie jetzt wirklich mit mir über Hausarbeit reden? Ich war etwas überrascht von dem plötzlichen Themenwechsel.
„Ernsthaft, gegen die alten Möbel kannst du ja nicht wirklich etwas machen. Aber ein wenig wohnlicher könntest du den Raum hier schon machen. Ich will gar nicht wissen, wie es sonst so in den oberen Stockwerken so aussieht.“ Sie wischte über den Hocker und ließ sich dann darauf nieder. „Noch ist das hier der einzige Ort, wo wir uns ungesehen treffen können und so geht es wirklich nicht. Ein wenig Hausarbeit kann dir schon nicht schaden.“
Mit einem Mal verstand ich. Sie wollte einen schönen Ort haben, wo wir zusammen sein konnten. Ich kniete mich in Verbeugung vor ihr hin. „Mein Dame, Ihr habt Recht. Ich gelobe Besserung. Bei Eurem nächsten Besuch wird es hier blitzen vor Sauberkeit.“


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„Das will ich Euch auch geraten haben, werter Hausherr.“ Sie lachte und nahm meine Hände in ihre. „Es wäre wunderbar, wenn wir hier einen schönen Rückzugsplatz hätten. Und ganz ehrlich, du hättest wirklich schon mal eher darauf kommen können, hier mal sauber zu machen.“
„Ich gelobe Besserung“, versprach ich ihr nochmals und diesmal war ich derjenige, der sie in die Arme schloss.
„Sie mal da drüber, da könntest du vielleicht die alten Vorhänge entsorgen. Das sind doch nur noch Fetzen. Und hier sollte das Unkraut vernichtet werden, ehe es noch mehr von den Dielen kaputt macht. Und der Eimer da könnte auch mal entleert und sauber gemacht werden. Dann kannst du gleich anfangen den Boden zu schrubben. Vielleicht kriegt man ja den alten Schmutz doch noch ab.“
Sie hörte gar nicht mehr auf mit ihren Vorschlägen, aber innerlich freute ich mich. Sie war wirklich begeistert von der Idee, dass ich den Hausmann spielte. Ich machte also ein saures Gesicht und ließ sie mich immer mehr Aufgaben finden, die ich bis zu unserem nächsten Treffen erledigen sollte. Doch dann bekam ich einen Auftrag, der alles verändern sollte.


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Noch während Annabelle von einem staubfreien Regal redete, musste ich gehen und ich musste es so machen, dass sie es nicht merkte. Ich wartete einen Moment, bis sie mir den Rücken zukehrte und verschwand zu meinem Einsatzort. Zu Annabelle würde ich in einem Bruchteil einer Sekunde wieder zurück kehren, schließlich hatte ich doch Einfluss auf die Zeit.
Meine Arbeit führte mich an einen Ort, den ich inzwischen sehr gut kannte. Genauso wie ich die Person kannte, die ich holen musste: Annabelles Mutter.
Ich hatte mich lange vor diesem Moment gefürchtet. Ich hätte lieber jemand anderen aus Annabelles Leben geholt, aber ich machte die Regeln ja nicht.


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Es würde schwer für Annabelle werden, aber ich konnte es nicht ändern. Ich musste meine Arbeit machen und ich konnte mir auch noch später über die Konsequenzen Gedanken machen. Ich kniete mich neben sie und in dem Moment wo sie ihr Leben aushauchte, fing ihre Essenz geschickt ein. Nur einen kurzen Moment dachte ich an die bitteren Worte von Asaliah, dass die Seelen vielleicht gar keinen Frieden finden würden auf der anderen Seite und das alles nur ein Spiel der Höheren Mächte war. Aber ich verweilte nur einen kurzen Bruchteil bei diesen düsteren Gedanken. Das hier war wichtiger. Ich speicherte Annabelles Mutters Seele für später, um sie dann wie von den Göttern befohlen frei zu lassen. Ich durfte mir keinen Fehler erlauben. Schließlich war dies die Frau, die Annabelle neben mir am nächsten stand.


