Fotostory Oxana - Wege des Gewissens ♦ abgeschlossen ♦

Kapitel 120: Nur beste Freunde?

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"Und du willst echt nicht ins Meer, Oxana? Schau wie wunderbar blau es ausschaut." Roland blickte sehnsüchtig hinaus auf die Wellen, die man gerade noch so über den Poolrand hinaus erblicken konnte. "Mir ist das einfach viel zu salzig", erklärte ich ihm jetzt zum dritten Mal. "Aber wenn du unbedingt willst, komme ich mit zu Strand. Nur ins Wasser bekommst du mich dann trotzdem nicht." Roland schien einen Moment über meinen Vorschlag nachzudenken, doch als einzige Antwort spritzte er mir mit einer schnellen Handbewegung Wasser ins Gesicht und schwamm lachend eilig davon. Ich hatte ihn angerufen, nachdem ich den Brief von meinem Scheidungsanwalt bekommen hatte und Roland schlug vor, lieber ans Meer nach Sead Azul zu fahren, als im Trübsal zu versinken.

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Und anstatt zu betrauern, dass eine Lebensabschnitt vorbei ging, riet er mir dazu, lieber auf einen Neubeginn anzustoßen. Eigentlich war mir immer noch nicht nach Feiern zumute, aber Roland schaffte es mich in Windeseile davon zu überzeugen, dass ein Glas Sekt jetzt genau das Richtige war. Und bei dem Ausblick, der sich uns von der Terrasse des Cafés bot, mit der frischen Brise, die vom Meer herüber wehte, und den warmen Sonnenstrahlen, die meine Haut kitzelten, konnte ich gar nicht anders, als glücklich zu sein.

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Verträumt blickte ich aufs Meer hinaus und beobachtete die Möwen, als Roland seinen Arm über den Tisch schob und nach meiner Hand griff. "Du trägst deinen Ehering immer noch", stellte er mehr fest, als das er fragte und fuhr mit seinen Fingerkuppen den goldenen Ring an meinem Finger ab. Ich nickte zögerlich. "Ich konnte ihn bis jetzt nicht abnehmen". "Das verstehe ich", entgegnete Roland, "aber findest du nicht, dass jetzt die richtige Zeit wäre, ihn weg zu legen?" Roland hatte Recht. Ich sollte mich ganz von der Vergangenheit lösen. Dazu gehörte auch dieser Ring. Und das würde ich auch tun. Aber im Moment genoss ich es nur, dass Roland sanft meine Hand streichelte.

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Wir blieben noch lange in dem Café sitzen, aßen etwas und unterhielten uns. Roland war zwar nur ein paar Straßen weiter gezogen, aber dennoch hatte sich unsere Freundschaft nach seinem Auszug verändert. Sie war längst nicht mehr so innig gewesen, wie zu unseren WG-Zeiten. Und in den letzten Wochen und ganz besonders jetzt, in diesem Moment, war es, als ob wir wieder zusammen leben würden, als ob Roland gerade erst in die Simlane gezogen wäre. Und wie damals setzten wir uns auf den warmen Boden und schauten in die Sterne. Nicht etwa schweigen, nein, sondern fröhlich plappernd wie in alten Tagen.

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Es wurde spät und Zeit aufzubrechen. Alleine die Fahrt zurück nach Sierra Simlone Stadt würde fast eine Stunde in Anspruch nehmen, trotzdem schien jetzt der richtige Moment, mich bei Roland für diesen wunderbaren Tag zu bedanken. Zutraulich strich ich ihm über die Schulter und setzte dazu an, ihm einen Wangenkuss zu geben. Doch Roland drehte seinen Kopf so, dass meine Lippen seinen weichen Mund trafen. Mir schein es, als ob wir in dieser Position eine halbe Ewigkeit verharren würden. Ich blickte in Rolands halb geöffnet Augen und versuchte zu ergründen, was er gerade dachte. Meine eigene Vernunft riet mir dazu, mich sofort von ihm zu lösen, doch sein durchdringender Blick machte mich einfach machtlos.

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Schließlich lösten wir uns voneinander. Es blieb bei diesem einen Kuss, der alles oder auch nichts bedeuten konnte. War es ein rein freundschaftlicher Kuss? Oder steckte mehr dahinter? Auf der Rückfahrt verhielten wir uns weiterhin wie die zwei besten Freunde, die wir waren. Wir redeten, wir lachten. Ich setzte Roland bei seinem Haus ab. Bei seiner Frau Brandi und seinen Kindern, wie ich mir noch einmal deutlich in Erinnerung rief. Und trotzdem, da war diese Knistern zwischen uns. Und so sehr ich mich auch bemühte es zu ignorieren, so spürte ich doch, wie es stärker und stärker wurde.



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Als ich nach Hause kam, waren die Kinder bereits im Bett und auch Tristan war in seinem Zimmer. Also legte ich mich ins Bett und schlief mit einem angenehm beschwingten Gefühl ein. Und mit ebenso einem Gefühl wachte ich am Morgen wieder auf. Fröhlich summend ging ich in die Küche und bereitete mit ein Brot zu. Immer noch verschlafen kam Tristan aus seinem Zimmer, holte sich eine Schüssel Müsli und setzte sich an den Tisch. "Wo warst du denn gestern?", fragte er kauend. Alleine bei den Gedanken an den Ausflug mit Roland musste ich lächeln. "Ich war in Seda Azul", antwortete ich ihm. "Ich musste einfach einmal einen Tag entspannen."

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"Und, war es schön?" Es war zwar eine ganz normale Frage, trotzdem ließ mich Tristans Tonfall aufhorchen. "Ja, es war schön", antwortete ich zögerlich und blickte misstrauisch zu meinem Mitbewohner und Freund hinüber. "Ich werde euch wohl mal einen Tag alleine lassen können." "Vielleicht wären wir aber auch gerne mitgekommen?", platzte Tristan mit seiner Erwiderung heraus. "Ich meine damit nicht unbedingt mich, aber ich könnte mir vorstellen, dass deine kleine Tochter nichts gegen einen Tag am Strand einzuwenden gehabt hätte, insbesondere wenn man bedenkt, dass ihr Eltern sich gerade scheiden lassen und ihre Schwester das Haus terrorisiert. Aber das war nur so ein Gedanke von mir."

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Sofort vergaß ich Tristans vorwurfsvollen Ton und rügte mich innerlich selbst dafür, dass ich nicht an Klaudia gedacht hatte. "Sie ist hinter dem Haus", erklärte er, noch ehe ich fragen konnte, wo meine Tochter gerade war. "Schon gestern saß sie dort und streichelte einen bemalten Backstein und sprach mit ihm. Sie hätte fast geweint, als sie sah, wie du weg gefahren bist, ohne auch nur zu fragen, ob sie mit will." Mein schlechtes Gewissen wuchs mit jedem von Tristans Worten. Eilig legte ich das Küchenmesser beiseite und trat durch die Hintertür in den Garten.

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Als Klaudia mich die Treppe hinunter kommen sah, legte sie den Backstein beiseite und drehte sich beleidigt von mir weg. Es tat weh zu sehen, dass meine Tochter sich mir gegenüber in dieser Art und Weise verhielt. Es reichte, dass Kinga wütend auf mich war. Noch eine Tochter wollte ich nicht gegen mich aufbringen. "Pummelchen, es tut mir leid. Ich hätte dich fragen sollen, ob du mit ans Meer möchtest", entschuldigte ich mich bei ihr. "Ich verspreche dir, dass wir dafür etwas ganz Tolles zusammen unternehmen werden."

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Zu meinem Glück war meine jüngere Tochter nicht halb so nachtragend wie Kinga. "Was wollen wir denn zusammen machen?", fragte sie sofort begeistert und vergessen war der Ärger, den sie verspürt hatte. "Was du möchtest, Pummelchen", antwortete ich ihr. "Wenn du magst, können wir auch ans Meer fahren. Oder wir fahren in einen Freizeitpark nach SimVegas. Du darfst dir alles aussuchen."

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"Können wir etwas zusammen mit Papa machen?" Diese Frage überrumpelte mich, auch wenn ich sie eigentlich hätte voraussehen müssen. "Du kannst natürlich gerne etwas mit deinem Papa unternehmen. Aber ich bleibe dann lieber zu Hause, Pummelchen", erklärte ich ihr. Dann nahm ich ihre kleine Hand und sprach weiter: "Dein Papa und ich sind jetzt nicht mehr verheiratet. Ich glaube nicht, dass er mich sehen möchte." Ich hatte erwartet, dass Klaudia geschockter reagierte, aber sie nahm es erstaunlich gut auf. "Ist schon in Ordnung, Mami. Die Eltern von Mechthild sind auch geschieden und sie sagt, dass ist gar nicht sooo schlimm. Und ich kann mit Papa ja auch etwas machen. Aber jetzt will ich etwas mit dir unternehmen."

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Klaudia wollte sich etwas Tolles überlegen und ich war froh, dass es meiner Tochter wieder besser ging. Ich hatte fast schon das Gefühl, dass doch noch alles gut werden würde, doch dann ertönte auch schon der ohrenbetäubende Krach aus Kingas Zimmer. Ich überlegte, ob ich an ihre Zimmertür klopfen sollte, sie bitten sollte, endlich diesen Krach abzustellen und mit mir zu reden. Doch dann wurde mir bewusst, dass es ohnehin keinen Sinn gehabt hätte.

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Ich konnte sie verstehen. Nicht nur, weil ich es war, die sie belogen hatte. Ja, ich wusste, dass sie zu Recht wütend war, aber ich wusste auch, wie sie sich fühlen musste. Sie hasste mich, so wie ich meinen Dad gehasst hatte. Und ich wusste nur zu gut, dass dieses Gefühl nicht plötzlich verschwinden würde. Ich hatte es schon an dem Tag in ihren Augen gelesen, als sie die Wahrheit über ihren Vater erfahren musste. Gedankenverloren wusch ich den Staub von meinen Händen. Dabei blieb mein Blick auf meinem Ehering haften. Roland hatte vollkommen Recht, es war Zeit, den Ring abzunehmen. Ich war nicht länger verheiratet, also gab es keinen Grund mehr, ihn zu tragen. Fast acht Jahre lang hatte ich den Ring nicht einmal abgenommen und jetzt zog ich ihn einfach von meinem Finger und legte ihn in mein kleines Schmuckkästchen.

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Am Abend kam Roland mich besuchen und auch an den nachfolgenden Abenden war er immer wieder ein Gast in meinem Haus. Meist quatschten wir einfach nur miteinander oder sahen zusammen mit Tristan DVDs und spielten Darts. Unser Kuss am Meer war fast wieder vergessen. Aber eben nur fast. Jedes Mal, wenn ich Roland ansah, spürte ich dieses leichte Kribbeln. Und mehr als einmal erwischte ich mich bei dem Gedanken was wäre, wenn er nicht nur mein bester Freund wäre?

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Doch solche Gedanken schob ich hastig wieder beiseite. Es war nicht so, als ob einer von uns beiden wirklich geflirtet hätte. Wir waren gute Freunde, sehr gute Freunde, doch manchmal war es so, als ob wir die Grenzen unserer Freundschaft zu weit erkundeten. Es geschah ganz zaghaft, wenn Roland zum Beispiel seinen Arm um mich legte, oder wenn meine Hand fast unbewusst zu seiner Hüfte fand. Sobald uns bewusst wurde, dass wir zu weit gegangen waren, kehrten wir sofort wieder um, aber ich spürte, wie mir diese Umkehr von Mal zu Mal schwerer fiel.​
 
Hallo Stev,

ich möchte dir gerne einmal mein Dankeschön sagen, dass du diese wirklich tolle Geschichte auch hier mit uns teilst und bis zum Ende fertiggeschrieben hast. Ich habe sie bereits gelesen, sowie später die Vorgeschichte auch, und schaue hier gerne rein, um meine Erinnerung aufzufrischen. Groß kommentieren mag ich hier nicht, da ich teilweise den Überblick verloren habe was passiert ist und was noch nicht, und ich den Lesern, die die Geschichte noch nicht kennen, nicht die Überraschung verderben will. Aber du hast eine wirklich gute Geschichte mit vielen interessanten Wendungen geschrieben, die sehr spannend und unterhaltsam ist, und will das auch mitteilen, damit du hier nicht denkst, nur weil hier nicht viel kommentiert wird gibt es keine begeisterten Leser. Meine Lieblinge sind die Mädels, Kinga und Klaudia (fällt mir grade zum ersten Mal bewusst auf, dass beide gleiche Anfangsbuchstaben haben). Oxana hat das Glück, immer irgendwann jemanden zu finden, der sie aus ihren unglücklichen Phasen herausreißt, bei den Mädchen ist das schon schwieriger, und sie haben ja einiges zu erleben. Ich hoffe, es gibt irgendwann, wenn du Zeit hast und auch Lust, eine Fortsetzung.
 
@Lunalumi
Danke für deinen Kommentar. Ich freue mich immer darüber, wenn jemandem meine Geschichte gefällt. Schön, dass dir die beiden Mädchen so gut gefallen, auch wenn die beiden es trotz (oder gerade wegen) ihrer Mutter nicht immer leicht haben. An einer Fortsetzung wird fleißig gearbeitet ;)
 
Kapitel 121: Drei sind einer zu viel

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"Papi, guck was ich Tolles kann!" Noch bevor Dominik seine kleine Tochter richtig begrüßen konnte, führte sie ihm einen Radschlag vor, der auch ganz passabel gelang. "Hey, super, Pummelchen!", klatschte Dominik begeistert. Das ganze Spektakel wurde nicht nur neugierig von Anan, Klaudias Großvater, beobachtet, sondern auch von einigen zufälligen Passanten. Doch das störte Klaudia nicht im Geringsten. Bald würde sie Etwas mit ihrer Mutter unternehmen, was, das blieb allerdings noch die große Frage, und das Wochenende durfte sie bei ihrem Vater verbringen.

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"Geh schon mal rein, Pummelchen", forderte Dominik sie auf. "Ich hab dir ein paar Süßigkeiten raus gestellt, also greif ruhig zu. Ich will mich noch ein wenig mit Opa unterhalten." Dominik brauchte dies nicht zu wiederholen und Klaudia hüpfte vergnügt zu Dominiks Wohnung. Anans Blick folgte seiner Enkelin und blieb schließlich an der schäbigen Wohnungstür haften. "Wann suchst du dir endlich ein vernünftiges Zuhause, Junge", tadelte er seinen Sohn nicht zu ersten Mal. "Dieser Appartementkomplex scheint doch jede Minute in sich zusammen zu fallen. Du hast doch das Geld." Dominik lachte einfach nur. "Mir gefällt es hier. Ich bin nah bei den Kindern und du weißt doch, wie schwierig es ist, etwas in Sierra Simlone Stadt zu finden. Und ich hab nicht vor zu bauen."

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"Ich danke dir, dass du Klaudia her gebracht hast", wechselte Dominik das Thema. "Du redest also immer noch nicht mit Oxana?", fragte Anan bekümmert. "Nein. Es gibt nichts zu reden", erwiderte Dominik. "Wir sind geschieden und ich möchte einfach mit ihr abschließen. Ich kann immer noch nicht begreifen, wie sie mich so lange belügen konnte. Aber ich will nicht über sie sprechen, Pa." Anan akzeptieret die Entscheidung seines Sohnes, auch wenn er sich gewünscht hätte, dass er sich wieder mit mir vertragen könnte. Aber diese Endscheidung konnte nur Dominik treffen. Er würde sich da raus halten.

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Anan verabschiedete sich kurz darauf. Als Dominik seine Wohnung betrat, saß Klaudia am Esstisch und kramte in einer Schüssel mir Süßigkeiten. Doch als sie ihren Vater sah, sprang sie sofort auf. "Wollen wir etwas spielen?", fragte sie ungeduldig. "Klar, Pummelchen", antwortete Dominik. "Aber wo ist eigentlich deine Schwester abgeblieben? Wolltet ihr nicht zu zweit kommen?" "Die ist doch nur doof", erklärte Klaudia. "Die schließt sich nur in ihr Zimmer ein und hört ganz furchtbare Musik."

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"Aber das mit der Musik ist immer noch besser, als wenn sie sich ständig mit Mami streitet." Für einen Moment wirkte Klaudia sehr betrübt, doch dann zuckte sie mit den Schulter und platze mit der Neuigkeit heraus, die sie allen mitteilen musste: "Mami und ich machen dafür was ganz Tolles zusammen. Vielleicht fahren wir sogar weg!" Dieser Begeisterung konnte auch Dominik nicht widerstehen und wuschelte seiner Tochter durchs Haar. "Komm, lass uns jetzt ein Spiel raussuchen, Pummelchen."

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Die Auswahl an Spielen in Dominiks neuem Haushalt war nicht gerade riesig und so kramte Klaudia das Majong-Spiel hervor, das sie inzwischen regelmäßig mit ihrem Papa spielte. Während Klaudia die Steine kräftig durchmischte, versank Dominik in Gedanken. Kinga war nun schon seit einigen Wochen nicht mehr bei ihm gewesen. Zunächst hatte sie immer eine Erklärung dafür gehabt, doch diesmal hielt sie nicht mal mehre eine Ausrede für nötig. Hatte er etwa irgendetwas getan, das sie glauben ließ, er würde sie nicht mehr lieben, nur weil sie nicht seine leibliche Tochter war? Für ihn war sie nach wie vor seine Prinzessin und er würde ihr das auch gerne sagen. Aber dazu müsste sie zu ihm kommen oder wenigstens am Telefon mit ihm sprechen. Doch selbst das hatte Kinga schon lange nicht mehr getan.

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Meine jüngste Tochter schlief in dieser Nacht zufrieden in ihrem Bett bei Dominik. Und ich war fest davon überzeugt, dass meine Älteste das auch in ihrem Bett in meinem Haus tat. Doch weit gefehlt. Etwa gegen vier Uhr morgens hielt ein Streifenwagen vor der Simlane und auf der Rückbank saß niemand anderes als Kinga. Ein blonder Polizist stieg aus dem Wagen und das Knallen der Autotür schreckte Goya auf, sodass diese aus ihrer Hundehütte hinterm Haus laut bellend herbei gerannt kam und mich aus dem Schlaf riss.

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Goya hörte auf zu bellen, als sie Kinga bemerkte, die bedrückt aus dem Wagen stieg. Während der Polizist zur Haustür schritt und dabei den Hund argwöhnisch beäugte, schlug Kinga sich die Hände vors Gesicht und nutzte die Gelegenheit um tief durchzuatmen und sich auch die Szene vorzubereiten, die gleich folgen würde. Warum musste dieser blöde Polizist auch ausgerechnet an der Ecke vorbei fahren, wo sie sich mit ihren neuen Freunden getroffen hatte?

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Ohne weiter darüber nachzudenken lief ich im Schlafleibchen zur Haustür, sobald ich den Polizisten und meine Tochter durch das Fenster erkannt hatte. "Was ist passiert", fragte ich ungeduldig, als ich die Tür öffnete und dem Polizisten gegenüber stand. "Geht es meiner Tochter gut?" "Keine Sorgen, gnädige Frau, ihrer Tochter fehlt nichts", versicherte mir der Polizeibeamte. "Ich habe sie lediglich dabei erwischt, wie sie zusammen mit einigen üblen Typen nicht weit von hier entfernt in einer alten Scheune herumlungerte. Und da ihre Tochter gerade erst vierzehn ist, musste ich sie umgehend zurück nach Hause bringen."

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Der Polizist verabschiedete sich und Kinga und ich gingen ins Haus. Ich war wütend auf meine Tochter, ich war wirklich wütend. Wie konnte sie einfach so mitten in der Nacht abhauen, ohne auch nur bescheid zu sagen? Es hätte ihr doch alles Mögliche passieren können. "Du kannst doch nicht einfach so abhauen!", fuhr ich sie an. "Kinga, was ist bloß los mit dir?" Es war nicht nur die Angst, dass ihr etwas hätte passieren können. In diesem Moment entlud sich auch mein Ärger über ihr Verhalten mir gegenüber, der sich in den letzten Wochen immer weiter in mir angestaut hatte. "Und mit was für üblen Typen hast du dich da eingelassen?", brüllte ich sie weiter an.

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"Farina und Alex sind überhaupt keine üblen Typen! Die von der Polizei haben voll den Knall! Nur weil jemand sich von der Masse absetzen will ist er in deren Augen gleich ein Krimineller. Die beiden sind mein Freunde", brüllte Kinga ebenso laut zurück. "Und außerdem kann ich doch wohl selbst entscheiden, mit wem ich mich treffe! Was geht dich das denn an?!" "Ich bin deine Mutter!", schrie ich sie an. "Du bist noch ein Kind, Kinga, und du hast dich gefälligst an Regeln zu halten. Wenn du weg gehst, dann will ich das wissen und ich will auch wissen, mit wem du dich triffst!"

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"Gar nichts werde ich dir sagen", schrie sie zurück und rannte zur Tür, die ins Esszimmer führte. "Bleib gefälligst stehen und sieh mich an", forderte ich sie auf und Kinga drehte sie tatsächlich um. "Sonst was?", bluffte sie mich an. "Wirst du mich sonst bei Papa verpetzen? Oh, entschuldige ich vergaß, ich hab ja gar keinen Vater und das ist alles nur deine Schuld. Dank dir konnte ich meinen leiblichen Vater nie kennenlernen und Papa hast du auch aus dem Haus vertrieben. Du hast alles kaputt gemacht, also lass mich einfach in Ruhe. Ich hasse dich und daran bist ganz alleine du schuld!"

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Mit diesen Worten drehte sie sich um und marschieret entschlossen in ihr Zimmer. Dass sie dort auch angekommen war, konnte ich deutlich am Knallen der Tür erkennen. Erschöpft rieb ich mir meine Schläfen und blieb vor dem Fenster im Arbeitszimmer stehen. Die Wüste war ruhig wie jeden Abend und ich wünschte mir inständig, dass diese Ruhe auch wieder in der Simlane einziehen könnte. Ich konnte Kinga verstehen, dass sie sauer auf mich war. Mir die Schuld an allem zu geben war ihr gutes Recht. Aber sie musste auch einsehen, dass wir nach vorne Blicken mussten. Was geschehen war, war geschehen. Dominik war fort, aber das Leben würde trotzdem weiter gehen.

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Ich ahnte nicht, dass Kinga bittere Tränen weinte, als sie alleine in ihrem Zimmer war. Wieder einmal drehte sie die Musik voll auf, aber auch das konnte den Schmerz in ihrem Herzen nicht vertreiben. Die Wut, die sich mir gegenüber empfand war einfach so stark und ließ sich nicht unterdrücken. So oft hatte sie sich vorgenommen, mir zu verzeihen, aber es ging einfach nicht. Der Zorn war stärker als sie. Und ihre neuen Freunde, Alex und Farina, schafften es irgendwie, sie von ihrem Zorn und ihrem Schmerz abzulenken. Warum konnte das bloß niemand verstehen?​


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Wieder einmal durchlebte ich eine rastlose Nacht. Inzwischen war dieser Zustand ja fast schon zur Gewohnheit geworden. Da Sonntag war, machte ich mich früh morgens auf den Weg zur Kirche. Auf meinem Heimweg bemerkte ich, dass Brandi, Rolands Frau, vor dem Haus wartete. Eine Welle schlechten Gewissens übermannte mich. Roland und ich hatten in den letzten Wochen die Grenze zur Freundschaft gefährlich weit überschritten. Aber es war nie etwas passiert, von dem einen kleinen Kuss am Strand einmal abgesehen. Also schob ich meine Bedenken beiseite und begrüßte meine Freundin.

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Doch irgendetwas bedrückte sie. Schon bei meiner Umarmung zur Begrüßung bemerkte ich, wie sie sich versteifte und ihr Blick sagte eindeutig, dass ihr etwas auf dem Herzen lag. Sie atmete tief durch und begann dann zögerlich zu sprechen: " Oxana, ich...irgendetwas muss zwischen Roland und dir vorgefallen sein." Meine Augen weiteten sich geschockt und damit nahm ich mir jede Chance, mich geschickt aus der Affäre ziehen zu können. "Seitdem ihr beide den Ausflug zum Meer gemacht habt, verhält er sich anders mir gegenüber. Und ich...ich weiß auch woran das liegt."

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"Er liebt dich, Oxana. Das hat er schon so lange, wie ich ihn kenne. Versuch gar nicht, es abzustreiten. Ich habe es immer gewusst." "Zwischen uns ist nichts passiert", versicherte ich ihr eilig und sie nickte bloß. "Ich weiß. Wäre es anders, wäre ich nicht hier. Aber er liebt uns beide, Oxana. Und ich fürchte, dich liebt er ein Stück mehr als mich." Ich sah Brandi lediglich hilflos an. Ich wusste nicht, was ich erwidern konnte. Immerhin wusste ich, dass sie Recht hatte. Roland liebte mich. Das hatte er mir schon vor so vielen Jahren gestanden und wenn ich sein...nein unser Verhalten der letzten Wochen betrachtete, dann wusste ich, dass es immer noch so war.

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"Ich bitte dich Oxana, nimm ihn mir nicht weg." Brandi war den Tränen nahe. Sie starrte auf den Boden und krampfte ihre Hände zusammen. "Ich liebe ihn so sehr und wir sind glücklich. Wir haben zwei kleine Kinder! Ich flehe dich an, geh auf Abstand zu ihm. Ich weiß, dass ich gegen dich nicht gewinnen könnte. Wenn du es zulässt, dann wird er sich für dich entscheiden. Und gerade du...du musst doch wissen, wie furchtbar es ist, den Mann zu verlieren, den man liebt. Tu mir das nicht an. Bitte." Ihre Stimme zitterte und zum Schluss war sie kaum mehr als ein Flüstern.

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Wortlos standen wir uns gegenüber. Brandis Blick war voller Angst und sie zitterte am ganzen Körper. "Ich verspreche es dir", hauchte ich schließlich und es war, als ob eine riesige Last von Brandis Schultern gefallen wäre. "Ich danke dir", antwortete sie schluchzend. Anschließend dreht sie sich um und schritt in Richtung ihres Hauses am anderen Ende der Stadt.

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Kaum war Brandi außer Sichtweite, ließ ich mich benommen auf der staubigen Treppe nieder. Auch ich zitterte am ganzen Körper. Ich musste Brandi versprechen, mich von Roland zu distanzieren. Wie hätte ich ihr das verweigern können? Sie war seine Ehefrau und ich hatte kein Recht mich zwischen sie und Roland zu drängen. Das hatte ich bereits bei Albert und Gerda zugelassen und ich hatte mir geschworen es nie wieder zuzulassen. Ich verstand selber nicht, warum ich in diesem Fall nicht schon viel früher die Notbremse gezogen hatte. Vielleicht, weil Roland mir so verdammt gut tat. Und jetzt würde ich ihn erneut als Freund verlieren. Aber es war nötig, zumindest so lange, bis wir beide uns zufrieden damit geben konnten, nur Freunde zu sein.
 
Kapitel 122: Auf in die Berge!

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Am Abend brachte Anan Klaudia wieder von Dominik zurück. Meine kleine Tochter begrüßte mich überschwänglich und plapperte gleich drauf los, was sie alles zusammen mit Dominik unternommen hatte. Die beiden waren heute sogar zu den Bohrtürmen gefahren, damit Klaudia sich den Arbeitsplatz ihres Vaters ansehen konnte. "Was hältst du davon, wenn wir zwei morgen auch weg fahren?", schlug ich vor und küsste mein Pummelchen. "Ich hatte dir doch einen tollen Ausflug versprochen. Lass uns für ein paar Tage Richtung Norden in die Berge fahren. Hättest du Lust dazu?"

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Klaudias Augen begannen zu leuchten. "Gibt es da auch Schnee?" fragte sie aufgeregt. "So richtigen wie im Fernsehen?" Ich musste lachen. Immer wieder vergaß ich, dass mein Pummelchen bis jetzt nur die Wüste kannte. Schnee war etwas komplett Unbekanntes für sie. Selbst Kinga hatte erst ein oder zwei Mal in ihrem Leben Schnee erlebt. "Ich kann es nicht versprechen, aber wir haben November, da ist es schon möglich, dass es in den Bergen schneit."

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Begeistert hüpfte Klaudia auf und ab. "Schnee, ich werde Schnee sehen!", sang sie dabei fröhlich vor sich her. "Wenn ich das Irmgard, Beate und Mechthild in der Schule erzähle. Die werden Augen machen." Doch dann hielt sie inne. "Aber wir können gar nicht weg", quiekte sie entsetzt. "Ich habe doch morgen Schule!" Ich zwinkerte ihr schmunzelnd zu. "Ich denke, es wir schon in Ordnung sein, wenn du ein paar Tage fehlst. Du hattest halt einen gaaaaanz schlimmen Sonnenstich. Aber du darfst dich bloß nicht bei deiner Lehrerin verplappern.''

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"Kommt Ki denn auch mit?", fragte Klaudia und ich wusste nicht ob ich ihrem Tonfall entnehmen sollte, dass sie ihre Schwester dabei haben wollte oder eher nicht. Ich schüttelte aber zur Antwort mit dem Kopf und Klaudia fragte auch nicht weiter nach. Ich hatte Kinga gefragt, aber mehr als ein spöttisches Lachen erhielt ich nicht als Antwort. Da wir morgen früh gleich los wollten, packten wir unsere Sachen zusammen. "Wo ist den mein Wintermantel?", fragte Klaudia besorgt und begann in ihren Schubladen zu kramen. Tja, das war ein gute Frage, aber wann brauchten wir in der Sierra Simlone schon Winterkleidung? Aber zum Glück fand sich der Mantel doch noch, ganz tief versteckt unter einem Berg sommerlicher Kleidung.

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Früh am Morgen fuhr ich dann mit Klaudia zum Flughafen von SimVegas und wir stiegen in eine Maschine, die uns nach SimNorsk in der nördlichsten Provinz der SimNation Simskelad brachte. Von da aus waren es nur wenige Kilometer bis zu dem Ferienort "Drei Seen", der sich über drei Terrassen eines Berghangs erstreckte. Übers Internet hatte ich kurzfristig eine Blockhütte angemietet und die Ferienhaussiedlung schien auf den ersten Blick wirklich nett zu sein. Nur Klaudia war enttäuscht. "Hier ist ja gar kein Schnee!", schluchzte sie entsetzt, als wir aus dem Taxi stiegen. Dafür war es aber bitter kalt...zumindest für Sierra Simlonische Verhältnisse.

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Ich hatte die Reise lediglich über das Internet gebucht und mein Herz raste, als ich an der Rezeption stand. Was wäre, wenn irgendetwas mit der Reservierung nicht geklappt hätte? Aber zum Glück stellten sich meine Befürchtungen als völlig unbegründet heraus. Der nette Mann von der Rezeption erwartete uns bereits und wir konnten direkt einchecken.

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Derselbe Mann betrachte uns dann auch sofort zu unserer Blockhütte. Sie war nicht gerade groß, war aber für zwei Personen gerade richtig. Es roch angenehm nach frischem Kiefernholz und das Haus wirkte auf den ersten Blick recht sauber und gemütlich. Hier würde es sich sicherlich gut ein paar Tage aushalten lassen.

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Sofort holte ich meine Digitalkamera aus dem Koffer, um die ersten Eindrücke unseres Ferienhauses einzufangen. Und Klaudia bot sich auch umgehend als Fotoobjekt an, ohne, dass ich sie hätte lange darum bitten müssen. Schnell fing ich auf dem Speicherchip auf, wie meine Tochter ausgelassen auf dem Sofa rumhüpfte. Doch, es war die richtige Entscheidung gewesen, einfach mal für ein paar Tage dem Chaos des Alltags zu entfliehen. Es tat meiner Tochter gut und es würde auch mir gut tun.

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Leider gab es in unserer Feriensiedlung keinen Speisesaal oder ähnliches. Aber so schlimm war dies nun auch wieder nicht. Den Grill könnte jeder jederzeit benutzen und notfalls konnte man sich auch Essen auf das Zimmer kommen lassen. Doch für den Anfang würden gegrillte Hamburger Klaudia sicher nicht unglücklich machen.

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Während ich also den Kochlöffel schwang, war Klaudia damit beschäftig, neue Bekanntschaften zu schließen. "Hallo, ich bin Klaudi und wie heiß du?", sprach sie einfach die Hotelangestellten, Gäste und auch die wenigen Einheimischen an. Emma, die rothaarige Frau im Holzfällerhemd, zeigte ihr dann auch die ortstypische Begrüßung, nämlich wildes Klopfen auf die Brust und Klaudia war sofort Feuer und Flamme. Das war doch viel cooler als das olle, Händeschütteln und Winken. Die anderen Touristen sahen das wohl anders und hielten erste einmal gebührenden Abstand von dieser ungewöhnlichen Frau.

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Ich war erstaunt, wie schnell es hier im Norden dunkel wurde. Die vielen Jahre in der Sierra Simlone haben mich ein wenig vergessen lassen, dass sich die Tageszeit weiter nördlich viel stärker mit den Jahreszeiten veränderte. Da es draußen nun doch sehr kalt wurde, ging ich mit Klaudia in unsere Hütte und zündete ein Feuer im Kamin an. Dabei kam mir zugute, dass ich in der Simlane nahezu dasselbe Modell stehen hatte und deshalb das Feuer recht schnell entfachte. Und im Gegensatz zu meinem Kamin zuhause erfüllte dieser auch seinen Zweck als Heizung. Dicht vor die wärmenden Flammen gedrängt, verbrachten Klaudia und ich den Rest des Abends damit, wunderliche Geschichten über die Region und ihre Bewohner zu lesen.

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Das Feuer im Kamin erfüllte die gesamte kleine Hütte mit seiner Wärme und so mussten meine Tochter und ich auch nicht in ein kaltes Bett steigen. Die Anstrengung des Fluges und vielleicht auch die frische Bergluft, ließen mich sofort in einen tiefen, festen Schlaf fallen. Nicht einmal das gelegentliche heulen der Wölfe in weiter Ferne, noch der unheimliche Ruf der Eulen konnte daran etwas ändern.​
 
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Kapitel 123: Phantasiewelten

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Am Morgen erwachte ich erholt wie schon lange nicht mehr. Verschwommen erinnerte ich mich an einen seltsamen Traum. Darin grub ich vor der Hütte ein tiefes Loch und plötzlich schoss ein Gysir aus dem Boden. Was das wohl wieder zu bedeuten hatte? Nur gut, dass es ein Traum war.

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Dabei viel mir ein, dass ich gestern Abend noch von Schätzen gelesen hatte, die in dieser Gegend vergraben sein sollten. Und irgendwie inspirierte mein Traum mich dazu, nach einer Schaufel zu greifen und einfach drauf los zu graben. Doch das einzige was ich fand, waren Knochen, Knochen und nichts als Knochen. Die einzige, die diesen Pfund als Schatz bezeichnet hätte, wäre wohl Goya gewesen.

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Als Klaudia aufwachte, war sie enttäuscht, dass es immer noch nicht geschneit hatte. Allerdings hielt dies nur einige wenige Minuten an. Spätestens, als ich ihr gegrillte Pfannkuchen zum Frühstück servierte, war sie wieder glücklich und zufrieden. Und da es zwar recht kühl, aber dennoch trocken und sonnig war, riet uns der Reiseleiter vor Ort einen Ausflug zu unternehmen, solange das Wetter noch so beständig war. Kurzerhand entschlossen wir uns für die Holzfällerexpedition, die uns einen Einblick in das Leben der Einheimischen geben sollte.

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Ich hatte zunächst befürchtet, dass Klaudia sich bei diesem Ausflug langweilen könnte. Doch damit hatte ich weit gefehlt. Als wir wieder zurückkamen, stürzte sie sich umgehend auf einen der übrigen Gäste des Feriendorfes und berichtete ihm von ihrem Erlebnis: "Hallo Mister! Haben sie schon mal einen Biber gesehen? Einen echten und nicht so einen aus dem Fernsehen? Mami und ich haben heute eine ganze Familie getroffen. Erst waren die voll böse und wollten uns beißen, aber dann hat der nette Mann, der uns begleitet hat Futter rausgeholt und die Biber haben es gefressen und waren dann nicht mehr böse. Die sind sogar ganz nah an uns heran gekommen. Ja ganz ehrlich, Mister, das war da hinten im Wald. Mami kann ihnen die Geschichte auch erzählen."

