Warum ich zuerst Chloe gerettet habe:
Intuitiv. Ich dachte, komm, wie lahm, das ist jetzt so eine klischeemäßige Entscheidung, eine der häufigsten Theorien, dass sie stirbt… Ich rette sie lieber ein letztes Mal.
Und ich glaube, ich hätte es so gelassen. Wenn nicht die Abschlusssequenz so selten emotionslos gewesen wäre. Ganz ehrlich? Vermutlich alle, sicherlich aber sehr viele der Menschen, die uns am Herzen lagen (Joyce, Warren, Frank) sind vom Sturm getroffen wurden, möglicherweise verletzt oder tot. Die fahren durch diese zerstörte Stadt, überall liegen Leichen, dann geht es direkt am Diner vorbei und – nichts passiert. Die gucken nicht mal nach, wie es dort drinnen aussieht, sondern lächeln einander an und fahren dem Sonnenuntergang entgegen. Keine Trauer? Kein Abschied?
Gut, ich sehe ein, dass hier der Wert der Freundschaft im Fokus stehen soll, aber das ist für mich nach so einem gefühlsgeladenen und überzeugend rübergebrachten Spiel schlicht unglaubwürdig.
Warum ich das Save am Leuchtturm neu geladen habe und bei der anderen Entscheidung geblieben bin:
Es wirkte runder, liebevoller auf mich. Chloe, die mich im Laufe der Handlung manches Mal wirklich aufgeregt hat wegen ihrer sorglosen Art, ihrem Selbstmitleid und der Tatsache, dass sie Max oft herumkommandiert hat, wirkte plötzlich richtig verändert. Ihr Plädoyer, obwohl sie Max die Entscheidung überlässt, wirkt komplett glaubwürdig. Sie denkt plötzlich wieder an die anderen Menschen, ihre Mutter, daran, dass Rachel am ehesten „Gerechtigkeit widerfährt“, wenn Max die Täter hinter Gitter bringt.
Der Epilog schließlich, bei dem alle Überlebenden auftreten und im Abschied zusammenstehen, war richtig rührend. Mit dem Auftauchen des Schmetterlings entsteht noch ein symbolischer Rahmen, und ich hatte den Eindruck, trotz all dem Schmerz hat Chloe jetzt ihren Frieden gefunden, ebenso wie Max.
Ich denke, die Ausarbeitung dieser Szenen war größtenteils ausschlaggebend. Ursprünglich wollte ich Chloe auf jeden Fall retten. Denn so bleibt der Beigeschmack, dass die ganzen Entscheidungen doch nicht so relevant waren, wie eingangs gedacht.
Die erste Hälfte der Episode hat das ja noch herrlich funktioniert. Bei mir nicht ganz so herrlich. Die einzige Überlebende war Kate, Nathan und Victoria sind Mr. J. zum Opfer gefallen. Dennoch konnte man hier wunderbar sehen, dass sich Max‘ Handeln auswirkt. Dieses ganze Foto-Hopping fand ich auch richtig cool gemacht.
Und dann? Dieser… Psycho-Trip war richtig extrem. Ich war wirklich, wirklich geschockt, als sie _wieder_ in dem verdammten Klassenzimmer aufgewacht ist. Das ganze Gerenne und Geflüchte hat bei mir dann auch wirklich richtig Beklemmung ausgelöst. Aber kurz blitzte der fiese Gedanke auf, dass damit nur Spielzeit gefüllt werden sollte. Auch wenn natürlich durch die ganzen Worst-Case-Szenarien die Entscheidung, auf die Kräfte zu verzichten und Chloe zu opfern, gewissermaßen vorbereitet wurde.
Mir ist klar, dass bei all den Theorien, all den möglichen Hinweisen und Verstrickungen, nicht alle Knoten aufgelöst und erklärt werden konnten. Dennoch fand ich es etwas schade, so wenig zu den Hintergründen zu erfahren. Was ist denn nun mit Sean Prescott? Warum gab es diesen Bunker, woher wussten die von dem Sturm? Was ist mit Samuel?
Das soll aber keinesfalls heißen, dass meine Erwartungen allgemein enttäuscht wurden. Dieses Spiel hat es geschafft, mich weit über die Spielzeit hinaus über meine Entscheidungen und das Schicksal der Charaktere nachdenken zu lassen, und es hatte mich emotional ziemlich im Griff. Es hat sich also definitiv für mich gelohnt, es zu spielen, und bestimmt nicht zum letzten Mal.
Besonders gelungen fand ich neben der allgemeinen Atmosphäre die Vertonung. Gerade die Sprecherin von Chloe hat meiner Meinung nach überragende Arbeit geleistet. Als Rachels Leiche gefunden wurde, war ich zwar sehr überrascht, aber der Grund, weshalb ich schwer schlucken musste, war die glaubwürdige Trauer und Verzweiflung, die bei Chloe rüberkam. Ebenso wie bei der Sprachnachricht von Nathan, die Max anhört, als es schon zu spät ist. Es gab einfach so viele Momente, in denen die Stimmung auf den Punkt getroffen war und ich wahnsinnig mitfühlen musste.