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Mir grauste es vor dem Gedanken, dass Annabelle nach Hause kommen würde und ihre Mutter tot vorfand. Ich konnte mir kaum ausmalen, was es für sie bedeuten würde. Ganz zu schweigen von dem Schock, den geliebten Menschen leblos auf dem Boden liegend zu sehen.
Und dann kam mir der noch erschreckendere Gedanke, dass Annabelle von jetzt an ganz allein mit Robert sein würde. Das niemand mehr da sein würde, der vielleicht ein schützendes Auge auf sie halten würde. Auch wenn ihre Mutter nie etwas getan hatte, um einzugreifen, war sie doch für ihre Tochter da gewesen, wenn Robert sie mal wieder misshandelt hatte. Mir wurde richtig übel, als ich realisierte was es bedeuten könnte, wenn Annabelle wirklich allein mit ihrem Ehegatten war und niemand mehr theoretisch eingreifen könnte, wenn Robert es zu weit trieb.


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Ich gab mir noch eine kurze Weile mich wieder zu sammeln. Die Bilder von einem wilden Robert mit mörderischen Absichten, wollten noch nicht aus meinem Kopf verschwinden. Aber ich musste wieder zurück zu Annabelle, die immer noch glücklich unsere Zukunft plante und noch keine Ahnung hatte, was sie Zuhause erwarten würde.
Ich drehte an der Zeit und kehrte nur eine Sekunde nachdem ich Annabelle verlassen hatte, wieder zur ihr zurück. Sie hatte mir immer noch den Rücken zugewandt und fuhr mit dem Finger über den Staub auf dem Regal.
„Ich freue mich schon, wenn hier alles glänzt.“ Sie drehte sich zu mir um und strahlte mich an. Ich lächelte ebenfalls etwas gezwungen und hatte die Hoffnung, dass sie es für eine Abneigung gegen Staubwischen halten würde und nicht für ein Zeichen, dass etwas nicht stimmte. Eine Weile ging es noch weiter mit den Verbesserungsvorschlägen von Annabelle, was meine Behausung anging und ich spielte so gut es ging mit.
„Vielleicht solltest du dich langsam auf den Weg machen. Der Regen hat inzwischen aufgehört und es wird bald dunkel.“ Ich wollte eigentlich nicht, dass sie ging, aber ich konnte es auch nicht weiter aufschieben. Annabelle musste herausfinden, was mit ihrer Mutter geschehen war.


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„Ich will eigentlich gar nicht, aber du hast vermutlich Recht. Er wollte zwar nicht vor dem späten Abend zurück sein, aber man weiß ja nie.“ Annabelles Ausdruck wechselte von glücklich zu traurig innerhalb von diesen wenigen Worten. Ich lächelte sie aufmunternd an, auch wenn es mir schwer fiel. „Wir hätten eigentlich über Hughs Angebot reden sollen und nicht über Hausarbeit. Vielleicht musst du dich dann nicht mehr sorgen.“
„Ich brauche noch Zeit. Ich kann ihm einfach noch nicht vertrauen. Ich kenne ihn schließlich nicht und weiß nicht, ob das der richtige Weg sein kann.“
Ich nickte verständnisvoll. „Natürlich, aber lass dir nicht zu lange Zeit. Ich weiß nicht, wie lange es noch gilt.“
„Ich gebe dir bald Bescheid. Und jetzt sollte ich wirklich los.“ Sie küsste mich zum Abschied und ich schaute ihrer Gestalt noch so lange nach, bis ich sie nicht mehr sehen konnte.


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Dann ging ich zurück in meinen Turm, verschloss die Tür und setzte mich an den Tisch um zu warten. Ich legte meinen Kopf auf meine Arme und dachte nach. Angestrengt. Über Hugh und Annabelle und Robert. Ich musste einen Weg finden, Annabelle zu überzeugen Hughs Angebot anzunehmen. Sie war jetzt einfach nicht mehr sicher zu Hause und Robert musste verschwinden, schnellstmöglich. Ich konnte es nur nicht Hugh alleine machen lassen. Die Entscheidung musste von Annabelle kommen.
Ich wartete auf eine Eingebung was ich ihr sagen konnte, dass sie den Startschuss geben würde. Vielleicht war der Tod ihrer Mutter der endgültige Auslöser, dass sie Hughs Angebot annahm. Vielleicht reichte es aus. Ich stand wieder auf, ruhelos und wütend auf die vielen Vielleichts in meinem Leben.


