Weiter geht´s.
Dieses Kapitel hat ausnahmsweise mal keine Lupenbilder. Weil..., äh, ja.
Außerdem habe ich den größten Teil vorab den anderen Mods zukommen lassen, um sicherzugehen, dass das, was jetzt kommt, auch im Rahmen ist.
Viel Spaß beim Lesen! (Und wegen des Kapitelendes duck ich mich schon mal vorsorglich weg.
)
In dieser Nacht lag ich lange, sehr lange wach und fand keinen Schlaf.
Ich starrte in die Dunkelheit, lauschte Brayans ruhigen, gleichmäßigen Atemzügen und beneidete ihn - wie schon so oft - um seine Fähigkeit, sofort einschlafen zu können, sobald sein Kopf das Kissen berührte.
Nach Stunden, die mir endlos vorkamen, betrat Artair leise das Zelt, zog sich im Dunkeln aus und legte sich auf seine Pritsche.
Auch er fand offenbar keine Ruhe; ich konnte spüren, dass er wach war, obwohl er sich völlig vor mir verschloss.
Sein Schweigen stand wie eine Mauer zwischen uns.
Irgendwann fiel ich in einen unruhigen Schlaf, aus dem ich schweißgebadet wieder auffuhr, weil mich die Vision von Artair auf dem Stein wieder heimgesucht hatte.
In der letzten Zeit war ich davon verschont geblieben, aber ausgerechnet heute war sie mit Macht zurück gekehrt.
Artair kniete im Dunkeln vor meiner Pritsche und strich mir eine wirre Strähne aus der Stirn. Er legte seine Arme um mich und wiegte mich sanft hin und her.
„Schsch", sagte er, „es war nur ein Traum."
Einen Moment gestattete ich mir, seine Nähe und Wärme zu genießen, dann löste ich mich aus seinen Armen und legte die Hände vors Gesicht.
Ich atmete tief ein und aus, um meinen rasenden Herzschlag zu beruhigen; und obwohl die Angst langsam abflaute und die Bilder verblassten, bleib ein seltsames, beunruhigendes Gefühl zurück.
„Es ist schon in Ordnung", sagte ich leise zu Artair.
„Es war nur ein dummer Traum. Du kannst Dich wieder hinlegen."
Artair zögerte einen Moment, dann spürte ich, dass er nickte. Rasch strich er noch einmal über meinen Arm, dann stand er auf und ging wieder zu seinem Bett.
Ich legte mich zurück auf mein Kissen und hörte dem leisen Rascheln zu, als er sich in seine Decken wickelte.
„Artair?", flüsterte ich dann.
„Ja?" Seine Stimme durchdrang die Dunkelheit, beruhigend und tröstend.
„Danke", sagte ich leise.
Er schwieg einen Moment. „Immer, mein Herz", sagte er dann.
Diesmal schlief er rasch ein, aber ich war unruhig und verwirrt.
Irgendetwas war seltsam gewesen, in meiner Vision; ich hatte das Gefühl, dass etwas anders war als sonst.
Ich zwang mich, mir die Bilder ins Gedächtnis zu rufen und ging sie wieder und wieder durch, und dann sah ich es.
Scharf sog ich den Atem ein.
Die Vision hatte sich tatsächlich verändert.
Artair hatte einen Bart getragen.
Eiskalt lief es mir den Rücken hinunter. Wir waren in einem Heerlager, unterwegs mit den Truppen. Wenn alles so ablief wie immer, würde Artair in ein paar Tagen einen Bart haben.
Reglos lag ich auf meinem Lager, starrte in die Dunkelheit und versuchte mir einzureden, dass es nichts bedeuten müsse.
Irgendwann schlief ich dann tatsächlich nochmal ein, obwohl die Angst an mir nagte, doch die Ruhe sollte mir nicht lange vergönnt sein.
Ich schreckte wieder aus dem Schlaf, beunruhigt und rastlos; aber es war nicht erneut die Vision gewesen, die mich geweckt hatte.
