23. Kapitel
Ich lief nun schon lange die Straße entlang, die Shadys Beschreibung nach zu Leighton Forthers Haus führen sollte.
Es ging bergauf und ich schwitzte schon jetzt, obwohl ich noch nicht gearbeitet hatte.
Ich hatte kein Taxi nehmen wollen, ich hatte schließlich kaum Geld und Latisha hatte mir schon Kleidung geliehen, da musste ich sie nicht auch noch anpumpen.
Auf dem langen und sehr ruhig gelegenen Weg hatte ich viel Zeit, mir irgendwelche Schreckensszenarien auszumalen, mich selbst zu verängstigen. Langsam bekam ich nun auch Seitenstechen, das hatte ich schon beim Schulsport gehasst.
Die gesamte Situation verunsicherte mich immer mehr, es wurde auch langsam dunkel und ich war nicht sicher, ob ich den richtigen Weg gewählt hatte.
Dann endlich glaubte ich, auf dem Berg ein Haus zu erkennen.
Es erschien mir recht groß und ich bekam noch mehr Panik. War Leighton vielleicht wirklich so ein spießiger Kerl, wie er auf den ersten Blick zu sein schien?
Würde ich als Babysitterin unter seinem Dach bestehen können?
Er konnte sich sicherlich die Besten leisten und dann nahm er mich?
Ich war 18 Jahre alt und hatte kaum Erfahrung mit kleinen Kindern, hatte nicht mal Geschwister. Ich bekam Angst.
Endlich hatte ich die Mauer erreicht, die das Grundstück eingrenzte.
Ich konnte den großen Garten erkennen, den Spielplatz, das Haus.
Es war wirklich groß... glich einer Villa.
Ich versuchte, mir Mut zu machen.
Meine Schritte verlangsamten sich, meine Wangen glühten.
"Du schaffst das" klang es in meinen Ohren.
Ich nickte leicht und atmete ein paar Mal tief ein und aus.
Dann sah ich nach vorn.
Mein Weg endete vor einem schmiedeeisernen Tor.
Ich rüttelte daran, doch es ließ sich nicht öffnen.
Ich stutzte, suchte einen Klingelknopf oder etwas Ähnliches, doch ich fand nichts.
Unsicher stand ich nun dort, wäre es nach meinem Herzen gegangen, wäre ich umgekehrt.
Doch mein Gedanke war jener Spruch, den ich schon oft gehört hatte.
"Wer nichts wagt, der nichts gewinnt."
Plötzlich summte etwas.
Ich hörte es sehr deutlich und stand erst ratlos da, bis ich begriff, dass es der automatische Türöffner war.
Und tatsächlich ließ sich das Tor nun bewegen.
Schnurstracks ging ich nun auf die Haustür zu und gerade als ich auf dem Absatz davor stand, schwang die Tür auf und Leighton kam mir entgegen. Auf dem Arm hielt er die kleine Aramea.
Leighton trug einen Bart, es ließ ihn sehr viel älter wirken und ich erkannte ihn kaum wieder.
"Abend, Maya. Toll, dass Sie gekommen sind.", begrüßte er mich.
"Schön, hier zu sein.", log ich.
"Tut mir so leid, ich wurde zu einem kurzfristigen Termin gerufen und jetzt... müssen Sie..."
"Das ist schon in Ordnung.", unterbrach ich ihn.
Nun führte er mich ins Haus und erklärte unentwegt, weshalb er sich nicht selbst um Aramea kümmern könne und ich nun einspringen müsse.
"Das ist wirklich kein Problem!", sagte ich, doch er hörte nicht auf, sich zu entschuldigen.
"Also, ich müsste mich noch rasieren, es wäre ganz toll, wenn Sie Aramea solange schon einmal nehmen könnten, meinetwegen können Sie auch einen kleinen Rundgang machen. Lernen Sie die Kleine doch etwas kennen, ja?", erklärte er und ich nickte nur. Er drückte mir das kleine Menschlein in den Arm und verschwand im Badezimmer.
Ich ging ein bisschen umher und sah mir die Zimmer an.
Aramea saß still in meinem Arm und sah sich verwirrt um.
Das Kinderzimmer war wirklich schön und ordentlich.
Vielleicht sogar ein bisschen zu ordentlich. Mein Kinderzimmer hatte früher immer ganz anders ausgesehen.
Das Wohnzimmer gefiel mir sehr gut.
Es war klein und gemütlich, der Holzfußboden war wirklich schön.
Das Zimmer passte nicht in dieses große Haus. Ich lächelte und Aramea schwieg.
Ich betrat den nächsten Raum und staunte nicht schlecht.
Kurz musste ich mir selbst klar machen, dass ich mich nicht in einem Schwimmbad befand, denn so sah es hier aus.
Ein großes Becken nahm den Großteil des Raumes ein und Liegen standen am Rand.
Dies war ein einerseits positiver Teil dieser Villa, andererseits steigerte sich meine Ablehnung gegen das Haus auch. Denn wer benötigte ein Schwimmbad in den eigenen vier Wänden?