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Ich wanderte unruhig in dem kleinen Raum umher. Ich musste die Zeit totschlagen, die Annabelle nach Hause brauchte. Es war ein blöder Einfall, aber ich wollte nicht, dass sie alleine war, wenn sie ihre Mutter fand. Sie durfte mich zwar nicht sehen, aber ich bezweifelte, dass sie nach mir Ausschau halten würde. Daher hielt ich es für sicher, wenn ich in Deckung bleiben würde. Sie würde mit anderen Dingen beschäftigt sein und ich könnte auf sie aufpassen, während ich versuchen würde ihr aus der Ferne Kraft für die nachfolgende Zeit zu schicken.
Sie würde alle Kraft brauchen, um ihre Mutter zu beerdigen und mit den Folgen zurecht zu kommen. Und vielleicht den Anstoß kriegen, Hughs Vorschlag anzunehmen. Ich hoffte es zumindest.


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Als ich bei Annabelles Heim ankam, positionierte ich mich vor dem Küchenfenster. Ich wusste ja, wo ihre Mutter lag. Nach einer kurzen Weile kam Annabelle durch die Küchentür nach Hause und fand ihre Mutter.
Ich konnte nichts tun. Mir tat es in der Seele weh sie so zu sehen, aber ich konnte nicht eingreifen. Nicht ohne zu offenbaren, dass ich davon gewusst hatte. Nicht ohne zu erklären, dass ich in diesem Moment noch die Seele ihrer Mutter in mir trug. Nicht ohne zu gestehen, dass ich der Tod bin.
Ich schnappte nach Luft, als mir klar wurde, dass egal wie sehr ich Annabelle liebte, ich ihr niemals die Wahrheit offenbaren konnte. Selbst wenn sie mir die Lüge über mein vermeintliches Geisterdasein verzeihen würde, sie würde mir niemals vergeben, dass ich ihre Eltern geholt habe.


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Ich hörte Annabelle schluchzen, als ihr klar wurde, dass ihre Mutter nun auch für immer von ihr gegangen war.
„Es tut mir Leid“, murmelte ich leise gegen die Glasscheibe. „Ich mache die Regeln nicht. Ich kann es nicht ändern, so gerne ich es auch wollte.“
Sie gab noch einen halb erstickten Laut von sich und drehte sich dann in meine Richtung um, ganz so als hätte sie meinen leisen Worte gehört. Blitzschnell trat ich vom Fenster weg, in der Hoffnung, dass sie mich nicht gesehen hätte. Schwer atmend lehnte ich mich gegen die Hauswand. Ich durfte es nicht riskieren, dass sie mich doch noch sah.


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Dann hörte ich Schritte den Weg entlangkommen. Es musste Robert sein, der Hause kam. Ich kann nicht sagen, was mich veranlasste ihm zu folgen, aber ich hatte das Gefühl, dass es wichtig war. Also umrundete ich das Haus und folgte dem verhassten Kerl, als er den selben Weg nahm wie Annabelle noch so kurz davor. Anscheinend wollte er auch nicht durch die Haustür gehen, sondern bevorzugte ebenfalls die kleine Küchentür.
Er runzelte die Stirn als er das erleuchtete Badezimmer sah. „Ich sollte den Weibern mal wieder eine Lektion erteilen, dass Geld nicht auf Bäumen wächst und Kerzen teuer sind. Vielleicht lassen sie dann nicht überall das Licht an. Irgendwann fackelt der Hof noch ab, weil die dummen Stücke mal wieder vergessen haben, die Kerzen auszupusten“, grummelte er vor sich hin, während er festen Schrittes den Hof überquerte.


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Er öffnete die Küchentür mit Schwung und war einen Moment sprachlos, als er die Situation in der Küche erfasste. Annabelle weinte immer noch und Roberts wütende Worte blieben ihm im Hals stecken. Er sah den leblosen Körper von Annabelles Mutter auf dem Boden und für einem Moment war selbst er von der Situation ergriffen. Er ging auf seine Frau zu und nahm sie sanft in den Arm.
„Es tut mir Leid“, sagte er fast schon liebevoll. Ganz so als wäre er nicht der Mistkerl, sondern ein ganz normaler Ehemann, der seine Frau zu trösten versucht. Annabelle registrierte kaum, wer sie da in den Armen hielt. Sie ließ sich einfach stützen und es schien ihr nichts auszumachen, dass es Robert war, der sie fest drückte.


