Die Bildbearbeitung hat doch länger gedauert, als ich dachte, sorry.
Credits vorab: der Schwur, den Gowan ablegt, ist nicht auf meinem Mist gewachsen.
Er ist ein Zitat aus "Dragonheart", es ist der Alte Schwur, den Bowen vor Artus erneuert.
Mein Sohn hatte sich gewünscht, dass ich ihn verwende, und da er Artairs Schwert diesen wunderbaren Namen gegeben hat und seit Wochen mit Begeisterung Rüstungen malt, Schwerter entwirft und sich Zeichen und Embleme ausdenkt, hab ich ihm diesen Wunsch gern erfüllt, obwohl ich das Wort "Ritter" in dieser Geschichte eigentlich gerne vermeiden wollte, weil es den Kern nicht richtig trifft.
Bei den
Lupenbildern mag ich diesmal besonders die 5 bis 7 und die 17 und 19.
Und im übrigen bitte ich um Verzeihung, dass Gowan auf den Bildern keinen Kragen hat.
Und jetzt wünsche ich euch viel Spass!
Als ich am nächsten Morgen erwachte, gab es diesen einen, gnädigen Augenblick.
Jener Moment, bevor sich die Erinnerung wie Blei auf Körper und Seele legt, und in dem noch alles gut ist. Aber er war nur kurz, und dann war er vorbei.
Ich drehte mich auf die Seite und rollte mich zusammen. Das Atmen fiel mir schwer.
1
Artair und Ariadna.
Meduria.
Niemals. Niemals würde ich Artair verraten, dessen war ich mir sicher. Eher würde ich mir selber die rechte Hand abhacken.
Aber ich konnte das Bild, das mir nun wieder lebhaft vor Augen stand, nicht aus meinem Kopf vertreiben.
2
Sein versehrter, blutüberströmter Körper auf diesem Felsen, die Augen gebrochen ins Nichts starrend. Der Waffenrock, den er trug, war mir gänzlich unbekannt, er war von einem tiefen, seltenen Blau; mit fremden Mustern, die einmal weiß gewesen sein mochten, aber nun beinahe unkenntlich waren durch Schmutz und Blut. Das Schwert seiner Väter war seiner schlaffen Hand entglitten und lag nutzlos neben ihm auf dem Boden.
Es war nur ein Traum, versuchte ich mir einzureden.
Aber ich wusste, dass es nicht nur ein Traum war. Ich kannte den Unterschied zwischen einem Traum und dem, was ich sah, wenn die Gabe wirkte.
Es klopfte kurz an der Tür, und Ceilith kam herein.
„Ihr seid noch nicht auf?", sagte sie erschrocken.
„Und ihr seid bekleidet zu Bett gegangen?"
„Ich war so müde", flüsterte ich.
„Warum habt ihr mich denn nicht gerufen? Ich hätte Euch doch geholfen", sagte Ceilith, und sie klang besorgt.
„Nein, schon gut. Ich wollte gerne allein sein, und Du hattest etwas mit Deiner Familie zu feiern."
„Ja", sagte Ceilith, und ihre Stimme klang unsicher.
„Darüber wollte ich mit Euch reden. Ich wollte Euch um etwas bitten."
Sie sah mich an, und fügte dann hastig hinzu: „Aber Euch geht es nicht gut, und es ist auch nicht so wichtig."
4
„Unsinn", erwiderte ich und setzte mich auf.
„Mir geht es gut. Was hast Du auf dem Herzen?"
Ceilith knetete nervös ihre Hände.
„Meint ihr… könntet ihr…", stotterte sie.
Ich wartete geduldig. Dann hob sie den Kopf und sah mich an.
„Ich würde gerne mit dem König sprechen", sagte sie leise.
Nachdem Ceilith mir geholfen hatte mich umzuziehen, ging ich mit ihr zu Artairs Beratungskammer; wenn wir in Caer Mornas waren, war er jeden Morgen dort zu finden.
5
Aber als ich die Tür öffnete, fand ich nur Dian vor, der am Schreibtisch saß und stirnrunzelnd ein paar Schriftstücke durchsah.
Als er aufblickte und mich erkannte, lächelte er mir zu.