Zu guter Letzt sah ich mir noch das Schlafzimmer an. Es war groß und recht schön, wenn es auch nicht meinem Geschmack entsprach.
Plötzlich fing Aramea an, zu zappeln.
Sie ruderte mit den Beinen und ihr Mund verzog sich.
"Hunna!", piepste sie, "Huunnaaa!"
Ich war verwirrt.
Wie bitte?
"Hunna!", sagte sie nochmals und Tränen traten ihr ins Gesicht.
Panik stieg in mir auf und ich versuchte, zu verstehen was sie jammerte.
Als sie mindestens 5 Mal wiederholt hatte, was sie wollte, verstand auch ich es endlich.
Die kleine Maus hatte Hunger! Also nichts wie ab in die Küche...
Die Küche war schnell gefunden, sie war der einzige Raum, außer dem Bad, den ich noch nicht besichtigt hatte.
Ich setzte Aramea in den Hochstuhl und dachte nach.
Was aßen Kleinkinder denn?
Ratlos stand ich da, Aramea hatte zwar aufgehört, zu jammern, doch ich wusste nicht, was ich ihr geben sollte.
Überhaupt hatte Leighton mir nichts dergleichen gesagt, wann sie schlafen ging, ob ich etwas vorlesen sollte oder Ähnliches.
Plötzlich erklang seine Stimme im Flur: "Ich bin dann weg!"
Ich nutzte die Gelegenheit und rief: "Was soll sie denn essen?"
"Im Schrank steht Brei!", bekam ich als Antwort zugeworfen, bevor die Tür zuschlug.
Die Suche dauerte nicht lange, da hatte ich ein Glas Babybrei gefunden. Ich füllte einfach alles in eine Schüssel und stellte sie Aramea hin.
Musste man sie füttern oder aß sie alles alleine?
Doch gerade, als ich die Schüssel vor ihr abgestellt hatte, bekann sie auch schon, mit der Hand den Inhalt zum Mund zu führen.
Ich lachte. Dies war sicherlich nicht die hygienischste und beste Art, sein Essen zu vertilgen, aber das Wichtigste war, dass Aramea etwas essen konnte.
Auch ich selbst merkte, wie ich nun langsam Hunger bekam und überlegte, was ich mir machen könnte.
Der Kühlschrank gab jedoch nicht viel her.
Eine Flasche Champagner, Kaviar, eine Dose Bohnen und Brot.
Unten fand ich dann zum Glück noch einen Salat, den ich mit Essig und Öl verfeinerte.
Hier aß man wohl nicht viel.
Draußen war es nun schon dunkel, es war auch schon fast um 8:00.
Ich wusste nicht, wann die Kleine schlafen musste, also schmiedete ich beim Essen Pläne.
Sollte ich etwas vorlesen oder mit ihr spielen? Sollte ich mit ihr fernsehen?
Ich schämte mich für meine Unerfahrenheit, aber ich war doch erst 18.
Nach dem Essen fasste ich den Entschluss, mit ihr zu spielen wäre die beste Methode, sich besser kennenzulernen.
Also setzte ich Aramea auf den Boden im Kinderzimmer und suchte aus der Puppenstube eine Puppe aus.
Ich setzte mich zu ihr und ließ die Puppe über den Teppich laufen.
Aramea lachte und hielt ihre kleine Hand auf.
Ich legte die Puppe hinein und die Kleine fing sofort an, zu spielen.
"Püppi!", quietschte Aramea und lachte.
Ich dachte an Leighton. Ich glaubte, er kümmerte sich nicht richtig um seine Tochter. Er hatte nichts Ordentliches zu Essen für sie da, er hatte selbst gesagt, er könne sich nicht alleine kümmern.
Wieso hatte seine Frau sie nicht bekommen?
Aber die kleine, fröhliche Maus vor meinen Füßen brauchte doch die Zuwendung!
Für mich ergab das keinen Sinn. Und auch, wenn ich mir eigentlich noch keine Meinung bilden konnte, glaubte ich, Leighton wäre kein Vater...
Jedenfalls nicht mit Seele.
Plötzlich fühlte ich Arameas kleine Hand auf meiner.
Sie strich darüber.
Ich sah das Mädchen fragend an.
"zlafe", sagte sie leise, "zlafe!"
Ich verstand diesmal sofort, was sie wollte, vielleicht auch, weil man es an ihrem müden Gesicht erkennen konnte.
"Schlafen?", fragte ich, um sicherzugehen, dass sie das gemeint hatte.
Plötzlich merkte ich, dass dies das erste Wort gewesen war, was ich zu Aramea gesagt hatte. Ich fühlte mich schuldig, nicht mit ihr gesprochen zu haben.
Nun nickte sie müde und warf die Puppe weg.
Ich brachte sie ins Bettchen.
Der Abend verging ruhig und ich war glücklich - ich hatte den ersten Abend geschafft, mochten noch viele weitere folgen!
S.I.M.S.