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Annabelle weinte eine Weile an seiner Schulter, während ich alles von draußen mit ansah, hilflos wie ich war. Robert hatte die Küchentür sperrangelweit offen gelassen, so dass ich einen guten Blick in die Küche hatte.
„Mein Liebe, vielleicht solltest du dich hinlegen. Ich kümmer mich hier um alles.“ Sanft schob er sie in Richtung Flur, vorbei an ihrer Mutter. Mechanisch nickte Annabelle und mit ein bisschen Anschub von Robert verschwand sie aus meinem Sichtfeld.
Ich ging ums Haus, wollte ebenfalls nicht mit ansehen, was Robert in der Küche tat. Annabelle hatte sich in ihren Kleidern auf das Bett gelegt, ihre Augen waren verquollen vom Weinen, als ihr Mann sich etwas später zu ihr gesellte.
„Mach dir keine Sorgen“, meinte er und griff nach ihrem Arm. „Ab jetzt werde ich mich immer um dich kümmern. Du hast jetzt ja nur noch mich.“​


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I see the bad moon risin'
I see trouble on the way
I see earthquakes and lightnin'
I see bad times today
(Creedence Clearwater Revival – Bad Moon Rising)​


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„Und wie sieht es jetzt aus? Will deine Angebetete meine Hilfe oder nicht?“ Hugh hörte sich ungeduldig an, so als könnte er es gar nicht erwarten endlich zur Tat zu schreiten.
„Sie hat sich noch nicht entschieden“, entgegnete ich. Wir saßen in Hughs Hütte und er war gerade dabei etwas zu Abend zu essen. Es war immer noch die selbe Nacht, die Nacht in der Annabelles Mutter gestorben war.
„Was grübelt sie denn so lange? Es ist doch einfach und würde nicht auf sie zurück fallen.“
„Sie hat gerade andere Sorgen.“ Ich machte eine kurze Pause und Hugh starte genervt in die Richtung wo er mich vermutete. „Ich musste heute ihre Mutter holen.“
Einen Moment huschte etwas wie Mitleid über sein Gesicht, aber dann war es wieder verschwunden. „Noch ein Grund mehr schnell zu handeln. Der feine Mistkerl hat jetzt keinen Grund mehr sich zurück zu halten.“


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„Ich weiß. Aber ich weiß nicht, wie ich Annabelle in die richtige Richtung lenken kann. Sie trauert um ihre Mutter und ich kann ihr nicht helfen, weil ich eigentlich noch gar nicht wissen kann, dass ihre Mutter tot ist.“
„Tja, wenn du ihr von Anfang an die Wahrheit gesagt hättest...“
„Wie hätte ich das tun können? Sie ist nicht wie du. Sie hätte mir niemals geglaubt und jetzt kann ich die Wahrheit nicht mehr sagen.“
„Dein Pech. Ich werde mein Angebot nicht ewig aufrecht erhalten.“
„Ich werde mein Bestes geben, Annabelle zu überzeugen.“ Ich erhob mich, um zurück an meine Arbeit zu gehen.
„Tu das. Und lass dir nicht ewig Zeit damit. Wenn ich nichts von dir höre, werde ich eigene Schritte einleiten und dann wird deine Freundin alles verlieren was ihr wichtig ist. Ich denke nicht, dass du das gerade jetzt willst.“


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Zwei Tage später wartete ich am Turm auf sie. Ich wusste, dass sie kommen würde, so sicher wie morgens die Sonne aufgeht. An ihrem Gang konnte ich schon von weitem erkennen, dass sie zutiefst traurig und wohl auch verletzt war. Ich eilte ihr entgegen und zog sie in meine Arme.
„Meine Mutter ist tot“, schluchzte sie an meiner Schulter.
'Ich weiß', entschlüpfte es mir fast. Ich rief mich zur Ordnung. Nichts durfte darauf hin deuten, dass ich davon bereits wusste.
„Das tut mir Leid.“ Es klang lahm. Es drückte nicht im Mindesten aus, was ich ihr eigentlich sagen wollte. „Wie ist das passiert?“
„Ihr Herz hat wohl einfach aufgehört zu schlagen. Als ich vor zwei Tagen nach Hause kam, fand ich sie in Küche.“ Ihre Stimme wurde immer leiser und ich fühlte ihre Tränen meine Kleidung durchnässen. Ich drückte sie noch fester an mich und sie schmiegte sich in meine Umarmung.