Zwielicht lag im Zelt, es musste kurz vor dem Morgengrauen sein.
Etwas kratzte an der Oberfläche meiner Sinne.
Etwas war nicht in Ordnung.
Ruckartig setzte sich Artair auf. Ein konzentrierter Ausdruck lag auf seinem Gesicht, er lauschte angestrengt.
Ich setzte mich ebenfalls auf, und wir sahen uns an.
„Da stimmt etwas nicht", sagte Artair, seine Stimme klang alarmiert.
Verschlafen rührte sich Brayan und drehte sich zu mir um.
„Was ist los?", gähnte er.
„Ich weiß nicht", sagte ich. „Schscht, sei mal still."
Ich horchte in mich hinein. Irgendetwas war da, ein drängendes, überwältigendes Gefühl.
Von Gefahr.
Rasch sprangen Artair und ich von unseren Pritschen und fuhren in unsere Hosen.
„Steh auf", sagte ich zu Brayan. „Irgendetwas stimmt nicht."
Mit einem Schlag wich alle Müdigkeit aus Brayans Gesicht, und er warf die Decken von sich. Zu oft schon hatte er meine Vorahnungen miterlebt, um sie auf die leichte Schulter zu nehmen.
Ich warf mir Brayans Hemd über und hastete aus dem Zelt; folgte Artair, der zu den Wachtürmen rannte.
Wir kletterten die Leitern hinauf, und als ich oben ankam, stand Artair schon über die Brüstung gebeugt, die Augen zusammen gekniffen und den Blick fest auf den finsteren, wabernden Horizont geheftet.
„Kannst Du es sehen? Oder hören?", fragte er angespannt, als ich neben ihn trat, und ich schüttelte den Kopf.
„Noch nicht", sagte ich, und starrte ebenfalls in die Ferne.
Ich versuchte, die Finsternis vor mir mit den Augen zu durchdringen. Zunächst konnte ich nichts ausmachen, aber langsam klärte sich mein Blick, und nach und nach konnte ich Einzelheiten wahrnehmen.
Dort draußen waren Menschen.
Kämpfende Menschen. Menschen auf der Flucht.
„Das ist Leodric!", stieß Artair plötzlich hervor, und rasch drehte er sich um und stürzte die Leiter hinab zu der Sturmglocke, die im Stockwerk unter uns angebracht war.
Er hängte sich an das Seil, und sofort überzog die Glocke das Lager mit einem infernalischen Lärm.
Aus allen Zelten stürzten überraschte Männer und Frauen und sahen sich ratlos um.
Artair ließ das Glockenseil fahren und beugte sich über die Brüstung, die den Ausstieg des Turms sicherte, ins Innere des Lagers.
„Alle Mann zu den Waffen!", brüllte er. „Macht die Pferde bereit!"
Sofort kam Leben in die Kämpfer, und Artair rutschte die Leiter hinunter. Ich folgte ihm rasch.
„Uisdean!" rief Artair.
Uisdean löste sich aus der Menge und sah Artair grimmig an.
„Sammel die Fußtruppen vor dem Eingangstor", sagte Artair.
„Wenn alle beisammen sind, die Tore auf und sofort raus! Wir folgen euch auf den Pferden und setzen uns dann an die Spitze."
Uisdean nickte knapp und begann sofort, Befehle zu brüllen und die Kämpfer, die hastig ihre Kleidung sortierten, in ihre Stiefel stiegen und nach ihren Waffen griffen, in Richtung Tor zu scheuchen.
„Alle Reiter zu mir!" rief Artair, und wir rannten zu den Koppeln, wo sämtliche Knappen und Pferdeknechte bereits damit beschäftigt waren, die Pferde in fliegender Eile zu satteln und aufzuzäumen.
„Neiyra!", rief Braigh, und ich sah zu ihm hinüber.
Er deutete mit dem Kopf auf Artair, der etwas abseits stand und sein Schwert gürtete.