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Ich lächelte dem Mann entschuldigend zu und er verabschiedete sich höflich von meiner übermütigen Tochter, die schon dabei war, dem nächsten Gast ihre Biber-Geschichte zu erzählen. Währenddessen rief ich Zuhause an, um mich bei Tristan zu erkundigen, ob denn auch alles in Ordnung sei. Insbesondere um Kinga machte ich mir Sorgen, doch Tristan versicherte, dass Kinga zwar aufmüpfig wie immer, aber sicher in ihrem Zimmer war. "Ich passe schon darauf auf, dass sie nicht ausbüchst. Und vielleicht tut es ja euch beiden gut, wenn ihr mal etwas Abstand voneinander bekommt." Ich konnte nur hoffen, dass Tristan Recht behielt.

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Den Abend verbrachten wir dann bei einem Lagerfeuer im Freien. Der Mann von heute Nachmittag schloss sich uns an und erzählte nun im Gegenzug Klaudia die ein oder andere unglaubliche Geschichte. Das allein begeisterte meine Tochter schon, doch als er dann auch noch Marshmallows aus seinem Rucksack zauberte, war sie ganz aus dem Häuschen.

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Doch der Ausflug und die frische Bergluft zollten ihren Tribut und langsam aber sicher klappten Klaudias Augenlider zu. Bevor sie auf dem kalten Waldboden einschlief, brachte ich sie ins Bett. Mir war allerdings noch nicht nach Schlafen zumute. Freudig überrascht entdeckte ich einen Whirlpool zwischen den anderen Ferienhäusern und gesellte mich zu den beiden Frauen, die sich dort angeregt unterhielten. Es war herrlich in dem warmen Wasser zu sitzen und zu beobachten, wie eine Wolke aus Wasserdampf in die kalte Nachtluft hinaufstieg.

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In der Nacht träumte ich wieder die abstrusesten Dinge. Klaudia lief in den Wald, um die Biberfamilie wieder zu sehen. Und als sie sie fand, verwandelte sich einer der Biber in einen Bigfoot. Das Ungeheuer brüllte meine kleine Tochter an, doch anstatt schreiend wegzulaufen, brüllte sie einfach zurück und begann dann mit dem haarigen Monster herumzualbern. Also irgendetwas musste hier in der Luft liegen, dass mich so seltsam träumen ließ.

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Die Luft wurde merklich kühler. Eigentlich war es fast schon so kalt, dass man eine Jacke hätte anziehen müssen. Aber wenn man so lange in der Wüste gelebt hat, vergisst man leider manchmal, sich über das Wetter Gedanken zu machen. Frösteln stampfen Klaudia und ich zu einem ehemaligen Sägewerk, das zur Touristenattraktion ausgebaut worden war. Und um nicht ganz zu erfrieren, bestellten wir uns erst einmal heiße Pfannkuchen. Burger und Marshmallows waren zwar lecker, aber jeden Tag musste selbst Klaudia sie nicht essen.

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Und um sich auch weiterhin schön warm zu halten, schloss sich Klaudia einer Gruppe Kinder an, die von einer Einheimischen in einen traditionellen Volkstanz eingewiesen wurden. Ich hielt mich lieber im Hintergrund und beobachtete lediglich die hüpfende und schreiende Kinderschar. Ich weiß, als Mutter ist man immer etwas voreingenommen, aber Klaudia war wirklich die talentierteste von all den Kindern. Ich war richtig stolz auf mein Pummelchen.

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Während Klaudia also immer kompliziertere Folgen von Klatschen, Hüpfen, Drehen, Schreien, Klatschen, Hüpfen lernte, schaute ich mich ein wenig auf dem Gelände um. Eine riesige Holzscheibe stach in mein Auge, die früher einmal zu einem stattlichen Baum gehört haben musste. Wenn ich mir so den Durchmesser ansah, dann muss der Baum bestimmt 40 Meter hoch gewesen sein. "Der Baum war mal 53,76 Meter hoch". Ich muss wohl laut vor mich hin gedacht haben. Ein kleiner Junge, der eben noch mit Klaudia getanzt hatte, stand hinter mir und verbesserte mich. "Mein Opa hat ihn selbst gefällt." Hhm, ich war nicht sicher, ob man wirklich stolz darauf sein sollte, der Holzfäller eines solch erhabenen Baumes zu sein. Aber ich behielt das lieber für mich.


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Aber dann spürte ich die Macht, die mit so einer Axt verbunden war. Kaum hielt ich sie in der hand, durchströmte die Energie meinen ganzen Körper und ich hegte nur noch den einen Wunsch: Fälle den größten Baum!

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Ich entließ einen Urschrei aus dem tiefsten Inneren meiner Seele und warf die Axt von mir. Und sie traf ihr Ziel genau. Erst die eine Axt, den die zweite, dann die dritte. Erst langsam legte sich der Nebel des Rausches und ich realisierte, dass ich gerade drei kiloschwere Äxte exakt in das Zentrum einer Zielscheibe geschlagen hatte. Das nannte ich mal Anfängerglück. Und das Anfängerglück sollte man bekanntlich nicht überstrapazieren, als verzichtete ich auf eine Wiederholung dieses Spektakels.

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Leider kam das Ende dieses Urlaubs viel zu früh. Am letzten Abend legte ich mich in die Hängematte und beobachtete die Sterne am Himmel. Hier war alles so ruhig, so friedlich. Ich wollte für immer die Harmonie spüren, die hier in der Luft zu liegen schien. Denn in der Sierra Simlone warteten nur Probleme auf mich. Mein Mann hatte mich verlasse, meine Tochter hasste mich und ich durfte meinen besten Freund nicht mehr nahe sein. Doch ich schob diese Gedanken beiseite. Nicht heute, heute wollte ich einfach nur zufrieden sein.

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Noch vor Sonnenaufgang kletterte Klaudia unter der warmen Daunendecke hervor und lief zum Fenster. Gestern Abend war es kalt geworden, bitter kalt und das Thermometer an unserer Hütte hatte eindeutig Frost angezeigt. Sie hatte so sehr auf Schnee gehofft, doch der Blick aus dem Fenster enthüllte die gleiche grüne Landschaft, wie an den vorherigen Tagen.

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Und mit den ersten Sonnenstrahlen kletterten die Temperaturen auch wieder. Doch Klaudias Enttäuschung hielt nicht lange an. Es hatte ja eh keinen Sinn Trübsal zu blasen, also konnte man auch was Lustiges unternehmen. Und so kramte sie einen Baseball hervor und wir vertrieben uns die Zeit, bis das Taxi kam, dass uns zurück zum Flughafen bringen sollte, indem wir uns den kleinen Ball gegenseitig zuwarfen.


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"Hättet ihr nicht länger weg bleiben können? Oder am besten gar nicht wiederkommen?" Diese freundliche Begrüßung durch Kinga ließ keinen Zweifel daran, dass ich wieder Zuhause war. Und es hatte sich nichts verändert. Gut, ich hätte damit rechnen müssen, aber in mir war immer noch die Hoffnung, dass sich alles zum Guten wenden würde und Kinga wieder das nette, liebe Mädchen von früher wurde.

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Doch bis es so weit war, musste ich wohl noch viele Kämpfe mit ihr austragen. Kämpfe, denen Klaudia am liebsten aus den Weg gehen wollte. Da sie aber unvermeidlich schienen, versuchte sie einfach aus der Schusslinie zu geraten. Und während ich, kaum fünf Minuten in der Simlane, schon wieder mit Kinga stritt, hockte sie sich in eine Ecke und blätterte durch eine Märchenbuch. So schön der Urlaub auch war, sie erkannte, dass sich Zuhause nichts geändert hatte. Und das würde es auch nicht, also blieb ihr nur die Flucht in ihre Phantasiewelt.​
 
Kapitel 124: Außer Kontrolle

2 Jahre später

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"Mehr Spannung, Oxana!", forderte der Fintnesstrainer mich auf. "Du muss dich viel weiter durchstrecken!" Wenn das nur so einfach wäre. Ich konnte mich ja kaum in dieser Position halten. Und dann wurde auch noch von mir verlangt, dass ich richtig atmete und die Spannung hielt.

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"Spannung, Oxana. Spannung!" Der mit seiner Spannung! Aus Ärger darüber, dass mein Trainer nie zufrieden war, geriet ich ins Wanken und plumpste schließlich hin. Und dem blöden Kerl fiel nichts anderes ein als zu lachen. Na warte, dem würde ich es zeigen. Ich sprang auch und trat ihm gegen das Schienbein, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Oder zumindest versuchte ich es, denn er erkannte sofort mein Vorhaben und wandelte es zu seinen eigenen Gunsten um, indem er mir geschickt ein Beinchen stellt.

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Doch anstatt erneut auf meinem Hintern zu landen, wurde ich von seinen starken Armen aufgefangen. "Du weißt doch, dass du mich nicht austricksen kannst, Oxana", grinste er mich an. Doch ich grinste verschlagen zurück. "Das hab ich aber, Charlie. Ich hatte immer die Absicht gehabt, von dir aufgefangen zu werden." "Dafür musst du doch keine miesen Tricks einsetzen."

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Sanft küsste ich seinen Hals. "Ist das Training dann für heute beendet?", fragte ich und kraulte dabei seinen Nacken. "Ja, für heute sind wir fertig...zumindest hier", antwortete er und seine Augen begannen zu glitzern. Sofort schmiegte ich mich enger an ihn und begann wieder damit, ihn zu küssen. "Warte...warte", forderte er mich atemlos auf. "Ich bin total verschwitzt. Lass mich erst unter die Dusche springen und dann komme ich zu dir in den Whirlpool."

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Auch ich verschwand im Waschraum, machte mich ein wenig frisch und zog meinen Bikini an. Als ich in den Wellnessbereich des Fitnessstudios kam, saß Charlie bereits im Whirlpool und erwartete mich. Er verfolgte aufmerksam, wie ich in das Wasser stieg und stürzte sich sofort gierig auf mich. Ich wollte ihn, aber jeden Moment hätte jemand herein platzen können. Es war, als ob Charlie meine Gedanken lesen konnte. "Kein Angst, Oxana, es ist keiner da. Ich habe das Fitnessstudio heute schon früher schließen lassen." Mehr brauchte ich nicht, um mich endgültig fallen zu lassen.

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Als die Sonne untergegangen war, wurde es leider Zeit für mich aufzubrechen. Charlie löschte überall die Lichter und begleitete mich hinaus. "Übernachtest du heute Nacht wieder bei mir?", fragte er. Ich musste grinsen. "Hast du immer noch nicht genug?" "Von dir niemals." Die Röte schoss mir in die Wangen. Ich war nur froh, dass er es bei diesem fahlen Licht nicht sehen konnte. "Ja", antworte ich schließlich, "sobald die Mädchen schlafen, komme ich zu dir rüber." Damit war Charlie durchaus einverstanden und verabschiedete sich mit einem langen, innigen Kuss von mir.

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Ich war so in Gedanken an Charlie und unsere bevorstehende gemeinsame Nacht vertieft, dass ich die Person auf dem Gehweg erst bemerkte, als ich fast schon in sie hinein gelaufen wäre. "Oh Gott, Mutter, du bist so peinlich!" Es war Kinga, die vor mir stand. Ihre Arme waren vor ihrer Brust verschränkt und ihr Gesicht zeigte, deutliche Missbilligung. "Schlimm genug, dass du dich mit einem Mann abgibst, der zehn Jahre jünger ist als du, aber musst du auch noch auf offener Straße mit ihm rum machen?"

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"Jetzt du nicht so überrascht", schnaufte sie verächtlich, als sie meinen erschrockenen Blick sah. "Glaubst du wirklich, ich würde es nicht merken, wenn du dich über Wochen Nacht für Nacht aus dem Haus schleichst, um dich von deinem Macker durchnudeln zu lasse?" "Kinga, nicht in diesem Ton", fuhr ich sie an, aber genauso gut hätte ich eine Wand anschreien können. Kinga hatte sich schon längst meiner Kontrolle entzogen. "Warum tust du das, Mutter?", fragte sie wütend. "Willst du damit Dad eins Auswischen?"

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Dominik eins auswischen? Warum sollte ich so etwas tun wollen? Seit unserer Trennung vor zwei Jahren hatten wir kaum noch Kontakt, aber ich sah keinen Grund, mich an meinem Ex-Mann rächen zu wollen. Kinga erkannte meinen verwirrten Gesichtsausdruck und begann triumphierend zu grinsen. "Dann hat der Giftzwerg es dir als gar nicht erzähl", lachte sie böse. "Umso besser, dann kann ich das ja tun."

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"Dad hat geheiratet. Genau an diesem Wochenende als du mit Gerda, dieser vertrockneten Pflaume, auf dieser Rinderauktion warst. Du kennst die Braut sogar, es ist nämlich deine Frisörin, diese kleine rothaarige Ingrid. Vielleicht kannst du ja jetzt Familienrabat bei ihr einfordern. Oder vielleicht wäre ich an deiner Stelle etwas vorsichtig. Es könnte ja sein, dass Dads Neuer ja ganz zufällig die Schere ausrutscht, wenn sie seiner Ex-Frau die Haare schneidet."

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"Und deine Lieblingstochter stand bei der Trauung ganz vorne in der ersten Reihe. Ich hätte dem Giftzwerg ja ein wenig mehr Loyalität dir gegenüber zugetraut, aber vermutlich hat sie ja endlich erkannt, dass was für eine verlogene Intrigantin du doch bist. Die halbe Woche liegt sie mir schon damit in den Ohren, wie toll die Feier doch war. Als ob mich das interessieren würde!"

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"Oh, das Beste habe ich ja noch gar nicht erwähnt. Die Hochzeit wurde ziemlich eilig einberufen, weil Ingrid da ein kleines Geheimnis gehütet hat. Obwohl, Geheimnis kann man die Monsterkugel, die sie vor sich her schleppt, wohl kaum nennen. Ja, Mutter, du hast richtig gehört, dein ach so geliebter Dominik wird Vater. Der Giftzwerg freut sich auch schon. Es wird übrigens ein Junge. Dad ist wohl stolz wie Oskar. Endlich jemand, der die glorreiche Blech-Dynastie fortführen kann. Ich krieg's Kotzen. Oh, und du kannst dir sicher sein, dass Omilein hellauf begeistert ist von ihrer neuen Schwiegertochter. Tja Mutter, du hast jetzt wohl voll verkackt."

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Kinga grinste selbstzufrieden und lief zu zwei Gestalten, die rauchend auf der anderen Straßenseite standen. Ich blieb wie angewurzelt zurück. Dominik hatte tatsächlich wieder geheiratet. Wie war es möglich, dass ich völlig ahnungslos geblieben war, dass er eine neue Frau gefunden hatte. Und jetzt bekamen sie sogar ein gemeinsames Kind. Wie konnte er mir das bloß antun?

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In der Nacht ging ich tatsächlich noch rüber zu Charlie. Doch als ich in seinen Armen lag, spürte ich, dass ich ihn nicht liebet und ihn auch nie geliebt hatte. Ja, wir hatten ein paar schöne Wochen miteinander verbracht, doch mehr wollte ich gar nicht. Im Grunde wollte ich immer noch Dominik. Kingas Worte gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich war wirklich dumm gewesen, mich mit einem Mann einzulassen, der so viel jünger war als ich. Nein, diese Beziehung hatte keine Zukunft und ich musste sie beenden.​
 
Kapitel 125: Wünsch dir was

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Charlie nahm die Trennung recht locker. Alleine das zeigte mir schon, wie dumm ich war, wenn ich wirklich an eine ernsthafte Beziehung mit diesem halben Jungen gedacht hatte. Und Dominik war jetzt für mich verloren. Um nicht ganz in Liebeskummer zu versinken, stürzte ich mich voller Eifer in die Arbeit, so wie ich es immer tat. Ich konnte nur von Glück reden, dass es auf der Farm immer genug zu tun gab. Dennoch schweiften meine Gedanken immer wieder zu Dominik ab. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich unterbewusst immer irgendwo gehofft, dass er mir doch noch verzeihen würde, dass er zu mir zurück kam und wir wieder die Familie werden würden, die wir früher waren. Doch dieser Zug war nun endgültig abgefahren.

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Während ich gedankenverloren das Feld für die kommende Aussaat vorbereitet, stürmte plötzlich Goya, die mich immer zu den Weiden und Felder begleitete, laut bellend auf die Straße zu. Ich machte mir darüber zunächst keine weiteren Gedanken. Wahrscheinlich hatte sie lediglich einen Wüstenhasen entdeckt und schlug ihn nun in die Flucht. Doch dann ertönte eine Fahrradklingel und Klaudia fuhr winkend den staubigen Feldweg entlang.

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"Pummelchen, was machst du den hier?", fragte ich überrascht. "Stimmt Zuhause etwas nicht?" Hier draußen hatte ich leider keinen Handyempfang und Klaudia würde sicherlich nicht nur zum Spaß die Fahrt von der Stadt bis raus zu unseren Feldern unternehmen. Immerhin waren es mehrere Kilometer, die sie zurücklegen musste. "Nein, alles in Ordnung, Mami", erklärte sie zögerlich, kratze sich dann aber unbeholfen am Kopf. "Nun rück schon mit der Sprach raus", forderte ich sie auf, denn so verhielt sie sich immer, wenn sie etwas auf dem Herzen hatte. "Ich hab doch bald Geburtstag und...und ich wollte fragen, ob ich auch eine Feier für meine Freunde ausrichten darf. Ich lade auch nur ganz wenig ein", fügte sie hastig hinzu, als ob sie Angst hätte, dass ich sonst ablehnen könnte.

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"Aber Schatz, du darfst so viel Kinder einladen, wie du möchtest", erklärte ich ohne zu zögern. Klaudia hatte nicht viele Freunde und ich war nur froh, wenn sie sich mit Kindern in ihrem Alter umgab. Viel zu oft verbrachte sie ihre Freizeit nämlich mit uns Erwachsenen. "Echt Mami? Das ist voll supi! Darf ich auch Jungs einladen? Ich muss nicht, aber vielleicht will Hannes ja kommen?" "Klar Pummelchen, lade so viel Jungs ein, wie du möchtest. Es ist doch dein Geburtstag." Klaudia war sichtlich begeistert und fing an aufgeregt herumzuhüpfen. Es war schön, meine Tochter wieder so ausgelassen zu sehen.

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Sie verbrachte den Rest des Tages bei mir draußen auf den Feldern. Und in diesem Fall war es mir sogar lieber, wenn sie bei mir blieb und nicht alleine die lange Fahrt über die Landstraße zurück nach Sierra Simlone Stadt antrat. Als die Sonne hinter dem Horizont versank, war ich nur noch damit beschäftigt, die Rinder für die Nacht zu versorgen. "Pummelchen, warum hast du mir eigentlich nichts von der Hochzeit deines Papas erzählt?", fragte ich schließlich, als ich fast fertig war. Klaudia schwieg zunächst und streichelte mit zusammengekniffenen Lippen Goyas Kopf. "Ich wollte nicht, dass du traurig bist, Mami", flüsterte sie schließlich.

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Ich legte den Rechen zur Seite und kam auf meine kleine Tochter zu. "Schatz, es ist nicht deine Aufgabe, dich um mich Sorgen zu machen. Ich bin deine Mutter und ich bin groß. Ich werde schon damit fertig, wenn du mir von deinem Papa und seiner neuen Frau erzählst." Klaudia nickte stumm. "Und ich habe auch nichts dagegen, wenn du dich gut mit deiner Stiefmutter verstehst. Wenn du sie magst, dann kannst du das ruhig tun und mir das sagen. Ich bin dir deswegen nicht böse." "Okay, Mami. Und in Zukunft werde ich dir immer alles erzählen", versprach sie mir sichtlich erleichtert.



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Klaudias neuner Geburtstag rückte immer näher und ich kümmere mich um die Feier, die ich ihr erlaubt und versprochen hatte. Ich schrieb also Einladungen, dekorierte den Garten und backte eine Beerenpaste für sie und die übrigen Kinder.

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Ich war so mit den Vorbereitungen beschäftigt, dass ich nicht mitbekam, wie Kinga und ihre beiden Freunde, das Geschwisterpaar Farina und Alexander, durch die Hintertür ins Haus spazierten. Doch anders als sonst verzogen sie sich diesmal nicht in Kingas dunkles Zimmer, sondern schlichen sich in das Zimmer ihrer Schwester. "So ein krass hässliches Zimmer hab ich echt noch nie gesehen", spöttelte Alex und fegte einige Teddybären von einem Regal. "Passt zu dem ganzen spießigen Haus", pflichtete seine Schwester ihm bei. "Krass hässlich trifft es ganz gut", bestätigte Kinga und da die Teddybären schon auf dem Boden langen, trat sie einfach gegen das Puppenhaus, das unter lauten Krachen nachgab. Ihre beiden Freunde erhoben keinen Einspruch bei dieser mutwilligen Zerstörung. Ganz im Gegenteil beschwerte Alex sich sogar, dass Kinga ihm nichts mehr zum Zertreten übrig ließ.

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Ich wusste nicht, ob es nur Zufall war, oder ob Kinga ihre Schwester ganz gezielt am Tag ihrer Geburtstagsfeier ärgern wollte. Auf alle Fälle beschloss sie mit ihren zwei Gefährten einfach in Klaudias Zimmer abzuhängen. Und dabei entwickelten die drei ganz tolle Ideen. "Ich hab zuhause noch ein paar Spraydosen herumliegen. Vielleicht sollten wir das Zimmer ja einer kleinen Umgestaltung unterziehen. Deine kleine Schwester würde sich sicher freuen", schlug Alex vor und die drei begannen fies zu lachen.

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Farina hatte derweil Klaudias weiteres Spielzeug entdeckt und fand sichtlich ihren Spaß daran, hier und da ein paar Plastikteile abzubrechen. Plötzlich ging die Tür auf und Klaudia stand im Zimmer. "Was macht ihr hier drin?", fragte sie verunsichert und entdeckte dann auch schon das zerstörte Puppenhaus. "Kinga, warum hast du das gemacht?", begann sie bitterlich zu weinen. Alex begann sie nachzuäffen und Kinga und Farina konnten sich vor lachen kaum mehr aufrecht halten.

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Das war zuviel für Klaudia und sie lief weinend aus dem Zimmer und direkt in meine Arme. Ich konnte sie unter all dem Schluchzen kaum verstehen und begriff nur die Worte Kinga und Puppenhaus. Ich hastete in ihr Zimmer und sah direkt, was geschehen war. "Wer hat das gemacht?", fragte ich wütend und blickte die drei der Reihe nach an.

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Doch eine Antwort erhielt ich nicht. Alex und Farina grinsten sich nur einen, was mich erst recht zur Weißglut trieb. "Es ist einfach so von allein kaputt gegangen", beteuerte Kinga gespielt unschuldig. "Wir können da gar nichts für. Wir waren nur ganz zufällig hier."

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Mir riss nun der Geduldsfaden. "Kinga, bist du jetzt komplett übergeschnappt", schrie ich meine Tochter an, die aber immer noch breit grinste und sich einen Spaß daraus machte, mich in den Wahnsinn zu treiben. "Boh, deine Mutter ist echt genau so krass ätzend wie du sie immer beschrieben hast. Kein Wunder, dass du es hier nicht länger aushältst", mischte sich das blonde Mädchen ein. "Aber sie hat eine echt geilen Arsch", fügte der Junge hinzu und fasst mir im nächsten Moment ungeniert an den Hintern.

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Ich konnte damit umgehen, dass Kinga keinen Respekt vor mir hatte, aber drei Halbstarke dieser Art waren einfach zu viel für mich. Zu meinem Glück kam in genau diesem Moment Tristan in Klaudias Zimmer. "Raus hier, alle drei, aber sofort!", brüllte er meine Tochter und ihre Freunde an. Und anders als bei mir, schienen seine Worte Wirkung zu zeigen. Tristans Gesicht spiegelt puren Zorn wieder und scheinbar hatten Alex und Farina keine Lust sich diesem Zorn auszusetzen. "Komm, King, lass uns von hier abhauen. Die Vibs hier sind echt mies", erklärte Farina und schlurfte mit ihrem Bruder aus dem Raum.

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"Danke Tristan, ich weiß nicht, was ich ohne dich gemacht hatte". Immer noch verstört trat ich aus Klaudias Zimmer und schritt mit wankenden Knien auf meinen Mitbewohner zu. Dieser leget beruhigend seine Hände auf meine Schultern. "Dafür bin ich doch da." Nicht zum ersten Mal war ich sehr dankbar, dass ich einen so treuen und zuverlässigen Freund hatte. Ohne seine Hilfe hätte die Situation heute wirklich eskalieren können.

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Aber zum Glück war noch einmal alles gut verlaufen. Ich fand Klaudia zusammengekauert hinter dem Sessel im Arbeitszimmer. Als sie mich sah, kam sie hervorgekrabbelt und warf sich mir um den Hals. "Alles in Ordnung, Pummelchen", beruhigte ich sie, doch Klaudia schluchzte jetzt erst richtig los. "Kinga und ihre Freunde sind weg und sie werden sicher auch nicht wieder kommen. und jetzt wisch dein Tränen weg und komm mit raus. Deine Gäste treffen bestimmt gleich ein."



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Es dauert einige Minuten, bis Klaudia wirklich sicher war, dass Kinga nicht doch noch wieder kommen würde. Und spätestens, als die ersten Kinder eintrafen, vergaß sie die unschöne Geschichte mit ihrer großen Schwester. Ich holte meine Digitalkamera und machte einige Bilder davon, wie Klaudia mit ihren Freunden Hannes, Irmgard und Mechthild vergnügt ein seltsames Spiel mit grünen Kristallen und beschriebenen Würfeln spielte. Scheinbar kannten es alle Kinder. Mir war es völlig unbekannt. Ein untrügliches Zeichen, dass ich langsam alt wurde.

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Tristan grillte ein paar Hotdogs und ich holte die Beerentorte, so dass alle Kinder unter unserem Sonnendach platz nehmen konnten und sich die Bäuche ordentlich voll schlugen. Nur Hannes hatte seinen Hotdog leider mit seinem Zitronensprudel übergossen und nun war dieser völlig durchnässt und schäumte vor sich hin.

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Nach dem Essen legte Klaudia eine CD ein und führte mit ihren Freundinnen Irmgard und Jasmin den Volkstanz auf, den Klaudia damals im Urlaub in Drei Seen gelernt hatte und den die drei extra einstudiert hatten. Ich hatte bei der einen oder anderen Probe zugesehen und stieg einfach mal an einer bekannten Stelle ein. Goya beobachtete das Spektakel scheinbar amüsiert.

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Anschließend war eine Wasserbombenschlacht angesagt. Wenn man in einer Wüste lebte, dann sollte man es auch ausnutzen, dass Kinder sich ruhig mal nass machen konnten und in spätestens 10 Minuten wieder trocken waren. Also stürmten die Kinder um das Haus und bewarfen sich wild mit Wasser gefüllten Luftballons.

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Als alle wieder halbwegs getrocknet waren, holte ich die Geburtstagstorte aus dem Kühlschrank und zündete die neun Kerzen darauf an. Alle Kinder versammelten sich um Klaudia und Beate feuerte ihre Schulfreundin besonders laut an.

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Dann holte Klaudia tief Luft und blies erfolgreich alle Kerzen auf einmal aus. "Hast du dir auch was gewünscht?", fragte Hannes neugierig. "Du darfst es aber nicht verraten, sonst wird es nicht wahr", schrei Irmgard aufgeregt dazwischen. Somit blieb es ein Geheimnis, was Klaudia sich gewünscht hatte, aber ich hoffte inständig für sie, dass es bald eintrat.​
 
Kapitel 126: Der perfekte Mann

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Da Kinga nun endgültig meiner Kontrolle entglitten war, konnte ich mich nur noch an eine Person wenden. "Schön, dass du gekommen bist", begrüßte ich Dominik, als er in der Simlane auftauchte. Er gab mir seine Hand, aber ich merkte deutlich, wie angespannt er war. Es war ihm unangenehm, mich zu sehen. Es war das erste Mal, seit unserer Scheidung, dass wir uns sahen und ein Gespräch führten, dass über ein höfliches "Hallo" hinaus ging. "Herzlichen Glückwunsch zu deiner Hochzeit", gratulieret ich ihm und er nahm nickend an.

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Bevor jetzt eine unangenehme Stille entstehen konnte, rückte ich gleich mit meinem Anliegen heraus. Ich hatte ihm schon am Telefon erklärt, was vorgefallen war. „Bitte rede mit ihr, Dominik. Auf mich hört sie nicht mehr, aber sie war doch immer deine kleine Prinzessin. Vielleicht kannst du ja zu ihr durchdringen?" Leider wirkte Dominik wenig zuversichtlich. "Sie hat sich auch von mir entfremdet. Ich hab sie seit Wochen nicht mehr zu Gesicht bekommen. Sie kommt doch schon lange nicht mehr zu mir. Am Anfang hatte sie ja noch Ausreden, aber jetzt hält sie nicht einmal mehr das für nötig." "Versuch es trotzdem", bat ich ihn. Dominik war meine letzte Hoffnung.

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Kinga war noch in der Schule. Trotz aller Probleme, die sie mir bereitete, ihre Leistungen in der Schule blieben so, dass sich niemand beschweren konnte. Leider könnten Dominik und ich unser Schweigen nicht überbrücken. Also erledigte ich den Haushalt, während Dominik mit Tristan im Garten blieb und sich mit einem Ballspiel ablenkte. Mit Tristan kam mein Ex-Mann nach wie vor gut klar, nur mit mir leider nicht. Verstohlen blickte ich zu den beiden hinüber. Dominik sah so verdammt gut aus...Aber er war verheiratet und zeigte kein Interesse an mir, das musste ich akzeptieren.

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Kinga stieg aus dem Schulbus und verkroch sich umgehend in ihrem Zimmer, so wie sie es immer tat. Dominik bemerkte sie nicht einmal. Reflexartig schaltete sie ihre Anlage an und warf ihre Schulsachen auf den Schreibtisch. Durch die laute Musik hörte sie nicht, wie Dominik an ihrer Tür klopfte und schließlich einfach unaufgefordert in ihr Zimmer schritt. Erst als er wiederholt ihren Namen rief schreckte sie zusammen und drehte sich zu ihm um.

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"Was willst du den hier?", fragte sie genervt und drehte sich von ihm weg. Doch Dominik ließ sich nicht so leicht abschütteln und ging immer wieder um sie herum, bis sie ihn schließlich doch ansehen musste. "Warum bist du so wütend, Prinzessin? Warum kannst du nicht alles hinter dir lassen und eine normale Beziehung zu deiner Mutter aufbauen?" Er fragte dies ganz ruhig, ohne einen Hauch von Vorwurf in der Stimme. "Merkst du nicht, dass wir dich alle lieben? Ich liebe dich, deine kleine Schwester liebt dich und auch deine Mutter liebt dich...auf ihre Weise." Er sah den Schmerz in Kingas Augen, sah, wie sie mit sich selbst rang. "Vertrag dich mit deiner Mutter, Prinzessin. Und wenn du es nicht ihr zuliebe machst, dann tue es für deine Schwester, tue es für deinen Dad, Prinzessin."

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"Aber du bist nicht mein Dad!", brüllte sie ihn plötzlich an. "Ich habe keinen Vater. Diese Frau, meine Mutter", sie spie das Wort regelrecht aus, "hat mit ihren kleinen hinterhältigen Machenschaften dafür gesorgt, dass ich keinen Vater mehr habe. Also spiel dich nicht so auf, als ob du mein Vater wärst! Du bist es nicht, hast du das verstanden?! Du bist nicht mein Vater, also hau jetzt einfach ab!"

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Darauf konnte Dominik nichts erwidern. Ich hatte ihn noch nie so niedergeschlagen erlebt, wie in dem Moment, als er aus ihrem Zimmer kam. Nicht einmal, als er von meinem Betrug erfahren musste, hatte er so hoffnungslos dreingeblickt. Er musste mir nichts erklären. Ich hatte Kingas Stimme deutlich hören können, auch wenn ich die Worte nicht verstand. "Danke, dass du es wenigstens versucht hast. Das war mehr, als ich erwarten konnte." Dominik nickte traurig, verabschiedet sich dann von Klaudia und verließ die Simlane. Es war, als ob mit ihm auch meine letzte Hoffnung auf eine unkomplizierte Zukunft gegangen wäre.


4 Jahre später


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"Und jetzt auf den Knien!", rief Klaudia und kletterte wieder auf die Rutsche unseres Pools, den ich vor einigen Jahren im Garten anlegen ließ. "Okay", stimmte Tristan ihr zu. "Aber dabei musst du....", er überlegte eine Weile, "...das Lied vom Crazy Frog summen." Klaudia zeigte ihm einen Vogel und rutschte laut schreien in das von der Wüstensonne aufgewärmte Wasser. Und wenige Sekunden später folgte Tristan ihr laut singend. Lachend führ ich mir durch mein dauergewelltes Haar. Die beiden benahmen sich wie zwei kleine Kinder. Gut, Klaudia war auch noch eins, auch wenn sie in wenigen Wochen 13 werden würde. Aber Tristan war schon 43. Wenn man ihn aber so sah, hätte man ihn höchstens auf acht eingeschätzt.

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Kinga lag am Poolrand und ließ die Sonne auf die gut eingecremte Haut scheinen. Sie hing immer noch mit ihren beiden Freunden, Alexander und Farina rum. Meistens bekam ich sie gar nicht erst zu Gesicht. Aber im letzten Jahr war sie endlich ruhiger geworden. Die Anfeindungen mir gegenüber haben aufgehört, zumindest weitestgehend, und die Musik aus ihrem Zimmer war deutlich leiser geworden. Dennoch machte es ihr weiterhin Spaß, jeden Bewohner der Simlane zu schocken, wo es nur ging. Und die Ideen dazu schienen ihr auch mit knapp 19 nie auszugehen.

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Tristan kletterte aus dem Wasser und schnappte sich einen Drink von der Poolbar. Gerade als ich mir auch einen greifen wollte, wirbelte mich jemand herum und kniff mir ordentlich in die Pobacke. "Kasimir, lass das", belehrte ich meinen Lebensgefährten. "Die Kinder schauen doch zu." Auch wenn ich vorwurfsvoll klang, so musst eich doch zugebe, dass es mir gefiel, wenn Kasimir mich in meinen Hintern kniff...oder auch ganz andere Dinge mit mir anstellte.

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"Gut, dann gehen wir da hin, wo deine beiden Mädchen uns nicht sehen können", entschied er kurzentschlossen und hob mich in seine Arme. Ich versuchte zwar zu protestieren, doch man merkte deutlich, dass es mir damit nicht all zu ernst war. Kinga hörte mein gespieltes Schreien und stand genervt auf. "Ihr zwei treiben es ja wie die Karnickel", schnaufte sie verächtlich, während Kasimir mich ins Haus trug. "In eurem Alter sollte man Kreuzworträtsel lösen und nicht Bettgymnastik machen." Tristan enthielt sich eines Kommentars, konnte sich ein Schmunzeln aber nicht verkneifen.

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Zielstrebig ging Kasimir auf unser Schlafzimmer zu, warf mich aufs Bett und begann gierig mich zu küssen. Ohne sich viel Zeit zu lassen, entledigte er sich seiner Badehose und zog mir meinen Bikini aus und legte dann ohne weiteres Vorspiel los.

