Kapitel 23: ...
Jens scheint es mittlerweilen aufgegeben zu haben nochmals mit mir reden zu wollen, keine Anrufe, kein SMS. Gut! Immerhin scheint er zu kapieren, dass er mich endlich in Ruhe lassen soll. Vielleicht schaffe ich es dann auch mal, ihn irgendwie zu vergessen. Eine Träne kullert mir die Wange runter.
Ich schlucke meine Trauer runter und gönne mir einen Ausflug in die Bibliothek. Eine riesige Auswahl an Geschichten, in die ich abtauchen kann und in denen kein Jens vorkommt, wartet auf mich. Ich setze mich an den Tisch und bin froh hier etwas Ruhe zu finden.
Ernsthaft, es hat jede Menge freie Tische und man muss sich ausgerechnet gegenüber von mir hinsetzen? Wenigstens scheint er nicht die Absicht zu haben mich anzusprechen. Trotzdem fühle ich mich unbehaglich, es könnte sich ja noch ändern. Ich blättere zum Schein noch ein wenig in dem Buch, bis ich es schliesse, aufstehe und mich von dem Tisch entferne.
Ich begebe mich in die obere Etage, um mir die Auswahl dort anzusehen. - Das glaube ich jetzt nicht. Klar, es gibt hier in der Umgebung nicht viele Betätigungsfelder, aber muss mir dauernd irgendwo jemand über den Weg laufen? Keine Chance noch irgendwie wegzukommen, ohne dass mich Jennifer bemerkt. Die Gute scheint aber auch nicht bester Laune zu sein - ob sich da schon die hormonellen Veränderungen bemerkbar machen? Bei dem Gedanken wird mir plötzlich schlecht.
Jennifer ist nicht weniger überrascht über die Begegnung als ich. Wortlos steht sie vor mir und scheint sich zu überlegen was sie sagen soll, oder vielleicht auch, warum sie nicht das Buch über Teleportation gelesen hat. Ich begrüsse sie: "Hallo Jennifer, keine Angst, ich will mir nur die Bücher in dem Regal ansehen.", sie erwacht aus ihrer Starre und antwortet: "Hi Fabia, vielleicht sollten wir reden?", ich sehe sie gequält an: "besser nicht."
Jennifer setzt an um etwas dazu zu sagen, als mich ein Anruf von Chloé rettet. Sie will sich mit mir treffen - ich nehme dankbar an.
Chloé und ich gehen spazieren, sie nennt mir den Grund ihres Anrufes: "Es war plötzlich so ruhig um dich, ich habe mir Sorgen gemacht. Anscheinend zu recht. Willst du darüber reden?"
Ich habe Bedenken, aber vielleicht tut es mal ganz gut, eine andere weibliche Meinung zu hören, als die von Silja.
Chloé bleibt während meinen Erzählungen stehen und denkt nach. Irgendwann fällt sie mir ins Wort: "Ok, Stopp!", sie fasst sich ungläubig an die Stirn, "nur damit ich das richtig verstehe: Du ziehst irgendwelche Schlüsse, ohne wirklich zu wissen, ob du damit richtig liegst und lässt dir weder von deinem heissgeliebten Jens, noch von Jennifer irgendwas erklären, obwohl die beiden offensichtlich ein Bedürfnis haben dir irgendwas mitzuteilen? Entschuldigung, ich will nicht hart klingen, aber denkst du nicht, dass das irgendwie bescheuert ist, damit machst du dir das Leben doch nur zusätzlich schwer."
Chloé sagt was sie denkt und das ist auch gut so. Trotzdem erwischt sie mich damit eiskalt. Ich gehe nach Hause und denke darüber nach. Sie hat ja recht, meine Reaktionen sind irrational.
Meine Selbstreflektion wird durch das Klingeln der Türglocke unterbrochen - um diese Zeit? Erstaunt öffne ich Jennifer die Tür und lasse sie herein.
Sie entschuldigt sich höflich für die späte Störung und will diese sogleich begründen: "Jens war heute total am Boden zerstört und ich nehme an, dass es deinetwegen ist. Ich weiss nicht was vorgefallen ist, er erzählt ja nichts, aber du solltest vielleicht mit ihm reden. Das lässt sich doch sicher irgendwie klären?" - "Jennifer, ich kann ja verstehen, dass du dich um Jens sorgst. Es tut mir auch leid, wenn meine Wut und Trauer einen Schatten auf eure Beziehung wirft, aber ganz ehrlich, das kann nun nicht mein Problem sein." - "Oh mein Gott, Fabia! Da läuft etwas schrecklich schief, hör mir bitte zu."