Mein eigenes Schwert und Brayans sowie unsere Waffenröcke lagen neben ihm im Gras, Braigh hatte sie offenbar aus unserem Zelt geholt, bevor er hierhergekommen war.
Ich nickte ihm rasch anerkennend zu - es war nicht selbstverständlich, dass Knappen angesichts der ersten Schlacht einen kühlen Kopf bewahrten - und griff mir mein Schwert.
Das Blut rauschte wild durch meine Adern, aber das vertraute Gefühl des Schwertgriffs in meiner Hand ließ mich etwas ruhiger werden, und ich drehte mich zu Braigh um.
„Du bleibst hier, bei den anderen Knappen", sagte ich zu ihm, und ein trotziger Ausdruck trat auf sein Gesicht.
„Hast Du Neiyra gehört, Braigh?", sagte Artair hart.
Er saß bereits auf seinem Pferd und sah streng auf Braigh hinab, der schließlich widerstrebend nickte.
Ein schneller Blick rundum zeigte mir, dass fast alle Reiter soweit waren, und ich lenkte mein Pferd zu Gowan.
„Halte dich an mich, Brayan oder Bran", sagte ich eilig zu ihm, und er nickte.
Er war blass, wirkte aber entschlossen.
„Los!", drängte Artair, und wir gaben unseren Pferden die Sporen und galoppierten Richtung Tor, das die Wachen für uns offen gelassen hatten.
Kaum hatten wir das Tor hinter uns, ließen wir die Zügel schießen und jagten im gestreckten Galopp den Fußtruppen hinterher, die schreiend auf das in einiger Entfernung vor uns liegende Getümmel zustürmten.
Rasch hatten wir sie eingeholt und setzten uns an ihre Spitze, und zum ersten Mal konnten wir deutlich sehen, was vor uns lag.
Und was wir dort sehen konnten, nahm uns den Atem.
Der Boden war übersät mit Verwundeten und Gefallenen, und so wie es aussah, schien jeder einzelne von ihnen einer von Leodrics Männern zu sein.
Der Rest der Kämpfer setzte sich erbittert zur Wehr, aber es war völlig unmöglich für uns, zu erkennen, wogegen sie eigentlich kämpften.
Ein Brausen lag in der Luft, das immer lauter wurde, je näher wir kamen; und hilflos mussten wir mit ansehen, wie immer mehr Männer wie von unsichtbarer Hand gefällt zu Boden gingen.
Artair stieß einen wütenden Schrei aus, in den wir alle einstimmten, und wir trieben unsere Pferde noch mehr an, in dem drängenden Bestreben, Leodric möglichst schnell zu Hilfe zu kommen.
Je näher wir kamen, umso mehr Einzelheiten konnten wir erkennen, und ich konnte sehen, dass die Männer umgeben waren von schwarzen Wirbeln, die sich so schnell bewegten, dass man sie mit bloßem Auge kaum verfolgen konnte.
Offenbar waren es diese schwarzen, schemenhaften Gestalten, gegen die Leodric und seine Männer ankämpften; aber sie hatten keine Chance – viel zu schnell bewegten sich die unheimlichen Schatten, um ihrer tatsächlich habhaft werden zu können.
Es war ein ungleicher Kampf.
Ein grauenhaftes Gemetzel.
Mit gezogenen Schwertern preschten wir mitten in das Getümmel, und das schien den Angriff tatsächlich einen Moment ins Wanken zu bringen; seltsamerweise hatten die unheimlichen Gegner uns offenbar trotz unseres Gebrülls nicht bemerkt.
Ich ließ mein Schwert wirbeln, immer darauf bedacht, keinen von Leodrics Männern zu treffen, und in der Hoffnung, dass ich früher oder später eines dieser Wesen treffen würde.
Verzweifelt bemühte ich mich, eine dieser unnatürlich schnellen Gestalten im Blick zu behalten; zu erraten, wo es im nächsten Moment erscheinen würde und Silbersterns Schnelligkeit zu meinem Vorteil zu nutzen.
