Hallo zusammen!
Sims-2-Spieler, wenn du so überzeugt davon bist, dass deine Sicht der Dinge die richtige ist, dann wird es dir doch bestimmt nicht schwer fallen, den Gedanken näher auszuführen und ggf. eine Quelle anzugeben, nach der du gefragt wurdest. Zudem wirfst du Mathe Man ja selbst vor, keinen Beleg für seine Aussage anzuführen. Was spricht also dagegen, dass du mit gutem Beispiel vorangehst?
Weil nicht ich es bin, der eine immer wieder verbreitete Falschbehauptung aufstellt. Auch mir wurde der Quatsch schon in der Schule erzählt, und schon damals blieb der Lehrer trotz beharrlicher Nachfragen den Beweis schuldig, dass eine Sperrklausel in der Weimarer Republik zu stabilen Verhältnissen geführt hätte oder eine fehlende Sperrklausel die junge Bundesrepublik destabilisiert hätte.
Dort findet man zunächst das, was Mathe Man bereits gesagt hat und was sich zumindest mit meinem Wissensstand deckt: Die Sperrklausel wurde im Hinblick auf die Zersplitterung des Parteiensystems in der Weimarer Republik eingeführt.
Das "weiß" jeder, der in Deutschland ein bisschen politische Bildung genossen hat. Sobald man aber nachhakt, passiert genau das, was Mathe Man auch erlebt hat: Diese Behauptung ist komplett unbelegt, sowohl für die Weimarer Republik als auch für die BRD.
Und selbst wenn sie belegbar sein sollte, kann die Lösung doch nicht sein, eine nennenswerte Anzahl Wähler mit erklärtem demokratischem Willen einfach mundtot zu machen, sondern es muss eine Möglichkeit gefunden werden, auch pluralistische Meinungen zu einer Einigung zu führen, z.B. durch Einzelfragenkoalitionen statt durch Parteikoalitionen.
Aber: Heute bewerten wir viele Dinge anders. Aufgrund von wissenschaftlichen Forschungsergebnissen z.B. Ich weiß nicht, wie das in anderen Wissenschaften aussieht, aber in der Geschichtswissenschaft ist es nicht ungewöhnlich, dass nach geraumer Zeit bereits allgemein akzeptierte Aussagen wieder über den Haufen geworfen werden, weil andere, überzeugendere Deutungen anhand des vorhandenen Materials entwickelt werden.
Das gilt, wenn rudimentäre oder unvollständige Daten vorliegen und die wenigen vorhandenen Daten viel Interpretationsspielraum lassen. Für die Weimarer Republik gilt das aber genau nicht. Die Wahlergebnisse sind wählergenau bekannt, die Abstimmungen abgeordnetengenau, und sogar die Redeprotokolle sind vollständig erhalten. Da gibt es fast keinen Interpretationsspielraum.
Und GERADE, wenn so konkrete Daten vorliegen, kann man als Begründung mehr erwarten als die dumpfe Wiederholung von "Die Zersplitterung ist schuld."
Im Falle der Weimarer Republik erlaubt der (gegenwärtige?) Forschungsstand wohl den Schluss, dass die Kleinparteien beim Zerbrechen der Weimarer Republik eine wohl eher untergeordnete Rolle gespielt haben dürften, das mag in den 1950er Jahren aber durchaus anders bewertet worden sein...
An den bekannten, nicht interpretierbaren Fakten hat sich seitdem nichts geändert. Und von irgendwann später gefundenen Dokumenten, aus denen hervorgeht, dass die Mehrheitsverhältnisse von bestimmten Seiten gezielt zur Destabilisierung genutzt wurden, ist mir nichts bekannt.
Möglicherweise kommt der Eindruck, die Zersplitterung der Parteien in der Weimarer Republik könne kein Grund für die Einführung einer Sperrklausel gewesen sein, also daher, dass wir die Gegebenheiten heute vielleicht einfach anders bewerten, als es damals der Fall war.
Das mag sein, weil die Demokratie nach dem Krieg in Deutschland noch sehr jung und ungewohnt war. Sehr viele noch lebende Menschen, gerade die staatsbildende ältere Generation, waren noch unter dem Kaiser aufgewachsen. Gegen eine Monarchie, vor allem gegen den preußischen Adels- und Beamtenstaat, ist jede noch so rudimentäre Form der Demokratie ein Fortschritt.
Das ist jetzt aber so lange her, dass nur noch wenige Menschen leben, die diese Staatsbildung als Wahlberechtigte erlebt haben, und wenn konkrete Schwächen einer Demokratie unbestreitbar werden, muss sie sich weiterentwickeln und kann sich nicht einfach auf über 60 Jahre alte unbelegte Behauptungen zurückziehen, um undemokratische Strukturen weiter zu zementieren.
Eine Quelle dafür, dafür, dass es die Sperrklausel bereits in der Weimarer Republik gab, würde mich übrigens auch interessieren, Mathe Man.
Das war keine Sperrklausel, sondern normales Repräsentantenwahlrecht für stimmberechtigte Gremien. Wenn ein Repräsentant in einem Gremium eine bestimmte Anzahl Wähler verteten soll, muss er auch eine entsprechende Anzahl Stimmen bekommen, sonst überrepräsentiert er diese Wähler. Die Alternative, in solchen Fällen den Repräsentanten nur Bruchteile von Stimmen zu geben, wird in der Regel als zu kompliziert angesehen.