Kapitel 023 - Bemitleidenswert
„Ich habe dich vermisst“, flüsterte Chris in Nadines Ohr.
„Ich dich auch.“
Sie lagen auf Nadines Bett. Es war schon beinahe Mittag, aber Nadine wollte nicht aufstehen. Sie wollte ewig so liegen bleiben. Den ganzen Sonntag und die folgende Woche. Und die Woche darauf. In den Armen des Mannes, den sie liebte. In den Armen des Vaters ihres Kindes.
Doch die Hausglocke liess das leider nicht zu. Erbarmungslos schrillte sie auf und holte die beiden Turteltauben von Wolke sieben herunter.
Nadine stöhnte genervt und wollte sich erheben, doch Chris hielt sie zurück.
„Warte. Können wir nicht einfach so tun, als wäre niemand da?“
„Aber was, wenn es dringend ist?“, antwortete Nadine mit einer Gegenfrage.
„Du hast recht, vielleicht ist es ja die Nachbarin und sie braucht dringend Mehl für ihren Sonntagszopf“, scherzte er und Nadine drückte ihm zur Strafe lachend das Kopfkissen ins Gesicht.
„Quatsch, den Zopf hat sie doch schon gestern Abend gebacken. Den brauchte sie doch heute zum Frühstück“, witzelte sie zurück und machte erneut Anstalten aus dem Bett zu steigen. Chris zog sie jedoch am Arm zurück ins Bett.
„Lass doch Jana die Türe öffnen“, schlug er vor.
„Gute Idee!“, entgegnete Nadine und kuschelte sich wieder an ihren Freund.
Doch die Hausglocke schrillte erneut. Jana schien sich nicht darum zu kümmern.
„Ich bin gleich wieder da“, murmelte Nadine, drückte Chris einen Kuss auf den Mund, bevor er protestieren konnte, und stieg aus dem Bett.
Während sie zur Haustür schlurfte, liess der Besucher nicht locker und drückte nun ununterbrochen auf die Klingel.
„Ist ja gut! Ich komme ja schon!“, rief Nadine genervt. „Nur keinen Stress, es ist Sonntag und wir..“ Doch die Worte blieben ihr im Halse stecken, als sie durch das Fenster in der Tür sah, wer sie aus dem Bett geklingelt hatte.
Schnell nahm sie eine Jacke von der Garderobe, schlüpfte hinein, trat auf die Veranda und zog die Türe hinter sich zu.
„Hallo Nadine.“
Nadine hätte ihm dafür in Gesicht schlagen können, wie er bei diesen Worten so freundlich grinste, als wäre nichts gewesen.
„Luca! Dass du dich traust, hier aufzukreuzen!“, fuhr sie ihn fassungslos an.
„Bitte Nadine, wir müssen reden! Es tut mir leid, wie das alles gelaufen ist. Glaube mir, ich wollte das nicht so.“
„Das hättest du dir früher überlegen sollen“, erwiderte sie kalt. Sie hatte keine Lust sich seine Entschuldigungen anzuhören. Er hatte etwas falsches getan und sollte sich jetzt mit der Konsequenz abfinden, dass sie keinen Kontakt mehr zu ihm wollte. So, wie sie als Strafe für ihre Fehler mit dem schlechten Gewissen leben musste.
„Ich weiss. Es war dumm von mir! Du hast recht, ich habe mir wirklich nichts dabei gedacht. Du hattest mich verzaubert. Ich war völlig blind für die Realität. Es schien mir so unwichtig, dass du einen Freund hast, dass du schwanger von ihm bist. Alles, was zählte, war, dass du bei mir warst. Dass auch nur die leichteste Hoffnung bestand, dass du mich auch magst. Nadine, ich wollte dich einfach nicht verlieren, verstehst du? Ich denke, ich habe mich..“
„Stopp!!“ Nadine presste sich beide Hände auf die Ohren. „Hör auf damit, Luca!“, wimmerte sie. Sie würde es nicht ertragen, wenn er ihr jetzt seine Liebe gestand. Seine Worte, die sein Handeln rechtfertigten und ihr Herz zum schmelzen brachten, konnte sie nicht anhören. Denn sie brachten Nadine dazu, Mitleid mit ihm zu haben und sich verantwortlich zu fühlen. Und das konnte sie sich nicht leisten! Sie hatte schon genug Schuldgefühle Chris gegenüber. Noch mehr davon würde sie nicht ertragen. Sie konnte jetzt schon nicht mehr in den Spiegel schauen.