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Wir blieben eine Weile so stehen, so lange bis Annabelles Tränen versiegten. Dann zog ich sie auf die Treppe.
„Drinnen sieht es immer noch nicht anders aus als das letzte Mal“, entschuldigte ich mich verlegen.
„Das macht nichts. Hier draußen ist es so schön heute.“ Ihre Worten passten nicht zu ihrem Gesichtsausdruck. Ich sah sie besorgt an, aber sie winkte ab. „Sieh mich nicht so an. Ich weiß, wie schlimm ich aussehe.“ Annabelle senkte den Kopf, versuchte ihr blaues Auge mit ihren Haaren zu verstecken. Ich fragte mich, was zwischen Robert und ihr vorgefallen war, nachdem ich sie verlassen hatte, aber ich wagte nicht zu fragen. Wenn sie darüber reden wollte, dann würde sie von sich aus damit anfangen.
„Du sieht immer wunderschön aus.“ Ich versuchte es mit Schmeichelei und es entlockte ihr ein winziges Heben ihrer Mundwinkel. Eine Weile saßen wir schweigend nebeneinander. Sie legte ihre Hand in meine und ich streichelte tröstend ihren Handrücken.


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„Als ich an dem Abend nach Hause kam, war es schon zu spät. Ich konnte nichts mehr für meine Mutter tun.“ Sagte sie nach einer Weile. „Ich weiß, es hört sich komisch an, aber für einen Moment dachte ich, dass du mich beobachtest. Aber das konnte ja nicht sein oder?“
Sie hob den Blick ein wenig um mich anzusehen. Ich schüttelte den Kopf, brachte die Lüge nicht raus.
„Das dachte ich mir.“ Wieder ging ihr Blick in die Ferne. „Ich wusste nicht was ich tun sollte und dann kam Robert nach Hause. Er...“ Sie stockte, als wollte sie nicht weiter erzählen. Dann straffte sie sich und fuhr fort: „Er nahm mich in den Arm und versprach sich um alles zu kümmern. Dann schickte er mich wie ein kleines Kind ins Bett.“ Sie sah mich bei den letzten Worten wieder an. Ich wusste nicht, was ich ihr sagen sollte, was ihr helfen könnte. Ich wusste, ich sollte sie auf den Weg bringen jetzt endlich Hughs Angebot anzunehmen, aber ich konnte es in dieser Situation nicht.


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Ich hob ihre Hand und führte sie zu meinen Lippen. „Er hat kein Recht dich so zu behandeln. Du bist“, ich schluckte „seine Frau und kein hilfloses Kind.“
Sie lächelte und rückte näher an mich heran. „Ich weiß, aber er hat eigentlich in dem Moment das Richtige getan. Nur war die Art und Weise nicht in Ordnung. Ich konnte nicht damit umgehen meine Mutter so zu sehen. Egal wie sehr ich gegen ihre Entscheidung war, mich an Robert zu verscherbeln, so war sie mir in den letzten Monaten doch eine Unterstützung. Jetzt bin ich allein mit ihm.“
Ich legte meinen Arm um sie. „Du bist nicht allein.“
„Zuhause schon. Du kannst dort nicht sein und ich könnte den Gedanken nicht ertragen, dass du siehst wie er mich behandelt.“ Sie senkte beschämt den Kopf. Ich hob meine Hand an ihre Wange, streichelte sie zart, zwang sie so wieder zu mir zu schauen.
„Ich sehe genug um mir schreckliche Sorgen um dich zu machen.“


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Annabelle entwand sich meinen Armen und stand unvermittelt auf. „Ich würde gerne ein wenig spazieren gehen.“
Nur zu gerne entsprach ich ihren Wunsch. Wir schlugen den Pfad zum See ein, denn dahin zog es sie am Meisten, wenn sie Nachdenken musste. So gut kannte ich sie inzwischen. Wir redeten nicht auf dem Weg dahin. Immer wieder huschte mein Blick zu ihr hinüber. Ich war besorgt, konnte nicht wirklich ausmachen wohin ihre Gedanken wanderten. Sie sah so traurig und verletzlich aus, dass es mir schier das Herz brach. Ich wusste, dass sie unbedingt Hughs Angebot annehmen musste, wenn sie irgendwann die Chance haben wollte, wieder die Herrin über ihr Leben zu sein.