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Nach wenigen Minuten war das Spektakel vorüber. "Und, wie war ich, Perle?", fragte er und blickte mich dabei aus seinen herrlichen dunkelblauen Augen an. Was sollte ich darauf schon antworten? Du warst der Hammer? Das wäre gelogen gewesen auch wenn ich unser kurzes Liebesspiel durchaus genossen hatte. Statt einer Antwort lächelte ich nur verführerisch und fuhr mit meiner Hand zu seiner Lendengegend. "Vielleicht kannst du deinen Freund ja überreden, dass er gleich eine zweite Runde hinlegt?" Kasimir grinste. "Da lässt sich sicher etwas tun."

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"Doch vorher muss ich pissen." Er schob die Decke zurück, kramte eine Unterhose aus dem Nachtschrank und zog sie an. "Außerdem muss ich dringend eine rauchen. Aber ich bin gleich wieder zurück, Perle." Das Spiel kannte ich bereits und eigentlich hatte ich damit gerechnet. Die Zigarette danach gehört für ihn einfach dazu und er konnte und wollte nicht darauf verzichten, selbst wenn er dafür vors Haus musste. Ich hatte mich damit arrangiert und ich war wirklich froh, dass er Haus und Bett mit mir teilte.

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Ich brauchte einfach einen Mann. Nicht für die Kinder, die waren groß und kamen alleine zurecht. Kinga ging schon seit Jahren ihren eigenen Weg. Und Klaudia war inzwischen auch alt genug. Sie brauchte keinen Ersatzvater mehr. Außerdem hatte sie Dominik. Gut, er war vor zwei Jahren mit Ingrid und seinem Sohn Sky nach SimVegas gezogen, aber sie sah ihn trotzdem sehr oft. Nein, ich brauchte einen Mann um selbst zufrieden zu sein.

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Die sich öffnende Tür riss mich aus meinen Gedanken. Als ich hinsah, hatte Kasimir bereits seine Unterhose weggeworfen und stellte sich vor mich hin. "Mein kleiner Freund brauchte nicht lange überredet zu werden. Und jetzt will er die Aufmerksamkeit, die du ihm versprochen hast." Die zweite Runde dauerte deutlich länger und alleine aus diesem Grund war sie schon deutlich befriedigender für mich. Als Kasimir zum Höhepunkt kam, drückte er mir erschöpft aber zufrieden einen Kuss auf, drehte sich zur Seite und schlief augenblicklich ein. Seufzend schmiegte ich mich an seinen Rücken und inhalieret seinen Körperduft, der sich mit dem Zigarettenrauch vermischt hatte. Nein, er war kein perfekter Mann. Aber er war hier, hier bei mir in meinem Bett und er würde bleiben. Und das war mir wichtiger, als ewig auf den perfekten Mann zu hoffen, der doch unerreichbar war.​


Gedanken:

Etwa ein Jahr nachdem ich mich von Charlie getrennt hatte, kam ich mit Kasimir zusammen. Ich fing mir für diese Entscheidung von mehr als einem Freund ein unverständliches Kopfschütteln ein. Aber es fühlte sich trotzdem richtig an. Kasimir war gutaussehend, alleinstehend und in meinem Alter. Seine wilden Tage waren vorbei und ich erkannte, dass ich selbst ein kleines und naives Mädchen gewesen war, als ich mich noch vor Kingas Geburt mit ihm eingelassen hatte und damals maßlos von ihm enttäuscht wurde. Jetzt war ich älter und wusste, worauf ich mich bei ihm einließ und schnell stellte ich fest, dass er gar kein so übler Kerl war.

Vor etwa einem Jahr war er dann bei mir eingezogen. Tristan war zunächst überhaupt nicht begeistert, aber wie immer hielt er sich aus meinen Liebesangelegenheiten zurück. Erstaunlicherweise ersparte sich Kinga jeden Kommentar und nahm Kasimir an meiner Seite einfach hin. Und entgegen ihrer Art blieb auch Klaudia sehr reserviert. Aber im Grunde sagte mir das sogar zu. Kasimir versuchte sich nicht als Ersatzvater aufzuspielen und die Kinder sahen ihn auch nicht als solchen. Das machte das Leben für alle deutlich einfacher.

Geld war nach wie vor kein Problem. Tristan verdiente gut bei der Ölgesellschaft und auch Kasimir hatte einen Job mit festem Einkommen. Ich hatte bereits vor einigen Jahren einen Teil meiner Ersparnisse für den Kauf einer weiteren Zitrusplantage investiert und zusätzliches Land in Ganado Alegro erworben.
Und da sich diese Investitionen rentierten, sah man nicht zuletzt daran, dass ich hinter dem Haus einen Pool anlegen lassen konnte.

Inzwischen war Klaudia mit ihren 12 Jahren schon fast zu einem Teenager heran gewachsen. Auf der Suche nach einem ihrer Schulzeugnisse entdeckte sie bei meinen Unterlagen den Fragebogen der Einwanderungsbehörde und füllte ihn gleich interessiert aus. Dabei kam heraus, dass sie ein Mensch war, der viel Wert auf Geselligkeit legt und ihr größter Wunsch war, zumindest laut diesem Test, einmal eine Starköchin zu werden. Erstaunlicherweise sagte dieser Wunsch Klaudia sogar zu.

Aber Kinga war und blieb mein Problemkind. Auch wenn sie Moment halbwegs kontrolliert schien, hatte ich die Befürchtung, dass ihre Wut augenblicklich wieder ausbrechen könnte. Die Schule war das einzige, worin sie sich wirklich Mühe gab. Doch in wenigen Monaten würde sie ihren Abschluss machen und ich machte mir ernsthafte Sorgen, was dann aus ihr werden sollte. Früher war ihr Weg klar gewesen. Erst die Schule, dann die Universität. Doch ich fürchtete, dass dieser Plan schon lange nicht mehr Kingas Vorstellung von ihrem Leben entsprach.​
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Kapitel 127: Neue Nachbarn

Was bisher geschah:
(Zusammenfassung der vorherigen Kapitel)


Bevor ich in die Sierra Simlone kam, lebte ich für ein Jahr bei meinen Großeltern in Warschau. Die Eltern meines leiblichen Vaters Dariusz, Stanislawa und Piotr, nahmen mich ohne zu zögern bei sich auf, als ich nicht wusste, wo ich sonst hätte unterkommen können. Um so mehr schmerzte es mich, als ich sie einfach so verließ und lediglich einen Abschiedsbrief hinterließ, um ein neues Leben, fern ab von meiner Familie, die mich einfach nicht zur Ruhe kommen ließ, in der kargen Wüste der SimNation zu beginnen.

Und nach anfänglichen Schwierigkeit, schaffte ich es, mich in dieser Gegend zurecht zu finden. Ich baute mir eine Existenz mit meiner Farm auf, auf der ich Rinderzucht und Maisanbau betrieb und einige Zeit später sogar in den Zitrusfruchtsektor einstieg.

Nur mein Liebesleben wirbelte meinen Alltag immer wieder durcheinander. Ich wurde schwanger von dem Mann meiner besten Freundin Gerda. Um ihre und Alberts Ehe nicht zu gefährden, verschwieg ich ihm meine Schwangerschaft und schob meine Tochter Kinga einem anderen Mann unter. Ich hatte geplant, Dominik nur für eine kurze Weile zu hintergehen, doch nach einiger Zeit brachte ich es nicht mehr fertig ihn zu verlassen und ihm sein Kind zu nehmen.

Die Affäre mit Albert flammt allerdings erneut auf und zu diesem Zeitpunkt waren wir beide bereit, unsere Partner zu verlassen und einen gemeinsamen Neuanfang zu wagen. Ein schrecklicher Autounfall, bei dem Albert tödlich verunglückte, machte diese Pläne jäh zunichte. Ich stellte fest, dass ich erneut schwanger war. Diesmal war es unklar, ob mein zweites Kind Klaudia die Tochter von Dominik oder Albert war. Verzweifelt über Alberst Tod und die Ungewissheit über die Vaterschaft, suchte ich erneut Zuflucht bei meiner Großmutter. Ihrem weisen Rat war es zu verdanken, dass ich mich dafür entschied bei Dominik zu bleiben und ihn sogar zu heiraten.

Ich war nicht unglücklich in dieser Ehe, aber dennoch liebte ich Dominik nicht wirklich. Das änderte sich mit dem Tag, als ich entführt und fast zu Tode gefoltert wurde. Zu verdanken hatte ich diesen Umstand meiner Zwillingsschwester Joanna, die sich mir als Patin der Mafia von SimCity offenbarte und mich zur Mitarbeit zwang. Andernfalls drohte sie damit, Dominik die Wahrheit über Kinga zu offenbaren. Ich konnte meiner Schwester nicht verzeihen, dass sie mich in solch eine Situation gedrängt hatte und für ihre Tat nicht einmal Reue zeigte. Dennoch sorgte dieses dramatische Ereignis dafür, dass ich die Liebe zu meinem Ehemann erkannte.

Ab diesem Zeitpunkt war ich wirklich glücklich, doch das Schicksal spielte mir erneut böse mit. Durch eine Blutuntersuchung bei einem Aufnahmetest für die Uni kam zutage, dass Dominik nicht Kingas biologischer Vater sein konnte. Als ihm dann auch noch klar wurde, dass womöglich auch Klaudia nicht seine Tochter war, trennte mein Mann sich in einem ungeheuren Streit von mir. Auch wenn sich herausstellte, dass Klaudia seine leibliche Tochter war, gelang es Dominik nicht, mir zu verzeihen und wir ließen uns scheiden.

Und auch meine Tochter Kinga war nicht in der Lage zu verkraften, dass Dominik nicht ihr leiblicher Vater war. Dies führte dazu, dass unsere ohnehin schon schwierige Beziehung einen nicht mehr zu überbrückenden Riss erfuhr. Meine Tochter hasste mich und sie nutze jede Gelegenheit, um mir das zu zeigen.

Lange hoffte ich, dass Dominik und ich doch noch zueinander finden würden, doch als er schließlich erneut heiratet und sein Sohn Sky geboren wurde, musste ich die Hoffnung endgültig begraben. Ich stürzte mich selbst in einige bedeutungslose Liebschaften, bis ich auf Kasimir traf. Durch ihn an meiner Seite fühlte ich mich wieder zufrieden und so zog er schon bald in die Simlane ein, wo wir Tisch und Bett miteinander teilten.

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Als das schrille Piepen der Backofenuhr ertönte, blickte ich von der "Farmerwoche" auf und legte die Zeitung beiseite. Erst jetzt nahm ich wahr, wie gut es bereits in der Küche roch. Ich holte die heißen Törtchen aus dem Ofen und warf dabei einen Blick durchs Fenster auf das Haus auf der anderen Straßenseite, welches in den letzten Wochen dort errichtet worden war. Vorgestern waren mehrere Umzugswagen vorgefahren und seitdem konnte man nachts das Licht im Haus unserer neuen Nachbarn brennen sehen. Ich hielt es für eine gute Idee, sie mit meiner selbst gebackenen Kleinigkeit in der Sierra Simlone willkommen zu heißen und nach zwei Tagen sollte mein geplanter Besuch hoffentlich nicht mehr in die hektische Einzugsphase fallen.

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Das Haus sah von außen wirklich nicht schlecht aus. Es erinnerte mich sehr an die Architektur der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. Ich war gespannt, was für Menschen die Besitzer wohl sein möchten? Ich hatte zwar die Baustelle hin und wieder beobachtet und auch während die Umzugswagen vorfuhren immer wieder rüber geschaut, hatte aber nie jemanden entdecken können. Aber das würde sich in den nächsten Minuten hoffentlich ändern.

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Ich hatte ja mit allem gerechnet, mit Hippies, einem spießigen Rentnerpaar oder mit einer Großfamilie mit sieben Kindern. Nur nicht mit der Person, die dann vor mir stand, als sich die Haustür öffnete. "Ich hab schon gewartet, wann du endlich reinschneien würdest, Schwesterherz", begrüßte mich mein kleiner Bruder Orion breit grinsend. Ich stand einfach nur sprachlos mit weit geöffnetem Mund da, unfähig, meine Überraschung zu verbergen. "Orion, was machst du denn hier?", war die einzige seltendumme Frage, die mir über die Lippen kam.

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"Na was wohl? Ich wohne jetzt hier", antwortete mein Bruder und bat mich hinein. "Und ich wollte dich mit der Neuigkeit überraschen. und wie ich sehe hat es ja bestens funktioniert." Orion begann zu lachen und ich musste automatisch mit einstimmen. "Aber warum kommst du in dieses verschlafene Wüstenkaff, wenn du doch in SimCity oder einer anderen großen Stadt leben könntest?", fragte ich weiter. Sierra Simlone Stadt war zwar meine Heimat, aber ich machte mir keine Illusionen darüber, dass hier nicht gerade viel los war. "Nun, da hatte meine Frau wohl ein Wörtchen mitzureden", grinste Orion mich an. "Sie wollte einfach wieder nach Hause kommen."

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"Deine was?", fragte ich ungläubig und fürchtet schon, dass ich eine Hörschaden hatte. Da erklang auch schon eine mir wohl bekannte Stimme aus dem oberen Stockwerk. "Seine Ehefrau." Mit einem Grinsen der Belustigung auf den Lippen stieg Desdemona die Treppe hinunter. Ich blickte abwechselnd von ihr zu meinem Bruder, bis Desdemona schließlich die letzte Treppenstufe hinunter stieg und mich in den Arm nahm. "Schön, dass du da bist, Tante Oxana. Oder sollte ich dich ab jetzt besser Schwägerin nennen? Wer hätte gedacht, dass wir einmal so eng verwand sein würden?"

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Es war wirklich verrückt. Immerhin war Desdemona schon die Halbschwester meiner Tochter Kinga und nun war sie auch noch die Ehefrau meines kleinen Bruders. Desdemona bot mir einen Platz auf dem Sessel an, während sie sich selbst eng angekuschelt zu meinem Bruder auf die Couch setzte. Ich brauchte gar nicht nachfragen, denn Orion begann ganz von selbst zu erzählen. "Mona und ich waren am Anfang unserer Studienzeit einige Monate zusammen gewesen. Doch dann haben wir uns wieder getrennt." "Ja, weil du nebenher noch fünf weiter Studentinnen beglücken musstest." Mir blieb bei dieser Anschuldigung fast der Atem wag, aber Desdemona schien Orion gar keinen Vorwurf zu machen, sondern lächelt ihn immer noch verliebt an. "Tja, das kann ich wohl nicht abstreiten", Orion kratzte sich verlegen am Kopf. "Auf alle Fälle haben wir uns nach unserem Studium wieder getroffen und was soll ich sagen, ich fand Mona noch viel umwerfender als früher".

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"Wir hätten dich gerne zur Hochzeit eingeladen, Oxana", versicherte mir Desdemona, "genauso, wie ich Mama gerne dabei gehabt hätte, aber es passieret alles einfach ganz spontan." "Ja, ich war geschäftlich in SimVegas und Mona besuchte dort eine alte Freundin, also trafen wir uns auf einen Kaffee. Und dann schlenderten wir an einer Hochzeitskapelle vorbei und da machte ich ihr einfach einen Heiratsantrag." "Zum Glück hatte ich ein Kleid an, das sich halbwegs sehen ließ", lachte Desdemona "Und Orion sah in seinem Geschäftsoutfit ohnehin zum Anbeißen aus."

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"Das ist wirklich romantisch", seufzte ich tief berührt. "Ihr müsst mir unbedingt ein paar Fotos zeige oder gibt es etwa keine?" "Doch die gibt es", entgegnete Orion. "Und die haben wir nur dem Zufall zu verdanken, dass Joanna mich auf meiner Geschäftsreise begleitet hatte. So mussten wir auch nicht ganz ohne Familie heiraten." Ein bisschen schmerzte es mich, dass ausgerechnet Joanna bei der Hochzeit meines kleinen Bruders dabei war, während ich sie verpasst hatte. Aber ich schob dieses Gefühl beiseite. Im Moment wollte ich mich nur für meinen Bruder freuen.

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Während Desdemona in die Küche ging, um Kaffee zu meinem mitgebrachten Gebäck zu kochen, führte Orion mich im Haus herum. Im zweiten Stock waren wir ungestört und plötzlich wurde mein Bruder ernst. "Du redest also immer noch nicht mit Joanna?", fragte er mich. "Ich wüsste nicht, was ich ihr zu sagen hätte", antwortet ich harsch. "Ich kann ihr einfach nicht verzeihen, was sie mir angetan hat" "Du beziehst dich auf deine Entführung in Samara, stimmt’s?"

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"Du weiß davon?", fragte ich überrascht. Orion nickte stumm. "Ich weiß nicht alles, nur so viel, dass Joanna dich um einen Gefallen gebeten hat und anschließend alles furchtbar schief gelaufen ist. Sie redet nicht gerne darüber. Aber ich nehme an, du wolltest eher wissen, ob ich weiß, was unsere Schwester so treibt. Ja, das weiß ich, denn ich arbeite ebenfalls für sie." Entsetzt blickte ich meinen kleinen Bruder an. "Du musst dir keine Sorgen machen, Oxana. Sie hat mich zu nichts gezwungen. Ich weiß, dass du über die Art ihrer Geschäft bescheid weißt und auch wenn ich auch nicht unbedingt jede ihrer Entscheidungen unterstütze, bin ich überzeugt, dass sie einen größeren Plan im Hinterkopf hat, den sie umzusetzen versucht. Sie ist kein schlechter Mensch, Oxana. Sie glaubt an etwas und sieht in ihren Taten den richtigen Weg, um dieses höher Ziel zu erreichen."

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Ich hörte meinem Bruder zwar zu, aber meine Körpersprache verriet deutlich, dass ich seine Meinung nicht unbedingt teilte. Das erkannte auch Orion. "Joanna hat mir versichert, dass sie dich in Zukunft nicht mehr mit ihren Geschäften behelligen wird. Was damals in Samara passiert ist, tut ihr wirklich leid. Das hat sie mir zwar nicht gesagt, aber ich kenne unsere Schwester gut genug um zu erkennen, wie sehr sie der Vorfall belastet hat. Überleg dir wenigstens, ob du ihr nicht noch eine Chance geben willst." Ich blickte Orion immer noch skeptisch an und enthielt mich jeder Antwort. Orion akzeptierte dies.

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Dann fuhr er fort. "Mona weiß nicht, was ich wirklich für Joanna mache. Und dabei möchte ich es auch vorerst belassen. Ich liebe sie, aber mit der Wahrheit würde ich sie nur unnötig in Gefahr bringen und ich will auch nicht, dass sie sich sorgen um mich macht. Unsere Schwester will, dass ich ihren Machtbereich in die Sierra Simlone hinein ausweite. Mein Entschluss mit Mona her zu ziehen kam ihr da sehr gelegen. Ich erzähle dir das alles, weil ich finde, dass du das Recht hast zu wissen, was los ist. Joanna spricht immer gerne von unserem "Familienunternehmen" und du gehörst auch zur Familie, Oxana. Unabhängig, wie du zu alldem stehst, verdienst du es einfach, informiert zu sein." Ich wusste nicht, was ich erwidern sollte. Meine Schwester war für mich seit Jahren eine gewissenlose Kriminelle. Doch die Worte meines Bruders brachten dieses Bild von ihr ins Wanken. Ich brauchte einfach Zeit, um diese Neuigkeiten sacken zu lassen.

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Schweigend kamen wir die Treppe hinunter und setzten uns an den Küchentisch, wo Desdemona bereits mit dem Kaffe und dem Gebäck auf uns wartet. "Hey, ist etwas zwischen euch da oben vorgefallen? Ihr macht ja ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter", fragte sie scherzend, ohne zu ahnen, wie sehr sie ins Schwarze getroffen hatte. Ich blickte meinen Bruder an und sah ihn plötzlich mit ganz anderen Augen. Wie konnte er sich nur an den kriminellen Aktivitäten meiner Schwester beteiligen? Wie konnte er bloß seine Ehefrau so sehr anlügen? Ich war kurz davor, Desdemona die Wahrheit zu sagen, aber als ich Orions flehenden Blick sah, konnte ich es einfach nicht. "Nein, es ist alles in Ordnung", log ich deshalb und setzte eine fröhliche Mine auf.

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Und im gleichen Moment wurde mir bewusst, dass ich schon zu viele Mitglieder meiner Familie verloren hatte. Paps war gestorben, ohne dass ich mich von ihm verabschieden konnte, weil ich zu stolz war, Dad zu verzeihen. Selbst als Dad mir seine Hand reichte, schlug ich sie zurück und konnte mich auch nicht mit ihm aussprechen, bevor er bei dem Untergang seiner Yacht ums Leben kam. Mit meiner eigenen Zwillingsschwester wechselte ich seit Jahren kaum ein Wort mehr und wenn ich mich nicht vorsah, dann würde ich auch Orion verlieren. Nein, ich konnte nicht gutheißen, was er und meine Schwester taten, aber Orion hatte mich bis zu diesem Tag noch nie enttäuscht. Ich musste einfach vertrauen, dass er das Richtige für sich tat. Und deshalb war es nicht länger gestellt, als ich ihn anlächelte und ihm zu seinem neuen Leben in der Sierra Simlone beglückwünschte.​



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Vielleicht war es auch an der Zeit, meiner Zwillingsschwester zu verzeihen? Es war ein Gedanke, dem ich zumindest weiter nachgehen musst, aber ich merkte selbst, wie schwer es mir fiel an Joanna zu denken, ohne mir in Erinnerung zu rufen, wie sie mich erpresst und in Lebensgefahr gebracht hatte. Dafür bot sich bei mir Zuhause ein wahres Bild des Friedens. Beim Frühstück saßen alle gemeinsam, ohne das Kinga mir Vorwürfe machte und mich anfeindete. Stattdessen führte sie ein für ihre Verhältnisse sehr freundliches Gespräch mit Kasimir.

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Alle waren überrascht davon, dass mein Bruder Desdemona geheiratet hatte und nun im Haus gegenüber wohnte. Allerdings bewirkte die Erwähnung ihrer Halbschwester, dass sich Kingas gute Laune abrupt verschlechterte. Dafür war Klaudia ziemlich aufgeregt. Wenn da nicht dieser furchtbare Ganzkörpersonnenbrand gewesen wäre, hätte man auch sehen können, wie ihre Wangen rot zu glühen begannen.

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"Wir sollten Onkel Orion und Tante Desdemona zu einer kleinen Feier einladen", schlug Klaudia deshalb auch sofort vor. Ich hielt das für keine schlechte Idee. Vielleicht konnte ich auch gleich noch Gerda, Hans und Mika, Miranda und ihren Mann Frank und Elvira einladen. Schlagartig wurde mir klar, dass diese Feier dann gar nicht mehr so klein ausfallen würde. "Was haltet ihr denn von diesem Samstag?", fragte ich in die Runde. Kasimir und Tristan verzogen gleichzeitig das Gesicht. "Das kannst du gerne machen, Perle, aber dann musst du auf die Anwesenheit von mir und deinem werten Mitbewohner verzichten. Wir brechen doch übermorgen zu unseren Geschäftsreise nach Simrokko auf."​

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Das hatte ich tatsächlich vergessen. Gut, dann würden wir die Nachträgliche-Hochzeits-Nachbarschafts-Willkommensfeier für meinen Bruder verschieben müssen. "Wie lange werdet ihr den weg sein", fragte ich Kasimir, während ich den Tisch abräumte. "Etwa zwei Wochen", erklärte er. "Tristan soll der staatlichen Simrokkanischen Ölgesellschaft ein wenig dabei helfen, ihre Buchhaltung zu optimieren. Und ich werde rüber geschickt, um mir die Fortschritte beim Bau der neuen Ölraffinerie in Tarfaya anzusehen und zu versuchen, das Verfahren der Raffination noch zu optimieren. Aber du weist ja, dass die Araber nicht unbedingt viel von exakten Zeitplänen halten. Es kann also sein, dass sich die Reise noch um einige Tage verlängern wird."

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"Aber dass du mir ja nicht irgendwelchen arabischen Schönheiten hinterher schaust", ermahnte ich meinen Lebensgefährten scherzend. "Keine Angst, Perle", antworte Kasimir. "Die laufen da doch eh alle verhüllt rum. Außerdem hab ich doch dich heißen Feger im Haus. Ich wäre doch bekloppt, wenn ich das aufs Spiel setzten würde." Mit diesen Worten zog er mich ruckartig an sich heran und ich schmiegte mich an ihn. "Du könntest mir aber heute Abend eine exotische Massage verpassen", flüsterte er in mein Ohr, "dann komme ich in den kommenden Wochen sicher nicht ganz so schnell auf falsche Gedanken".​
 
Kapitel 128: Hilferuf aus Warschau

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Ich versprach meinem Lebensgefährten die gewünschte Massage. Kasimir rauchte auf der Veranda noch ein Zigarette während er auf seine Fahrgemeinschaft wartete und fuhr anschließend zur Arbeit. Tristan und die Kinder waren schon vor etwa einer halben Stunde ausgeflogen. Ich wollte mich gerade umziehen und zur Plantage fahren, als das Telefon klingelte. "Hallo, Oxana", meldete sich meine Tante Kasia aus Warschau, die ältere Schwester meines Paps, auf Polnisch. "Ich komme am besten gleich zur Sache. Mama geht es nicht gut." Ich zog die Luft scharf ein und blieb wie angewurzelt stehen. Der Klang von Tante Kasias Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass es wirklich ernst war.

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"Was fehlt babcia denn?", fragte ich besorgt. Ich hörte wie Tante Kasia schwer schluckte. "Du solltest am besten so schnell wie möglich nach Warschau kommen. Die Ärzte ... sie sagen das Mutter nicht mehr viel Zeit bleibt." Ich spürte wie sich in meinen Hals zuschnürte. "Sie hat eine seltene aggressive Form von Alzheimer. Es hat vor ein paar Monaten angefangen, dass sie Namen vergessen hat. Wir hatten uns nicht viel dabei gedacht, doch es wurde immer schlimmer. Schließlich habe ich sie zum Arzt gebracht."

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"Der hat Mutter dann zu einem Spezialisten überwiesen und dieser hat dann die Krankheit diagnostiziert. Wir haben es schon mit drei verschiedenen Medikamenten versucht, aber nichts scheint bei Mutter anzuschlagen." Nun begann Tante Kasia zu schluchzen. "Sie...sie erkennt nicht einmal mehr meine Kinder, Oxana. Und ohne meine Unterstützung kommt sie alleine nicht mehr zurecht. Sie ist einfach viel zu verwirrt. Und langsam macht ihr Körper auch nicht mehr mit. Der Arzt wollte keine definitive Prognose abgeben, aber er riet mir, mich auf das Schlimmste vorzubereiten."

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Als ich meine Tante so sprechen hörte, wäre ich am liebsten in Tränen ausgebrochen. Aber mir war klar, wie schwer es für sie sein musste und ich wollte sie nicht auch noch mit meinem eigenen Schmerz belasten, also riss ich mich zusammen. "Sie spricht immer wieder von dir, Oxana. Manchmal hat sie einige klare Moment und sie hat mich gebeten, dich zu benachrichtigen. Sie möchte dich noch ein letztes Mal sehen. Bitte tu ihr den Gefallen, Oxana." Da musste ich nicht zweimal überlegen. "Natürlich werde ich kommen. Ich bin so schnell wie möglich bei euch."

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Meine Großeltern hatten mich bei sich aufgenommen, als ich nicht wusste, wohin ich sonst gehen konnte. Da war es doch selbstverständlich, dass ich nun auch für meine Großmutter da sein würde. "Danke, Oxana", flüsterte Tante Kasia erleichtert. "Ich möchte dich aber noch um einen zweiten großen Gefallen bitten. Ich würde es nicht tun, wenn es nicht wirklich wichtig wäre. Mutter, sie...sie möchte auch Dominik wiedersehen." Diese Bitte zu Stellen, bereitete meiner Tante merklich Unbehagen.

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Und mir stockte dabei der Atem. "Bist du noch dran?", fragte Tante Kasia besorgt, als ich längere Zeit kein Lebenszeichen von mir gab. "Ja...ja ich bin noch dran. Es...deine Bitte hat mich nur überrascht, das ist alles." "Du hast es vielleicht nicht so bewusst mitbekommen, aber Mutter mochte Dominik wirklich sehr gerne. Deine Scheidung hat sie schwerer getroffen, als sie jemals zugegeben hätte. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob sie noch weiß, dass ihr nicht mehr verheiratet seid. Aber sie redet immer wieder von ihm, Oxana. Also, wenn es irgendwie möglich ist, dann bitte ihn, dich nach Warschau zu begleiten. Es würde Mutter so viel bedeuten." Ich versprach meiner Tante, Dominik wenigstens zu fragen. Aber bereits in diesem Moment hatte ich Angst vor der Reaktion meines Ex-Mannes.



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"Mami, warum guckst du denn so traurig?" Ich schaute von meiner Kaffeetasse hoch und blickte in das besorgte Gesicht meiner kleinen Tochter, die sich zu mir herunter beugte. Ich seufzte schwer und setzte ein müdes Lächeln auf. "Deiner Urgroßmutter geht es nicht gut. Ich muss sofort nach Warschau." Erklärte ich niedergeschlagen. Klaudia sah mich plötzlich mitgenommen an und setzte sich zu mir. "Was fehl ihr denn?", fragte sie.

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Ich erzählte ihr alles was ich wusste und Klaudia hörte betroffen zu. "Deshalb breche ich gleich morgen früh auf. Der Flug ist schon gebucht." "Kann ich nicht mit dir kommen?", fragte sie vorsichtig. Ich hätte sie wirklich gerne bei mir gehabt, aber das ging leider nicht. "Ich werde wahrscheinlich länger weg bleiben. Du kannst nicht so lange in der Schule fehlen, Spätzchen." Klaudia sah meine Bedenken ein und nickte stumm. "Aber mit wem bleiben Kinga und ich dann zuhause?", fragte sie und sah mich mit großen Augen an.

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Na Tristan und Kasimir natürlich, schoss es mir durch den Kopf. Bis mir bewusst wurde, dass die beiden ebenfalls morgen zu ihrer Geschäftsreise aufbrechen würden. Als Kasimir von der Arbeit kam, schilderte ich ihm kurz die Situation. "Kannst du deine Geschäftsreise nicht irgendwie verschieben. Es ist wirklich wichtig", flehte ich ihn an.

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Kasimir verstand zwar, wie wichtig mir der Besuch bei meiner Großmutter war, aber an seiner Geschäftsreise konnte, oder wollte, er nichts ändern. "Perle, der Termin steht seit Wochen fest. Die verlassen sich auf uns. Wie sieht das denn aus, wenn ich da einfach von heute auf morgen absage? Außerdem sind die beiden Mädchen doch keine kleinen Kinder mehr. King ist volljährig und Klaudia ist auch schon zwölf. Ich denke, wir können die beiden ruhig für zwei Wochen allein zuhause lassen."

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"Ja, das könnt ihr!", schrei Klaudia einfach dazwischen. Bei Kasimirs anerkennenden Worten, die sie zu einer halben Erwachsenen und keinem kleinen Kind mehr machten, schwoll ihre Brust regelrecht an. Ich war noch immer nicht überzeugt, doch Kasimir redete weiter auf mich ein. "Wir leben hier zwar in der Wüste, aber doch nicht in der Einöde. Dein Bruder wohnt gleich gegenüber, Klaudias Großeltern hundert Meter weiter und deine knochige Freundin Gerda ist auch in fünf Minuten hier. Die Mädchen sind also wohl behütet." Diesen Argumenten konnte ich nun wirklich nichts entgegen setzen. Also gut, dann würden die zwei alleine auf Grünspan bleiben. Wohl war mir bei dem Gedanken dennoch nicht.



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Die Kinder würden wohl ohne mich zurecht kommen, aber die Farm konnte ich unmöglich für zwei Wochen oder gar länger unbeaufsichtigt lassen. Zum Glück hatten wir gerade Februar. Die Saat war ausgebracht und die Zitrusbäume blühten. Es würde also nur wenig laufende Arbeit anfallen. Aber die Rinder würden Aufmerksamkeit verlangen. Vielleicht hätte ich diese Aufgabe auch Kinga anvertrauen können, aber mir war unwohl dabei, dass Leben meiner ganzen Herde in die Hände meiner Tochter zu legen, die in den letzten Monaten und Jahren keinen ausgeprägten Sinn für Verantwortung bewiesen hat. Also ging ich zu meinem Nachbarn Mr. Ogrud, dem eine kleine Farm am äußersten Rand von Sierra Simlone Stadt gehörte.

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"Guten Tag, Mr. Ogrud", begrüßte ich ihn. Der alte Mann drehte sich zu mir um und stellte die Gieskanne beiseite, mit der er gerade die Bohnenstauden bewässert hatte. "Guten Tag, Ma'am", grüßte er zurück, wischte sich seine Hand an der staubigen Hose ab und reichte mir diese dann. "Welcher Ehre verdanke ich denn diesen Besuch? Hübsche Damen verirren sich leider immer seltener auf meinen kleinen Hof."

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Bei einem gemeinsamen Bohnekaffee und einer Stulle Brot mit selbst gemachtem Schweineschmalz, erklärte ich Mr. Ogrud den Grund meines Besuchs. "Ich hoffe, Sie können nach den Rindern schauen. Wichtig ist, dass sie täglich Getränkt werden und das jemand schaut, ob sich nicht eines der Tiere verletzt hat. Die meisten der Kühe sind zwar trächtig, aber die erste Geburt in diesem Jahr steht erst für den April an. Was das angeht, müssen sie sich also keinen Kopf machen." Mr. Ogrud zeigte mir sein zahnloses Lächeln. "Ma'am, ich mach das schon einige Jährchen länger als sie. Ich weiß, worauf ich achten muss."

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"Außerdem passe ich nicht zum ersten Mal auf ihre Farm auf. Ich werde schon nach dem Rechten schauen." Ich atmete erleichtert auf. Mr. Ogrud hatte natürlich Recht. Er war schon längst Farmer in dieser unwirtlichen Gegend, als ich noch nicht einmal richtig laufen konnte. Ich konnte mich schon seit Jahren auf seine Hilfe verlassen. "Danke, Mr. Ogrud. Wenn Sie einverstanden sind, dann regeln wir die Bezahlung wie üblich. Ich bin wirklich froh, dass ich auf sie zählen kann." "Und ich bin froh, dass ich nicht allein Frühstücken musste. So haben wir beide gewonnen".



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Nach dem Frühstück am nächsten Morgen, versuchte ich nun zum sicher hundertsten Mal meinen Töchtern einzureden, dass sie sich benehmen sollte, während ich weg war. An Klaudias Gesichtsausdruck konnte ich erkennen, dass sie es allmählich überdrüssig war, alle fünf Minuten zu hören was sie tun sollte und auf keinen Fall tun durfte. "Mami, ich hab’s wirklich verstanden!", versicherte sie mir. Was Kinga dachte, konnte ich nicht wirklich einschätzen. Sie hatte insgesamt nur wenig Reaktion darüber gezeigt, dass sie alleine mit ihrer Schwester zuhause belieben würde. Allerdings grinste sie an diesem Morgen immerzu vor sich hin.

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"Pass gut auf deine kleine Schwester auf", forderte ich sie dennoch zum wiederholten Mal auf. King verdrehte ihre Augen, stand vom Esstisch auf und stellte ihren Teller in die Spüle. Anschließend schlurfte sie zu mir herüber. "Ich hab’s ja gecheckt, Mutter. Pass auf Giftzwerg auf, füttere Köter, bezahl die Rechnungen, lass keine Fremden ins Haus..." Kinga starrte zur Decke und zählte alle die Dinge auf, die ich ihr bereits gestern gesagt hatte"...und, ach, ja, keine wilden Partys. Ich muss also nur so spießig und langweilig sein wie du. Ich werd mir Mühe geben, aber versprechen kann ich nix."