„Mein Freund liegt in meinem Bett, nur einige Meter hinter dieser Mauer“, presste Nadine hervor und betonte dabei jedes Wort, damit die Botschaft auch ja klar bei Luca ankam.
„Ah ja? Dann kümmert der sich endlich um dich, ja?“
Nadine ignorierte Lucas Bemerkung und fuhr fort: „Ich erwarte ein Kind von ihm und ich liebe ihn. Du, Luca, bist – oder besser gesagt, warst – nur mein Arzt. Ich möchte, dass du jetzt von hier verschwindest und nie wieder Kontakt zu mir aufnimmst.Wir beide haben Fehler gemacht und es ist für uns beide besser, wenn wir von hier an getrennte Wege gehen und vergessen, was zwischen uns vorgefallen ist. Ich werde keine Anzeige erstatten, aber du wirst mich dafür in Ruhe lassen, verstanden?“ Nadine hielt die Luft an und wartete darauf, dass Luca einwilligte. Er musste doch auch einsehen, dass es keine andere Möglichkeit gab.
Nadine wäre auf alles gefasst gewesen. Darauf, dass Luca sie enttäuscht angesehen oder dass er sie angeschrien hätte. Sogar darauf, dass er sie angefleht hätte, sich weiter mit ihm zu treffen. Aber nie hätte sie erwartet, dass er sie auslachen würde. Doch genau das tat er. Laut und schallend lachte er darauf los.
„Was ist daran so komisch?!“ Sie musste die Stimme erheben, um sein Gelächter zu übertönen.
„Was daran so komisch ist? Naja.. eigentlich ist es gar nicht komisch, eigentlich ist es eher traurig. Bemitleidenswert. Ja genau bemitleidenswert!“ Seine Stimme klang hart und seine Lacher liessen Nadine einen Schauer über den Rücken laufen.
„Wir beide sind bemitleidenswert. Du bist ein Miststück, das andere nur belügt und ausnutzt, und ich bin ein Idiot, der sich auch noch in dich verliebt!“
„Ich habe dich nicht belogen. Du wusstest von Anfang an, dass ich einen Freund habe“, Nadines Stimme zitterte. Sie fühlte sich völlig schwach, aber sie musste stark bleiben. Im Innern wusste sie, dass er recht hatte, dass alles ihre Schuld war, aber äusserlich wollte sie das nicht zeigen.
„Belogen hast du ihn! Mich vielleicht nicht, aber ausgenutzt allemal“, antwortete er scharf.
Seine Worte schnitten wie Messerklingen in ihren Bauch. So fühlte es sich jedenfalls an. Oder war es wegen dem Baby?
Das arme Kleine! Was würde es für eine Mutter haben? Eine, die seinen Vater betrog und die andere ausnutzte. Eine Mutter, die sich selbst verachtete. Nadine spürte Tränen in ihren Augen aufsteigen. Sie kämpfte gegen sie an, so gut es ging.
„Luca, bitte geh jetzt!“, sagte sie schwach.
„Die Wahrheit tut weh, nicht wahr?“, zischte er.
Die Haustür flog laut auf und Nadine und Luca fuhren beide erschrocken herum.
„Haben Sie Nadine nicht gehört?“ Jana war auf die Veranda getreten und funkelte den Arzt böse an. „Sie hat gesagt, Sie sollen gehen!“
„Was geht Sie das an?“, fragte er.
„Nadine ist meine beste Freundin und das ist auch mein Haus.“ Jana trat beschützend vor ihre Mitbewohnerin. Luca warf ihr zwar einen spöttischen Blick zu, drehte sich dann aber um und verliess die Veranda.
Nadine und Jana sahen ihm stumm hinterher, bis er das Gartentor hinter sich geschlossen hatte und in seinem Wagen davongefahren war. Dieses Mal war Nadine froh darüber, dass ihre Freundin eingegriffen hatte.
„Alles in Ordnung bei dir?“, fragte Jana.
Nadine nickte und murmelte ein „Dankeschön!“
Als sie wieder ins Haus gingen, kam ihnen gerade Chris entgegen.
„Was war denn los?“, wollte er wissen. Nadine warf Jana einen hilfesuchenden Blick zu.
„Mein Ex“, seufzte Jana gespielt. „Der will einfach nicht verstehen, dass es aus ist zwischen uns. Hätte Nadine mir nicht geholfen, wäre ich ihn wohl nie losgeworden.“
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Ich hatte viel um die Ohren die letzten Tage, aber jetzt habe ich's endlich geschafft. Ich hoffe, es gefällt