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„Mir ist übel“, sagte sie unvermittelt, blieb stehen und hielt sich die Hand vor den Mund.
„Willst du dich setzen?“ Fragte ich besorgt, während sich meine Arme fast schon automatisch um sie legten, um sie zu stützen.
„Nein, es geht schon. Es ist nur alles so hoffnungslos geworden. Immer wenn ich denke, dass es aufwärts geht, passiert etwas was alles noch schlimmer macht. Es scheint, als wenn die Götter dagegen sind, dass ich auch nur ein bisschen glücklich bin.“
Ich schluckte, nicht sicher was ich dazu sagen sollte. Es schien wirklich so zu sein. „So darfst du nicht denken. Ich bin mir sicher, dass sich irgendwann alles zum Guten wendet.“
„Und wann sollte das sein? Wenn ich alt und grau bin? Falls ich überhaupt so alt werde, denn mein Ehemann scheint es darauf anzulegen mich in ein frühes Grab zu prügeln.“ So bitter hatte ich schon lange nicht mehr gehört. Und ich konnte das verstehen.


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Ich beschloss die Chance zu nutzen. „Da ist immer noch Hughs Angebot...“
Sie drehte sich zu mir. „Ich weiß nicht. Ich traue dem Mann nicht. Warum sollte er uns helfen? Was hast du ihm versprochen, damit er uns hilft?“
„Das lass meine Sorge sein. Es ist einzig nur wichtig, dass er helfen kann.“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ist es nicht. Ich will nicht, dass du meinetwegen verpflichtet bist, diesem zwielichtigen Menschen etwas schuldig zu sein.“
„So ist es nicht. Glaube mir. Ich habe ihm etwas versprochen zu tun, was nur ich tun kann und das ist nichts Verbotenes oder Schändliches. Es hat nichts mit seiner sonstigen Arbeit zu tun, aber ich habe ihm versprechen müssen, dass ich dir nichts davon erzähle. Einfach weil es ein persönliche Angelegenheit für ihn ist und er sein Privatleben vor seinen Auftraggebern geheim hält.“
Sie sah mich zweifelnd an. „Und es bringt weder dich noch jemand anderen in Gefahr?“
Jetzt schüttelte ich den Kopf. „Ich verspreche es dir.“


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Sie sah mir in die Augen, lange. Dann löste sie sich von mir und ihr Gesicht verzog zu einer Maske aus Hass, während ihre Hände sich zu Fäusten ballten. „Gut. Dann richte Hugh aus, dass ich sein Angebot annehme. Möge er Robert aus dem Weg schaffen, so dass ich den Hof und mich selbst retten kann.“
Ich jubelte innerlich. „Das werde ich tun. Und jetzt lass uns an etwas anderes denken, als die Vergangenheit. Lass uns über diese Zukunft reden.“
Und das taten wir für den Rest des Nachmittags. So lange bis es langsam dunkel wurde und Annabelle wieder nach Hause musste. Nach Hause, wo nur noch Robert auf sie warten würde. Aber nicht mehr lange, sagten wir uns zum Abschied. Nicht mehr lange würde Annabelle seine Anwesenheit fürchten müssen. Sie hatte endlich die Entscheidung getroffen, die sie befreien würde ohne ihr Gewissen mit einem Mord zu belasten.


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Ein paar Tage später hatte ich ein Treffen zwischen Annabelle und Hugh vermittelt. Es war nicht einfach gewesen, Annabelle aus Roberts Klauen zu befreien. Seit dem Tod ihrer Mutter hatte er begonnen sie noch mehr zu beobachten. Ihr noch mehr verboten aus dem Haus zu gehen. Aber er konnte ihr nicht verwehren, dass sie in die Kirche ging. Und so fand dieses Treffen an genau diesem Ort statt. So ungewöhnlich das auch war.
Annabelle schritt forschen Schrittes den Weg zur Kirchentür entlang. Ich hatte sie am Tor abgefangen. Ihr Gesicht war von einer eisernen Entschlossenheit und unsere Begrüßung fiel kälter aus als gewöhnlich.