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Mutlos ließ ich meine Schultern hängen. Wenn ich Kinga schon so reden hörte, dann wäre ich am liebsten zuhause geblieben. Aber ich musste einfach darauf hoffen, dass Kinga wenigstens ein klein wenig Verantwortungsgefühl zeigen würde und alles halbwegs glatt verlief. Weiter auf sie einzureden hätte ohnehin zu nichts geführt, dass hatte ich schließlich die letzten fünf Jahre probiert. "Wenn was sein sollte, ruf mich einfach sofort an", fügte ich deshalb seufzend hinzu. "Und ruf sofort deine Großeltern an." Zur Antwort rollte Kinga wieder nur genervt mit den Augen.

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Ich begleitete meine beiden Mädchen nur noch zum Bus, um mich endgültig zu verabschieden. "Grüß, Uroma ganz lieb von mir und drück sie ganz fest", bat mich Klaudia. "Ich hoffe, dass sie wieder gesund wird." Ich strich Klaudia dankbar über die Schultern, aber ich wusste, dass es für Hoffnung bereits zu spät war. Was das anging, machte ich mir keine Illusionen. "Also, Kleines, stell keine Dummheiten an und hör auf deine große Schwester...natürlich nur, wenn sie dir keinen Blödsinn aufträgt", fügte ich zur Sicherheit an. "Klar, Mami, mach ich." Ich gab meiner Kleinen einen dicken Kuss zum Abschied. Kinga dagegen hielt es nicht einmal für notwendig, sich von mir zu verabschieden und stieg in den Schulbus, ohne einmal zurück zu blicken.

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Kaum war der Bus davon gefahren, erfüllte ein furchtbarer Lärm den ansonsten so ruhigen Himmel über Sierra Simlone Stadt und ein Hubschrauber der Ölgesellschaft landete auf der Straße vor dem Haus. Tristan drückte mich zum Abschied, schnappte sich die Koffer und begann sie in den Hubschrauber zu verladen. "Ruf mich an, sobald ihr gelandet seid", bat ich meinen Lebensgefährten. "Klar doch, Perle. Und ich bring dir auf eine günstige Kamelsledertasche von einem Basar mit, versprochen." Kasimir drückte mir einen Kuss auf. In diesem Moment wollte ich ihn nicht gehen lassen und klammerte mich an ihm fest. Wenigstens für ein paar Sekunden mehr wollte ich seine Wärme spüren und die Duftmischung aus Zigarettenrauch und Rasierwasser einatmen, die ihm so eigen war. Doch viel zu schnell löste er sich von mir und stieg in den Hubschrauber.​
 
Kapitel 129: Allein zuhaus

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Also ich alleine im Haus war, packte ich meine restlichen Sachen zusammen, zog mich an und bestellte ein Taxi zum Flughafen. Da ich Angst hatte, womöglich den Flug zu verpassen, kam ich viel zu früh am International Airport von SimVegas an. Aber so hatte ich noch genügend Zeit, mein Gepäck aufzugeben ohne mich unnötig abhetzten zu müssen.

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Außerdem blieb mir noch genügend Zeit für einen starken Kaffee. Bis jetzt hatte ich den gesundheitlichen Zustand meiner Großmutter weitestgehend erfolgreich verdrängt, doch je näher ich ihr räumlich kam, desto schlimmer wurde die Angst. Ich hatte Angst, dass sie mich nicht erkennen würde und noch viel größere Angst hatte ich davor, sie für immer zu verlieren. Während ich gedankenverloren an dem schwarzen Gebräu nippte, welches ich mir nur mit Mühe an der überfüllten Bar erkämpft hatte, trat ein Mann vor mich. "Hallo, Brodlowska", erschrocken blickte ich auf und sah in Dominiks grüne Augen, die ich nun schon so lange nicht mehr gesehen hatte.

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Hastig senkte ich meinen Blick, stellte die Kaffeetasse beiseite und stand hektisch auf. "Dominik", stammelte ich sichtlich verwirrt, "schön, dass du gekommen bist." "Das war doch selbstverständlich, Brodlowska. Egal was zwischen uns beiden auch vorgefallen ist, ich konnte Stasia doch nicht ihren vielleicht letzten Wunsch abschlagen. Ich bin froh, dass du mich angerufen hast. Es tut mir nur so furchtbar leid um deine Großmutter." Ich war selbst überrascht, wie sehr mich Dominiks Auftauchen überrumpelt hatte, insbesondere, weil er fest zugesagt hatte, mich nach Warschau zu begleiten.

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Fünf Jahre waren wir nun geschieden und es war das erste Mal, dass ich richtig mit meinem Ex-Mann sprach. Wir hatten uns gegrüßt, wenn wir uns zufällig begegneten, uns gelegentlich höflich über das Wetter oder über die Arbeit unterhalten. Doch das geschah nur, damit wir uns in Klaudias Gegenwart nicht anschweigen mussten. Diesmal war es anders. Wir redeten auch über das Wetter, die Arbeit, aber auch über die Kinder, unsere früheren Freunde und zum Teil sogar über uns selbst. Innerhalb dieser drei Flugstunden nährten Dominik und ich uns wieder an und zum ersten Mal seit einer Ewigkeit hatte ich nicht mehr das Gefühl, dass sich eine unüberwindbare Kluft zwischen uns befand.



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Etwa zur gleichen Zeit stiegen meine beiden Töchter aus dem Schulbus. Kaum hatte Kinga den Bus verlassen, wurde sie von einer total aufgedrehten Klaudia überfallen. "Was machen wir denn jetzt Ki? Wollen wir zusammen Ball spielen? Oder gucken wir uns eine DVD an? Oh ja, lass uns eine DVD gucken. Und dazu machen wir uns noch Popkorn und wir können unsere Pyjamas anziehen!"

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"Oh ja, am besten schauen wir auch noch "Plötzlich Prinzessin", lackieren uns die Nägel und flechten uns gegenseitig die Haare", stimmte Kinga übertrieben heiter in Klaudias Begeisterung ein. "Und dann kichern wir den ganze Tag und zählen auf, welchen Jungen wir in der Schule gaaanz toll finden." Spätestens an dieser Stelle merkte Klaudia, dass sie gerade von ihrer großen Schwester veräppelt wurde.

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Schnell verschwand das aufgesetzte Grinsen von Kingas Gesicht und sie funkelte ihre Schwester aus zusammengekniffenen Augen an. "Nur damit wir uns von vorneherein richtig verstehen, Giftzwerg, ich will die nächsten Tagen weder etwas von dir hören noch sehen. Du solltest ja langsam gelernt haben, wie man das Töpfchen benutzt und den Kühlschrank findest du wohl alleine. Wenn du also nicht gerade in Flammen stehst, dann solltest du mich lieber in ruhe lassen. Und kümmere dich gefälligst um den blöden Köter. Ich hab keine Lust, dass der vor meinem Fenster krepiert und in der Mittagssonne vor sich hin gammelt. Haben wir uns verstanden?"

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Klaudia schaute ihre Schwester erschrocken aus weit aufgerissenen Augen an, nickte dann aber. "Schön", antwortet Kinga und lächelte plötzlich wieder wie ein Engel. "Ich bin dann hinten am Pool. Und du solltest inzwischen den Köter waschen. Der hat sich wohl wieder mal in Rinder-******* gewälzt." Klaudia beobachtet wortlos, wie ihre Schwester die Stufen zum Haus hinaufstieg. Sie kam sich gerade so furchtbar dumm vor. Wie hatte sie auch nur eine Sekunde glauben können, dass Kinga in den nächsten Tagen nett zu ihr sein würde, geschweige denn sich Zeit für sie nahm? So wie es aussah, sollte sie lieber die Tage zählen, bis irgendeiner der Erwachsenen wieder zuhause war, um Kinga wenigsten etwas Einhalt zu gebieten.

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Klaudia war dafür einfach nicht stark genug. Wenn sie ehrlich war, dann hatte sie Angst vor ihrer großen Schwester, auch wenn sie es nicht gerne zugab. Sie sah, dass selbst ich nicht mit Kinga fertig wurde, wie sollte sie dann erst ein Chance haben. Also entschied sie sich, dass es das Beste wäre, wenn sie einfach tat, was Kinga von ihr wollte. Es waren ja nur zwei Wochen, solange konnte sie nach Kingas Pfeife tanzen. Und sich um Goya zu kümmern war nun wirklich kein Drama. Das tat sie ohnehin gerne.

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Aber sie musste schon zugeben, dass es ziemlich eklig war, Goya zu baden, denn leider hatte Kinga mit ihrer Vermutung genau ins Schwarze getroffen. "Goya, du böser Hund", schimpfte Klaudia deshalb mit der Hündin, während sie versuchte, die eingetrockneten Reste des Kuhfladen aus Goyas Fell zu kratzen. "Du sollst doch nicht in den Kuhhaufen spielen. Mami hat dir das doch schon so oft gesagt. Gibt es nicht genug anderen Dreck, in dem du dich wälzen kannst?"

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Doch Goyas treuer Blick ließ ihr Herz sofort erweichen. "Schau mich nicht so an, Goya", flehte Klaudia sie an. "Du weiß ganz genau, dass ich dir so nicht böse sein kann." Wahrscheinlich war genau das Goyas Trick. Und mit ein wenig Seife und kräftigem Schrubben sah Goya bald wieder ganz ansehnlich aus. Klaudia hatte die Hoffnung, dass der Hund es wenigstens für die nächsten Tage schaffen würde, einen Bogen um frische Kuhfladen zu machen.

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Kinga genoss es sichtlich vom Pool aus zuzusehen, wie ihre kleine Schwester sich mit dem stinkenden Hund abmühte. Erst das Klingeln ihres Handys ließ sie vom Beckenrand aufstehen und sie nahm den eingehenden Anruf entgegen. "Hallo mein dunkler Ritter", säuselte sie zur Begrüßung in das Mobiltelefon. Es war ihr Freund Alexander, der sie anrief. "Und, ist deine Alte endlich weg?", fragte er neugierig. "Ja, für mindestens zwei Wochen. Ich wünschte, ihr Flugzeug würde vom Himmel stürzen, dann wäre ich sie endlich los." Beide begannen gleichzeitig fies zu lachen. "Ich komme dann heute Nacht bei dir vorbei", säuselte sie weiter, "also schmeiß deiner Omma wieder so eine Schlaftablette rein und sorge dafür, dass dein kleiner notgeiler Bruder nicht wieder spannt. Also bis heuet Abend dann."

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Kinga hielt es nicht einmal für nötig, Klaudia bescheid zu geben, dass sie über Nacht weg blieb. Klaudia wurde es richtig unheimlich, als sie plötzlich ganz alleine im Haus war. Draußen war es bereits dunkel und die Lampen im Haus schienen auf einmal seltsame Schatten zu werfen und überall knirschte und knackte es. Klaudia lief ein Schauer über den Rücken und das Abendessen wollte ihr nicht so wirklich schmecken. Immer wieder schaute sie sich ängstlich um. War da nicht gerade ein Schatten am Fenster gewesen? "Das bildest du dir alles nur ein", versuchte sie sich selbst einzureden. Ich war noch nicht einmal 24 Stunden fort und bereits jetzt wünschte Klaudia sich nichts sehnlicher, als sich an meine Brust schmiegen zu können.

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Sie war eben doch erst zwölf. Ja, sie wurde langsam erwachsen, aber sie war eben doch noch ein Kind. Und in diesem Moment hatte sie einfach Angst allein in einem menschenleeren Haus schlafen zu müssen. Also lief sie schnell nach draußen und holte Goya aus ihrer Hundehütte. Diese schaute meine Tochter lange Zeit misstrauisch an, bevor sie tatsächlich durch die Tür schritt, denn sie wusste nur all zu gut, dass sie nicht ins Haus durfte. Auch Klaudia wusste das, doch es war ihr egal. Mit Goya an ihrer Seite fühlte sie sich einfach viel sicherer. Anders hätte sie in dieser Nacht kein Auge zubekommen.
 
Huhu du,

deine Story ist weiterhin super geschrieben. Es bleibt immer wieder spannend in Oxanas Leben und die Zeitsprünge die du zwischenzeitlich machst lockern die Story noch zusätzlich auf. Man kann sich richtig gut in das Gefühlsleben von Oxana hineinversetzen.

Weiter so :D

Liebe Grüße
BlackEve
 
@BlackEve

Schön von dir zu lesen! Ich freuemich immer über jeden Kommentar, dne ich hier bekomme.
Ja, in Oxanas Leben wird es wirklich nicht langweilig.Wäre es anders, sollte ich die Story wol lieber beenden ;) Die Zeitsprünge sindnotwendig, um mehr Schwung in die geschichte zu bekommen. Ich meine, es ist nicht sehr realistisch, dass ständig irgendetwas abgefahrenes passiert. Aber alle Jahre mal wieder...Außerdem muss ich das sprunghafte Altern der Kinder ja erklären.

Liebe Grüße
Stev
 
Kapitel 130: Früher hat er nicht geschnarcht

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Unsere Landung in Warschau verzögerte sich aufgrund von starkem Schneefall um fast ein Stunde. Dominik und ich hatten uns zwar auf kühleres Wetter eingestellt, die Massen an Schnee überraschten uns dennoch. Eingepackt in unsere Wintermäntel machten wir uns auf dem Weg zur Wohnung meiner Tante. Als wir halb erfroren dort ankamen und klingelten, warf meine Tante sich mir erleichtert um den Hals. "Ich bin so froh, dass du gekommen bist, Oxana", begrüßte sie mich. "Und ich bin dir unendlich dankbar, dass du Dominik mitgebracht hast."

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Wir stellten unsere Koffer im Flur ab und Tante Kasia führte uns in die Küche, wo sie uns gleich etwas zu Essen servierte und türkischen Kaffee kochte. Ich konnte deutlich erkennen, wie sehr sie unter Spannung stand und ich erkannte in ihrem Gesicht viel Falten, die bei meinem letzten Besuch vor zwei Jahren nicht in ihrem Gesicht sichtbar gewesen waren. Da ich sie nicht unnötig aufregen wollte, wartete ich geduldig ab, bis sie sich zu uns gesetzt hatte und einen tiefen Schluck von ihrem Kaffee nahm. Dann konnte ich mich aber nicht länger warten. "Wie geht es babcia? Kann...kann ich sie sehen? Ist sie oben in ihrer Wohnung?" Dominik verstand zwar kein Wort von dem, was ich zu meiner Tante sagte, aber er ahne wohl, was ich gefragt hatte und sah meine Tante ebenfalls besorgt an.

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"Ja, Mama ist oben", erkläret Tante Kasia. "Sie schläft im Moment...oder zumindest hoffe ich, dass sie schläft. Ihr...ihr könnt gleich zu ihr hoch gehen. Aber ich möchte dich warnen, Oxana. Sie ist wirklich nicht mehr die Frau, die du noch bei deinem letzten Besuch gesehen hast, also sei auf das Schlimmste gefasst." Ich nickte stumm. "Vielleicht ist es besser, wenn du erst einmal alleine zu ihr hoch gehst. Zu viel Menschen machen Mutter gelegentlich Angst." Abermals nickte ich. "[FONT=Arial, Helvetica, sans-serif]Oxana und iech gechen hoch. Du bleiben chier, ja[/FONT]?", sagte sie zu Dominik gewand in gebrochenem Simlisch und auch er legte keinen Widerspruch ein.

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Mit dem Fahrstuhl fuhren wir in den neunen Stock des Plattenbaus, der nun bereits der dritten Zaskurski-Genertion ein Zuhause bot. Meine Großeltern haben ihr halbes Leben hier verbracht, mein Vater und seine Schwester waren hier aufgewachsen. Und auch ich hatte hier über ein Jahr lang gelebt und nun wohnten meine Nichten und Neffen in diesem Betonbau. Tante Kasia schloss die Tür zur Wohnung meiner Großmutter auf und wir traten ein. Ich musste unwillkürlich lächeln, denn es hatte sich immer noch nichts verändert. Es sah genau so aus, wie ich es von meinem letzten Besuch vor zwei Jahren in Erinnerung hatte und wie bei jedem Besuch davor und selbst zu der Zeit, als ich hier lebte. "Mamo, bist du wach", rief Tante Kasia in die Wohnung hinein. "Ich habe Besuch für dich."

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Dann hörten wir auch schon lautes Rufen aus dem Badezimmer. Als ich vorsichtig durch die Tür schaute, sah ich meine Großmutter. Nur in ihrem Nachthemd bekleidet und mit zerzauster Frisur stand sie in der Badewanne. "Mamo, was machst du denn da?", fragte Tante Kasia mit einer Mischung aus Besorgnis und Verärgerung in der Stimme. "Hier drin ist es viel zu kalt, du erkältest dich noch." "In diesem Boot ist kein Platz mehr", krächzte meine Großmutter. "Ihr müsst Euch ein anderes suchen um über die Weichsel zu kommen. Ich muss schnell hinüber, mein Piotr wartet schon auf mich."

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"Mamo, komm bitte aus der Wanne raus", forderte Tante Kasia sie auf und legte ihre Hand auf den Arm meiner Großmutter, um ihr hinaus zu helfen. Doch diese stieß sie zurück. "Lass mich in Ruhe, du heimtückisches Weib", giftet sie meine Tante an. "Du willst doch nur das Boot haben, damit du als erste bei meinem Piotr sein kannst. Aber er gehört mir. Du wirst mich nicht von ihm vernhalten." Ich war zutiefst entsetzt über die Szene, die sich gerade vor meinen Augen abspielte. Meine Großmutter erkannte nicht einmal ihre eigen Tochter. Es war wohl nicht das erste Mal, das so etwas geschah, denn Tante Kasia schien relativ gefasst.

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"Babciu, ich bin es, Oxana", machte ich mich zaghaft bemerkbar. Meine Großmutter hörte für einen Moment damit auf, ihr imaginäres Boot mit einem langen Stab über die Weichsel zu manövrieren. Neugierig schaute sie mich an und ein Lächeln zeichnete sich auf ihren faltigen Lippen ab. Sie erkannte mich! Sie erkannte mich wirklich. Meine Großmutter stieg aus der Badewanne und kam auf mich zu. "Du bist aber ein hübsches Kind", sagte sie. "Mein Piotr hat sicher einen schönen Freund für dich. Komm, komm zu mir ins Boot." Tränen schossen mir in die Augen, die ich kaum zurück halten konnte. Meine Oma lächelte immer noch, aber sie hatte nicht die geringste Ahnung, wer ich war. Plötzlich wurde sie ernster. "Kasia, ich bin müde", sprach sie meine Tante an. "Hilf mir bitte ins Bett. Aber binde das Boot gut fest. Ich werde es gleich morgen noch einmal probieren."

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Tante Kasia stützte meine Großmutter und führte sie ins Schlafzimmer. Erst jetzt erkannte ich, wie schwach meine Oma war. Ihre Beine zitterten und ich hatte Angst, dass sie jeden Moment hinfallen könnte. Meine Tante deckte meine Großmutter zu und diese schlief auch augenblicklich ein. "Ist sie etwa immer so?", fragte ich tief bestürzt über den Zustand der Mutter meines Paps. "Nicht immer", antwortet Tante Kasia, "aber ihre klaren Momente werden seltener. Wenn sie ausgeschlafen ist, dann geht es ihr meist besser. Sie wird dich noch erkennen, Oxana, da bin ich mir sicher."

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Ich saß einige Minuten am Bett meiner Großmutter und beobachtete, wie ihre Brust sich gleichmäßig bei jedem Atemzug hob und wieder senkte. Jetzt wo sie schlief, wäre niemand auf die Idee gekommen, dass es ihr nicht gut ginge. Als ich Schritte im Flur hörte, verließ ich das Schlafzimmer und sah, wie Dominik seinen und meine Koffer auf den Boden abstellte. Um meine Großmutter nicht zu wecken, ging ich mit ihm ins Wohnzimmer. "Und wie geht es ihr", fragte er betroffen. Ich lächelte trauurig und ließ den Kopf hängen. "Sie hat mich nicht einmal erkannt. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass es so schon so schlimm ist."

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Bevor Dominik etwas erwidern konnte, kam auch schon Tante Kasia mit einem Stapel Kissen und Decken in der Hand ins Wohnzimmer. "Danke, dass du hier oben bei Mama bleibst", sagte sie zu mir. "Ich will sie nur ungern allein lassen und wenn ihr ehrlich bin, dann bin ich froh, endlich wieder eine Nacht zusammen mit Kazik in einem Bett zu verbringen. Ich hab schon fast vergessen, wie mein Mann aussieht." Sie legte die Kissen neben die Couch und begann das Sofa für die Nacht vorzubereiten. "Ich hoffe, Dominik wird unter der Wolldecke nicht frieren", redete sie vor sich her. "Es tut mir leid, dass ich ihm nichts Bequemeres anbieten kann."

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Dann richtete sie sich schlagartig auf und blickte mich über die Schulter an. "Es ist doch in Ordnung, wenn ihr beiden hier in einem Zimmer schlaft." Unsicher sah sie abwechselnd mich und dann Dominik an und auch wenn Dominik wahrscheinlich nicht ganz verstand, worum es ging, versteifte er sich. "Wenn es euch lieber ist, dann kann er auch bei uns unten auf dem Sofa schlafen. Ich dachte nur, weil er kein Polnisch spricht und..." "Es wird schon gehen, Tante Kasia", unterbrach ich sie und blickte Dominik an. "Wir werden es wohl schon überleben, in einem Raum zu schlafen, nicht wahr, Dominik?"

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Dominik war damit einverstandener und meine Tante sichtlich erleichtert. Sie machte das Sofa zum Schlafen fertig, sah noch einmal nach meiner Großmutter und ging dann runter zu ihrem Mann und ihren Kindern. Dominik und ich aßen noch etwas, verstauten unsere Kleider im Schrank und unterhielten uns noch eine Weile. Schließlich verschwand Dominik im Badezimmer um sich für die Nacht fertig zu machen. Auch ich zog mich um und kniete mich vor meinem früheren Bett zum Beten nieder. Mein ganzes Gebet drehte sich fast ausschließlich um meine geliebte babcia. Als Dominik wieder kam, war ich immer noch in das Gebet vertieft und erst als er sich leise räusperte, bemerkte ich, dass ich nicht länger allein war.

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"Ich wollte dich nicht stören", entschuldigte er sich und eilte auf Zehnspitzen zu seinem Schlafplatz, wo er sich eilig unter die warme Wolldecke kuschelte. Auch ich schlüpfte unter meine Daunendecke. Irgendwie fühlte ich mich ein wenig seltsam dabei, dass mein Ex-Mann mich in meiner knappen Nachtwäsche sah. "Hast du die Kinder erreicht?", flüsterte er. "Ja", antwortete ich, "Klaudia sagt, es wäre alles in Ordnung." "Dann ist ja gut", murmelte Dominik und wenige Augenblicke später hörte ich ein leises Schnarchen aus seiner Richtung. Früher hat er nicht geschnarcht, schoss es mir durch den Kopf, doch ehe ich den Gedanken fortsetzen konnte, glitt auch ich in das Reich der Träume hinüber.​
 
Kapitel 131: Die unglaublichste Nacht

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Als der Wecker klingelte, schlug Klaudia widerwillig die Augen auf. Geschlafen hatte sie schon eine ganze Weile nicht mehr. Sie hatte die halbe Nacht wach gelegen, doch Kinga war nicht zurückgekommen. Klaudia stand auf und zog sich an. Irgendwie war sie froh, dass sie jetzt in die Schule musste, dann war sie nicht mehr länger allein. Als ich sie gestern anrief, hatte sie einfach behauptet, ihr würde es gut gehen und alles wäre in bester Ordnung. Sie wollte mich nicht noch zusätzlich belasten. Aber eigentlich war nichts in Ordnung. Sie fühlte sich einsam und allein gelassen und nur mit Mühe konnte sie die Tränen zurück halten, die bereits begannen ihre Wange hinunter zu kullern.

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Leider war die Schule viel zu früh wieder vorbei. Der Schulbus setzte Klaudia vor der Simlane ab und wieder war sie alleine. Zum ersten Mal wurde ihr schmerzlich bewusst, dass sie gar keine wirklichen Freunde hatte. Bis jetzt war das auch irgendwie egal gewesen. Sie hatte es nie sonderlich vermisst, sich außerhalb der Schule mit irgendwelchen Kindern zu treffen. Die gemeinsamen Schulpausen und gelegentlichen Besuche im Freibad oder Kino hatten ihr immer genügt. Nun wünschte sie sich jemanden, aber weil es einfach niemanden gab, musste sie sich mit der Gesellschaft der Ameisen in ihrem Formicarium zufrieden geben. Einige Stunden nach Schulschluss tauchte auch Kinga auf. Doch anstatt einer freundlichen Begrüßung, ging sie gleich wieder auf ihre Schwester los. "Hast du dir schon mal den Saustall im Badezimmer angesehen, Giftzwerg?", fauchte sie sie an. "Los mach das sofort sauber, aber flott!"

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In diesem Moment fühlte sich Klaudia wie Aschenputtel. Wäre es nicht so traurig, dann hätte sie diese Vorstellung vielleicht sogar lustig gefunden. Und Kinga war die böse Stiefmutter und beide bösen Stiefschwestern in einer Person. Dennoch wagte Klaudia es nicht, ihrer Schwester zu widersprechen und machte sich an die Arbeit. Warum war Kinga bloß so gemein? Es wollte einfach nicht in ihren Kopf.

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Das war eine Frage, die höchstens Kinga selbst beantworten konnte. Aber ich vermutete fast, dass sie den Grund für ihre Wut auf ihre kleine Schwester, auf die halbe Stadt und sogar auf mich gar nicht mehr kannte. Im Laufe der Zeit hatte sie sich einfach daran gewöhnt, gemein und wütend zu sein und jetzt wusste sie nicht mehr, wie sie damit aufhören sollte, selbst wenn sie es gewollt hätte. Und aus ihrer Sicht ging es ihr ja auch nicht schlecht. Endlich konnte sie tun und lassen, was sie wollte und im Gegensatz zu ihrer Schwester hatte sie auch Freunde, die mit ihr auf einer Wellenlänge lagen, auch wenn es nicht die Wellenlänge ihrer meisten Mitmenschen war. "Kommt dann einfach zu mir", lud sie spontan ihre Clique ein. "Ich besorge gleich den Alk und ihr bringt die Wasserpfeife mit."

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Ein Blick von Kinga genügte um Klaudia eindeutig zu versichern, dass sie an diesem Abend ihr Zimmer nicht verlassen sollte. Diese Warnung war aber eigentlich überflüssig, denn Klaudia fürchtete sich vor Kingas schwarz gekleideten Freunden seit dem Tag, als sie ihr Puppenhaus mutwillig zerstörten. Kurz nach Sonnenuntergang fuhr ein Auto in die Einfahrt und Hannes Bertino kramte eine große Wasserpfeife aus dem Kofferraum. Mit einem Glas in der Hand zwinkerte Kinga ihm zu Begrüßung zu. "Geil, dass du das Ding mitgebracht hast." "Joh, no Prob, Ki. Das wird ne entgeile Party."

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Kurz darauf hupte das nächste Auto und der Rest von Kingas Clique trudelte ein. Sie begrüßte alle kurz mit einem Kopfnicken und warf sich dann ihrem Freund in die Arme, der im schwarzen Ledermantel durch das Gartentor spazierte. "Man suchte euch doch ein Zimmer", stöhnte Marlon, als er mit ansehen musste, wie Alex und Kinga sie ihre Zungen gegenseitig in den Hals steckten. "Das haben die beiden schon gestern", erwiderte Farina, Alex’ platinblonde Schwester "Und das was du jetzt siehst, ist harmlos im Vergleich zu dem, was die beiden gestern getrieben habe. Macht nächstes Mal wenigstens Musik an, damit ich nicht jedes Stöhnen mit anhören muss!" "Du bist doch nur neidisch, weil du es dir selbst machen musstest", warf Kinga schnippisch zurück und beide Freundinnen grinsten sich an.

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"Und, hast du mir was mitgebracht?", schnurrte Kinga und strich Alex über die leicht kratzige Wange, als die beiden nicht länger im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit standen. "Ich hab's dir doch versprochen, meine schwarze Priesterin." Kinga biss sich aufgeregt auf die Unterlippe. Zum einen liebte sie es, wenn Alex ihr solche Kosenamen gab, zum anderen war sie begierig darauf zu erfahren, was er mitgebracht hatte. Aus seinem Mantel holte er eine kleine Tüte und hielt sie hoch. "Bestes Gras", grinste er. "Ingolf sagt, er raucht es selbst, also wird’s voll reinhauen."

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Dann holte er noch ein zweites, kleineres Tütchen mit feinen weißen Crystal Meth Kristallen hervor, das er aber bewusst vor den anderen verborgen hielt. Kinga sah ihn mit großen, neugierigen Augen an. "Das ist nur für uns zwei, meine schwarze Priesterin. Wenn die anderen verschwunden sind, dann können wir uns 'Tina' in die Nase ziehen. Vertrau mir, solch geilen Sex wie mit dem Zeug hast du noch nie zuvor gehabt." Kinga lief ein lustvoller Schauer über den Rücken. Am liebsten hätte sie ihre Freunde gleich hier und jetzt nach Hause geschickt und sich ganz ihrem dunklen Ritter hingegeben.

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Aber dann hätte sie einiges verpasst. Sie hatten schon öfter Gras unter den Pfeifentabak gemischt. Das Gefühl dabei war...man musste es einfach selbst erleben. Nur ein paar Züge und der Körper wurde leicht, die Farben wurden heller, alles um einen herum schien zum Leben zu erwachen und es war, als ob der Körper vom Boden abhob und man frei durch die Lüfte fliegen konnte.

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Kinga genoss es sich in diese Welt fallen zu lassen. Alles um einen herum wurde plötzlich unwichtig. Es gab keine Mutter mehr, die einem den Vater wegnahm. Es gab keine Schwester mehr, die all die Liebe bekommen hatte, die einem selbst nicht vergönnt war. Es gab nur noch sie selbst und das Gefühl der Freiheit.

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Kinga verlor jedes Gefühl für die Zeit. Sekunden kamen ihr wie Stunden vor und im nächsten Augenblick war eine Stunde mit einem Augenschlag verflogen. Und sie hatte so furchtbaren Hunger. Am liebsten hätte sie jetzt eine...eine Eisbein gegessen. Doch schon auf dem Weg zur Küche wurde sie von einer vorbei fliegenden Motte abgelenkt, die im Schein der verblassenden Glut des Lagerfeuers wie ein Sternschnuppe glühte, bevor die Hitze sie vollkommen verzehrte.

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Sie wusste auch nicht mehr, wann sie die anderen am Pool zurückgelassen und sich mit Alex in ihr Zimmer verzogen hatte. Aber es war ihr auch egal, was die anderen trieben. Alex streute das Crystal Meth auf seinen Handrücken und hielt es unter Kingas Nase, die es entschließend mit einem tiefen Zug einatmete. Wenn Kinga bis jetzt dachte, Wasserpfeife mit Hasch zu rauchen wäre geil, dann wurde sie eines besseren belehrt. Ihr ganzer Körper fühlte sich wie elektrisiert an. Jede Berührung von Alex war wie ein kleiner Stromschlag, der ihren Körper durchfuhr, jede seiner Berührungen ließ sie fast wahnsinnig werden.

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Sie wusste auch nicht, wann sie ihr Bewusstsein verlor. Nicht einmal, ob sie eingeschlafen war oder vor Ekstase in Ohnmacht fiel. Sie wusste nur eins, die letzte Nacht war die unglaublichste Nacht ihres ganzen bisherigen Lebens gewesen.

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Tja, Klaudia hätte ihr genau sagen können, wann Kinga endlich zur Ruhe kam. Erst konnte sie wegen der Musik von draußen kein Augen zu bekommen. Aber damit hatte sie gerechnet. Die Geräusche aus Kingas Zimmer versetzten sie dagegen in Panik. Das Schreien und Stöhnen von Kinga und Alex könnte sie mit ihren noch nicht einmal 13 Jahren kaum richtig zuordnen. Sie hatte eine grobe Ahnung davon, was im Zimmer ihrer Schwester passierte, allerdings passten die Geräusche nicht in das Bild von Liebe zwischen Mann und Frau, dass sie sich bis jetzt aufgebaut hatte. Mit jeder Minute die verstrich, betete sie, dass es endlich aufhören würde und als dann tatsächlich die Stille über die Simlane brach, lief sie noch Minutenlang wie ein nervöser Tiger im beengten Käfig auf und ab.​
 
Wirklich Respekt, die Fotostory ist wirklich richtig gut.
Sie zeigt die Schatten Seiten und das was gerade mit Kinga passiert ist wirklich schockierend.
Ich hoffe wirklich sehr das sich das wieder einspielt.

Nochmal, wirklich seeehr gut!!
 
Hallo Sariiix!

Ich freue mich sehr über deinen Kommentar :) Und vielen Dank für dein Lob. In der Geschichte steckt sehr viel Arbeit, also freut es ich, dass sie dir gefällt. Ja, in meiner Geschichte müssen die Charaktere viele Schicksalsschläge erleiden. Und Kinga hat sich von ihren Schicksalsschlag, nämlich zu erfahren, dass Dominik nicht ihr Vater ist, niemals erholt. Und nun rutscht sie immer weiter ab. Das schlimme ist, dass sie nicht bemerkt, dass sie alle Menschen um sich herum verletzt. Und sie merkt auch nicht, dass sie auch sich selbst langsam immer weiter kaputt macht. Und mit jedem Tag der verstreicht, überschreitet sie die Grenze einen Schritt weiter und es wird immer schwieriger, sie in ihrem freien Fall zu stoppen.

Ich hoffe du meldest dich noch öfter zu Wort. Es würde mich freuen.
 
Kapitel 132: Wie verwandelt

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Als ich aufwachte, stieg der Geruch von frischen Pfannkuchen in meine Nase. Verschlafen strich ich mir die Locken aus meinem Gesicht und tapste in die Küche, aus der ich leises Geschirrklappern vernahm. Dominik stand mit einer Pfanne in der Hand am Herd. Ein Pfannkuchen lag bereits auf dem Teller und auch der Kaffee stand schon auf dem Tisch. "Setz dich", forderte er mich auf. "Ich hab nach Stasia gesehen. Sie schläft noch, also können wir in Ruhe frühstücken." Dankbar setzte ich mich zu meinem Ex-Mann an den Tisch. "Ich hab gehört, du hast noch mal 8 ha Land gekauft? Bald gehört dir ja die halbe Sierra." Mit diesen Worten setzte Dominik nahtlos die gute Unterhaltung fort, die wir auch schon Im Flugzeug und am gestrigen Abend begonnen hatten.

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Ich hatte ein wenig Angst, weil meine Großmutter so lange nicht aufwachte, aber Dominik beruhigte mich wieder und versicherte mir, dass es ihr gut ginge. Der Morgen zog sich dahin und am frühen Vormittag saßen Dominik und ich im Wohnzimmer und tranken bestimmt die vierte Tasse Kaffee, als plötzlich meine Großmutter im Türrahmen stehen blieb und Dominik aufmerksam betrachtete.

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Dann kam sie plötzlich auf ihn zugestolpert. Dominik bemerkte sie erst in diesem Moment und sprang vom Sessel hoch, irritiert über das Verhalten meiner Großmutter. Kam hatte sie ihn erreicht, riss sie ihre Arme hoch und drückte Dominik fest an sich. "Warum hat mir niemand gesagt, dass mein geliebter Sohn gekommen ist? Ach Darek, ich hab dich ja so vermisst. Warum hast du mich so lange nicht besucht?", redete sie auf Dominik ein, während sie sein Gesicht mit Küssen übersäte.

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Dominik sah hilflos zu mir hinüber, unsicher darüber, wie er sich jetzt verhalten sollte. "Sie hält dich für meinen Vater", erklärte ich ihm selbst erschrocken und kam vorsichtig auf meine Großmutter zu. "Babciu, dieser Mann ist nicht Darek. Das ist Dominik, mein früherer Mann. Erkennst du ihn denn nicht?" Meine Großmutter musterte mich prüfend. "Was redet diese Frau für einen Unsinn, Darek", sagte sie dann wieder zu Dominik. "Als ob ich meinen eigenen Sohn nicht erkennen würde. Sag der Verrückten, sie soll gehen. Ich mach dir inzwischen etwas zu Essen. Königsberger Klopse, die magst du doch am liebsten. Du bist sicher hungrig von der langen Reise."