Und tatsächlich – an dem Ruck und dem Schmerz, der meinen Schwertarm bis zu meiner Schulter durchschoss, konnte ich erkennen, dass mein Schwert sein Ziel gefunden hatte.
Der schwarze Wirbel zu meiner Rechten erstarrte mitten in der Bewegung, und ich sah, dass es ein Mann war, der mit einer Lanze genau auf mich zielte.
Die Lanze fiel aus seiner Hand, und er brach zu meinen Füßen zusammen.
Schockiert sah ich ihn an.
Es war ein Mann. Ein ganz normaler Mann.
Ich wusste nicht, was ich eigentlich erwartet hatte; aber bestimmt nicht das.
Ein rascher Blick zu Artair zeigte mir, dass auch er erfolgreich gewesen war und um die wahre Natur unserer Gegner wusste.
Zwei der Angreifer lagen tot unter den Hufen seines Pferdes, und auch Brayan und Bran hatten ein paar erwischt.
Die gefallenen Gegner schienen Leodrics Männern neue Zuversicht einzuflößen, sie schlossen sich enger zusammen und wehrten sich erbittert; und aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, dass die Fußtruppen uns erreicht hatten.
„Einen Ring!" hörte ich Artair rufen.
Uisdean brüllte Befehle, sein Beidhänder schwirrte so rasch durch die Luft, dass ich das Blatt nicht mehr ausmachen konnte; und rasch formierten sich unsere Männer zu einem Kreis, Schulter an Schulter; nahmen Leodric und seine erschöpften Kämpfer in die Mitte und ließen ihre Schwerter schwingen wie Schnitter ihre Sensen.
Wir jagten mit den Pferden um sie herum, aber obwohl dies für einen Moment die Überlegenheit unserer Angreifer schwächte, war uns allen klar, dass wir am Ende unterliegen würden.
Nach und nach würden sie uns erwischen, und es gab keine Möglichkeit für uns, das Lager unbeschadet zu erreichen.
Es kam mir so vor, als hielten die schwarzen Gestalten einen kurzen Augenblick inne, und dann spürte ich eine Art Prickeln in der Luft, das ich mir nicht erklären konnte, und das eine Art Zeichen zu sein schien.
Bislang war der Angriff scheinbar planlos erfolgt und jeder der schwarzen Wirbel hatte allein gestanden, aber nun bündelten sie ihre Kräfte.
Zu dritt oder zu viert attackierten sie jetzt, an verschiedenen, weit auseinanderliegenden Punkten, die ständig wechselten. Sie versuchten, unsere Formation aufzubrechen und die Reiter zu trennen.
Ich jagte um den Ring herum, dicht gefolgt von Brayan, um Bran und Gowan auf der gegenüberliegenden Seite zu Hilfe zu eilen, die sich gleich gegen fünf Angreifer zur Wehr setzen; aber genau in dem Moment, in dem wir sie erreichten, verschwanden die schwarzen Wirbel.
Ich zügelte Silberstern, wir drehten uns mehrmals um die eigene Achse, und hastig suchte ich das Schlachtfeld ab.
Dort! Ein Stück entfernt, zu meiner linken Hand, sah ich sie wieder erscheinen, und ich wollte meinem Pferd schon die Sporen geben, als ich es spürte.
Artair stand allein.
Ich stieß einen Schrei aus und jagte los, in die entgegengesetzte Richtung als in die, in die sie uns locken wollten.
Ich spürte Brayan, Bran und Gowan dicht hinter mir, aber ich sah nicht zurück, sondern starrte auf das, was ich vor mir sah, in dem verzweifelten Versuch, es mit meinen Blicken aufzuhalten, den Abstand zu verringern, den fremden Wesen meinen Willen aufzuzwingen.
Artair war umgeben von schwarzen Wirbeln, ich konnte ihn fast nicht mehr sehen; nur ab und an blitzte ein Stück seines Waffenrocks, seines Schwertes in der tosenden Finsternis auf, die ihn umschloss.