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Hugh erwartete uns bereits drinnen. Er war alleine dort, keiner der Priester war zu sehen. Er saß auf einer der kalten Bänke und starrte auf eines der großen Kreuze, die in dem großen Kirchenschiff verstreut waren. Er saß auf einer der vorderen Bänke, genau vor dem Altar und der Kanzel. Nichts deutete daraufhin, dass er unser Eintreten bemerkt hätte, obwohl wir natürlich nicht zu überhören waren.
Annabelle setzte sich auf die Nachbarbank und ich mich neben sie. Und erst als sie anfing zu sprechen, drehte sich Hugh leicht zu uns um.
„Ich nehme Euer Angebot an“, sagte sie nur und wartete seine Reaktion ab. Er nickte.
„Das habe ich erwartet. Euch Beiden bleibt ja auch keine andere Wahl.“ Hughs Blick ging wieder auf den Altar vor uns.
„Aber ich möchte noch ein paar Dinge wissen, ehe ich Euch endgültig verpflichte.“
„Auch das habe ich erwartet. Schieß los.“


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„Was plant Ihr mit Robert zu tun, wenn Ihr ihn gefangen habt?“
Hugh ließ sich Zeit mit der Antwort. „Das ist meine Sache. Ich sagte doch, dass ich auch noch eine Rechnung mit dem Bastard offen habe. Streng dein hübsches Köpfchen lieber mehr an, wie du deinen Hof retten willst. Das ist unsere Abmachung. Ich halte Robert lange genug fest, dass du deinen Hof behalten kannst. Wie du das anstellst ist deine Sache, meine wird es nur sein, deinen Ehegatten ab und an präsentabel für seine Gläubiger zu machen.“
Annabelle lächelte. „Keine Sorge, ich denke ich weiß, wie ich meinen Hof behalten kann, ohne auf Robert angewiesen zu sein. Ich habe ebenso einen Plan wie ihr.“
„Gut. Gibt es noch mehr was du wissen willst? Vielleicht wie ich gedenke den feinen Lord zu überwältigen? Oder wie ich ihn fest halten will?“
„Das wäre nicht schlecht zu wissen“, fing Annabelle an, aber Hugh unterbrach sie.
„Vergiss es. Vertrau einfach nur darauf, dass ich meine Arbeit mache. Ich denke eh, dass dein stummer Freund mich dabei beobachten wird, damit ich mich auch ja an unsere Abmachung halte.“


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Annabelle nickte. „Also gut, dann stelle ich darüber keine Fragen mehr.“ Sie stand auf und ging in den hinteren Teil der Kirche, wo die Kerzen von den Betenden angezündet wurden. Sie nahm sich selbst eine Kerze aus dem Fach und zündete sie an.
„Für meine Mutter“, beantwortete sie die stumme Frage des Assassinen, der ihr lautlos gefolgt war.
„Sie ist vor ein paar Tagen gestorben.“ Bei den Worten sah Hugh einen kurzen Moment dahin, wo er mich vermutete. Zum Glück hatte Annabelle diesen kurzen Austausch nicht bemerkt, da sie immer noch die Kerzen betrachtete.
„Das tut mir Leid“, war Hughs einzige Reaktion.
„Von Euch hört sich das seltsam an, wo Ihr doch mit dem Tod handelt. Was bedeutet Euch der Tod schon noch, wo Ihr so vielen Menschen selbigen gebracht habt. “
Für einen Moment hallten diese anklagenden Worte in der Stille wider.


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„Du hast Recht. Ich handel mit dem Tod. Das heißt aber nicht, dass es mir nicht Leid tun kann, wenn jemand einen geliebten Menschen verliert.“
„Wie lässt sich das mit Eurem Beruf vereinbaren? Habt Ihr eigentlich kein Herz oder warum übt Ihr solch einen Beruf aus?“ Ich spürte, dass diese Worte schon seit dem ersten Aufeinandertreffen der Beiden in ihr brannten. Sie hatte sich inzwischen zu Hugh umgedreht und sah ihn herausfordernd in sein eines Auge.
„Was spielt das für eine Rolle? Ich bin der Einzige der dir helfen kann und ich denke wir sollten unseren Handel besiegeln, ehe ich es mir anders überlege.“ Hugh streckte ihr die Hand entgegen und nach einigem Zögern ergriff sie diese.
„Irgendwann solltet Ihr Euch diese Fragen selber stellen, auch wenn Ihr die Antworten nicht hören wollt.“ Und mit diesen Worten ließ sie seine Hand los und ging in Richtung des Ausgangs. Ich folgte ihr, warf aber noch einen Blick auf Hugh. Er stand noch immer vor den Opferkerzen und starrte diese an.
„Ich habe sehr wohl ein Herz.“


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