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Meine Oma streichelte liebevoll Dominiks Wange und ging dann in die Küche, wo sie eifrig damit begann, Töpfe aus den Schränken zu hohlen. Dominik blickte unsicher zwischen ihr und mir hin und her. "Brodlowska, alles in Ordnung bei dir?", fragte er schließlich rücksichtsvoll. Ich drückte mir die Hand vor den Mund und drehte mich zum Fenster, bemüht, nicht in Tränen auszubrechen. Zwar starrte ich die verschneite Landschaft dort draußen an, doch im Grund sah ich davon nichts. Meine eigene Großmutter hatte mich gerade eine Verrückte genannt. Mir war klar, dass sie nicht wusste, was sie da sagte, aber deswegen trafen mich ihre Worte nicht weniger hart. "Ja, es geht schon", antwortete ich ihm dennoch. "Geh lieber zu ihr. Ich will nicht, dass sie alleine ist."

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Dominik war verunsichert. Er sträubte sich dagegen, mich so verwirrt allein zu lassen, aber er sah auch ein, dass meine Großmutter in diesem Moment mehr Aufmerksamkeit brauchte. Als er in die Küche kam, brodelte in dem Kochtopf bereits das heiße Wasser und Stasia war damit beschäftigt, klein gehacktes Gemüse hinein zu werfen. "Du hättest ruhig ankündigen können, dass du kommst, Darek", warf sie ihm vor, ohne ihm deswegen auch nur ein kleines bisschen böse zu sein. "Dann hätte ich auch richtig einkaufen können. Ich habe extra Lebensmittelrationskarten gesammelt, falls einmal Besuch kommen sollte. Dein Vater schimpft deswegen immer auf mich, aber man muss doch für den Notfall gerüstet sein." Dominik verstand zwar nur einen Bruchteil der Worte, trotzdem lächelte er freundlich und hörte ihr einfach zu. "Sehr gut Geruch", sagte er immer wieder und meine Großmutter plapperte ununterbrochen vor sich her.

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Auch wenn sie nicht mehr wusste, wer Dominik oder wer ich war, so konnte meine Großmutter doch nach wie vor kochen. Die Königsberger Klopse waren so gut, wie ich sie immer in Erinnerung hatte. Und auch wenn sie von mir nicht einmal Notiz zu nehmen schien, so duldete meine Großmutter mich dennoch an ihrer Seite. Nach dem Essen half ich ihr sich zu waschen und sich anzuziehen und auch diese Hilfe nahm sie kommentarlos hin. Aber man sah ihr an, wie sie mit jeder Minute auf den Beinen schwächer wurde. Als sie angezogen war, musste sie sich am Kleiderschrank festhalten, um nicht umzufallen. Es zerbrach mir das Herz, sie so sehen zu müssen.

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Und ich hoffte immer wieder, dass sie mich doch noch erkennen würde. Aber sie war weiterhin der festen Meinung, dass Dominik mein verstorbener Vater war und sie schein glücklich mit dieser Vorstellung zu sein. Auf eine seltsame Weise machte mich das auch glücklich oder zumindest weniger traurig. Den ganzen Nachmittag saß sie mit meinem Ex-Mann auf dem Sofa und erzählte ihm Geschichten. Es störte sie auch nicht, dass ich dabei saß und Dominik alles übersetzte. Sie ließ mir sogar genügend Zeit um ihm alles zu erklären. Und auf diese Weise erfuhr selbst ich Dinge über meinen verstorbenen Vater und auch meinen Großvater, die ich nicht gewusst hatte.

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"Und du liebst diesen Arek wirklich?", fragte sie zerknirscht. "Ja, er ist ein hübscher junger Mann, aber Dereklein, findest du nicht auch Frauen schön? Was ist den mit der Mutter deiner beiden Tochter? Virginia ist so ein nettes Mädchen. Ich kenne sie nur von den Fotos, die du mir gezeigt hast, aber sie sieht sehr hübsch aus und du verstehst dich doch so gut mit ihr. Und wenn sie erst einmal zu ihrer Mutterrolle gefunden hat, dann wird sie auch über ihre blauen Haare nachdenken, da bin ich mir sicher. Und deinen Vater würde es so glücklich machen, wenn du eine Frau mit nach Hause brächtest. Er würde dir dann die Dummheit mit diesem Arek sicher verzeihen. Er liebt dich doch, mein Junge, und will nur dein Bestes."

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"Und schau dir doch Virginia an. Wie hübsch sie ist." Es dauerte eine Weile, bis ich merkte, dass meine Großmutter auf mich zeigte. "Sieh wie rosig ihre Wangen durch die Schwangerschaft geworden sind und mit den Locken sieht sie aus wie ein Engel. Deine natürliche Haarfarbe steht dir sehr viel besser als das Blau", betönte sie noch einmal direkt an mich gewand. Dominik sah mich verlegen an und ich glaubte mir einzubilden, dass seine Wangen sich leicht röteten. Meine Großmutter schein es auch zu bemerken, denn sie tätschelte zufriednen seinen rechten Oberarm. "Ich wusste, dass sie dir gefällt, Darek. Glaub mir, du wirst mit ihr viel glücklicher als mit diesem Arek. Dein Vater wird sich so freuen."

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Für den gesamten Tag blieb meine Großmutter erstaunlich klar in dieser einen Vorstellung gefangen. Dominik war mein Vater Darek und ich...ich war entweder unsichtbar oder meine eigene Mutter Virginia. Meine Großmutter redete so lange, bis sie irgendwann auf der Couch einnickte. Dominik brachte sie ins Bett und kam dann zu mir auf den Balkon, wo ich gedankenverloren in den eisigen Nachthimmel blickte. "Ich wusste nicht, dass dein Großvater ein solches Problem mit der Homosexualität deines Vaters hatte", sagte er. "Ich auch nicht", gestand ich ihm. "Paps hat nie auch nur ein Wort erwähnt. Und er und dziadek schienen sich immer gut zu verstehen." "Vielleicht hat er es mit der Zeit akzeptieret?", vermutete Dominik. Ja, vielleicht war es so. Es war nur Schade, dass meine Großmutter mir die Frage wahrscheinlich nie würde beantworten können.



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Als Klaudia aufwachte, war es bereits kurz vor acht. Der Schulbus würde in wenigen Minuten vor dem Haus stehen. Warum hatte sie bloß den Wecker nicht gestellt? Aber wenn sie an die gestrige Nacht dachte, war sie froh, dass sie überhaupt eingeschlafen war. Auch Kinga schien noch zu schlafen. Behutsam klopfte sie an deren Tür und lugte dann in das Zimmer ihrer Schwester. "Ki? Ki", flüstert sie, "wir müssen gleich zur Schule." Sie hörte ein Grummeln aus der Ecke, in der Kingas Bett stand, traute sich aber nicht, das Zimmer ganz zu betreten, aus Angst, dass Alex noch da sein könnte. "Hau ab, Giftzwerg, und lass mich schlafen", gab Kinga schließlich von sich. "Ich hab heute keinen Bock auf Schule."

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Klaudia zog sich an, aß schnell einen Joghurt zum Frühstück und lief dann zum Schulbus. Viel zu schnell vergingen die Schulstunden und sie musste wieder nach Hause zurück. Mit den Hausaufgaben in der Hand ging sie mit ungutem Gefühl auf die Veranda zu und war sich nicht sicher, wovor sie mehr Angst hatte, wieder einmal alleine im leeren Haus zu sein oder Kinga und ihre Freunde doch dort vorzufinden.

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Doch sie war allein. Kinga muss entweder doch noch zur Schule gegangen sein oder sie hing wieder einmal irgendwo mit ihrer Clique rum und hörte Musik, die ich selbst nur mit dem polnischen Ausdruck "Gezeter und Draht" betitelte. Klaudia war sich recht sicher, dass die zweite Option deutlich wahrscheinlicher zutraf. Schon am Morgen waren einige Wolken vom Meer heran gezogen und jetzt am Nachmittag entließen sie ihre nasse Fracht über den aufgewärmten Böden der Sierra Simlone. Und auch Klaudia wurde nass, aber sie hielt es für besser, in den Regen zu gehen und Goyas Hundehütte zu säubern noch bevor Kinga sie anschreien konnte, warum sie das noch nicht gemacht hat. Durchnässt bis auf die Knochen, waren ihre Hosen voller Schlamm und sie stank wie ein aufgeplatzter Mistkäfer. Aber es war immer noch besser, als sie Kingas Launen auszusetzen.

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Und dann machte sie sich daran, das Chaos zu beseitigen, was Kinga mit ihren unheimlichen Freunden am Abend veranstaltet hatten. Die Fliegen tummelten sich bereits auf den liegen gebliebenen Essensresten. "Warum mache ich das eigentlich sauber?", fragte Klaudia sich selbst. Doch die Antwort kam ihr sofort. "Weil es sonst niemand machen würde." Sie wusste, dass sie Recht hatte.

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Als sie fertig war, ließ sie sich ein Bad einlaufen um sich wieder etwas aufzuwärmen. Wenn es im Frühjahr regnete, dann wurde es selbst in der Sierra Simlone unangenehm kühl. Hinterher fühlte sie sich etwas besser, aber sie war nach wie vor einsam. Ganz entgegen ihrer Art rief sie ihre Schulfreundin Mechthild an, doch leider ging nur ihre Mutter ans Telefon. Also fand sich Klaudia mit ihrer Einsamkeit ab und malte an einem Bild weiter, dass sie schon vor einigen Tagen begonnen hatte. Aber ihre Gedanken kreisten immer wieder nur um einen Punkt: "Hoffentlich kommt Mami bald wieder. Ich möchte nicht mehr alleine hier sein."

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Kinga kam erst am Abend heim. "Hey, Giftzwerg, komm essen", rief sie. Klaudia öffnete misstrauisch die Tür zu ihrem Zimmer. Sofort fuhr ihr der Geruch von warmen Nudeln mit Käsesoße in die Nase und überrascht sah sie, wie Kinga zwei Schälchen auf den Tisch stellte. "Nun komm schon her!", forderte Kinga sie noch mal auf und diesmal kam Klaudia ohne weiter zu zögern. Doch kaum hatte sie Kinga erreicht nahm diese sie in den Schwitzkasten und verpasste ihr eine gehörige Kopfnuss. Klaudia begann zu schreien und zu zappeln, doch Kinga lachte nur und zu Klaudias Erstaunen war es tatsächlich ein fröhliches, lustiges Lachen und die Kopfnuss nicht halb so schlimm wie erwartet. "Das war, weil du mich heute Morgen fast geweckt hättest. Und jetzt komm essen."

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Und plötzlich war Kinga wie ausgewechselt. Sie sprach mit ihrer kleinen Schwester, sie lachte, sie scherzte. Der Regen prasselte unaufhörlich gegen die Fensterscheibe und gelegentlich durchzuckte ein Blitz den schwarzen Nachthimmel. Aber Klaudia fühle sich zum ersten Mal seit Tagen wieder wohl. Klar war Kingas Verwandlung seltsam. Aber sie wollte lieber keine Fragen stellen. Deshalb ignorieret sie einfach die Tatsche, dass Kingas Augen seltsam glasig wirkten und dass an ihren Kleidern ein seltsamer, würziger Geruch haftete, den sie nicht wirklich einzuordnen wusste. Sie wollte einfach nur genießen, dass ihre Schwester wieder nett zu ihr war.

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Das ganze ging sogar so weit, dass die beiden sich wirklich ihre Pyjamas anzogen, sich einen riesigen Eisbecher mit Sahne zubereiteten und es sich auf der Couch bei einer romantischen Liebeskomödie gemütlich machten. Klaudia kostete jede Sekunde davon aus. Nur die tief sitzende Angst, dass Kingas Laune jede Sekunde wieder umschlagen konnte, trübte den Spaß ein wenig. Aber daran wollte Klaudia nicht denken.
 
Kapitel 133: Dunkle Wächterin der Nacht

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So schön wie der Abend endete, so schlimm begann der nächste Morgen. Klaudia hatte bis vor kurzem noch so gut wie nie gekocht. Da Kinga aber nicht den Anschein machte, als ob sie ihr Zimmer bald verlassen würde, wollte sie sich ein paar Waffeln aufbacken. Doch leider ging das furchtbar schief. Die Pappschachtel hatte sie oben auf den Herd gelegt und als sie den Backofen heiß machte, geriet sie aus versehen an den Regler für die oberen Gaskocher. Viel zu spät bemerkte sie, dass die Verpackung Feuer fing. Und anstatt sich schnell in Sicherheit zu bringen, als die die Flammen sich rasant ausbreiteten und auf die Topflappen über dem Herd übergriffen, versuchte sie die ohnehin verbrannten Waffeln aus dem Ofen zu retten.

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Zum Glück hatten wir den Feuermelder in der Küche, der direkt mit der Feuerwehr verbunden war. Die Feuerwehrfrau war innerhalb von zwei Minuten vor Ort und konnte Schlimmeres verhindern. Die Topflappen würden allerdings auf dem Müll landen müssen.

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"Hast du eigentlich nur Brei im Hirn, Giftzwerg!", schrei Kinga sie an sobald die Feuerwehrfrau außer Hörweite war. Der Lärm des Feuermelders hatte auch sie geweckt. "Willst du etwa das ganze Haus abfackeln?!" "Aber ich wollte doch nur..." versuchte Klaudia zu erklären, doch das interessierte Kinga kein Stück. “Du wirst das hier alles wieder sauber machen, hast du verstanden. Gott, jetzt richt es hier wie in einer Räucherhütte, du bist echt zu dämlich!"

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Klaudia verstand die Welt einfach nicht. Was hatte sie bloß getan? Warum war Kinga wieder so gemein zu ihr. Natürlich war es dumm von ihr gewesen, die Küche in Brand zu stecken. Sie hätte besser aufpassen müssen. Aber sie hatte es doch nicht mit Absicht getan! Sie hatte gerade selbst panische Angst bekommen. Warum konnte Kinga sie nicht in den Arm nehmen und trösten?

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Doch Trost konnte Klaudia von Kinga nicht erwarten. Ihre große Schwester zog sich hastig an und verließ das Haus mit einem lauten Türknallen. Wer konnte schon sagen, wann sie diesmal nach Hause kam. Wenn Klaudia doch wenigsten zur Schule hätte gehen können, aber es war Wochenende und sie musste den ganzen Tag hier bleiben. Und erst jetzt drang der Schock des Küchenbrandes wirklich zu ihr durch. Laut schluchzend warf sie sich auf die Couch im Wohnzimmer und weinte sich zitternd in den Schlaf.

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Sie schlief einige Stunden. Als sie aufwachte, tat sie genau das, was Kinga von ihr verlangt hatte. Sie schrubbte so lange, bis man dem Herd die Brandspuren nicht mehr ansehen konnte und auch der Ruß von den Wänden ließ sich erstaunlich gut abwaschen. Dennoch war Klaudia sehr unglücklich.

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Eigentlich wollte sie niemanden um Hilfe bitten. Sie wusste, dass jeder sofort bei mir angerufen hätte und meine Tochter wollte um jeden Preis vermeiden, dass ich mich noch schlechter fühlte. Trotzdem konnte sie nicht länger alles in sich hinein fressen und rief ihren Opa an. Schon als sie ihn die Straße runter kommen sah, lief sie auf ihn zu und sprang ihm in die Arme. Sie hatte sich vorgenommen nicht zu weinen, aber dieser Vorsatz war in der Sekunde dahin, als sie in Anans tröstenden Armen lag.

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Anan begriff sofort, das Klaudia ihre Mutter vermisste. Von den Problemen mit Kinga ahnte er aber nichts. Und Klaudia überlegte lange, bevor sie sich entschied, ihm auch nichts davon zu erzählen. Aber wenigstens konnte sie sich über den Küchenbrand ausweinen und zum Glück machte Anan ihr keinen Vorwurf sondern spendete ihr den Trost, den sie brauchte. "Wenn du willst, Kleines, dann kannst du auch für ein paar Tage zu Oma und mir kommen. Oder komm wenigstens zum Essen vorbei." Klaudia versprach es, sich zu überlegen. Aber jetzt, wo sie ihrem Kummer ein wenig Luft machen konnte, ging es ihr wieder deutlich besser.

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Den Rest des Nachmittags verbrachte sie dann damit, mit ihrem Opa ein paar Körbe zu werfen. Es tat gut, ihn um sie herum zu wissen. Und anders als bei Kinga, konnte sie sich darauf verlassen, dass ihr Opa nicht plötzlich fies und gemein wurde. "Vielleicht sollte ich Oma und Opa wirklich jeden Tag besuchen", überlegte sie, "dann vergehen die restlichen Tage ohne Mama sicher auch viel schneller."



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Kinga war direkt am Morgen zu Alex gefahren. Nach Sonnenuntergang zogen die beiden los und gingen auf den Friedhof. Es war ein Platz, den die beiden öfter aufsuchten, wenn sie ungestört sei wollten. "Hier liegt doch dein Alter, oder?", fragte Alex als Kinga ein Grab näher begutachtete. "Ich mein, dein richtiger Vater, der, der bei deiner Alten einen Volltreffer gelandet hat." Kinga blickt ihn finster an. "Was spielt das für eine Rolle?", erwiderte sie achselzuckend. Wenn sie ehrlich sein sollte, wusste sie selbst nicht so genau, warum sie zu Alberts Grab gegangen war, es war aber nicht das erste Mal, dass sie dort hin gefunden hatte.

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"Hey, meine dunkle Wächterin der Nacht, ich wollte dich nicht verärgern". Sie waren etwas weiter auf den Friedhof vorgedrungen und Alex zog Kinga fest an sich. Sie blickte ihm tief in die schwarz eingerahmten Augen und sofort war ihr Anflug von Wut wieder verflogen. Alex hatte einfach diese Wirkung auf sie, die sie nicht so recht beschreiben konnte. Ob das Liebe war? Es fühlte sich auf alle Fälle gut an.

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Sie schmiegte sich eng an ihn und inhalierte seinen Duft. "Hast du was dabei", flüsterte sie in sei Ohr, nachdem sie vorher hinein gebissen hatte, gerade so fest, dass der Schmerz erregend und nicht unangenehm war. "Seit wann brauchen wir den Gummis?", keuchte Alex irritiert. "Du nimmst doch die Pille." "Keine Gummis", antwortete Kinga. "Ich will wissen ob du Gras dabei hast. Oder 'Tina'. Das war echt geil."

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"Nee, das auf der Party war alles", gestand Alex, machte sich aber nichts daraus und biss Kinga sanft in die Halsschlagader. Doch Kinga stieß ihn verärgert weg. "Dann besorg Neues!", forderte sie ihn auf. Alex blickte sie irritiert an. "Wie stellst du dir das denn vor? Ingolf ist nicht ständig hier. Ich hab keinen Plan, wann er wieder auftaucht. Außerdem wird er mir garantiert nicht wieder einfach so was zustecken. Und jetzt reg dich ab, meine dunkle Priesterin. Wir brauchen doch nicht dieses Zeug um Spaß zu haben."

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Doch Kinga war immer noch sauer und lief wütend davon. "Jetzt warte doch", forderte Alex sie auf und lief ihr hinterher. Schließlich bekam er sie am Handgelenk zu fassen und riss sie zu sich herum. "Farina besorgt sonst immer das Zeug. Ich werd sie fragen, versprochen." Kinga sah immer noch nicht zufrieden aus, doch als Alex begann sie ungezügelt zu küssen, schwand ihr Widerstand und sie nahm sich vor, nicht länger wütend zu sein, zumindest nicht für den Moment.

 
Kapitel 134: Töchterchen

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Die Tage vergingen, ohne dass der Zustand meiner Großmutter sich deutlich änderte. Sie lebte in ihrer eigenen Welt und nahm gelegentlich Kontakt zu uns auf. Immerhin gewöhnte ich mich Langsam daran, dass sie vergessen zu haben schien, wer ich war. Meist hielt sie mich weiterhin für meine Mutter Virginia. Tante Kasia war die einzige die von ihr erkannt wurde, auch wenn sie immer wieder zwischen verschiedenen Jahrzehnten hin und her sprang. So traurig der Grund für meinen Besuch in Warschau eigentlich war, so nutzte ich doch die Zeit, um die Kinder meiner Tante besser kennen zu lernen. Eigentlich waren es ja meine Cousins und Cousinen, aber da sie alle nur etwas älter als Klaudia waren, waren sie viel mehr so etwas wie Nichten und Neffen für mich.

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In der Zwischenzeit warf Dominik ein Auge auf meine Großmutter. Da sie ihn nach wie vor für meinen Vater hielt, verbrachte sie ohnehin am liebsten ihre Zeit mit ihm und mein Ex-Mann tat ihr diesen Gefallen gerne. Wir hörten die Haustür ins Schloss fallen und meine Oma schaute durch die Tür ins Wohnzimmer. "Darek und ich müssen raus auf die Weide", erklärte sie. "Berta ist schon wieder ausgebüchst und wir müssen sie einfangen." Sie hielt sich ihre Finger wie zwei Hörner an den Kopf und begann zu muhen. Es war eine der Situationen, in denen man nicht genau wusste, ob man lachen oder lieber weinen sollte.

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Auch die Kinder schauten betrübt drein, während meine babcia nun auch noch begann, wild mit ihren imaginären Hufen zu scharren. "Ist es in Ordnung, wenn ich mit ihr nach draußen gehe?", fragte Dominik. "Ein kleiner Spaziergang um den Block wird ihr sicher gut tun." Tante Kasia nickte zustimmend. "[FONT=Arial, Helvetica, sans-serif]Aber bleibt nicht zu lange weg[/FONT]", fügte sie hinzu. "[FONT=Arial, Helvetica, sans-serif]Du weiß ja, dass Mama inzwischen ziemlich schwach ist[/FONT]."

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Warm eingepackt in eine dicke Winterjacke, genoss meine Großmutter sichtlich den Spaziergang durch den tiefen Schnee. Die weiße Pracht funkelte wie ein Meer aus Kristallen im Schein der Sonne und jeder Schritt knirschte unter den Schuhen. Die Kuh Berta war da schnell wieder vergessen. Doch Stasia war nicht die einzige, die Spaß hatte. Sie brauchte Dominik nicht lange davon zu überzeugen, ihr beim Bau eines Schneemanns zu helfen.

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Mit Händen und Füßen verständigten sie sich und das Resultat war ein prächtiger Schneemann mit dickem Bauch und einer orangefarbenen Karottennase, die Tante Kasia extra vom Balkon herunter geworfen hat. Meine Großmutter wirkte wirklich glücklich und zufrieden, als sie den Schneemann betrachtete. "Er sieht fast so schön aus wie mein Piotr. Aber sag es ihm bloß nicht, sonst wird er eifersüchtig", flüsterte sie Dominik augenzwinkernd zu.

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"Und, Mamo, hattest du Spaß dabei mit Darek unsere Kuh wieder einzufangen?", fragte Tante Kasia, nachdem Dominik und meine babcia wieder oben waren. Doch statt zu antworten schaute meine Großmutter ihre Tochter bloß entgeistert an. "Über so etwas macht man keine Witze, Kasia. Du weißt das dein Bruder, Gott hab ihn selig, schon vor Jahren viel zu früh von uns gegangen ist. Und auch wenn Dominik ein sehr netter Mann ist, so ist er doch nicht mein Sohn." Als Dominik seinen Namen hörte horchte er aufmerksam auf.

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Auch ich hatte es durch Zufall gehört und lief sofort in den Flur. "Babciu, du kannst dich wieder erinnern", rief ich überglücklich. Doch meine Großmutter starrte mich nur entgeistert an. "Woran soll ich mich erinnern, Virginia?", fragte sie. "Ich bin alt, aber nicht senil. Ich weiß doch, dass mein Sohn nicht mehr lebt. Haltet ihr mich etwa alle für verrückt? So etwas muss ich mir nicht bieten lassen. Komm Dominik", rief sie meinem Ex-Mann zu, der wieder aufmerksam aufhorchte. "Führ mich in meine Wohnung, bis die Hühner hier unten sich wieder beruhigt haben."

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Er begleitete sie hoch und ich folgte den beiden. "Brodlowska, wie geht es dir?", fragt Dominik, als er mein Großmutter ins Bett gebracht hatte. "Ich...ich", ich konnte nicht mehr länger und begann hemmungslos zu schluchzen. "Wieso erkennt sie mich nicht? Wieso? Ich verstehe das nicht." Dominik legte seinen Arm um mich und drückte mich an sich. "Sie ist krank, Brodlowska. Sie kann nicht mehr bewusst entscheiden, was sie weiß oder wen sie erkennt. Es ist nicht ihre und nicht deine Schuld. Es ist einfach so." Ich wusste, dass Dominik Recht hatte, aber das änderte nichts an dem Schmerz und der Enttäuschung. Meine Großmutter würde bald sterben und wie bei meinen beiden Vätern würde ich wieder nicht die Möglichkeit bekommen, mich von ihr zu verabschieden und ihr zu sagen, wie sehr ich sie liebte.



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Er hielt mich lange im Arm und es half mir, mich wieder zu beruhigen. "Vielleicht solltest du dir wieder deine Zöpfe binden", schlug Dominik vor und wischte mir eine Haarsträhne von der Wange, die sich in meinen Tränen verklebt hatte. "So kannte sie dich, als du hier gelebt hast. Vielleicht ist es genau das, was sie braucht, um die Erinnerung wieder hoch zu hohlen." Ich grübelte die ganze Nacht über diese Idee und selbst als ich am Morgen am Spiegel stand, war ich mir unsicher. Trotzdem griff ich zum Lockenstab, glättet meine Haare und flocht sie zu zwei festen Zöpfen zusammen. Es war ungewöhnlich, fast als ob mich mein 15 Jahre jüngeres Ich im Spiegel ansah. Nur die kleinen Fältchen um die Augen und an den Mundwinkeln verrieten mir, dass das immer noch mein jetziges Ich war.

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Ich zog mich an und öffnete die Tür zum Schlafzimmer meiner Großmutter. Sie war wach und stand angezogen vor dem Spiegel. "Wo habe ich bloß meinen Ehering hingelegt", sprach sie zu sich selbst und blickte sich suchend im Zimmer um. "Piotr wird immer so mürrisch, wenn ich ihn verlege." Dann erblickte sie mein Spiegelbild und drehte sich zu mir um. "Oxana, du muss mir suchen helfen. Dein Opa darf nicht wissen, dass ich den Ring schon wieder verloren habe."

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In diesem Moment war ich sprachlos. Ich konnte nichts anderes tun, als meine Großmutter in den Arm zu nehmen und sie einfach nur fest zu drücken. Die Tränen, die mein Gesicht hinunter liefen nahm ich gar nicht erst war. "Ich hab dich auch lieb, Oxana, aber wenn du mich so fest drückst, dann kann ich meinen Ring erst recht nicht finden." Ein erleichtertes Lachen entwich meinen Lippen und ich ließ meiner Großmutter wieder Luft zum Atmen.

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"Wo bist du überhaupt gewesen?", fragte sie. "Dein Großvater und ich haben in der Kirche auf dich gewartet, aber du bist nicht gekommen. Und dann war da nur noch dieser Brief auf dem Tisch im Wohnzimmer, in dem stand, dass du Abstand brauchst. Ich bin ja so froh, dass du es dir anders überlegt hast. Glaub mir, Töchterchen, dein Vater wird dir verzeihen. Es wird alles gut werden."

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In ihrer Erinnerung war sie in der Zeit, als ich Warschau verließ, um in der Sierra Simlone, fern von meiner Familie, ein neues Leben zu beginnen. Aber es war mir egal, dass sie nicht genau wusste, was inzwischen alles passiert war. Wichtig war nur, dass sie mich erkannte. "Ich liebe dich, bubciu", hauchte ich deshalb. "Das weiß ich doch", erwidert sie lächelnd und tätschelte meine Wange. "Ich liebe dich doch auch, Töchterchen."



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Klaudia verbrachte das ganze Wochenende bei ihren Großeltern. Wir telefonierten auch miteinander und sie versicherte wir abermals, dass Zuhause alles in Ordnung sei. Ich glaubte ihr, weil ich ihr glauben wollte und zu sehr mit meiner Sorge um meine Großmutter beschäftigt war um die Unsicherheit in Klaudias Stimme heraus zu hören. Aber auch Klaudia beschloss, etwas gegen ihre Einsamkeit zu unternehmen und sich weniger von Kinga rumschubsen zu lassen. Und da Mechthild die einzige war, die einer richtigen Freundin nahe kam, lud sie sie nach der Schule einfach mal ein.

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Anschließend fragte sie sich ernsthaft, warum sie das nicht schon viel früher gemacht hatte. Mit Mechthild konnte man richtig Spaß haben, sei es nun beim Ballspielen, bei einer wilden Kissenschlacht oder einfach nur beim Lästern über die Jungs in der Klasse.

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Kingas Freunde gingen in den letzten Tagen ja ohnehin in der Simlane ein und aus. "Machst du etwa wieder auf brave Klosterschülerin, King?", fragte Farina zur Begrüßung und musterte abfällig Kingas Schuluniform. "Glaub mir, Alex steht voll drauf", erwiderte Kinga. "Gott, hör auf. Ich will gar nicht wissen, worauf mein Bruder steht. Das ist doch voll abartig. Es reicht doch, wenn ich euch ständig zuhören muss. Aber Alex sagt, du wolltest mich sprechen. Also, schieß los!"

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Da Klaudia im Haus war, winkte sie ihre Freundin zu sich her und flüsterte in ihr Ohr: "Alex meinte, du wüsstest, wie ich an Stoff rankomme. Du weiß schon, ein bisschen Gras, etwas 'Tina'..." Farina riss überrascht den Kopf hoch. "Willst du das echt machen?" "Würde ich sonst fragen", Kinga sah sie entnervt an. Farina war zwar etwas unsicher, kramte dann aber doch ihr Handy raus. "Hier hast du eine Nummer. Aber ruf Ingolf nur an, wenn du es ernst meinst. Er hasst es, wenn man ihn einfach zum Spaß belästigt"

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Da brauchte Farina sich überhaupt keine Sorgen zu machen. Kinga meinte es sehr ernst und würde so schnell es ging anrufen. Aber an diesem Abend war ihr eher nach einer kleinen Party. Ihre Clique war nicht schwer zu überzeugen und alle fanden sich schnell auf Grünspan ein um bei lauter Musik, dem ein oder andern Bier und ein paar Kurzen und auch einem ganz zufällig aufgetauchten Joint ordentlich die Sau raus zu lassen.

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Klaudia hielt sich da lieber ganz zurück. Anstatt sich in ihrem Zimmer zu verkriechen und die ganze Zeit zu hoffen, dass die Musik endlich ausgeschaltet und Kingas Freunde verschwinden würden, schnappte sie sich ein Einmachglas und machte sich auf Käfersuche für ihr Schulprojekt. Manche kamen doch ohnehin erst nachts aus der Erde gekrochen, also war das doch eine ideale Gelegenheit für die Jagd.​
 
Kapitel 135: Schnee

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Natürlich ging Kinga am nächsten Tag wieder nicht zur Schule. Als Klaudia heimkehrte, musste sie sich über etliche leere Dosen und Pappbecher hinweg steigen, die im Wohnzimmer verteilt lagen. Sie versuchte den Anblick einfach zu ignorieren und ging in ihr Zimmer und malte weiter an dem Bild auf der Staffelei. Da kam auch Kinga schon reingeschneit und brüllte sie an. "Mach gefälligst im Wohnzimmer sauber, Giftzwerg. Und das Bad sieht auch wieder aus wie Sau. Kümmere dich darum!"

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Doch diesmal ließ Klaudia sich solch ein Benehmen von ihrer Schwester nicht gefallen. "Wenn es dich stört, dann mach es doch selber weg!“, antwortete sie patzig. "Glaubst du etwa, ich bin deine Putzfrau. Ich hab die ganze letzte Woche hinter dir und deinen Freunden her geräumt." Kinga funkelte sie böse an und ballte die Fäuste, als ob sie jeden Moment zuschlagen wollte. Doch Klaudia gab nicht klein bei und blickte ihr weiterhin fest in die Augen. "Das wirst du bereuen", fauchte Kinga schließlich und kehrte mit einem lauten Türknallen in ihr Zimmer zurück.

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Dort angekommen griff sie die Hefte auf ihrem Schreibtisch und schleuderte sie mit einem lauten Schrei gegen die Wand. Als sie sich wieder etwas beruhigt hatte nahm sie ihr Handy und wählte die Nummer, die sie gestern von Farina bekommen hatte. "Ingolf hier", meldete sich ein Mann. "Ich hab gehört, du kannst mir was besorgen", kam Kinga gleich zur Sache. "Ich hab deine Nummer von Farina. Ich wohne im Haus gegenüber." Für einen Moment wurde es still am anderen Ende der Leitung. "Gut", antworte er schließlich. "Ich bin an der Straßenecke, sobald die Sonne untergegangen ist."

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Direkt nach Sonnenuntergang setzte Kinga sich an den Schachtisch im Wohnzimmer und beobachtete die Straße durch das Fenster. Einige wenige Menschen gingen die Dustlane, die Querstraße zur Simlane, entlang, aber keiner bleib an der Ecke stehen. Bis dann doch ein Mann in einer Art roten Mantel auftauchte und sich genau unter dem Straßenschild eine Zigarette ansteckte. Kinga beobachtete ihn noch etwa eine Minute und als es den Anschein hatte, dass er dort stehen bleiben würde, ging sie vors Haus und auf ihn zu. "Ingolf?", fragte sie unsicher. Er musterte sie kritisch. "Genau der", schnalzte er schließlich und deute stolz auf seine Brust.

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"Hast du es dabei?", fragte Kinga sofort. "Nicht hier auf der Straße", zischte Ingolf sie an und deutete mit seinem Kopf auf das Haus. Kinga biss sich verlegen auf die Lippen und führte ihn in das immer noch nicht aufgeräumte Wohnzimmer. Ingolf ließ sich allerdings nichts anmerken. Entweder war er solch einen Anblick gewöhnt oder es störte ihn einfach nicht. Langsam wurde Kinga hibbelig und begann herumzuzappeln. "Hast du mir jetzt was mitgebracht?", drängte sie den Dealer. "Ich brauche etwas, bitte!"

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"Du bist doch die Kleine von Farinas Bruder, hab ich nicht Recht? Sie hat mir von dir erzählt." Kinga war zwar etwas verunsichert, nickte aber. "Dann habe ich was ganz besonderes für dich." Aus der Innentasche seines Mantels holte er eine Tüte mit feinen weißen Kristallen heraus. "Ich hab gerade heute eine neue Lieferung 'Tina' bekommen." Kinga wollte schon nach der Tüte greifen, als Ingolf sie hastig wieder zurückzog. "Nicht so schnell meine Hübsche", zügelte er sie. "Du wirst doch verstehen, dass ich dir das nicht einfach so geben kann. Ich hab auch meine Kosten, dass verstehst du doch."

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Oh nein, daran hatte sie überhaupt nicht gedacht. "Ich, ich hab nur 20 § hier", stotterte sie. "Das wird wohl kaum reichen", antwortete Ingolf sichtlich genervt. "Das ihr Kinder nie kapiert, dass man für eine Dienstleistung auch zahlen muss." "Dann nimm doch einfach irgendetwas aus dem Haus mit. Wie wär’s mit dem Radio? Oder nimm die Spielekonsole mit", schlug King vor, doch Ingolf gähnte nur demonstrativ. "Langweile mich nicht, Mädchen. Ich nehme dein Radio und wenn ich es beim Pfandleiher abgeben will werde ich von der Polizei verhaftet? Das Spiel kenne ich nur zu gut. Wenn du nicht zahlen kannst, dann verschwendest du nur meine Zeit."