„Neiyra", sagte er warm, „ich hatte noch keine Gelegenheit, Dir zu sagen, wie froh ich bin, dass Du unversehrt zurück bist."
Ich trat zu ihm, setzte mich auf die Lehne, legte einen Arm um seine Schulter und hauchte einen winzigen Kuss auf seine Wange.
6
„Das weiß ich doch, Vater", sagte ich und gab sein Lächeln zurück.
Er strich mir über den Arm. „Wolltest Du zu mir?", fragte er dann.
„Kann ich etwas für Dich tun?"
Ich schüttelte den Kopf.
„Eigentlich suche ich Artair. Wisst Ihr, wo er ist?"
„Er wollte im Garten spazieren gehen."
Ich zwinkerte kurz und sah ihn ungläubig an.
„Was wollte er?", fragte ich nach, um sicher zu gehen, dass ich ihn richtig verstanden hatte.
Dian grinste mich an.
„Spazieren gehen. Im Garten", wiederholte er.
Ich konnte es nicht fassen. Artair ging spazieren, obwohl sich auf seinem Schreibtisch die Arbeit häufte? Das war in all den Jahren, in denen ich ihn nun schon kannte, noch nie vorgekommen.
Immer hatten Brayan und ich ihn mit Tricks und Kniffen von seinen Pflichten weglocken müssen, wenn wir der Meinung waren, dass er etwas Ruhe und Entspannung brauchte. Oder Spass.
7
„Er war schon sehr früh auf", sagte Dian.
„Hat einen Boten zu Leodric geschickt, sich um ein paar drängende Probleme gekümmert und dann nach Mártainn geschickt, um mit ihm über die Cul´Dawr zu sprechen."
Dian schmunzelte.
„Mártainn war wenig begeistert, er hat fast die ganze Nacht mit Shainara über diesem Zauber gebrütet, der den Kindern der Cul´Dawr helfen soll. Und jetzt..."
„Geht er im Garten spazieren", ergänzte ich, aber ich konnte es immer noch nicht so recht glauben.
Als Ceilith und ich den Garten erreicht hatten, sah ich mich suchend um. Und tatsächlich, dort war er.
8
Und er war nicht allein. Ariadna war an seiner Seite, und sie sah zu ihm auf und lauschte aufmerksam seinen Worten.
Ein scharfer Schmerz fuhr durch mein Herz.
Ceilith blieb stehen. „Wir wollen ihn lieber nicht stören", sagte sie unsicher.
9
„Humbug", knurrte ich, und zog Ceilith am Arm hinter mir her, auf Artair zu.
„Neiyra", sagte er überrascht, als ich mich vor ihm aufbaute. "Ceilith", fügte er hinzu und nickte ihr zu.
Ceilith knickste und senkte den Blick.
„Guten Morgen, Base", sagte Ariadna und strahlte mich an.
„Morgen", schnappte ich, und es klang selbst in meinen Ohren unfreundlich. Ich hatte das Gefühl, als ob dieses winzige Wort mir beinahe im Hals stecken blieb.
Artair zog ob meines Tones überrascht eine Augenbraue nach oben und sah mich erstaunt an.
„Ist etwas passiert?", wollte er dann wissen.
„Nein", sagte ich, und bemühte mich, meiner Stimme einen normalen Klang zu verleihen.
„Ceilith wollte gerne mit Dir sprechen."
Artair sah mich immer noch verwundert an, aber dann wandte er sich Ceilith zu.
„Was hast Du auf dem Herzen, Ceilith?", fragte er sie freundlich.
Ceilith wurde bleich und nestelte nervös an ihrem Kleid.
„Herr...", flüsterte sie.
„Bitte, haltet mich nicht für anmaßend...", sie sah zu ihm auf, und ihre Stimme erstarb.
Artair trat einen Schritt auf sie zu und ergriff ihre Hand.
„Das tue ich bestimmt nicht", sagte er sanft.
„Es geht um Braigh, nicht wahr?"
Ceilith nickte. „Bitte, versteht mich nicht falsch, Herr", sagte sie, ermutigt durch Artairs Worte.
„Ich bin mir sehr wohl der großen Ehre bewusst, die Ihr ihm und uns erweist, indem Ihr ihn zu Eurem Knappen erwählt habt. Aber..."