Die Männer, die ihm am nächsten standen, lösten sich aus dem Ring, als sie sahen, was geschah, und versuchten, ihm zu Hilfe zu kommen; aber weniger als die Hälfte von ihnen erreichte ihn, bevor sie gnadenlos niedergemacht wurden.
Vier, drei, zwei Galoppsprünge, und ich war heran; ich fuhr in die schwarze Wirrnis und schwang mein Schwert, blind vor Wut.
Neacall und zwei weitere Reiter schossen von der anderen Seite herbei, und im nächsten Augenblick waren auch Brayan, Bran und Gowan bei uns.
Die Wirbel verschwanden, als hätte es sie nie gegeben; drei von ihnen lagen tot vor uns, aber schon erschienen sie wieder an anderer Stelle und attackierten den Ring an seiner schwächsten Stelle.
Artair hatte eine klaffende Wunde am Oberschenkel und mehrere kleinere an den Armen, und er schäumte vor Zorn.
Er gab Nachtwind die Sporen und setzte den Angreifern nach, und wir folgten ihm.
Aber so verzweifelt wir uns auch bemühten, überall gleichzeitig zu sein, so lichteten sich unsere Reihen doch mehr und mehr.
Verzweifelt zermarterte ich mir das Hirn, was wir noch tun könnten, doch mir wollte kein Ausweg einfallen.
Und dann geschah es.
Ein breiter, goldener Lichtstrahl fiel von einem der Türme des Heerlagers über das Schlachtfeld, durchdrang das Dunkel ringsum und erhellte den Tag; und ein sanfter Wind dämpfte das fürchterliche Brausen.
Neue Hoffnung erfüllte uns, und die Angreifer schienen verunsichert; das Wirbeln um uns kam zum Erliegen, und einen Moment lang herrschte eine unnatürliche Stille.
Atemlos waren alle Blicke auf das Heerlager gerichtet.
Auf dem Turm stand Shainara.
Ihre Aura, sonst sanft und friedlich, umtoste sie wie ein wildes Feuer, und das goldene Licht, das das Schlachtfeld erhellte, nährte sich daraus.
Wie als Antwort darauf erfüllte plötzlich ein schrilles, kreischendes Geräusch die Luft; so laut und unerträglich, dass einige unserer Männer in die Knie gingen und sich die Ohren zuhielten; und der Angriff brandete erneut auf.
Und im gleichen Augenblick hörte ich Shainaras Stimme in meinem Kopf.
Es ist ein Zauber, Neiyra, sagte sie.
Diese Schnelligkeit, das ist ein Zauber. Und dort muss jemand sein, der diesen Zauber webt. Sieh dich um! Finde ihn!
Ein Zauber? Verwirrt fuhr ich mir mit der Hand über die Stirn. Von einem solchen Zauber hatte ich noch nie gehört.
Rasch! drängte Shainara.
Beeil dich! Ihr könnt nicht mehr lange standhalten. Er muss irgendwo sein, wo er alles im Blick hat.
„Brayan! Artair!" rief ich, und als beide zu mir herüber sahen, warf ich Silberstern herum und lenkte ihn an den Rand des Geschehens.
Brayan folgte mir, und Artair bedeutete Bran, dass er das Kommando übernehmen solle, bevor er sich ebenfalls anschloss.
„Was ist los, Neiyra?", fragte er, als er mich erreicht hatte; seine Stimme klang grimmig.
„Shainara sagt, dass es ein Zauber ist, und hier jemand sein muss, der den Zauber webt", stieß ich hastig hervor.
Brayan warf einen Blick zurück zum Heerlager, zu Shainara auf ihrem Turm.
„Du kannst sie hören?" fragte er verblüfft.
„Sie ist hier drin", sagte ich und deutete auf meinen Kopf.
Brayan pfiff leise durch die Zähne.