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Er war schon im Begriff zu gehen als Kinga zu ihrem letzten verzweifelten Versuch ansetzte. Sie musste den Stoff einfach bekommen, um jeden Preis. Deshalb griff sie nach seiner Hand und hielt ihn fest. "Ich kann vielleicht nicht mit Geld bezahlen, aber es gibt ja auch andere Wege, um eine Rechnung zu begleichen", schnurrte sie. Ein Glitzern zeichnete sich in Ingolfs Augen ab und er blickte sie interessiert an. Um zu verdeutlichen, was sie genau gemeint hatte, öffnete Kinga langsam den Reisverschluss an ihrem Ausschnitt. "Jetzt verstehen wir uns, Mädchen", grinste Ingolf dreckig.

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Ohne weiter darüber nachzudenken, führte Kinga Ingolf in ihr Zimmer und schloss die Zimmertür hinter sich ab. Sofort begann der Dealer damit, ihr die Kleider auszuziehen, bis sie nur noch in Unterwäsche vor ihm stand. "Gib mir vorher etwas", bettelte Kinga ihn an und sie zog sich das Crystal Meth gierig in die Nase, als er ihr etwas davon auf seinem Handrücken reichte. "Gutes Mädchen", lobte er sie und strich ihr übers Haar.

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Anschließend vergaß Kinga alles um sich herum. Die Droge zeigte augenblicklich ihre Wirkung. Wieder fühlte sie sich voller Energie, voller Kraft, voller...Lust. Es war nicht nötig, dass Ingolf sie zu irgendetwas zwang. Sie spürte wieder die Blitze unter ihrer Haut zucken, wie sich jede noch so kleine Berührung, wie ein Feuerwerk entlud.

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Einschlafen konnte Kinga in dieser Nacht nicht. Durch die Droge in ihrem Blut war sie viel zu aufgedreht und das Adrenalin pulsierte förmlich durch ihren Körper. Es war so ein unglaubliches Gefühl und noch mal besser als bei ihrem ersten Meth-Versuch mit Alex. Viel zu spät realisierte sie, das Ingolf ihr nichts da gelassen hatte. Sie hatte nur den einen Zug bekommen. Als sie am Morgen unter die Dusche stieg, begann die Wirkung des Crystal Meths langsam nachzulassen, aber immer noch spürte sie jeden Wassertropfen intensiver auf der Haut. Dieses Gefühl durfte einfach nicht aufhören. Sie würde Ingolf gleich morgen wieder anrufen oder vielleicht doch lieber schon heute. Und in ihrem Kopf spielen sie die Möglichkeiten durch, was sie sich Ingolf bei seinem nächsten Besuch anbieten konnte, damit er ihr als nur einen Zug da ließ.

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Während Kinga einen Drogen-Dealer mit ins Haus brachte und ihm ihren Körper als Bezahlung anbot, saß Klaudia verängstigt in ihrem Zimmer. Sie hatte die fremde Männerstimme gehört. Sie hatte gehört, wie Kinga mit diesem Mann in ihr Zimmer ging und dann drangen wieder diese Geräusche an ihr Ohr, die sie schon von Kinga und Alex kannte. Sie wusste, was dort im Zimmer ihrer Schwester passierte, aber ihr Verstand versuchte mit allen Mitteln es auszublenden. Und es gelang ihr sogar einigermaßen. Eingeschlossen in ihr Zimmer zeichnete sie bis tief in die Nacht hinein ein ihren Skizzenblock. Nur schöne Dinge, Bilder von Schmetterlingen und lachenden Menschen. Das Stöhnen aus dem Nachbarzimmer war für sie gar nicht mehr da.



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"Stasia geht es in den letzten zwei Tagen ja richtig gut. Und du siehst auch wieder viel besser aus, Brodlowska." Dominik hatte Recht. Meiner Großmutter ging es wirklich gut. Sie wirkte stärker als noch bei meiner Ankunft und meistens war ihr Verstand sehr klar, auch wenn sie sich an Ereignisse der letzten Jahre kaum erinnern konnte. Tante Kasia kümmerte sich um sie und ich nutzte die Gelegenheit, um Dominik ein wenig von Warschau zu zeigen. Es schneite schon seit Tagen und die ganze Stadt lag eingefüllt unter einer schweren Schneedecke Ich hätte Stundenlang draußen sein können, einfach um durch den Schnee zu schreiten und mir die verschneite Landschaft anzusehen.

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Leider fuhren wegen des Schnees kaum Busse und Straßenbahnen. Ein Besuch der berühmten Altstadt und des neuen Handelsbezirks fiel damit flach. Aber auch im sozialistischen Plattenbaudschungel der Vorstädte gab es einige sehenswerte Orte. Der Park gehörte eindeutig dazu. "Und das soll jetzt was darstellen?", fragte Dominik, als ich ihn zu einem Denkmal auf einer Anhöhe im Park führte. "Das ist das Denkmal des Völkerfriedens. Ein Geschenk der Sowjetunion, vermute ich. Ich weiß, es ist ziemlich verlogen, wenn man die Geschichte betrachtet, aber ich mag es trotzdem. Es hat so etwas Beruhigendes. Und die Idee für die es steht ist trotz allem sehr lobenswert. Ich bin froh, dass dieses Denkmal nach dem Umbruch nicht abgerissen wurde, wie so viele andere sichtbaren Zeichen an eine 40 jährige Geschichte."

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In einem der am Park gelegenen Plattenbauten befand sich auch ein Restaurant, das meine Großeltern und ich früher gelegentlich aufgesucht hatten. Es bot kein überteuertes Edelessen, sondern einfach gute, polnische Hausmannskost. Ich brauchte nicht lange um Dominik zu überzeugen dort zu essen und bestellte für uns beide.

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Ich bestellte mir "Ryba po Grecku" mit einer Gurken-"Mizeria" als Beilage und Dominik nahm ein einfaches Schnitzel mit warmer Rotebeete. Es schmeckte zwar nicht ganz so gut wie hausgemacht, aber es war trotzdem lecker. "Wie geht es eigentlich Sky? Du hast mir kaum etwas über ihn erzählt. Er ist doch jetzt schon vier, nicht wahr?", fragte ich beim Essen nach Dominiks Sohn. "Und was macht Ingrid überhaupt? Den Salon führt ja jetzt ihre frühere Teilhaberin. Ich finde es nett, dass sie dir erlaubt hat, mich nach Warschau zu begleiten." "Nun...ähm", Dominik begann sie zu räuspern. "Ingrid und ich… wir sind nicht länger verheiratet. Die Scheidung ist schon seit ein paar Wochen durch. Deshalb ist es ihr wohl ziemlich egal, dass ich hier bin."

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Ich brauchte eine Weile um zu begreifen, was er gesagt hatte. Aber seltsamerweise war ich nicht so überrascht, wie ich vielleicht hätte sein sollen. "Klaudia hat davon nie etwas erwähnt", erwiderte ich deshalb relativ gelassen. "Nun, das liegt daran, dass sie auch nichts davon weiß. Ingrid und ich haben das eher still geregelt. Nur Pa weiß bescheid. Mir graut es jetzt schon davor, wenn ich daran denke, es Mutter zu sagen." Dominik nahm verlegen einen Bissen von seinem Schnitzel und vermied es mich direkt anzusehen. "Aber warum?", platzte es dann einfach aus mir heraus.

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Irgendwie kam mir gar nicht in den Sinn, dass diese Frage unangebracht sein könnte. Immerhin war Dominik mein Ex-Mann. "Nun", erklärte er, "wir haben einfach nicht zueinander gepasst. Es war nicht so, wie bei dir und m...wir haben einfach nicht zueindander gepasst." Wieder nahm er einen Bissen und kaute ihn gründlich durch um Zeit zu schinden, damit er über seine nächsten Worte nachdenken konnte. Dann blicke er mich wieder an. "Ingrid hatte einfach andere Erwartungen. Sie wollte raus in die große Stadt, Spaß haben. Ein Ehemann und ein Kind haben irgendwie nicht in ihr Konzept gepasst. Sie...sie hat einen andere...einen Jüngeren. Bei dem ist sie jetzt auch. Und Sky ist bei ihren Eltern, aber sie hat ihn schon seit Wochen nicht besucht."

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"Es tut mir leid", beteuerte ich ihm und ich meinte es wirklich aufrichtig. "Das muss es nicht", winkte er ab. "Es ist halt so gekommen, wie es gekommen ist. Ich hab einen Sohn, den ich um keinen Preis hergeben will. Und hey, jetzt bin ich wieder auf dem Markt. Glaub mir Brodlowska, ich muss nur einmal mit Sky über den Spielplatz spazieren und schon hab ich fünf Frauen an der Hand. Es hat durchaus seine Vorteile, alleinerziehender Vater zu sein." Dominik grinste mich schelmisch an und hob auffordern seine linke Braue. Für einen kurzen Moment hatte ich mir wirklich Sorgen um ihn gemacht, doch wie ich sah, waren diese vollkommen unbegründet. Dominik würde gut zurecht kommen.

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Gestärkt konnte es dann auch auf die Eisbahn gehen. Ich drückte dem Mann vom Verleih 20 Zloty in die runzelige Hand und suchte die passenden Schuhe für mich und Dominik heraus. Während Dominik noch damit kämpfte, die Schlittschuhe anzuziehen, wagte ich mich aufs Eis. Es war tatsächlich schon 21 Jahre her, dass ich das letzte Mal auf dem Eis stand, aber ich schlug mich wacker und nach zwei, drei Runden klappte es auch ganz gut. Ich konnte mir aber ein Lachen nicht verkneifen, als ich Dominiks tollpatschige Versuche beobachtete, sich überhaupt auf dem Eis halten zu können.

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"Da braucht wohl jemand Hilfe", lachte ich und fuhr auf ihn zu. "Ach was", gab er großspurig von sich "Ein ganzer Kerl wie ich wird sich doch nicht von so zwei lächerlichen Eisenkufen bezwingen lasse." Aber noch während er sprach, rutschte sein rechtes Bein weg und auch noch so heftiges Rudern mit den Armen half nicht dabei, ihm vor dem Sturz zu bewahren. Er stöhnte wehleidig, doch von mir konnte er kein Mitleid erwarten. "Ein ganzer Kerl wie du, wird das doch locker wegstecken", spöttelte ich und fuhr grinsend an ihm vorbei.

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Doch ich zog nur eine kurze Runde und hielt bei ihm an. Dominik reichte mir seine beiden Hände und ich zog ich hoch. Hand in Hand führte ich ihn dann auf das Eis und konnte mir das grinsen über seine ungeschickten Bewegungen kaum verkneifen. Dominik blickte mich böse an. "Jemand dem ein Pudel auf dem Kopf explodiert ist, sollte sich nicht über andere lustig machen." Hatte Dominik etwa gerade meine Frisur beleidigt? "Na, wenigstens hab ich noch Haare auf dem Kopf!", konterte ich. Dominik fuhr sich mit seinem Handschuh über seine inzwischen recht spärliche Haarpracht. "Tja, die hat Ingrid mir wohl vom Kopf gefressen. Kaum war ich mit ihr verheiratet, fielen sie auch schon von meinem Kopf, wie im Herbst das Laub von den Bäumen." Die Grimasse, die er dabei verzog war so witzig, dass ich nicht anders konnte als laut los zu lachen und er stimmte mit ein, was darin resultierte, dass wir uns beide fast aufs Eis gelegt hätten.​
 
Kapitel 136: Fehler der Vergangenheit

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Leider war uns nur dieser eine wundervolle Nachmittag vergönnte. Der Zustand meiner Großmutter verschlechterte sich rapide von einem Moment auf den anderen. Innerhalb kürzester Zeit war sie nicht mehr in der Lage aufzustehen und lag nur noch schwer atmend in ihrem Bett. Der Arzt gab uns keine Hoffnung mehr und so konnten wir nichts anderes tun als an ihrem Bett zu beten und für sie da sein, wenn sie ihre letzte Reise antrat. Es geschah alles ganz friedlich. Sie hab ein letztes Mal ihre Brust, senkte sie und dann war einfach alles nur noch still. Onkel Kazik gab Tante Kasia Trost und auch wenn Dominik auf der anderen Seite des Bettes saß, so wusste ich doch, dass er für mich da war.

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Die Beerdigung fand zwei Tage später im engsten Kreis der Familie statt. Meine Großmutter wurde direkt neben dem Grab meines Großvaters beerdigt, so, wie sie es sich immer gewünscht hatte. Der kalte weiße Schnee verlieh der ganzen Situation eine so würdevolle Atmosphäre, dass man fast das Wort „schön“ in den Mund nehmen wollte.

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Ich wusste, dass meine Großmutter ein langes erfülltes Leben gehab hatte. Sie war stolze 87 Jahre alt geworden und auch wenn sie zum Schluss nicht mehr Herr über ihren Verstand war, so schien sie doch glücklich bis zum letzten Augenblick. Ich war froh, dass ich mich noch einmal von ihr verabschieden konnte, aber es tat trotzdem so weh, sie gehen lassen zu müssen.

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"Ich weiß, wie sehr du sie geliebt hast." Ich drehte mich um und blickte in das Gesicht meiner Zwillingsschwester. "Joanna", hauchte ich fassungslos. Sie schaffte es nicht, mir dauerhaft in die Augen zu sehen. Immer wieder schweifte ihr Blick zum Boden. "Tobias und ich haben sofort beschlossen zu kommen, als wir von ihrem Tod erfahren haben. Wegen dem Schnee konnte unser Jet aber nicht rechtzeitig landen, deshalb sind wir direkt zum Friedhof gekommen. Bitte glaub mir, Oxana, ich wäre früher gekommen, viel früher, wenn ich gekonnt hätte. Aber ich bin froh, dass du bei ihr warst. Das hat sie bestimmt glücklich gemacht."

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Ich konnte kaum glauben, was ich da hörte. War das wirklich die Schwester, die mich bereitwillig in den Tod geschickt hätte, nur um ihre eigenen Pläne verfolgen zu können? Diese Frau war so skrupellos und vollkommen ohne Gefühl gewesen. Und jetzt stand sie doch vor mir und ich sah deutlich, wie sehr sie der Tod unserer babcia mitnahm. "Sie weiß, dass du an sie gedacht hast", erwiderte ich und legte meine Hand auf die Schulter meiner Schwester. "Es tut mir leid, Oxana", flüsterte sie und mir war klar, dass damit so viel mehr gemeint war, als nur die vertane Gelegenheit, sich von unserer Großmutter zu verabschieden. Ich nickte lediglich und plötzlich war uns beiden klar, dass es Zeit war, mit den Fehlern der Vergangenheit abzuschließen.



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In der Simlane übernahm mein Bruder die traurige Aufgabe, meine Kinder vom Tod ihrer Urgroßmutter in Kenntnis zu setzen. Es fiel im selbst nicht leicht. Auch er hatte sie sehr gern gehabt, auch wenn sie nicht seine leibliche Großmutter war. Nachdem er die Nachricht selbst verdaut hatte, überquerte er die Straße zu unserem Haus und sah Klaudia bereits durch die Latten des Zauns am Pool sitzen. "Ist Kinga auch da?", fragte er zunächst, doch Klaudia musste die Frage verneinen. Ihre große Schwester war wider einmal ausgeflogen, ohne ihr bescheid zu geben. "Was ist den los, Onkel Orion", fragte sie besorgt, als sie seine Miene sah, aber auch mit ihren knapp dreizehn Jahren konnte sie sich schon vorstellen, was passiert war.

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Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Klaudia hatte ihre Uroma kaum gekannt. Sie waren sich lediglich zwei Mal begegnet. Und dennoch fühlte sie plötzlich einen schrecklichen Verlust. Die Situation überforderte Orion etwas. Er hatte keine Erfahrung mit Kindern und auch wenn Klaudia äußerlich wie ein Teenager wirkte, war sie gerade in solch einer Situation noch voll und ganz ein Kind. Behutsam nahm er ihre Hand und drückte sie an sich, so dass sie sich an seiner Schulter ausweinen konnte. "Wenn du heute lieber nicht allein sein magst, dann komm zu Mona und mir", flüsterte er ihr ins Ohr. "Ich hab es heute auch lieber, wenn noch jemand da ist."

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Und Klaudia zögerte nicht lange und ging gleich mit ihrem Onkel mit. Zusammen warfen sie ein paar Körbe und ihre Tante Desdemona grillte am Abend Hotdogs. Es war viel besser, als alleine zuhause zu bleiben und ständig an den Tod der Uroma zu denken. Und es war auch eine sehr gut Ablenkung von dem Ärger, den sie mit Kinga hatte. Je weniger Zeit sie alleine mit ihrer Schwester verbringen musste, desto besser.



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"Oh, Gott, es gießt ja wie aus Eimern! wir werden klitschnass!", schrie ich entsetzt und lief Dominik hinterher. Mein Bus nach Sierra Simlone Stadt würde erst in einigen Stunden fahren und Dominik wollte mich ein wenig in der Stadt herum führen. "Los, hier können wir uns unterstellen", rief er und hastete die Treppe zu einem Hauseingang hoch. Wir waren vor etwa einer Stunde in SimVegas gelandet, nachdem wir einen Tag nach der Beerdigung Warschau wieder verlassen hatten. Von Schnee war in der SimNation natürlich weit und breit keine Spur. Dafür prasselte aber ein kalter unangenehmer Regen vom Himmel.

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Wir landeten in einem kleinen Schmuckladen. Die Verkäuferin war so freundlich, uns für die Zeit des Schauers Unterschlupf anzubieten. Der Laden war recht gemütlich eingerichtet und ein Feuer im Kamin sorgte dafür, dass meine durchnässte Kleidung langsam zu trocknen begann. In einer Ecke am Fenster stand ein Schachbrett und Dominik und ich begannen eine kleine Partie. Ein Blick gen Himmel verriet, dass es so bald wohl nicht aufhören würde zu regnen.

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Kurze Zeit später spazierte ein junges Pärchen in den Laden. "Wir suchen Hochzeitsringe", verkündete der junge Mann stolz. "Meine Verlobte hier und ich wollen in zwei Monaten heiraten." "Was haben sie denn so im Angebot", fragte die junge Verlobte die Verkäuferin und diese zeigte ihr auch gleich eine Auslage mit verschiedenen Ringen. Der junge Mann schaute sich derweil den Inhalt einer weitern Vitrine an und wurde scheinbar fündig. "Engelchen, komm schau dir doch die mal an. Sind die nicht wunderschön." "Aber die sind so teuer", entgegnet die blonde Frau, als sie das Preisschild sah. "Kannst du dir das wirklich leisten, Schatz?" "Für dich kann ich mir alles leisten."

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Dominik musste grinsen, als er diese Unterhaltung unfreiwillig mithörte. "Lach nicht!", forderte ich ihn auf. "Die beiden sind frisch verliebt und glücklich." "Ich lache doch nicht deswegen", entgegnete Dominik. "Ich musste nur gerade daran denken, wie ich damals deinen Verlobungsring gekauft habe. Ich hab genau so gedacht, wie dieser Junge da."

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Beim Thema Verlobung durchfuhr mich eine Welle der Hitze. "Kasimir hat um meine Hand angehalten", erwähnte ich fast beiläufig und machte unverzüglich meinen nächsten Zug und blickte Dominik verstohlen an. Der hielt sich die Hand vors Gesicht um ein Grinsen zu verbergen. "So wie ich dich kenne, hat er bestimmt noch keine Antwort erhalten. Und wenn er eine will, dann sollt er sich noch ein paar Jährchen gedulden." Ich funkelte meinen Ex-Mann verstimmt an, dann musste ich aber auch grinsen. "Ja, da hast du irgendwie recht. Ich lasse ihn jetzt schon seit einem 3/4 Jahr zappeln."

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Kurze Zeit später klarte der Himmel wieder auf und die Sonne kam zum Vorschein. Dominik und ich verabschiedeten uns bei der freundlichen Verkäuferin, gaben ihr ein Trinkgeld und machten uns zurück auf den Weg zum Busbahnhof. Dominik unterhielt sich mit mir, als er plötzlich merkte, dass ich nicht mehr an seiner Seite war. Verwirrt sah er sich um uns sah, wie ich durch ein Portal auf einen bestuhlten Platz ging. Hastig lief er mir hinterher. "Brodlowska, warte doch. Was ist das überhaupt für ein Ort?"

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"Das ist die Hochzeitskapelle, in der mein Bruder und Desdemona geheiratet haben", erklärte ich und Dominik sah sich genau um. "Ist es nicht wunderschön hier? Ich beneide die beiden um ihre romantische Hochzeit. Sie sind einfach hier vorbei gekommen und haben ohne weiter darüber nachzudenken geheiratet. Und ich? Ich grüble schon seit Monaten, ob ich Kasimir heiraten soll. Ich wünschte, ich würde nicht immer so viel nachdenken und einfach auf mein Herz hören."

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"Dann hör auf dein Herz, Brodlowska", erwiderte er energisch und griff meine Hände. "Wenn du so lange zögerst, dann kann er nicht der Richtige für dich sein. Verdamm, Brodlowska, ich bin der Richtige für dich! Ich war dumm genug dich gehen zu lassen aus verletzten Stolz heraus. Ich werd den Fehler nicht ein zweites Mal machen." Und dann sank er vor mir auf die Knie. "Heirate mich, Brodlowska, hier und jetzt. Ich hab zwar keinen Ring, aber ich weiß, dass ich dich immer noch lieb. Ich hab nie aufgehört dich zu lieben. Das einzige, was du machen musst, ist ja zu sagen und wir werden wieder glücklich sein." Meine Knie wurden weich und ich fürchtete jeden Moment ohnmächtig zu werden. Hatte ich mich gerade verhört und träumte ich etwa?​
 
@Simellie
Ja, Oxana und Dominik brauchten schon immer etwas länger um zu verstehen, dass sie zusammen gehören :) Und Kinga rutscht immer mehr und mehr ab. Und so langsam wird es selbst für ihre Eltern schwer, ihr da wieder heraus zu helfen.

Danke für deinen Kommentar!
 
Kapitel 137: Aus den Fugen geraten

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"Klaudia wird sich sicher freuen, dich zu sehen", sagte ich zu Dominik, als ich den Schlüssel im Schloss umdrehte und die Haustür öffnete. Doch der Anblick, der sich mir im Inneren des Hauses bot, verschlug mir die Sprache. Ein Schwarm Fliegen kam mir entgegen und ich nahm einen unangenehmen Geruch von schalen Bier und ungenießbarem Essen war. Überall im Wohnzimmer lag Müll verstreut. Leere Bierdosen, Pappbecher, Essensreste und noch vieles mehr.

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"Kinga!", stieß ich wütend aus und marschierte, eine ebenso verdreckte Küche und ein verdrecktes Esszimmer passierend, schnurstracks zu ihrem Zimmer. Ich sah Licht unter der Tür durchscheinen, also war sie wohl da. Ohne zu klopfen stieß ich die Tür auf und bekam einen Anblick zu sehen, auf dem ich nicht im geringsten vorbereitet war. Kinga lag fast völlig nackt auf dem Boden und über sie beugte sich ein ebenso wenig bekleideter Mann. Und es war kein Junge, der dort meine Tochter begrabschte, es war in der Tat ein Mann, der altersmäßig mir deutlich näher war, als meiner Tochter.

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"Kinga!?", keuchte ich entsetzt und lenkte sofort die Aufmerksamkeit des Unbekannten auf mich. "Fuck!", fluchte er und ließ sie achtlos fallen. "Warum hast du blöde Kuh die Tür nicht abgeschlossen?" Ich war zu entsetzt, um reagieren zu können und als der Mann hastig seine Kleider vom Boden hob und sich an mir vorbei hinaus drängt, rückte ich einfach nur verängstig an die Wand um ihm Platz zu machen.

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Dominik sah, wie der fremde Mann durch die Hintertür aus dem Haus lief. Als er sah, wie ich verschreckt an der Wand lehnte und Kinga halb nackt regungslos auf dem Boden, stellte er keine weiteren Fragen sondern lief dem Kerl einfach hinterher.

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Es kam mir vor, als hätte ich Stunden lang regungslos an dieser Wand gepresst verbracht, unfähig auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, bis ich mich schließlich selbst schreien hörte: "Kinga! Kinga!" Ich löste mich aus meiner Erstarrung und beugte mich hastig zu ihr hinunter. "Kinga mein Schatz, was ist mit dir?", fragte ich immer wieder und strich über ihr Gesicht. Doch sie antwortet nicht. Sie blickte mich aus glasigen Augen an, bis sich ihre Augen verdrehte und nur noch das Weiße zu sehen war. Dann verlor sie das Bewusstsein.

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Keuchend kam Dominik zurück gelaufen. "Verdammt, dieser Mistkerl ist mir entwischt", fluchte er. "Was hat er unserer Prinzessin bloß angetan?" Ich wusste es nicht und ich wollte es mir auch nicht ausmalen. "Hol schnell Schwester Mphenikohl", flehte ich ihn an und schlug Kinga immer wieder leicht ins Gesicht, damit sie wieder zu Bewusstsein kam. Doch kaum hatte sie die Augen geöffnet, begannen sie zu zucken und Kinga fiel abermals in Ohnmacht. Dominik lief sofort los.

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Obwohl Dominik lediglich zehn Minuten brauchte, um mit der Landschwester wieder in der Simlane zu sein, kam es mir wie eine Ewigkeit vor. Eine Ewigkeit, in der ich um das Leben meiner Tochter bangte. Dominik hatte Mühe, mich von ihr los zu reisen, damit Schwester Mphenikohl sich um Kinga kümmern konnte. Und auch jetzt hielt er mich fest im Arm. Anders wäre ich direkt zusammen gebrochen. "Sie schläft jetzt", erklärte die Landschwester und untersuchte Kinga noch einmal. "Ich habe ihr ein Beruhigungsmittel gegeben. Ihr Puls ist jetzt wieder normal."

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"So wie ich das sehe, fehlt ihr sonst nichts. Aber ich habe das hier auf dem Boden gefunden", die Landschwester hielt einen kleinen durchsichtigen Beutel mit einigen feinen weißen Kristallen hoch. "Ich vermute, dass es Crystal Meth, oder eine ähnliche Droge ist. Allem Anschein nach, hat ihre Tochter eine leichte Überdosis genommen. Es ist nicht lebensbedrohlich", versicherte sie schnell, "sie wird nur etwas Zeit brauchen, um wieder zu sich zu finden. Ich würde ihnen dringend empfehlen, mit ihr zu einer Drogenberatung zu gehen." Ich konnte kaum glauben, was die Landschwester da sagte. Meine kleine Kinga sollte Drogen nehmen? Das war doch nicht möglich. Und auch Dominik blickte fassungslos zu seiner schlafenden Tochter.

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Oh, Gott, wo war denn Klaudia? Als sich all die Ereignisse überschlugen, hatte ich meine jüngere Tochter total vergessen. Panisch lief ich zu ihrem Zimmer und sackte erleichtert zu Boden, als ich sie zwischen ihrem Bett und dem Kleiderschrank entdeckte. Sie hielt ihren riesigen Teddybär fest umklammert und zitterte am ganzen Körper. Als ich ihr vorsichtig meine Hand auf die Schulter legte zuckte sie nervös zusammen, umklammerte den Teddy noch fester und begann leise zu wimmern.

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Behutsam griff ich ihre Handgelenke und löste sie vom den Bären. Dann zog ich sie vorsichtig zu mir hoch. "Mami?", fragte sie wimmernd und erst jetzt schien sie mich wirklich zu erkennen. "Mami!" Sie begann zu schluchzen und warf sich mir um den Hals. "Lass mich nie wieder allen", schluchzte sie immer wieder. "Lass mich nie mehr allein." "Ist ja gut, meine Kleine", versuchte ich sie zu beruhigen. "Mami ist ja bei dir. Jetzt wird alles wieder gut." Auch Dominik betrat das Zimmer und beobachtete die Szene mit trauriger Mine. Wie konnte es nur so weit kommen?

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Klaudia weinte so lange, bis sie sich selbst in den Schlaf geweint hatte. Dominik wich dennoch nicht von ihrer Seite, für den Fall, dass sie doch wieder wach geworden wäre. Ich bleib bei Kinga, doch ich schaffte es nicht, still sitzen zu bleiben. Also ging ich ins Wohnzimmer und begann damit, den Dreck weg zu räumen, der sich in den vergangenen zwei Wochen angesammelt hatte. Ohne eine Tätigkeit wäre ich bloß selbst durchgedreht.

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Doch selbst das half mir diesmal nicht wirklich. Als mir auch noch ein Teller aus der Hand fiel und auf den Küchenfliesen zerbarst, schrie ich und streckte meine Hände zum Himmel. "Warum Gott, warum?", fragte ich unter Tränen. "Warum muss das alles passieren? Wann ist alles so aus den Fugen geraten? Ich verstehe es nicht, ich verstehe es einfach nicht!"
 
Kapitel 138: Alte Schulden

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Am nächsten Morgen berichtete mir Klaudia, was alles vorgefallen war. Sie erzählte mir von Kingas Partys, ihren Freunden, die unser Haus verwüsteten und sie so sehr ängstigten. Sie erzählte mir, wie Kinga sie herumgeschubst und herumkommandiert hatte und sie erwähnte auch den Mann, den ich mit Kinga überrascht hatte. Es war schon öfter bei uns gewesen und jedes Mal hatte Kinga sich hinterher seltsam benommen. Ich konnte mir denken, woran dies lag. Sie hatte also nicht nur dieses eine Mal Drogen genommen. Dennoch konnte ich nicht fassen, zu was mein älter Tochter allem fähig gewesen war. Ich wusste schon so lange, dass sie einen tiefen Hass gegen mich hegte, aber ich hatte nie vermutet, dass sich dieser Hass auch gegen ihre jüngere Schwester richtete.

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"Aber warum hast du nichts gesagt, Klaudi? Warum hast du dich niemandem anvertraut. Mir, oder deinen Großeltern? Wir hätten dir helfen können." Klaudia blickt traurig zu Boden. "Du warst doch schon so traurig wegen Uromi, Mami. Ich wollte dich nicht noch mehr belasten." Behutsam legte ich meine Hände auf ihre Schultern und blickte sie eindringlich an. "Schatz, wie oft soll ich dir noch erklären, dass du dich nicht um meine Probleme kümmern sollst? Du bist mein kleines Mädchen und es ist mein Aufgabe, für dich da zu sein, nicht umgekehrt. Und ich mache diese Aufgabe gerne, also lass nie wieder zu, dass du deine Probleme so lange in dich hinein frisst. Versprich mir das, Klaudi." Nach einer kurzen Weile nickte mein kleines Mädchen zustimmend.

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Im gleichen Moment hielt ein Auto vor der Simlane und Herr Jakoby, der Direktor der Privatschule, die Kinga besuchte, stieg aus und kam auf mich zu. Er begrüßte mich freundlich, kam dann aber gleich zur Sache. "Frau Brodlowska, ich muss sie darüber informieren, dass ihre Tochter Kinga nun schon seit mehreren Tagen nicht zum Unterricht erschienen ist." Klaudia hatte mich auch darüber schon aufgeklärt. "Es tut mir sehr leid, Herr Jakoby, dass ich sie noch nicht informieren konnte, aber meine Tochter ist zurzeit leider krank und konnte deshalb nicht erscheinen." Ich log, ohne dabei mit der Wimper zu zucken. Ich wusste selbst nicht genau, warum ich es tat, aber unsere häuslichen Probleme gingen diesen Menschen einfach nichts an.

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"Nun gut, ich verstehe, ich versteh", erwiderte er ungeduldig. "Ich wünsche ihr gute Besserung, aber dennoch hätte die Entschuldigung umgehend bei mir auf dem Schreibtisch landen müssen. Ich hatte sie im letzten Brief eindringlich gewarnt, dass wir einen weitern Verstoß Kingas gegen die Schulordnung nicht dulden werden." Ein Brief? Was für ein Brief? Aber mir dämmerte schnell, dass Kinga dafür gesorgt hatte, das dieser und wahrscheinlich etliche andere Briefe mich nie erreicht hatten. "Aus diesem Grund bin ich auch persönlich erschienen. Ich muss ihnen leider mitteilen, dass Kinga unsere Privatschule umgehend verlassen muss. Wir haben ihr Benehmen lange genug toleriert, doch in letzter Zeit lassen auch ihre Leistungen stark zu wünschen übrig. Es tut mir sehr leid, aber Kinga wird ihre mittlere Hochschulreife nicht an unserem Institut erreichen." Bekümmert blickte ich zur Straße. Was sollte ich denn auch noch sagen? Also dankte ich ihm für sein Kommen und verabschiedete mich.

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Ich schritt vor dem Haus auf und ab und dachte darüber nach, wie es jetzt weiter gehen sollte. Da stand plötzlich Alexander vor mir. "Is' King da?", fragte er mit seiner tiefen Stimme. "Ich will 'se sehen. Hab spitz gekriegt, dass's ihr nicht so pralle geht." Ich konnte diesen Kerl nicht leiden. Nicht wegen seiner Kleidung oder der Art sein Gesicht zu bemalen. Es war die Art, wie er mich immerzu ansah, mit seinen Blicken, die mich zum einen auszogen, mich zum anderen aber am liebsten blutend auf der Straße sehen würden. Aber heute erkannte ich zum ersten Mal so etwas wie Besorgnis und Mitgefühl in seinen Augen.

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Doch dann wurde ich misstrauisch. "Woher weiß du überhaupt, dass es ihr schlecht geht?", fragte ich und kniff die Augen zusammen. "Niemand außer Kingas Vater, ihrer Schwester und mir weiß bis jetzt bescheid. Also wie kannst du es wissen? Du steckst da irgendwie mit drin. Ich hätte dich und dein Schwester schon vor Jahren von meiner Tochter fern halten sollen. Ihr zwei seid wie Ungeziefer, das sich an sie geklammert hat und sie leer saugt, bis sie genau so kaputt ist, wie ihr. Verschwinde von hier, Alexander, und lass dich hier ja nicht mehr blicken!"

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Der Anflug von Mitgefühl verschwand augenblicklich aus seinen Augen. "Jetzt gib mir nicht die Schuld, du alte Hexe. Du hast selbst dafür gesorgt, dass Kinga jetzt da ist, wo 'se ist. Du willst doch nur, dass 'se genau so wird wie du und hast nie gecheckt, dass 'se einen eigenen Weg gehen will." "Verschwinde von meinem Land!", brüllte ich ihn an, "Sonst rufe ich die Polizei. Ich weiß doch, dass du knietief in diesem Drogensumpf steckst, in den du meine Tochter gestoßen hast." Alex funkelte mich wütend an, aber die Androhung von Polizei ließ ihn doch zusammenzucken. "Ich hab King noch gewarnt", schnaubte er, "also geben sie nicht mir die Schuld!" Dann drehte er sich um und entfernte sich mit großen Schritten von meinem Haus.

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Ich hatte kaum Zeit mich selbst wieder zu fassen, als Kinga auf mich zustürmte und mich heftig nach hinten stieß. "Was fällt dir ein, Mutter?! Was fällt dir ein Alex einfach weg zu schicken? Es geht dich einen feuchten Dreck an, mit wem ich mich treffe. Ich lasse mir doch von dir nicht die Freunde aussuchen", brüllte sie mich an.

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Erschrocken wich ich vor meiner eigenen Tochter zurück. "Kinga, diese Menschen sind nicht gut für dich", versuchte ich zu erklären, doch Kinga ballte lediglich wütend die Fäuste. "Das hast nicht du zu entscheiden, Mutter." "Aber du kannst eine solche Entscheidung anscheinend nicht mehr treffen", entgegnete ich. "Sie dich doch an! Du bist gestern fast vergewaltigt worden, du nimmst Drogen, du bist von der Schule geworfen worden! Kinga, so kann es doch nicht weiter gehen. Du zerstörst dir dein ganzes Leben!"