Ceilith senkte den Blick.
„Er ist Dein einziger Sohn, nicht wahr?"
Ceiliths Kopf fuhr wieder nach oben, und sie sah Artair an; überrascht, dass er das wusste.
„Ja, Herr", flüsterte sie.
„Die Götter haben Braghan und mir keine weiteren Kinder geschenkt."
Artair nickte. „Ich verstehe Deine Sorge", sagte er ernst, und sah Ceilith direkt in die Augen.
„Aber Braigh ist kein Kind mehr, und er ist bereits jetzt der beste Kämpfer unter den Knaben seines Alters. Ich kann Dir nicht versprechen, dass er in meinem Dienst niemals Gefahren ausgesetzt sein wird. Aber ich gebe Dir mein Wort, dass ich über ihn wachen werde."
Lange sah Ceilith in Artairs Gesicht, und ich konnte sehen, wie ein Ausdruck der Erleichterung in ihre Augen trat.
„Ich danke Euch, Herr", sagte sie leise.
Am Abend ging ich über den Hof durch die samtene Dunkelheit zur heiligen Stätte am Fluss, um Gowan abzuholen.
Ich nickte Brayan zu, der zusammen mit Neacall am Fuß der Treppe Posten bezogen hatte, damit Gowan nichts zustieß und er seine Wache ungestört verbringen konnte.
Gowan war wach, und er lag noch genauso da, wie ich ihn verlassen hatte.
„Gowan", sagte ich leise.
„Alles in Ordnung?"
„Ja", sagte er, aber seine Stimme klang brüchig.
Ich beugte mich zu ihm hinab und half ihm hoch. Ich wusste noch zu gut, wie taub und gefühllos die Beine nach der Wache waren.
Ich zupfte seinen Kragen zurecht und tat so, als würde ich ein Stäubchen von seinem Wams wischen, während ich versuchte, ihn möglichst unauffällig zu stützen.
Seine Beine zitterten, und seinem hochroten Kopf nach zu schließen war ihm das überaus peinlich.
17
„Ich wäre nach meiner Wache überhaupt nicht in der Lage gewesen, zu stehen", erzählte ich beiläufig.
„Brayan war mein Schlachtenherr, und er hat das auf den ersten Blick gesehen. Er hat mich kurzerhand auf die Arme genommen, sich auf die Mauer fallen lassen und mich auf seinen Schoß gesetzt. Soll ich das auch mit Dir machen?"
Ich grinste ihn an, und Gowan lachte befreit auf.
„Das letzte Mal, dass ich auf dem Schoß einer Frau saß, hat meine Mutter mich mit Brei gefüttert. Dabei wollen wir es belassen."
Inzwischen ging es ihm besser, und ich deutete mit einer Kopfbewegung auf die Mauer.
„Wollen wir uns einen Moment setzen?"
Gowan nickte, und wir ließen uns wieder auf der Mauer nieder; so, wie wir es auch am vergangenen Abend getan hatten.
Nur, dass wir heute Abend beide nicht mehr dieselben Menschen waren.
Wir schwiegen eine Zeitlang, und dann fragte ich vorsichtig: „Willst Du darüber sprechen? Wie es Dir ergangen ist?"
Ich sah die Unsicherheit in Gowans Augen.
„Ich weiß es nicht", sagte er dann und sah mich offen an.
„Ich bin verwirrt, und viele Gedanken sind in meinem Kopf. Ich kann sie noch nicht ordnen."
Ich nickte. „Ja, das kann ich verstehen."
„War es bei Dir auch so?", fragte Gowan leise.
19
„Ja", sagte ich.
„Ich habe auf Brayans Schoss gesessen und eine Ewigkeit geweint. Davor hatte ich das letzte Mal Tränen vergossen, als ich noch ein Kind war. Ich habe Wochen gebraucht, bis ich wieder im Gleichgewicht war."
Gowan sah mich dankbar an.
„Du musst mir etwas versprechen", sagte ich ernst zu ihm.
„Wenn Du das Bedürfnis verspürst, über Deine Gedanken zu reden - egal wann, egal wo, und egal, wie lächerlich sie Dir vorkommen mögen - dann kommst Du sofort zu mir. Auch dafür ist der Schlachtenherr da, nicht nur, um Dir zu zeigen, wo in einem Feldlager die Latrinen sind."
