Man muss übrigens ein Kind, zumindest ist es in Berlin so, nicht in die nächst gelegene Schule stecken, man kann auch ne Schule suchen, die außerhalb des eigenen Wohnviertels liegt.
Ja, zum Glück. Aber bei dieser Aussage ging es um Wahrscheinlichkeiten. Ein monatliches Busticket würde beispielsweise zusätzliche Kosten bedeuten. Deshalb die höhere Wahrscheinlichkeit.
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Also, abgesehen von dem wissenschaftlichen Aspekt und um Beispiele aus dem alltäglichen Leben darzustellen:
Ich bin selbst Kind einer Arbeiterfamilie und habe deshalb keinen akademischen Hintergrund. Mein Vater war Alleinverdiener, meine Mutter Hausfrau. Meinen Eltern war Bildung aber sehr wichtig, wollten dies aber ohne Zwang. Unter dieser Prämisse haben sie mich bestmöglich unterstützt, sodass ich auf einer privaten Schule mein Abitur machen konnte. Jedoch alles aus meinem Willen heraus. Dafür mussten meine Eltern jeden Monat Schulgeld zahlen. Hier in der Kleinstadt nicht sehr viel, aber über die Jahre gesehen eine stattliche Summe.
Auf dieser Schule war es sehr schwer für mich Fuß zu fassen und Freunde zu finden, weil die meisten sich bereits seit frühester Kindheit kannten und aus Akademikerfamilien stammten. Deshalb gab es bereits vordefinierte Gruppen, die nicht zugänglich für mich waren, weshalb ich nur mit zwei Leuten aus der Grundschule Kontakt hatte, die ebenfalls dort waren.
Die Lehrer waren zwar nach außen liberal eingestellt, aber eine latente Diskriminierung, zumal an einer katholischen Privatschule, war immer gegeben und als Kind spürbar.
Außerdem bin ich introvertiert, weshalb ich den Unterricht eher still beobachtet und reflektiert habe.
Mit dieser Mischung musste ich immer mehr leisten, um dieselbe Note zu erreichen als andere Schüler, einfach weil ich nicht zur gängigen Schülerschaft gehörte. Ich musste mich viel mehr beweisen.
Letztendlich kam es so, dass ich nach einem Jahr Krankheit eine Stufe wiederholen musste und gänzlich alle Kontakte verlor.
Der Wiedereinstieg war hart und voll von Ressentiments bzgl. meines Alters, meiner Interessen, meiner Eltern und natürlich des Wiederholens und obwohl ich nicht leistungsbedingt wiederholen musste, trug ich immer das latente Schild an der Stirn, dass es ja klar war, dass ich es nicht schaffen würde. Das Wiederholen war die Bestätigung, dass ich eben doch fehl am Platze war und nicht zu dieser sozialen Gruppe und deren Schule gehörte und am besten aufgeben sollte. Meine Eltern berichteten von Elternabenden ähnliches.
Letztendlich war ich einer der besten Absolventen, was beweist, dass diese ganze Einteilung nach Schichten und finanzieller Möglichkeiten, natürlich, totaler Quatsch ist, was die Leistung angeht. Logisch. Trotzdem hatte ich mit viel viel größeren Anforderungen und Schwierigkeiten zu kämpfen.
Ohne die emotionale Unterstützung meiner Eltern hätte ich das nicht geschafft, aber ohne die finanzielle eben auch nicht.
Außerdem habe ich ein Jahr lang an einer Gesamtschule lernschwache Kinder unterrichtet. Überwiegend Kinder mit Migrationshintergrund und wenig solventen Eltern im Rücken.
Teilweise war gar kein Unterricht möglich, weil die Kinder schlicht meinten, dass die Eltern nicht genug Geld für ständig neue Geodreiecke oder Schulhefte haben, deshalb keines bekamen, diese aber schon wieder von Schulkameraden zerbrochen oder zerrissen wurden. Gerne fehlten auch Seiten im Schulbuch. Die Schule war überfordert und wollte natürlich alle Schüler bestmöglich unterstützen, konnte aber auch nicht ständig alles kostenfrei zur Verfügung stellen und die Eltern konnten sich Schulbücher sowieso nicht leisten.
Jetzt, wo ich für suchtkranke Menschen arbeite, bekomme ich auch öfter die Sorgen von Eltern erzählt, die ihrem Kind gerne eine bessere Bildung ermöglichen möchten (abgesehen von sich selbst. Denn sich selbst haben die meisten schon aufgegeben), damit sie aufsteigen und nicht abrutschen, wie sie, sich das aber nicht leisten können. Da spielt natürlich die Suchtproblematik eine entscheidende Rolle, weil sie deshalb nicht mehr auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelbar und meist auf Sozialhilfe angewiesen sind. Aber darum geht es ja.
Also vieles gründet auf Klischees, aber eben auch auf Geld. Ganz sicher aber sind die Bildungschancen nicht gleich verteilt, nichtmal annähernd. Leider traurige Realität und diverse wissenschaftliche Untersuchungen belegen dies ja auch.