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Doch anstatt auch nur eine Sekund auf meine Argumente einzugehen, schrie Kinga wutentbrannt auf und ging auf mich los. Und dann tat ich etwas, was ich nie für möglich gehalten hätte. Bevor sie mich noch erreichen könnte, verpasste ich ihr eine solch schallende Ohrfeige, dass ihr Kopf zur Seite flog. Kinga starrte mich fassungslos an und ihre Lippen zitterten. Dann sah sie mich mit einem so hasserfüllten Blick an, dass mir das Blut in den Adern gefror, drehte sich langsam um und ging wieder in ihr Zimmer.

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Also ich allein im Wohnzimmer stand, erfasst mich eine Heulkrampf, der aus meiner tiefen Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung genährt wurde. Was konnte ich bloß tun? Wie konnte ich meiner Tochter helfen? War ihr überhaupt noch im Stande zu helfen? Ich hatte meine Kinder noch nie zuvor geschlagen, aber Kinga hatte mich so weit getrieben. Was würde als nächstes passieren? Und das Schlimmste war, ich sah keine Hoffnung, dass es besser werden würde.

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Ich konnte meine Augen nicht länger verschließen und darauf vertrauen, dass die Zeit alle Wunden heilen würde. Kinga war im Begriff, unser aller Leben zu zerstören. Sie hatte schon seit geraumer Zeit meine Nerven aufs äußerste beansprucht, doch nun terrorisierte sie auch noch ihre Schwester. Vielleicht wäre es das einfachste, wenn ich sie einfach davon jagen würde? Doch dann wurde mir klar, dass mein Dad genau das mit mir gemacht hatte. Nein, ich würde mein Kind nicht im Stich lassen. Sie zerstörte gerade ihr eigens Leben, ihre ganze Zukunft. Das konnte ich nicht zulassen. Nur war ich nicht mehr in der Lage, ihr zu helfen, doch jemand anderes war dazu im Stande. Ich holte mein Handy hervor und wählte eine Nummer. "Joanna, du musst mir helfen. Es wird Zeit, eine alte Schuld zu begleichen."



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Ich weiß nicht, wie ich die folgende Nacht überstanden habe, ohne vor Hoffnungslosigkeit, Angst und Selbstzweifel zu vergehen. Doch als ich meine Zwillingsschwester sah, keimte in mir die Hoffnung auf, dass doch noch alles gut werden könnte. "Du bist dir sicher?", fragte sie als sie die Veranda hochstiegt. Ein schwaches nicken war alles was sie zur Bestätigung brauchte. Ich führte sie zu Kingas Zimmer, was ich zu unser aller Sicherheit letzte Nacht abgeschlossen hatte. Als sich die Tür öffnete, bewarf mich meine Tochter mit den wüstesten Beschimpfungen. Ich zuckte zusammen, doch Joanna stolzieret unbeeindruckt auf sie zu.

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"Was will die denn hier", fragte Kinga mich sichtlich aus der Fassung gebracht. "Dir helfen", erwiderte ich schwach und drehte mich von ihr ab, weil ich es nicht ertrug, ihr in die Augen zu blicken. "Was meint sie damit", zischte sie ihre Tante an. Meine Schwester lächelte zuckersüß. "Genau das, was sie gesagt hat, Kinga. Du hast jetzt zwei Möglichkeiten, entweder du bist die nette Nicht und folgst mir einfach in die Limousine, die draußen vor dem Haus auf uns wartet. Das erspart uns allen jede menge Ärger. Oder aber, du entschließt dich, dich deiner Mutter und mir zu widersetzten. Nun, dann wird es weniger schön. Aber vertrau mir, wenn ich sage, dass du unter dieser Entscheidung am meisten leiden würdest und das willst du doch nicht, nicht wahr Schatz?"

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Es war nicht schwer zu erraten, welche der beiden Optionen Kinga wählen würde, doch damit hatte Joanna gerechnet. "Olek", rief sie ihren Gorilla herbei, der im Flur gewartet hatte und sie musste nicht weiter erklären, was zu tun war. Kinga schrie und trat um sich, doch gegen den viel größeren und stärkeren Mann hatte sie keine Chance. "Ich hasse dich, Mutter! Ich hasse dich!", schrei sie mich an, als Olek sie aus dem Raum zerrte. Ich weinte immer noch bitterlich. Ich hatte erwartet, dass es schwer werden würde, aber nicht, dass mir mein Herz aus der Brust gerissen wurde.

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Erst als Kinga bereist im Wagen saß und ihre Wutschreie und Hasstiraden nur noch dumpf durch die Autoscheibe zu mir drangen, wagte ich es, nach draußen zu treten. "Und du wirst dich wirklich gut um sie kümmern?", fragte ich meine Schwester unter Tränen. "Ich werde dafür sorgen, dass sie ihr Leben wieder in geordnete Bahnen bringt, Xana. Es wird nicht leicht, weder für sie, noch für dich. Aber vertrau mir, Xana, du tust das alles nur zu ihrem Besten." Meine Zwillingsschwester gab mir einen Wangenkuss und stieg dann zu Kinga und Olek in den Wagen. Kingas Blick, so voller Hass und flehentlich zugleich, als sie um die Ecke bogen, würde ich niemals vergessen können.

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Eine Weile nachdem das Auto davon gefahren war, fand mich Dominik weinend, wie ein Häufchen Elend auf dem Boden hockend, in Kingas Zimmer vor. Er hatte zuvor das Haus mit Klaudia verlassen, damit sie nicht auch noch mit ansehen musste, wie ihre große Schwester gewaltsam aus ihrem Zuhause gezerrt wurde. Er trat zu mir und zog mich zu sich hoch. Dann strich er mein Haar aus dem Gesicht und küsste mich auf die Stirn. "Wir haben richtig entschieden, Brodlowska. Sie hat uns keine Wahl gelassen. Wir haben alles getan, um ihr zu helfen. Jetzt müssen wir deiner Schwester vertrauen."

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Das wollte ich, doch es fiel mir so schwer. "Ich muss jetzt leider zurück nach SimVegas", erklärte er betrübt und hielt meine Hand. "Ich kann Sky nicht länger bei seinen Großeltern lassen. Aber ruf mich an, wenn du mich brauchst. Es spielt keine Rolle, zu welcher Uhrzeit." "Danke, Dominik", erwiderte ich mit schwacher Stimme. "Und verzeih mir, dass ich dich nicht heiraten kann. Nicht jetzt. Ich brauche Zeit um mir über einiges klar zu werden, über Kasimir und dich, jetzt noch mehr als jemals zuvor. Bitte gib mir etwas Zeit." Dominik lächelte traurig. "Du weißt ja, ich stehe jeder Zeit für dich bereit", antwortete er und ließ mich dann schweren Herzens im verlassenen Zimmer unserer Tochter zurück.

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Und ich würde Zeit brauchen. Das merkte ich spätestens in dem Moment, als einige Tage später die Haustür aufschwang und ich eine vertraute Stimme, "Hallo Perle, schau mal wer wieder da ist, um von dir verwöhnt zu werden", sagen hörte. Das seltsam zufriedene Gefühl, dass sich beim Klang seiner Stimme in mir ausbreitete, sagte mir, dass mein Herz noch längst keine Entscheidung getroffen hatte.

Gedanken

Ich übergab Kinga in die Obhut meiner Zwillingsschwester. Ich hätte es nicht getan, wenn ich nicht wenigstens die Hoffnung gesehen hätte, dass ich meiner Tochter selbst helfen konnte. Kinga war auf dem direkten Weg gewesen, sich ihr ganze Zukunft zu zerstören.
Deshalb musste ich diese Vereinbarung mit Joanna treffen. Sie hatte Wege und Mittel um Kinga wieder zur Vernunft zu bringen. So wie sie es mir erklärte, würde sie Kinga in die Agentenausbildung schicken. Ihren Aufenthaltsort verriet sie mir nicht und ich würde auf unbestimmte Zeit keinen Kontakt zu meiner Tochter haben können. Auch wenn mir diese Entscheidung schwer fiel, so glaube ich doch, dass sie die einzig Richtige war. Ich selbst wusste zu gut, wie wichtig es war, sich von der Vergangenheit zu lösen, wenn man wieder nach vorne blicken wollte.

Joanna versprach mir keine Wunder. Ich durfte nicht erwarten, dass irgendwann eine Tochter vor mir stand, die mir schluchzend und dankend um den Hals fallen würde. Aber Joanna konnte aus Kinga eine Frau machen, die wieder in der Lage war, ein selbstständiges Leben zu führen. Und dennoch hoffte ich, dass Kinga irgendwann verstehen würde, dass ich diese schwere Entscheidung des Gewissens nur in ihrem Sinne getroffen hatte und sie mir eines Tages verzeihen konnte.

Denn Tod meiner Großmutter verkraftete ich indessen sehr gut. Sie war nicht überraschend von mir gegangen, wie mein geliebter Albert oder meine beiden Väter. Ich hatte Zeit gehabt, mich angemessen von ihr zu verabschieden und ihr meine Liebe zu zeigen. Ich wusste, dass sie bis zu ihrem Tod glücklich war und mehr konnte man vom Leben nicht erwarten.

Ich wäre auch gerne glücklich geworden und Dominik bot mir die Chance, es wieder zu sein. Als er vor mir kniete, schrie mich mein Verstand förmlich an, seinen Antrag anzunehmen. Aber es war seltsamerweise mein Herz, was zögerlich reagierte. Ich liebte Dominik, da bestand kein Zweifel, aber konnte ich wirklich wieder mit ihm zusammen sein? Konnte ich darauf vertrauen, dass er mir meinen Betrug nicht irgendwann wieder vorwarf? Ich war mir einfach zu unsicher. Und diese Unsicherheit rührte auch daher, weil ich für Kasimir mehr empfand, als ich mir selbst eingestehen wollte. Er hatte Ecken und Kanten, aber ich konnte mir sicher sein, dass sein Herz bedingungslos für mich schlug.

Ohne Kinga wurde die Simlane ruhiger, doch keiner empfand dies als Erleichterung. Ihr Verlust wurde jedes Mal deutlich, wenn ihr Platz am Esstisch leer blieb und selbst wenn ich einfach nur ein Buch las und merkte, dass es keine laute Musik gab, über die ich mich hätte ärgern müssen wurde deutlich, dass etwas fehlte. Doch so sehr ich sie auch vermisste, sie fortzuschicken war die richtige Entscheidung gewesen.
 
Huhu Stev,

na bei Oxana geht aber schwer die Post ab %)

Das sie Dominiks Heiratsantrag erstmal abgelehnt hat, finde ich grundsätzlich vernünftig. Ich bin zwar kein Fan von Kasimir, aber sich jetzt Hals über Kopf "schon wieder" in eine neue alte Sache zu stürzen, hat wenig Sinn.

Was Kinga da treibt, finde ich sehr bedenklich. Sie hat es sich selbst zuzuschreiben, das Oxana sie zu ihrer Zwillingsschester gegeben hat. Auch wenn die Vorgeschichte dazu auch nicht die ware Wonne war (Dominik ist ja nicht ihr richtiger Vater), so kann sie ihrer Mutter nicht nach so viel vergangener Zeit immer noch Vorwürfe machen. Hoffentlich hilft die Zeit bei Oxanas Zwillingsschwester, um wieder in die richtigen Bahnen gelenkt zu werden.

Du hast die Geschichte wieder toll beschrieben und ich warte sehnsüchtig auf eine Fortsetzung :)

Liebe Grüße
BlackEve
 
@BlackEve

Danke für deinen Kommentar! Ich hab mich sehr darüber gefreut.

Ich glaube, es gibt wenige Fans von Kasimir ;) Dennoch liebt er Oxana und sie liebt ihn auch...irgendwie. Und bei ihm muss sie nicht befürchten, dass er ihr alte Geschichten vorwerfen könnte.

Wir werden noch sehen, wie kinga sich in Joannas Obhut macht. Sie wird es dort auch nicht einfach haben, aber sie muss endlich lernen, mit ihrer Wut auf Oxana besser umzugehen, wenn sie sie schon nicht beiseite schieben kann.
 
Was bisher geschah:
(Zusammenfassung der vorherigen Aufgaben)



Vor 20 Jahren hatte ich eine Affäre mit Albert, einem verheirateten Mann und Vater von vier Kindern. Diese Affäre blieb nicht ohne Folgen und bald schon merkte ich, dass ich schwanger war. Da ich Alberts Ehe und Familie um keinen Preis zerstören wollte, erzählte ich ihm nichts von dem Kind und das, obwohl ich ihn schon damals über alles liebte. Stattdessen suchte ich mir einen Ersatzvater für mein ungeborenes Kind. Geplant war, dass Dominik mich verließ, wenn er von meiner Schwangerschaft erfuhr.

Doch Dominik dachte nicht einmal daran. Er freute sich auf das Kind, unser Kind, und unsere gemeinsame Zukunft. Also wurde meine Tochter Kinga in eine scheinbar glückliche Familie hinein geboren. Doch ich liebte Dominik nicht und auch meiner Tochter konnte ich nicht die Liebe entgegenbringen, die sie verdient hätte. Ich fühlte mich einfach zu schuldig über die Affäre, aus der sie hervorgegangen war.

Viele Jahre bleib ich bei Dominik, doch meine Gefühle für Albert waren nie erlöschen. Schließlich konnte ich sie nicht länger unterdrücken und Albert und ich waren bereit, uns von unseren bisherigen Partnern zu trennen und eine gemeinsame Zukunft zu beginnen. Doch meine Träume wurden jäh zerstört, als Albert in einem Autounfall ums Leben kam. Kurz nach seinem Tod stellte ich zudem fest, dass ich erneut schwanger war. Ob Alber oder Dominik der Vater meines Kindes waren, vermochte ich nicht sagen.

Vor Verzweiflung und Trauer fiel ich in ein tiefes Loch. Dominik versuchte zwar, mir wieder auf die Beine zu helfen, aber er kam kaum an mich heran, weil er nicht wusste, wie es in meinem Herzen aussah. Ich floh zu meiner Großmutter nach Warschau, die mir schließlich den Rat gab, Dominik zu heiraten. Da ich Dominik inzwischen sehr schätzte und mein ungeborenes Kind nicht ohne Kind aufwachsen sollte, folgte ich ihrem Rat und wurde Dominiks Frau. Und wir wurden eine glückliche Familie, Dominik, Kinga, meine zweite Tochter Klaudia und ich. Zwar liebte ich Dominik nach wie vor nicht, aber ich war dennoch zufrieden mit meinem Leben.

Bis zu dem Zeitpunkt, als meine Zwillingsschwester Joanna auftauchte und mir offenbarte, dass sie der Kopf einer Verbrecherorganisation war und meine Hilfe bei einem ihrer finsteren Pläne benötigte. Sie erpresste mich mit dem Wissen um Kingas wahren Vater und schickte mich auf eine Mission, die mich beinah das Leben kostete. So schrecklich dieses Ereignis auch war, dadurch merkte ich, wie sehr ich meine Familie und auch meine Mann liebte. Endlich konnte ich ihm all die Liebe entgegenbringen, mit der ich seit Jahren von ihm überhäuft wurde.

Alles wäre wunderbar gewesen, wenn Dominik nicht durch einen dummen Zufall erfahren hätte, dass er nicht Kingas Vater war und dies auch bei Klaudia fraglich blieb. Dominik konnte mir nicht länger vertrauen und verließ mich. Kinga verkraftet den Verlust ihres Vaters nicht und entwickelte einen tiefen Hass auf mich und auch auf ihre kleine Schwester Klaudia, die sich später doch als Dominiks leibliches Kind entpuppte. Dominik heiratete erneut und bekam einen Sohn. Auch ich hatte mehrere Beziehungen, bis ich schließlich mit Kasimir einen neuen Mann fürs Leben fand.

Die Krankheit meiner Großmutter wirbelte mein Leben wieder durcheinander. Ich musste nach Warschau und auf Wunsch meiner kranken Großmutter begleitete mich Dominik. Dort kamen mein Exmann und ich uns wieder näher. Es ging sogar so weit, dass Dominik mir seine Liebe offenbarte und mich bat, erneut seine Frau zu werden. Ich liebte ihn, aber ich brauchte Zeit für eine Entscheidung. Zudem warteten Zuhause größere Probleme auf mich. Kinga war nicht nur wütend auf mich, nein, sie versuchte auch ihre Wut mit Alkohol, Sex und Drogen zu unterdrücken. Da ich keinen anderen Ausweg mehr sah, bat ich meine Schwester Joanna um Hilfe. Sie verfügte über die notwendigen Mittel, um meine Tochter wieder auf einen rechten Pfad zu bringen.

Kapitel 139: Zwei zu lieben

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Sechs Wochen. Seit sechs Wochen hatte ich meine Tochter nicht mehr gesehen. Ich konnte noch genau hören, wie sich mich beschimpfte, als sie von einem von Joannas Männern in das Auto gezerrt wurde. Ich konnte noch genau ihren hasserfüllten Blick sehen. Und ich konnte es ihr nicht verübeln. Ich hatte versagt. Ich hatte als Mutter versagt. Es war meine Aufgabe gewesen, sie zu einer verantwortungsvollen, selbstbewussten Frau zu erziehen, doch das war mir nicht gelungen.

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Ich saß in ihrem Zimmer. Ich hatte nichts verändert. Immer noch stand alles an seinem Platz. Die Poster hingen an den Wänden, das Bett war frisch bezogen und ihre Kleidung lag gewaschen und gebügelt im Schrank. Alles war für ihre Rückkehr vorbereitet und ich wartete nur auf den Anruf meiner Schwester, die mir mitteilte, dass mein Mädchen endlich wieder nach Hause könne. Aber ich wusste, dass Joanna nicht anrufen würde. Nicht heute und nicht in einer Woche. Es würde Monate dauern, bis Kinga wieder zurück kehren konnte. Vielleicht würde sie sogar nie wieder heim kehren.

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"Mami. Mami!", dumpf drang Klaudias Rufen zu mir durch. Hastig wischte ich mir die Träne weg, die sich ihren Weg meine Wange hinunter bahnte. Klaudia betrat das Zimmer ihrer großen Schwester und kam auf mich zu. "Mami, warum sitzt du schon wieder alleine hier in Kingas Zimmer?", fragte sie besorgt. "Das ist nicht gut für dich. Komm lieber raus zu mir und Goya."

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Mein Pummelchen hatte Recht. Es hatte keinen Sinn den ganzen Tag Trübsal zu blasen. Ich folgte ihr hinaus in den Garten und als ich meiner Tochter zusah, wie sie die Treppe hinunter stieg, wusste ich, dass es richtig gewesen war, Kinga in die Obhut meiner Schwester zu geben. Klaudia hatte zunehmend unter Kingas Verhalten gelitten und war regelrecht aufgeblüht, nachdem sie nicht mehr den Launen und Schikanen ihrer älteren Schwester ausgesetzt war. Und ich war mir sicher, dass Joanna Kinga wieder zur Besinnung bringen konnte. Ich kannte meine Schwester und wusste, dass sie nicht aufgeben würde. Sie würde sich Kingas Verhalten nicht gefallen lassen und die nötige Stärke aufbringen, um ihr zu helfen. Ich war dazu nicht in der Lage gewesen.

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Goya drehte lediglich ihren Kopf in unsere Richtung und verzog sich dann gähnend in ihre Hundehütte. "Auch egal", sagte Klaudia achselzuckend und kramte einen Golfball und -schläger unter der Veranda hervor. "Dann spielen wir halt Minigolf." Obwohl die kleine Anlage schon seit Jahren hinter meinem Haus stand, hatte ich sie nur selten genutzt. Ganz im Gegensatz zu Klaudia, die hier mit Tristan schon viele Stunden verbracht hatte. Und so war es nicht verwunderlich, dass ich mich recht ungeschickt anstellte und meine kleine Tochter mir hilfreiche Tipps gab.

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Eine vorüberziehende Wolke brachte einen kurzen, aber intensiven Regenschauer mit sich, der typisch war für den Herbst in der Sierra Simlone, aber auch unser Spiel unterbrach. Als die Wolken sich wieder verzogen hatten, stand ein willkommender Besucher vor der Tür. "Hallo Anan", begrüßte ich meinen früheren Schwiegervater mit einem Kuss auf die faltige Wange. "Hallo mein Mädchen", begrüßte er mich ebenso innig.

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"Ist bei Glinda und dir alles in Ordnung?", erkundigte ich mich. "Gerda erwähnte, dass Glinda in letzter Zeit öfter beim Arzt war. Fehlt ihr etwas?" "Mach dir keinen Kopf, Tochter", antwortet Anan. "Glinda ist zäh wie Leder, aber wenn man ein gewisses Alter erreicht, dann will der Körper nicht mehr so wie früher. Und wie geht es dir und denn Kindern? Hat Kinga sich gut im Internat eingelebt?" Augenblicklich verkrampfte ich mich und begann herumzudrucksen. "Ja…ja, sie fühlt sich wohl im Internat. Und Simtropolis gefällt ihr auch sehr gut. Ich hab ihr gesagt, sie soll euch schreiben, aber du kennst Kinga ja."

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Anan runzelte die Stirn. "Simtropolis? Dominik hat mir erzählt, Kinga wäre in Drei Seen, wegen der guten Luft dort. Oxana, hier stimmt doch etwas nicht. Was verschweigen Dominik und du uns? Wo ist Kinga wirklich?" Beschämt schaute ich zu Boden und rieb mir mit einer Hand die Schläfe. Ich konnte Anan nicht anlügen. Ich musste ihn die Wahrheit sagen, auch wenn es mir schwer fiel und sehr unangenehm war.

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"Kinga ist nicht im Internat", erklärte ich also wahrheitsgemäß. "Sie wurde von der Schule geworfen, weil ihr Verhalten untragbar wurde. Du hast ja selbst gesehen, mit was für Leuten sie ständig rumhing. Und...sie hat Drogen genommen. Ich weiß nicht, wie lange das schon so lief, aber als Dominik und ich von der Beerdigung meiner Großmutter zurück kehrten, fanden wir sie zugedröhnt und bewusstlos im Haus." Ich erwähnte nicht, dass sie auch noch ihren Körper verkaufte, um an die Drogen zu kommen. Alles musste auch Anan nicht wissen. "Kinga zeigte aber keine Einsicht und deshalb bat ich meine Schwester in SimCity um Hilfe. Sie kennt eine Einrichtung, in der man sich um Kinga kümmern wird. Dort ist sie jetzt. Und so lange es ihr nicht besser geht, ist uns der Kontakt zu ihr untersagt."

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Anan wirkte betroffen. Ich hatte befürchtet, dass er mir Vorwürfe machen würde, dass ich Kinga einfach so weggegeben hatte, aber das tat er nicht. Stattdessen machte er sich selbst Vorwürfe. "Ich hab gesehen, dass es dem Mädchen nicht gut ging, nachdem sie erfahren hatte...nun nachdem sie wusste, dass Dominik nicht ihr leiblicher Vater ist. Aber ich hatte nicht erkannt, dass es ihr deswegen so schlecht ging." Ich strich meinem früheren Schwiegervater sanft über die Schulter. "Wir haben alle nicht erkannt, wie ernst die Lage war. Aber ich hoffe inständig, dass meine Schwester Kinga die notwendige Hilfe zukommen lässt."

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Ich bat Anan ins Haus und wir spielten Schach und unterhielten uns dabei, bis in die Nacht hinein. Es tat gut, mit Anan über Kinga zu sprechen. Gegenüber Klaudia wollte ich das Thema nicht anschneiden, mit Kasimir konnte ich über solche Dinge nicht sprechen und Tristan war zwar ein sehr enger Freund, aber er gehörte einfach nicht zur Familie. Anan war Kingas Großvater, ganz egal ob sie nun seine Gene trug oder nicht und ich wusste, dass sie ihm genauso wichtig war wie Klaudia oder eines seiner eigenen Kinder.

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Wenn ich Anan anblickte, dann erkannte ich so viel von Dominik in ihm. Äußerlich ähnelte Dominik mehr seiner Mutter, aber Anan und er teilten viele Charakterzüge. Wenn Anan bei mir war, dann war es fast so, als ob auch Dominik hier wäre. Ich hätte mir gewünscht, meine Probleme mit Dominik besprechen zu könnte, aber seitdem ich seinen Antrag abgelehnt hatte, vermied er es, mit mir zu reden. Er wartete immer noch meine Entscheidung ab und bis ich die nicht getroffen hatte, wollte er auf Abstand gehen. Und ich konnte ihn gut verstehen.



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Aber mit Anan konnte ich nicht über meine schwierige Beziehung zu Dominik reden. Als ich den Großvater meiner Kinder verabschiedete, war es bereits weit nach Mitternacht. Kasimir lag bereits leise schnarchend im Bett. Seit Dominiks Antrag habe ich nicht mehr mit ihm geschlafen, das war jetzt sechs Wochen her. Er akzeptierte es, weil er dachte, meine Unlust läge an Kingas Weggang und er nahm es hin, auch wenn ich merkte dass ihn die Situation zunehmend missmutig stimmte.

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Aber genau diese Tatsache machte es mir so schwer, eine Entscheidung zu treffen. Sechs Wochen wies ich ihn zurück und er blieb bei mir. Eine Zeit lang hatte ich gedacht, dass unsere Beziehung nur auf Sex beruhte, aber die jetzige Situation zeigte mir, dass dem nicht so war. Er liebte mich wirklich und ich...ich liebte ihn auch. Das war ja das Schlimme, ich liebte Dominik und ihn. Und bereits im Halbschlaf rutschte ich zu Kasimir hinüber und schmiegte mich eng an seinen breiten Rücken.

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Das war Kasimir wohl nicht entgangen. Denn als ich am Morgen die Küche betrat, kniff mir mein Lebensgefährte forsch in meinen Hintern. "Guten Morgen, Perle. Weißt du, wie sehr ich mich danach gesehnt habe, dass du mir wieder so nah kommst?" Tristan sah und hörte scheinbar mehr, als ihm lieb war, denn er verbarg sein Gesicht hinter seinen Händen und auch Goya blickte uns an, als ob wir den Verstand verloren hätten.

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Was machte der Hund überhaupt im Haus? Aber ich war froh, dass ich mich von Kasimir abwenden konnte, um Goya nach draußen zu scheuchen. Wieso konnte ich nicht endlich eine Entscheidung treffen? Gerade wäre ich Kasimir am liebsten um den Hals gefallen, aber in der nächsten Sekunde musste ich an Dominik denken.​

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Kasimir hatte sich inzwischen mit der Morgenzeitung an den Esstisch gesetzt und ich gesellte mich zu ihm und aß eine gefüllte Waffel. Wenn es schon in meinem Herzen drunter und drüber ging, dann sollte doch wenigstens mein Bauch gut gefüllt sein. Eine Schlagzeile im Wirtschaftsteil schlug Kasimir die Zornesröte ins Gesicht. "Diese Simnistrischen Schweine!", brummt er. "Die haben doch tatsächlich die Exportsteuer für Erdöl in die SimNation um 150 % erhöht. Die haben sie doch nicht mehr alle, das treibt unsere Fördergesellschaften dort vor Ort doch in den Ruin. Die wollen uns fertig machen!"

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"So schlimm wird es schon nicht werden", entgegnete ich. "Simnistrien startet doch gern solche Aktionen. Ich bin sicher, dass sie die Steuererhöhung in ein paar Tagen wieder zurück nehmen, also mach dir keinen Kopf." Simnistrien war ein Land in Südamerika, reich an Erölvorkommen und eine ehemalige Kolonie der SimNation. Und das machte es so kompliziert. Die Unabhängigkeit verlief nicht gewaltlos. Viele gute Männer sind auf beiden Seiten ums Leben gekommen. Und heute war Simnistrien ein verarmtes Land, das weiterhin großen Zorn auf die ehemaligen Kolonialherren hegte. Kasimir grummelte etwas Unverständliches in seinen Bart und widmete sich weiter seiner Zeitung, während ich den Frühstückstisch abräumte.

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Er hatte sich gerade etwas beruhigt, als sein Handy klingelte. Kasimir legte die Zeitung beiseite und griff nach dem Mobiltelefon, das auf dem Couchtisch lag. Ich bekam mit, dass er mit seinem Chef sprach und auch, dass es um die schlechten Nachrichten aus der Zeitung ging. "In Ordnung Herr Naphtha, Herr Linse und ich werden uns sofort in der Geschäftsstelle einfinden. Auf Wiedersehen", beendete er das Gespräch.

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"Was ist denn passiert, Kasimir?", fragte ich, als er aufgelegt hatte. "Heute ist doch euer freier Tag." "Die Lage ist wohl doch ziemlich ernst", antwortete er. "Bei der SimÖl ist wohl der Teufel los, immerhin fördern wir fast 4/5 unseres Erdöls in Simnistrien. Tristan und ich müssen sofort zu einer Notfallsitzung. Mein Chef klang wirklich niedergeschlagen, fast schon ängstlich. Oh Mann, Perle", seufzte er, "dabei hatte der Tag doch so schon angefangen." Bei seinen letzten Worten ließ er sich nicht nehmen, mich anzüglich anzugrinsen.
 
Kapitel 140: Verluste

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Und wieder fuhren meine Gefühle Achterbahn. So konnte es einfach nicht weiter gehen. Wenn ich nicht endlich eine Entscheidung traf, dann würde ich noch durch drehen. Tristan und Kasimir brachen auf zur Zentrale der Ölgesellschaft und ich zog mich um und ging hinaus auf die Plantage. Doch wenn ich alleine war, dann musste ich ständig an Kinga denken und auch das bekam mir auf Dauer nicht gut. Goya begleitete mich, nicht länger sauer, dass ich sie aus dem Haus verjagt hatte, und half mir nach Schädlingen in den Zitrusbäumen Ausschau zu halten.

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Ich blieb den ganzen Tag auf der Plantage. Als ich am Abend in die Simlane zurückkehrte, saß Kasimir bereits missmutig auf dem Sofa. "Wie ist die Sitzung verlaufen?", fragte ich vorsichtig, da ich bereits ahnte, dass die Antwort nicht positiv ausfallen würde. Kasimir stand auf und verschränkte die Arme vor der Brust. "Die Gesellschaft steht kurz vor dem Bankrott. Durch die Steuer ist unser Öl viel zu teuer. Keiner will es mehr kaufen. Wir versuchen erstmal, die Krise auszusitzen. Alle Bohrtürme wurden still gelegt, auch hier in der Sierra Simlone, um die laufenden Kosten zu senken. Wir können nur hoffen, dass das Simnistrische Wirtschaftsministerium nur die Muskeln spielen lassen wollte."

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Das waren keine guten Nachrichten. "Die Welthandelsorganisation wird doch sicher eingreifen. So eine Steuererhöhung kann nicht rechtens sein", erwiderte ich. Doch Kasimir schnaufte nur verächtlich. "Also ob sich Simnistrien je darum geschert hätte, was die WTO oder die Vereinten Nationen sagen. Ach egal, sei‘s drum. Tristan und ich sind fürs erste beurlaubt, unbezahlt versteht sich."

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"Wo ist Tristan denn überhaupt?", fragte ich und Kasimir deutete auf das Arbeitszimmer. Mein langjähriger Freund und Mitbewohner saß am PC und schrieb eifrig e-mails. "Alles in Ordnung?", erkundigte ich mich besorgt. Tristan antwortete eine Weile nicht, sondern starrt nur auf den Bildschirm. Dann schüttelte er den Kopf. "Nein Oxana, nichts ist in Ordnung. Morgen wird bekannt, dass die SimÖl die Förderung eingestellt hat. Die Aktienkurse werden ins Bodenlose stürzen." Ich verstand zunächst nicht, warum Tristan sich deswegen solche Sorgen machte. Was kümmerte uns die Börse?

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"Oxana, wir verlieren dadurch unser ganzes Geld! Du hattest mich nach der Scheidung doch gebeten, deine Ersparnisse zu verwalten. Ich hab es an der Börse angelegt. In Aktien der SimÖl. Morgen werden sie nichts mehr wert sein." Geschockt sah ich ihn an. "Und du kannst nichts dagegen tun?", fragte ich fassungslos. Tristan seufzte schwer. "Ich versuche gerade zu retten was geht, aber ich will ehrlich sein, Oxana, ich fürchte, dass ich nichts mehr tun kann." Tristan wagte es nicht, mich anzusehen. Er hatte gerade nicht nur sein Geld verloren, sondern auch meins und das belastete ihn noch schwerer.

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"Es tut mir leid, Oxana. Es tut mir so wahnsinnig leid", flüsterte er. "Aber das Haus ist sicher, ebenso dein Land. Ich habe nur deine Ersparnisse angelegt, das versichere ich dir." An das Haus hatte ich gar nicht gedacht, aber ich war erleichtert, dass ich mir darum keine Sorgen machen musste. Nur Tristan sah immer noch so aus, als ob er jeden Moment zusammenbrechen würde.

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"Das ist doch nicht deine Schuld Tristan", tröstete ich meinen Freund. "Niemand konnte ahnen, dass so etwas passiert. Ich weiß doch, dass du mein Geld nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt hast. Und es ist doch nur Geld, solange die Farm sicher ist, ist alles nur halb so schlimm. Wir müssen den Gürtel jetzt etwas enger schnallen, aber es wird sicher bald wieder aufwärts gehen." So ganz glaubte ich meinen Worten selbst nicht, aber Tristan fühle sich nach dieser Ansprach zumindest etwas besser.



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"Warte doch erst ab, wie sich die Börse entwickelt", redete Kasimir auf mich ein. Wir lagen zusammen auf dem Bett und er nahm mich in den Arm. Ich wusste, dass es falsch war. Es war Dominik gegenüber einfach nicht fair, aber ich brauchte eine Schulter, an die ich mich anlehnen konnte. Mein schlechtes Gewissen Kinga gegenüber lastete seit Wochen auf mir und jetzt kamen auch noch die finanziellen Probleme hinzu.

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So nah waren wir uns schon lange nicht gekommen und Kasimir nutzte die Gelegenheit, um intim zu werden. Seine Hand rutschte unter mein Leibchen und berührte mich. Doch ich konnte das nicht. Ich griff seine Hand und schob sie bestimmt fort. Hastig richtete ich mich auf und setzte mich auf die Kante des Bettes "Kasimir, es tut mir leid", flüsterte ich und meinte diese Worte ernst. Er erwiderte darauf nicht, sonders starrte enttäuscht und frustriert an die Wand vor ihm. "Ich schlafe heute in Kingas Zimmer", erklärte ich ohne ihn anzublicken und verließ das Schlafzimmer.

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Warum tat ich das bloß immer wieder? Warum verletzte ich bloß immer alle Menschen um mich herum? Kasimir liebte mich und ich stieß ich von mir weg. In gewisser Weise betrog ich ihn sogar mit Dominik. So durfte es nicht weiter gehen. Wie so oft in letzter Zeit, kuschelte ich mich in Kingas Bettdecke. Beim Gedanken an meine Tochter stiegen mir die Tränen in die Augen. Auch sie hatte ich nicht so lieben können, wie sie es verdient hatte. Warum tat ich allen Menschen um mich herum immer nur weh?



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Obwohl ich schon kurz nach Sonnenaufgang wach wurde, blieb ich noch lange im Bett liegen. Erst als ich Klaudias Schulbus hörte, entschied ich mich dazu, das Bett zu verlassen. Das Haus lag vollkommen still da. Ich nahm mir eine Handarbeitszeitschrift und begann einen Artikel über das Häkeln von Tischdecken zu lesen. Eigentlich interessiert es mich nicht, aber es lenkte mich ab. "Morgen Oxana", begrüßte Tristan mich, als er mit der Morgenzeitung in der Hand das Haus betrat. "Hattest du etwa Streit mit Kasimir?", fragte er neugierig.