Gowan lächelte und senkte den Kopf.
„Das will ich gerne tun", sagte er dann leise. „Danke."
„Und jetzt sollten wir uns auf den Weg machen", sagte ich munter und schlug ihm auf den Rücken.
„In der Hohen Halle warten Artair, Rhiannon und Bran und der halbe Hof darauf, dass Du Deinen Eid ablegst."
Gowan sah mich mit einem jammervollen Blick an.
„Du musst nicht nervös sein", sagte ich.
„Machst Du Witze?" stöhnte er.
„Ich wäre schon nervös, wenn nur Artair da wäre, aber heute Abend kriege ich es gleich mit drei Königen zu tun."
„Und das ist eine Ehre, die nicht jedem zuteil wird, und Du hast sie Dir verdient", erwiderte ich ernst.
„Du warst immer einer der Besten, und ich bin froh, dich ab jetzt im Kampf an meiner Seite zu wissen."
In seine Augen trat ein Leuchten, und er nickte entschlossen.
Wir machten uns auf den Weg, und als wir den Fuß der Treppe erreicht hatten, legten Brayan und Neacall die Faust auf ihr Herz und schlossen sich uns an.
Der Weg vom Heiligen Platz zum Palast war lang, aber er war gesäumt von den Männern und Frauen, die den Eid bereits abgelegt hatten und Gowan das Geleit geben wollten.
22
Ein jeder von ihnen legte die geballte Faust auf sein Herz, als wir an ihm vorbei gingen, und reihte sich dann am Ende des Zuges ein.
Als wir das große Tor des Palastes erreicht hatten, hatte sich eine beeindruckende Prozession gebildet.
23
Ich schlug laut mit der Faust gegen das Holz, und die Torwächter öffneten uns.
Langsam gab das sich öffnende Tor den Blick in die Halle frei, die erfüllt vom Licht unzähliger Kerzen und voller Menschen war.
Am Ende der Halle konnte ich auf dem Podest Artair, Rhiannon und Bran im vollen zeremoniellen Gewand sehen.
Langsam gingen wir durch die Halle auf die drei Könige zu.
24
Als wir das Podest erreicht hatten, blieben wir stehen, unsere Begleiter hinter uns.
Klar und deutlich durchdrang Artairs Stimme die Hohe Halle.
„Wer bringt diesen Knappen?"
„Ich bringe ihn", erwiderte ich.
„Hat er sich als würdig erwiesen?"
„Über alle Maßen."
Artair zog Silbersturm, das kostbare Schwert seiner Väter, und stellte es senkrecht vor sich auf den Boden. Rhiannon und Bran traten hinzu und legten ihre Hände auf den Knauf, Artairs Hand umschloss die Angel.
„So komm."
Gowan stieg die Stufen des Podestes hinauf und kniete sich vor das Schwert.
Ohne zu zögern griff er mit der rechten Hand um die Schneide und senkte den Kopf. In der Hohen Halle herrschte absolute Stille.
Und dann sprachen Artair, Rhiannon und Bran gemeinsam mit lauter, feierlicher Stimme den Alten Schwur, und nach jeder Zeile wiederholte Gowan ihre Worte.
26
„Ein Ritter gelobt die ewige Tapferkeit
Sein Herz kennt nur die Tugend
Sein Schwert verteidigt die Hilflosen
Seine Macht unterstützt die Schwachen
Sein Mund spricht nur die Wahrheit
Sein Zorn zerschlägt die Bösen."
Als die letzten Worte verklungen waren, löste Gowan den Griff um das Schwert, und Artair beugte sich herab und erhob ihn auf Augenhöhe.
Denn im Kampf sind wir alle gleich.
„Willkommen, Bruder", sagte Artair warm und umarmte Gowan.
Die Feierlichkeiten, die dann folgten, waren laut und ausgelassen und dauerten sehr lange.
Nur zögernd verließ ich an diesem Abend als eine der Letzten die Hohe Halle. Ich fürchtete mich vor dem Schlaf.
Und ich hatte Recht. Kaum war ich eingeschlafen, hörte ich Medurias Lachen.
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