„Shainara möchte, dass ich mich umsehe", ergänzte ich, und Artair nickte.
Ich nahm die Zügel wieder auf und begann, das Schachtfeld langsamer zu umkreisen, während Brayan und Artair mir Deckung gaben; bereit, jederzeit zuzuschlagen.
Ich stellte mich in meinen Steigbügeln auf und ließ den Blick langsam über das Kampfgetümmel wandern.
Nein, da war nichts. Nichts Ungewöhnliches, niemand, der sich irgendwie anders verhielt.
Wie weit konnte er wohl entfernt sein? Ich dehnte meine Suche aus und musterte die nähere Umgebung.
Ein Wäldchen, ein kleiner Hügel, ein paar Ruinen, noch ein Wäldchen.
Nichts.
Doch.
Abrupt brachte ich Silberstern zum Stehen, meine Augen flogen zurück zu dem Hügel. Irgendetwas stimmte dort nicht.
Ein seltsames Gefühl bemächtigte sich meiner, als ich meinen Blick über die Kuppe wandern ließ. Wieder und wieder suchte ich den Hügel ab, und schließlich blieben meine Augen an einem kleinen Dickicht hängen, fast direkt auf der Spitze des Hügels.
Dort.
Das war es.
Die Luft dort schien zu flirren, wie der Horizont bei großer Hitze, und alles schien seltsam verbogen.
Es fühlte sich an wie ein Bruch in der Wirklichkeit.
Fest heftete ich meinen Blick auf das Dickicht, und es war, als ob ein Sog mich dorthin zog. Die Welt um mich herum begann zu verschwimmen, und ich musste all meine Konzentration aufbringen, um im Hier und Jetzt zu bleiben.
„Dort!", rief ich und deutete auf den Hügel.
Ohne zu zögern gab Artair Nachtwind die Sporen.
„Berittene Bogenschützen!", rief er. „Mir nach!"
Sofort folgten uns fünf Reiter und Reiterinnen. Ich hielt meinen Blick fest auf das Dickicht geheftet, und je näher wir dem Hügel kamen, umso sicherer wurde ich mir, dass das, was hier geschah, seinen Ausgang von dort nahm.
Als wir in Schussweite kamen, zügelte Artair sein Pferd.
„Wo, Neiyra?", drängte er.
„Genau dort", sagte ich und deutete auf das Dickicht.
„Da ist doch überhaupt nichts!", sagte einer der Bogenschützen zweifelnd.
Wartet! hörte ich Shainaras Stimme, und ich wiederholte ihre Worte.
Sieh ihn dir an, Neiyra. Du kannst ihn sehen, wenn Du nur willst. Du kannst es. Sieh genau hin. Behalte ihn fest im Blick, und was auch geschieht, verlier ihn nicht aus den Augen.
Na toll, dachte ich.
Du kannst das, Kleines. Shainaras Stimme klang fest und zuversichtlich.
Du kannst viel mehr, als Du denkst.
Entschlossen richtete ich mich auf und durchbohrte das Dickicht mit meinen Augen.
Und dann fühlte ich es.
Etwas durchströmte mich, eine Kraft und Präsenz, die ganz und gar Shainara war.
Öffne dich. So, wie du es bei dem Ritual getan hast.
Ich ließ meine Barrieren fallen, und sofort spürte ich wieder, wie die Luft schwer wurde und prickelte, und jenes Rauschen und Pulsieren, das rasch in ein gleichmäßiges Schwingen überging.
Ich nahm es auf, verstärkte es, wurde ein Teil von ihm.
Ein dumpfes Grollen ertönte, und eine gewaltige Welle aus Licht, ausgehend vom Turm des Heerlagers, schoss durch mich hindurch, und ich verstärkte sie mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte, ohne überhaupt zu wissen, was ich da eigentlich tat.
In einem gewaltigen, gleißenden Blitz traf sie direkt in das Dickicht auf dem Hügel.
Und dann brach die Welt in tausend Stücke.
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