Ich denke an Chloé und höre mir an, was Jennifer zu sagen hat: "Jens und ich, klar uns verbindet unsere Vergangenheit und das wird es auch immer, alleine schon, weil Leoni da ist. Zugegeben, ich dachte, dass dadurch auch eine gemeinsame Zukunft besiegelt sei. Jens hingegen war hin- und hergerissen zwischen dem was er meinte für mich fühlen zu müssen und den Gefühlen für dich. Vor ein paar Tagen schien er plötzlich Klarheit über seine Gefühle zu haben. Keine Ahnung wie, er murmelte irgendwas von Yoga. Auf jeden Fall, Jens und ich sind kein Paar. Ich weiss nicht wie er es geschafft hat, bei dir den Eindruck zu erwecken, dass ich seine Auserwählte bin, wenn er doch dich liebt."
Ich traue meinen Ohren nicht, mein Herz pocht wie wild. Jennifer schubst mich leicht an: "Na los, worauf wartest du, geh schon zu ihm."
Ich eile zu Jens, hämmere an die Tür und rufe nach ihm - Stille. Er scheint nicht da zu sein. Ich renne um das Haus, kann ihn aber auch hier nicht finden. Ausser Atem bleibe ich stehen, blicke auf das Meer hinaus, ich entdecke ein Feuer an dem nahe gelegenen Strand. Ich überlege nicht lange und renne los.
Nach Luft ringend komme ich vor Jens zum stehen, keuchend japse ich:"Jens, endlich." - "Fabia, was tust du hier?", ich versuche mich zu beruhigen, aber mein Herz schlägt Purzelbäume und ich zittere am ganzen Körper: "Ich habe mit Jennifer gesprochen. Oh, Jens es tut mir so leid, ich hätte dir zuhören sollen."
Ich kann mich nicht mehr halten, ich wanke einen Schritt auf Ihn zu, um ihm um den Hals zu fallen. Er blockt mich ab: "Warte Fabia, so einfach ist es leider nicht.", nachdenklich starrt er vor sich hin.
"Hörst du mir jetzt zu?", fragt er mit eindringlichem Blick, meine Lippen formen ein klangloses Ja. Er schliesst die Augen, als er sie wieder öffnet, sieht er mich ernst an: "Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als mit dir zusammen zu sein. Aber ich musste feststellen, dass das nicht ausreicht. Selbst jetzt da du offensichtlich mit dem gleichen Wunsch vor mir stehst, bin ich nicht sicher, ob es richtig ist. Als du aus dem Haus gerannt bist, dachte ich, ich muss es nur irgendwie schaffen, dir alles zu erklären und alles wird gut.", er seufzt bevor er weiterredet, "Aber dann hast du meine Anrufe und Nachrichten ignoriert. Also blieb mir nichts anderes übrig, als dich aufzusuchen. Da habe ich dich vor deinem Haus gesehen, in vertrauter Umarmung mit irgendeinem Mann."
Ich schrecke auf und will was sagen, er legt seine Hand auf meine Wangen, fährt mir mit dem Daumen sanft über die Lippen und bringt mich damit zum schweigen, "Hör mir bitte zu Fabia. Ich weiss, du willst mir sagen, dass es nicht so ist, wie es aussah. Erstens, ich habe mich von dir getrennt, schon alleine deswegen bist du mir keine Rechenschaft schuldig darüber, was du tust und mit wem du es tust. Aber das ist in diesem Fall sogar egal, ich habe gesehen wie er dich angesehen hat, ich habe das Verlangen in seinen Augen gesehen. Wenn mehr zwischen euch gelaufen wäre, wäre sein Blick ein anderer gewesen, da bin ich mir sicher. Natürlich wurde ich Eifersüchtig, ich wollte ihn von dir wegzerren und ihm mindestens eine reinhauen. Gleichzeitig wurde mir aber auch eines klar, es geht nicht nur um mich.", er macht eine Pause und versucht seine Gedanken zu ordnen.
"Du hattest mich im Fitness&Spa gefragt, ob mir sowas wie mit dir auch mit Jennifer passieren könnte. Die einzige Antwort, die ich darauf finden konnte, war ein klares Nein. Ich kann mir mit Jennifer nichts dergleichen vorstellen. Aber statt direkt zu dir zu kommen, mache ich diese Pläne, ja das Haus ist offensichtlich nicht für mich alleine, ich habe es gesehen und konnte mir sofort uns beide vorstellen, wie wir hier leben und irgendwann gemeinsam eine Familie gründen. Ich ziehe dich nicht in meine Gedanken ein, und deine Reaktion war eine Folge davon und zeigte mir, dass du mir offensichtlich zutraust dich wissentlich und absichtlich zu verletzen. Bei uns ist alles so kompliziert, was es nicht sein sollte. Deshalb bin ich mir nicht sicher, ob es richtig ist, ob ich der Richtige für dich bin. Ich kann dir nicht versprechen umgänglicher zu werden. Denk bitte darüber nach, ist es wirklich das was du willst?"