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Ich legte die Zeitschrift beiseite und Tristan setzte sich zu mir auf das Sofa. "Streit würde ich es nicht nennen", antwortete ich wahrheitsgemäß. "Aber ich fürchte, ich hab Kasimir in den letzten Wochen genügend Gründe gegeben, um wütend auf mich zu sein." "Ja, er war ziemlich angepisst", bestätigte Tristan. "Deshalb ist er auch ganz früh am Morgen zur Herde rausgefahren. Darum musst dich also nicht kümmern." Ich wusste nicht, ob ich darüber wirklich froh sein sollte. Die Arbeit auf der Farm war nämlich eine willkommene Ablenkung.

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"Willst du darüber reden, was dich bedrückt?", fragte Tristan einfühlsam. "Ich merke doch, dass Kasimir und du schon seit Wochen Probleme habt." Ich schluckte schwer. Sollte ich wirklich mit Tristan besprechen, dass ich mich zwischen Kasimir und Dominik nicht entscheiden konnte? Schließlich entschied ich mich dagegen. Tristan war zwar ein enger Vertrauter, aber seine Auffassung von Beziehung, Liebe und Treue unterschied sich so sehr von meiner, dass ich nicht glaubte, von ihm eine Lösung für mein Problem zu erhalten.

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Tristan kannte mich gut genug, um nicht weiter nachzuhaken. Ich hielt mich aus seinen Liebesangelegenheiten heraus und er sich aus meinen. So handhabten wir das nun schon seit Jahren und waren damit beide gut gefahren. Er nahm die Fernbedienung und schaltete den Nachrichtensender ein. "Dann wollen wir doch mal schauen, wie schlimm die Lage wirklich ist", seufzte er. Und die Lage war schlimm. Der SNAX war über Nacht um fast 10 % eingebrochen. Nach Bekanntgabe des Förderstopps bei der SimÖl brach die Aktie binnen Stunden um über 80 % ein. Tristan und ich konnten nur fassungslos mit ansehen, wie unsere Ersparnisse sich in Luft auflösten.

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Tristan hatte versuchte zu retten, was zu retten war und verkaufte den Großteil unserer Aktien, bevor sie vollständig an Wert verloren. Niemand glaubte, dass die Aktienkurse in den nächsten Monaten wieder steigen würden, denn der Ton zwischen der SimNation und Simnistrien wurde Zusehens schärfer. Am Ende blieben uns von einem Aktienwert von fast 50000 § knapp 2500 §. Mein Mitbewohner zog sich blass wie eine Wand in die hinterste Ecke des Gartens zurück. Ich hatte Tristan noch nie so niedergeschlagen erlebt.

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Der Verlust des Geldes machte mir erstaunlich wenig aus. Wahrscheinlich hatte ich in letzter Zeit zu viele Verluste verkraften müssen, als das ich mir den Kopf des Geldes wegen zerbrach. Tristan hingegen hockte stundenlang auf der Stiege zum Whirlpool, mitten in der Mittagssonne, und es sah nicht so aus, als ob er bald wieder ins Haus kommen würde. Sonst war Tristan immer derjenige, der mich aus einem tiefen Loch zog, doch diesmal brauchte er Hilfe. Aber nicht von mir, sondern von dem Mann, den er liebte. Ich rief Frank an und bat ihn, so schnell es ging zu kommen. Und allein der Anblick seines Freundes genügte, damit Tristan in Tränen ausbrach und sein Gesicht in Franks Schulter vergrub. Frank brauchte nichts zu sagen. Es genügte, dass er Tristan in dieser schweren Stunde Trost spendete.

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Ich beobachtete die beiden durchs Küchenfenster hindurch. Tristan wirkte nach wie vor sehr niedergeschlagen, aber immer wieder huschte ab und an ein Lächeln über sein Gesicht. Die beiden liebten sich, gar keine Frage, und das obwohl Tristan sein Bett immer wieder mit anderen Männern teilte. Und bei diesem Anblick wurde mir bewusst, wie einsam ich war, wie sehr ich mich nach wahrer Liebe sehnte.​
 
Kapitel 141: Herz oder Vernunft?

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Ich griff nach meinen Schlüsseln auf dem Küchentresen und verließ fluchtartig das Haus. Nur mit Mühe gelang es mir, die Tränen zu unterdrücken. Ich war so durcheinander, dass ich gar nicht realisierte, wohin ich lief. Und schließlich stand ich auf "Norman", Gerdas Farm. Verwirrt blickte ich mich um und brauchte einige Minuten um zu erkennen, wo ich war. Allerdings bemerkte mich bereits Elvira durch die gläserne Haustür hindurch.

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Mit einem Teller Waffeln in der Hand blieb sie mitten in der Küche stehen und beobachtete, wie ich orientierungslos immer wieder auf das Haus zuging und mich von ihm entfernte. "Mama", rief sie, "Tante Oxana steht vor dem Haus. Aber sie verhält sich irgendwie seltsam. Ich glaube, du solltest mal nach ihr sehen."

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Meine beste Freundin Gerda war gerade damit beschäftigt, das Badezimmer zu putzen. Es war nicht leicht ein Haus, das von fünf Personen, drei davon Männer, bewohnt wurde, sauber zu halten. Dass die Arbeit auf der Farm nicht gerade sauber war, machte es nicht einfacher. Sie hörte Elviras Rufen, stellte den Mopp beiseite und wischte sich mit dem Handrücken eine Strähne aus dem verschwitzten Gesicht. Elvira klang ernsthaft besorgt, also war es wohl besser, wenn sie mal nachsah.

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Gerda erkannte auf den ersten Blick, wie aufgelöst ich war. Sie wollte mich gerade ins Haus bitten, als meine Beine nachgaben und ich beinah hinfiel. Doch Gerda packte mich fest am Arm und hielt mich so auf den Beinen. "Ist schon in Ordnung, Oxana", redete sie auf mich ein und klopfte mir auf den Rücken. "Nach einer starken Tasse Kaffee geht es dir sicher gleich besser."

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Gerda führte mich in Wohnzimmer und ich nahm auf dem Sofa Platz. Sie ging kurz in die Küche und kehrte mit zwei Tassen frisch aufgebrühten Kaffee zurück. Ich nahm einen tiefen Schluck und augenblicklich ging es mir besser. Gerda blickte mich auffordernd an. "Jetzt erzähl schon, Oxana. Wo drückt denn der Schuh?" Wie so oft wollte ich zunächst abwinken und so tun, als ob alles in Ordnung sei, aber wozu hatte man Freunde, wenn man sich ihnen nicht anvertrauen konnte. "Ich liebe zwei Männer", antwortete ich also und fügte ein kleinlautes, "Wieder einmal", hinzu.

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Nun war es an Gerda einen tiefen Schluck vom Kaffee zu nehmen. Wir waren nun schon seit Jahren befreundet, aber es viel mir schwer, dieses Thema Gerda gegenüber anzusprechen. Immerhin hatte ich eine Affäre mit ihrem Mann gehabt. Und auch wenn dies nun schon 15 Jahre zurück lag, so schämte ich mich ihr gegenüber dafür. Gerda setzte die Tasse wieder ab und zu meiner Erleichterung erkannte ich keinen Vorwurf in ihren Blick. "Der eine Typ wird wohl Kasimir sein und wer ist der zweite Glückliche, der dein Herz erobert hat?", fragte sie.

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"Es ist Dominik. Er...er hat mir einen Heiratsantrag gemacht als ich mit ihm aus Warschau zurück gekommen bin. Ich war so überrumpelt, dass ich abgelehnt habe. Immerhin war und bin ich doch mit Kasimir zusammen. Wie sollte ich da annehmen? Ich hab ihm gesagt, dass ich nachdenken muss." "Aber du liebst Dominik, nicht wahr?", fragte Gerda. Ich nickte. "Wo liegt dann dein Problem? Trenn dich von Kasimir und nimm Dominiks Antrag an. Ich verstehe ohnehin nicht, was dich bei Kasimir hält."

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Gerda hatte meine Beziehung zu Kasimir nie gutgeheißen. Ich konnte sie sogar verstehen, denn immerhin war Kasimir als stadtweiter Weiberheld bekannt und vor vielen Jahren hatte er auch mich ausgenutzt. Aber ich war nun schon seit über drei Jahren mit ihm zusammen und auch wenn er anderen gegenüber oft unangenehm war, so hatte ich nie daran gezweifelt, dass seine Absichten mir gegenüber dieses Mal ernst waren. Er war erwachsen geworden. Er hatte aus seinen Fehlern gelernt und mich für sich gewonnen. "Ich fühle mich bei ihm sicher", antwortete ich Gerda schließlich. "Ich weiß, dass er mich leibt...und ich liebe ihn auch. Das Leben mit ihm ist so unkompliziert. Ich weiß nicht, ob du das verstehen kannst, Gerda, aber ich bin an die Beziehung mit Kasimir ohne Erwartungen heran gegangen und sie ist gut geworden. Wir führen ein schönes Leben zusammen und auch Klaudia kommt gut mit ihm aus. Er hilft mir mit der Farm und ich…bin einfach nicht mehr einsam."

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"Aber mit Dominik wärst du auch nicht einsam", wand Gerda ein. "Und er ist Klaudias Vater. Meinst du nicht, dass er noch viel besser mit ihr auskommen würde?" Natürlich hatte Gerda recht damit. All diese Gedanken hatte ich mir doch schon unzählige Male selbst gemacht. "Ich habe Angst, Gerda", gestand ich meiner Freundin. "Ich liebe Dominik. Ich liebe ihn, wie ich sonst noch nie einen Mann geliebt habe...vielleich, vielleicht mit Ausnahme von Albert. Und ich sehne mich danach, wieder in seinen Armen zu liegen. Aber was ist, wenn er mir meinen Betrug nicht verzeihen kann? Er sagt zwar, dass er darüber hinweg ist, aber was ist, wenn er mir in drei Monaten, drei Jahre oder gar in einem Jahrzehnt vorwirft, dass ich ihn wegen Kinga belogen habe? Ich kann mit dieser Angst nicht Leben. Ich könnte es nicht ertragen, diese Verachtung noch einmal in seinen Augen zu sehen." Gerda sah mich voller Mitgefühl an. Endlich verstand sie, warum ich keine Entscheidung treffen konnte.

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Aber ihr war auch klar, dass ich eine Entscheidung treffen musste, wenn ich mich nicht selbst zugrunde richten wollte. Sie stand auf, nahm mir die Tasse aus der Hand und stellte sie auf den Tisch neben den Fernseher. "Liebst du Kasimir?", fragte sie. "Ja". "Und liebst du Dominik?" "Ja, oh ja." "Und wenn du deine Augen schließt und dir dich selbst in dreißig Jahren vorstellst, war sitz da auf der Veranda neben dir?" "Dominik", hauchte ich ganz wie von selbst, ohne darüber nachzudenken. "Dann schnapp ihn dir! Denk nicht darüber nach, was sein könnte! Du wirst es nur herausfinden, wenn du dich traust. Und wenn du dich jetzt nicht für Dominik entscheidest, dann wirst du dich immer fragen, wie es hätte werden können. Ich war damals bereit, Albert für dich gehen zu lassen. Nun bist du an der Reihe deine Ängste zu überwinden und zu Dominik zurück zu kehren."

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"Aber...", wollte ich erwidern, doch Gerda ließ keine Widerworte zu. Stattdessen griff sie meine Hände und redete auf mich ein. "Du liebst Dominik. Wenn du von ihm sprichst, dann sehe ich in deinen Augen den Glanz, mit dem du früher Albert angesehen hast. Ihr beide gehört einfach zusammen. Du wirst zu Kasimir gehen und dich von ihm trennen und dann wirst du Dominik anrufen und seinen Antrag annehmen, wie du das schon hättest tun sollen, als er dich gefragt hat. Ist das klar Oxana?" Gerda blickte mir tief in die Augen. Ich wusste, dass sie nur das Beste für mich wollte und ich erkannte schlagartig, dass sie absolut Recht hatte. Ich liebte Dominik und ich wollte keinen anderen Mann als ihn. Sicherheit hin oder her. "Gut Gerda, so mache ich das."

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"Ach du dummes Huhn, dass man dich zu deinem Glück auch immer zwingen muss", schniefte Gerda und schloss mich fest in den Arm. Und auch ich begann leise zu schluchzen. "Danke Gerda. Danke, dass ich dich habe." Gerda drückte mich noch einmal fest, dann löste sie die Umarmung. "Und jetzt trinkst du deinen Kaffee zuende", befahl sie mir im mütterlichen Ton. "Und du bleibst zum Abendessen, keine Widerworte!"

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Es war, als ob mir eine riesige Last vom Herzen gefallen wäre. Endlich konnte ich wieder in die Zukunft blicken. Aber zunächst wollte ich den Abend mit meiner Freundin verbringen. Ich half Gerda beim Zubereiten des Abendessens. Nebenbei erzählte sie mir von den Neuigkeiten in der Familie: "Ich werde bald Oma, Oxana. Miranda ist schwanger. Frank und sie haben es mir am Sonntag nach dem Gottesdienst erzählt. Mein erstes Enkelkind! Oh, Oxana, ich freue mich ja so."

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"Dann wird Kinga ja bald Tanta", entfuhr es mir. Gerda blickte mich aus großen Augen an und für einen Moment hatte ich Angst etwas Falsches gesagt zu haben. "Daran hab ich ja noch überhaupt nicht gedacht. Unsere Familienbeziehungen sind aber auch sehr verworren." Gerda nahm es demnach mit Humor und fröhlich fuhr sie mit der Zubereitung des Salates fort. "Ich hoffe, dass dein Bruder und Desdemona sich auch bald dazu entschließen ein Kind zu bekommen. Weißt du Oxana, ich bin erst glücklich, wenn ich eine große Familie um mich herum habe."

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"Und zu dieser Familie gehört an erster Stelle dein Ehemann", Volker war unbemerkt in die Küche geschlichen und begrüßte seine Ehefrau mit einem zärtlichen Kuss. Gerda und er hatten sich vor etwa drei Jahren auf einer Viehauktion kennengerlernt und der rüstige Farmer hatte schnell Gerdas Herz erobert. Bereits nach fünf Monaten gaben sie sich das Ja-Wort und führten seitdem eine glückliche Ehe. Gerda hatte ihre Entscheidung seitdem nicht ein einziges Mal bereut und ich bewunderte sie dafür, dass sie bereit war ein solches Risiko einzugehen, um glücklich zu werden.

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Zum Abendessen erschienen dann auch Hans und Mika. Die beiden waren inzwischen sogar eine Lebensgemeinschaft eingegangen. Zwar ist es Gerda am Anfang schwer gefallen zu akzeptieren, dass ihr einziger Sohn keine Schwiegertochter mit nach Hause bringen würde, doch inzwischen war sie mit ihrem zweiten Sohn mehr als zufrieden. So wie es momentan aussah, würden Mika und Hans "Norman" übernehmen, sobald Gerda und Volker nicht mehr in der Lage waren, die Farm selbst zu bewirtschaften. Leider konnte Elvira nicht zum Essen bleiben, da sie mit einem Team von Geologen die Höhlen in der Umgebung erforschte. Ich hätte gerne auch mit der jüngsten Kappetochter ein paar Worte gewechselt.​
 
Kapitel 142: Alles ist gesagt

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Ich hatte Angst davor, mich Kasimir zu stellen. Ich hatte mir noch nicht überlegt, wie ich ihm meinen Entschluss mitteilen sollte. Gerda verstand meine Unsicherheit und wir unterhielten uns auf ihrer Veranda bis weit nach Mitternacht. Erst dann machte ich mich auf den Weg in die Simlane. Die Lichter im Haus waren alle erloschen. Alle Schliefen bereits, alle bis auf Goya. Meine Hündin begrüßte mich schwanzwedelnd. Im fahlen Licht des Mondes glänzten ihre Augen und ich hatte das Gefühl, als ob sie genau verstand, was in meinem Herzen vor sich ging. "Ach Goya, manchmal beneide ich dich um dein Leben", sagte ich und strichelte meiner Hündin über den flachen Kopf.

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Wie auch schon in der letzten Nacht, schlief ich in Kingas Bett. Ich war selbst erstaunt, wie fest ich schlief und obwohl ich mich vor der Konfrontation mit Kasimir fürchtete, zweifelte ich nicht eine Sekunde an meinem Entschluss. Ich zog mich an und fand Kasimir im Badezimmer vor dem Spiegel vor. Er war geradedabei, sich den Bart zu trimmen, als ich vorsichtig an die Tür klopfte und hineinging. Er erblickte mein Spiegelbild, drehte sich aber nicht zu mir um. Im Spiegel sah ich seine versteinerte Mine. Er war immer noch wütend auch mich. Trotzdem musste ich da jetzt durch. "Kasimir, ich muss mit dir sprechen", sagte ich, "aber nicht hier, lass uns ins Schlafzimmer gehen, dort sind mir ungestört."

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Kasimir schnaufte schwer, nickte dann aber zustimmend. Ich ging voraus und er folgte mir mit einigen Sekunden Abstand. "Nun, Perle, was willst du mir sagen?", fragte er gereizt. Da lag mehr in seiner Stimme als der bloße Ärger über mein Verhalten der letzten Wochen. Ich erkannte, dass er frustriert war, weil er es nicht schafte, an mich heran zu kommen. Es wurde wirklich allerhöchste Zeit, diese Farce zu beenden. "Kasimir, ich möchte, dass du ausziehst. Bitte verlass mein Haus, wenn es geht noch heute", brachte ich schnell auf den Punkt.

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"Das, das ist doch jetzt ein schlechter Scherz?", fragte er ungläubig. "Perle, komm schon. Wir hatten Probleme in letzter Zeit, aber das ist doch kein Grund um alles hinzuschmeißen." Ich biss mir auf die Lippen. Warum musste er mich jetzt so anblicken? Warum schrie er mich nicht einfach an, sondern wurde auf einmal einfühlsam? Warum zeigte er ausgerechnet jetzt seine weiche Seite, die ich an ihm wahrhaftig liebte? Doch dann schüttelte ich energisch mit dem Kopf. "Nein, Kasimir, es hat keinen Sinn mehr. Ich will, dass du gehst."

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Kasimir Augen huschten plötzlich wütend von einer Seite zur anderen. Ich sah, wie seine Fäuste sich ballten und er seine Arme anspannte. "Wer ist es?", fragte er grimmig. "Wer ist das Schwein, mit dem du mich betrügst? Ich schwöre dir, dass ich ihn umbringen werde." Das war die Reaktion, mit der ich gerechnet hatte und auf diese Situation hatte ich mich mental vorbereitet.

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Selbstbewusst umfasste ich seine geballte Faust und hielt sie sanft umschlossen. "Nein, das wirst du nicht", hauchte ich. "Und du weißt schon längst, welcher Mann es ist." Kasimir entspannte sich sichtlich und blickte an mir vorbei. "Dominik!", stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Ich nickte lediglich leicht zur Bestätigung. Immer noch hielt ich Kasimirs Hand und beobachtet, wie seine Brust sich unter heftigem Atmen hob und senkte. "Ich liebe dich, Kasimir", sagte ich schließlich. "Und wir hatten drei wunderbare gemeinsame Jahre, aber ihn liebe ich einfach mehr."

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"Bitte hass mich nicht dafür, Kasimir", flehte ich ihn an. "Ich hab dir nie etwas vorgespielt und ich war dir auch immer treu gewesen. Aber mit Dominik verbindet mich so viel. Er ist der Vater meiner Kinder und nach all den Jahren hat er mir verziehen. Ich hatte nie aufgehört ihn zu lieben und jetzt kann ich nicht anders als die Hand zu ergreifen, die er mir entgegenstreckt. Ich weiß, dass es kein Trost für dich ist, aber gebe es Dominik nicht, dann hätte ich nicht im Traum daran gedacht, dich zu verlassen." Kasimir erwiderte nichts aber ich hatte nichts anderes erwartet.

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Ich ließ seine Hand los. Immer noch blickte Kasimir mich nicht an, sonder starrt stur auf die Vase auf dem Boden und atmete schwer. Alles war gesagt worden. Ich konnte nichts mehr unternehmen, um es für Kasimir einfach zu machen. Als ich an ihm vorbei ging, blieb ich ein letztes Mal stehen und streckte meine Hand aus, um über seinen Rücken zu streichel. Doch in letzter Sekunde entschied ich mich dagegen. Das würde es ihm nur noch schwerer machen. Und als ich das Zimmer verließ, huschte ein Lächeln über meine Lippen. Ich war endlich frei für Dominik.

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Kasimir packte seine Sachen und rief sich ein Taxi. Tristan war wirklich geschockt, als er hörte, dass Kasimir und ich uns getrennt hatten. Obwohl die beiden sich zunächst nicht grün werden konnten, sind sie durch die gemeinsame Arbeit zu so etwas wie Freunden geworden. "Ruf an, wenn du in Seda Azul eine Wohnung gefunden hast", ermahnte Tristan ihn beim Abschied am Taxi. "Werd ich machen. Und sag der Kleinen, dass sie mich jederzeit besuchen kann. Ich kann einfach nicht warten, bis Klaudia aus der Schule kommt."

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Ich beobachte Kasimirs Weggang mit gemischten Gefühlen. Er hatte sich nicht mehr von mir verabschiedet, was aber nur zu verständlich war. Ich würde ihn und unser gemeinsames Leben vermissen. Aber die trüben Gedanken verflogen, wenn ich an die Zukunft mit Dominik dachte.

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Erst jetzt erzählte ich Tristan von Dominiks Antrag und plötzlich verstand mein langjähriger Mitbewohner, warum ich mich in letzter Zeit so seltsam verhalten hatte und warum ich mich von Kasimir getrennt hatte. "Aber bist du dir sicher, dass es nicht zu spät ist?", fragt er und tippte sich auf sein Handgelenk, an dem eine Uhr hätte sein müssen. "Was ist, wenn Dominik es sich inzwischen anders überlegt hat. Ihr habt seit sechs Wochen kaum ein Wort miteinander gewechselt." "Ich bin mir sicher, dass er immer noch auf mich wartet", antwortete ich mit mehr Zweifel in der Stimme, als beabsichtigt. Ich hatte schon versucht ihn anzurufen, aber es ging nur der Anrufbeantworter ran. Ich würde es weiter versuchen müssen.



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"Dominik Blech." Mein Herz raste, als ich beim dritten Versuch am späten Nachmittag endlich die ersehnet Stimme vernahm. "Dominik, hier ist Oxana", sprach ich mit zittriger Stimme in den Hörer. "Wenn du es immer noch möchtest, dann werde ich deine Frau. Ich bin endlich bereit dazu. Bitte Dominik, komm zurück nach Hause." "Ich bin sofort bei dir", war seine einzige Antwort und er legte auf.

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Vor Glück drehte sich alles in meinem Kopf. Dominik würde zu mir kommen! Meine Träume würden endlich wahr werden. Wie ein Honigkuchenpferd grinsend ging ich zu Klaudias Zimmer. Meine Tochter war inzwischen von der Schule heimgekehrt und erledigte auf dem Boden hockend ihre Hausaufgaben. Eine Unsitte, die ich ihr einfach nicht abgewöhnen konnte. Doch heute war es mir egal. Ich hockte mich zu ihr und grinste sie breit an. Klaudia schaute von ihrem Heft auf und blickte mich verwirrt an. "Dein Vater kommt wieder zurück!", platzte es dann aus mir heraus. "Wir werden wieder ein richtige Familie werden."

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Klaudia blinzelte ungläubig. Dann sprang sie plötzlich auf und warf Stift und Heft einfach beiseite. "Papa kommt wieder?! Papa kommt wirklich wieder?!", fragte sie vor Freude schreiend. "Und ihr beide seid dann wieder ein richtiges Paar?" Ich verzog grinsend den Mund und nickte eifrig. Jetzt gab es für Klaudia kein Halten mehr. Laut jubeln hüpfte sie im Zimmer herum und warf sich mir schlussendlich um den Hals.

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Es erschien mir wie eine Ewigkeit, bis Dominik mit seinem Wagen aus SimVegas vor der Simlane hielt und aus dem Auto stieg. Als ich meinen Mann sah, hielt mich nichts mehr. Ich stürmte die Stufen der Veranda hinunter und sprang Dominik in die Arme. Dominik lachte herzhaft. "Ach Brodlowska, hättest du mich nicht schon vor sechs Wochen so in Empfang nehmen können?"

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Vor Freude liefen mir die Tränen übers Gesicht. "Ich war ja so dumm, Dominik. Ich liebe dich so sehr. Ich versteh selbst nicht, wie ich dich zurückweisen konnte." Dominik zog mich fest zu sich heran. "Ich werde nicht mehr zulassen, dass du mich noch einmal zurückweist, Brodlowska", sagte er bestimmt und küsste mich. Wie sehr hatte ich es vermisst, seine Lippen auf meinen zu spüren. Ich wollte ihn nie wieder loslassen.

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Ich krallte mich regelrecht in ihm fest, als er mich sanft wegschob, um etwas aus seiner Tasche zu kramen. Meine Augen weiteten sich, als ich die kleine Ringschachtel erkannt. "Diese Frage stelle ich dir jetzt zum vierten Mal und ich hoffe, dass ich sie nie wieder stellen muss. Und vor allem hoffe ich, dass ich zum ersten Mal die richtige Antwort zu hören bekomme. Brodlowska, willst du meine Frau werden?"

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"Ja, ich will, ich will, ich will", schrie ich voller Inbrunst. Dominiks erster Antrag war mehr ein schlechter Scherz bei unserem Kennenlernen gewesen, den zweiten hatte ich erst nach sechs Jahren beantwortet, den dritten sogar abgelehnt, aber diesen Fehler würde ich nie wieder begehen. Überglücklich schloss er mich in die Arme und küsste mich immer und immer wieder.

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Mit meinen Händen fuhr ich durch sein inzwischen schütteres Haar, betrachtete die Fältchen, die sich unübersehbar um seine Augen herum und an den Mundwinkeln gebildet hatten. Durch meine Schuld hatten mir so viele gemeinsame Jahre verpasst. Aber ich schwor mir selbst, dass wir diese verlorene Zeit wieder rausholen würden, indem wir unser weiteres Leben noch intensiver lebten.
 
Kapitel 143: Ein Stück vom Himmel

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Auch die Freude über die Rückkehr ihres Vaters war bei Klaudia unbeschreiblich. So wie ich hätte sie ihn am Abend am liebsten gar nicht mehr gehen lassen. Aber Dominik musste noch einmal zurück nach SimVegas. Es gab noch viel zu erledigen, bis er und sein Sohn Sky zu uns in die Simlane ziehen konnten. Aber Dominik versprach mir, dass er spätestens morgen Abend wieder bei mir sein würde. Alles was bis dahin nicht erledigt war, würde er schon irgendwie von hier aus regeln. Länger wollte er nicht von mir getrennt bleiben.

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Vielleicht war es gut, dass Dominik nicht direkt bei mir blieb, denn so hatte ich Zeit noch selbst einige Dinge zu klären. All meine Ängste, dass er vielleicht doch einen Rückzieher machen könnte, fielen mit einem Schlag von mir ab. Was blieb war meine große Sorge und Trauer um Kinga. Und eine Hoffnung keimte in mir auch, wenn Dominik zu mir zurückkehrte, vielleicht ... vielleicht würde dann auch meine Tochter wieder heim kommen und wir könnten wieder die Familie sein, die wir einst waren. Diese wage Hoffnung ließ mich die halbe Nacht nicht schlafen und so wählte ich früh am Samstag Morgen die Nummer meiner Schwester Joanna.

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Doch nicht sie, sondern meine Nichte Magdalena hob den Hörer ab. Sie war Joannas ältestes Kind und nur ein halbes Jahr älter als Klaudia. Eigentlich war sie mir fast fremd, denn durch das angespannte Verhältnis zu meiner Schwester hatte ich kaum Gelegenheit gehabt, meine Nichte und meinen Neffen kennenzulernen. "Magda, ist deine Mutter zuhause?", fragte ich, nachdem ich mich nach der Familie erkundigt und mit ihr geplaudert hatte. "Ja, Mama ist da", bestätigte sie. "Sie steht schon in der Tür und wartet nur darauf, dass ich ihr den Hörer übergebe. Bis bald dann, Tante Oxana."

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"Du weißt weswegen ich anrufe, Jojo", sagte ich geradehinaus, nachdem Magdalene meiner Schwester den Hörer gereicht hatte. "Wie geht es Kinga? Kann sie bald wieder nach Hause?" "Nein", antwortet Joanna und machte so mit einem Schlag all meine Hoffnungen zunichte. "Xana, als ich dir anbot, mich um Kinga zu kümmern, da hatte ich dir gesagt, dass es ein langer Weg werden würde. Sie ist noch nicht so weit, um zurückzukehren. Ja, sie ist inzwischen clean, aber sie hat noch nicht begriffen, dass sie ihr Verhalten ändern muss. Wenn ich sie jetzt wieder zu dir lassen würde, dann würde sie sofort in ihr altes Muster verfallen. Du musst Geduld haben, Xana."

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"Aber wie lange, Jojo?", schluchzte ich in das Telefon. "Wochen? Monate? Jahre? Ich vermisse sie so sehr. Ich weiß, dass ich ihr keine gute Mutter war, aber ich würde alles tun, um meine Fehler ungeschehen zu machen." Joanna schwieg einen Moment. Ich spürte, dass sie genau über ihre folgenden Worte nachdachte. "Xana, erwarte nicht zu viel. In Kinga hat sich eine unheimliche Wut aufgestaut. Ich kann ihr helfen, weg von den Drogen zu kommen, ich kann ihr helfen, einen neuen Sinn im Leben zu sehen, aber ich kann sie nicht dazu bringen, dir zu verzeihen. Das muss sie schon selbst tun und ich bin mir nicht sicher, ob sie jemals dazu bereit sein wird. Sie ist eine Brodlowska und wir Brodlowskas verzeihen nicht leicht, das weißt du selbst am Besten."

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Ja, das wusste ich nur zu genau. Ich konnte meinen beiden Vätern nie verzeihen und selbst Joanna hatte ich nie ganz verziehen, dass sie mich damals für ihre Machenschaften missbraucht hatte. Tief im inneren wusste ich, dass es Kinga genauso ging. "Bitte Sorge dafür, dass meine Kleine auf eigenen Beinen stehen und mit erhobenem Kopf durch das Leben gehen kann", bat ich Joanna deshalb mit zittriger Stimme. Ich konnte meine Tränen kaum noch zurück halten. "Und sag...sag ihr, dass ich ihr niemals einen Vorwurf machen werde." Joanna versprach es mir. "Ich werde aus Kinga eine starke und unabhängige Frau machen, die sich im Leben behaupten wird. Vertrau mir, Xana." Und das tat ich. Joanna war meine Schwester und was immer sie auch früher getan haben mochte, ich wusste, dass ihr Kinga genauso viel bedeutete wie mir.



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"Mami, was tust du da?", fragte Klaudia besorgt, als sie aus dem Wohnzimmer kam und mich in Kingas Zimmer entdeckte. "Ich räume die Sachen deiner Schwester weg", erklärte ich ruhig, aber in Wahrheit musste ich alle Kraft aufbringen, damit meine Stimme nicht versagte. Klaudia sah sich in Kingas Zimmer um. Alle Regale waren ausgeräumt und unter dem Fenster standen mehrere Kisten, in die ich Kingas Habseligkeiten verstaut hatte. Gerade war ich dabei, das letzte ihrer Plakate vorsichtig von der Wand zu nehmen.

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"Aber warum?", fragte Klaudia verständnislos. "Heißt das, Kinga kommt nie mehr zurück?" Ich bemühte mich noch immer, möglichst sachlich zu bleiben. "Ich weiß es nicht", war deshalb meine ehrliche Antwort. "Vielleicht kommt sie zurück, ich hoffe es sehr, aber das wird noch lange dauern. Und bis dahin braucht dein kleiner Bruder ein Zimmer. Er muss schließlich irgendwo schlafen können."

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Ich hatte recht mit allem was ich sagte. Sky brauchte das Zimmer jetzt dringender als Kinga, die wahrscheinlich nicht einmal im Traum daran dachte zurückzukehren. Aber deswegen Schmerzte es nicht weniger. Klaudia bemerkte, wie meine Augen wieder einmal anfingen bedenklich zu glänzen. Und da nahm sie mich einfach in den Arm. Ich war ihr so dankbar für diese Geste. "Du musst das nicht alleine machen, Mami", erklärte sie. "Komm, ich helf dir dabei alles einzupacken und auf den Dachboden zu tragen. Und dann machen mir das Zimmer schön für Sky."

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Den ganzen Vormittag verbrachten Klaudia und ich damit, Kingas Sachen und auch die Möbel auf den Dachboden zu tragen. Bei den schweren Dingen erhielten wir natürlich tatkräftige Unterstützung von Tristan. Und auch wenn das Geld knapp war, rief ich die Handwerker, die in Kingas Zimmer neue Farbe an die Wand brachten und einen Teppich verlegten, der eher an die Bedürfnisse eines kleinen Jungen angepasst war. Ich hatte auch beschlossen, neue, kindgerechte Möbel für Sky zu kaufen, doch die konnten erst am Montag geliefert werden. Nachdem die Handwerker gegangen waren, betrachtet ich das leere Zimmer. Es sah schön aus und würde Sky sicher gefallen. Es stimmte mich nur traurig, dass es nun endgültig nicht mehr Kingas Zimmer war.

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Uns am frühen Abend traf Dominik dann mit seinem Sohn ein. Klaudia begrüßte ihren Vater freudestrahlend mit einem Kuss, kaum dass er die Koffer abgestellt hatte. Und ich entdeckte den kleinen, fünfjährigen Jungen, der sich leicht eingeschüchtert hinter dem Schrank versteckte.

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"Hallo, kleiner Mann", begrüßte ich ihn freundlich. "Du musst dich doch nicht verstecken." Ich kam auf ihm zu und streckte ihm meine Hand entgegen, die er, zwar misstrauisch guckend, auch annahm. "Du bist also Sky?", fragte ich und Dominiks Sohn nickte zaghaft. "Das da ist mein Papa", sagte er und zeigte auf Dominik, was mir ein herzhaftes Lächeln entlockte. Klaudia hatte mir über all die Jahre viel von ihrem kleinen Bruder erzählt und ich kannte auch allerlei Fotos von ihm, doch wir waren uns noch nie persönlich begegnet.

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Man konnte richtig sehen, wie der Kleine langsam auftaute und seine Scheu abwarf. "Bist du meine neue Mama?", fragte er nämlich ohne Vorwarnung und zeigte mit seinem kleinen Finger auf mich. Unsicher schaute ich zu Dominik. Wir hatten noch gar keine Gelegenheit gehabt zu besprechen, was genau ich für Sky nun sein sollte. Dominik zuckte kurz mit den Schultern und nickte mir zu. "Ja, Sky", sagte ich folglich an seinen Sohn gewandt. "Wenn du es möchtest, dann bin ich deine neue Mama."

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"Darf ich dich dann auch Mama nennen?", fragte er vorsichtig. Ich war überwältigt von dieser Frage. Ich hätte nie erwartet, das Sky mich so schnell akzeptieren würde. "Natürlich darfst du das." Und ehe ich es mich versah, schlang er auch schon seine kurzen Ärmchen um meinen Hals. Ich würde ihm eine gute Mutter sein, das schwor ich mir. Ich würde mich um ihn kümmern, als ob er mein eigener Sohn wäre. Nein, er war mein eigener Sohn. Er war der Sohn, den ich mir mit Dominik gewünscht hatte, aber nicht mehr bekommen konnte. Im Stillen dankte ich Gott dafür, dass er mir diese neue Chance gab.

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"Komm, Sky, lass uns in mein Zimmer gehen und zusammen spielen", sagte Klaudia zu ihrem Bruder, als der sich von mir gelöst hatte. Der lachte seine Schwester hell an und hüpfte ihr hinterher in ihr Zimmer. Klaudia war eine großartige große Schwester. Sky vergötterte sie regelrecht und hatte sich in der Vergangenheit immer gefreut, wenn Klaudia Dominik und ihn übers Wochenende in SimVegas besucht hatte. Und auch jetzt war Klaudia nur all zu gern bereit, ihre Spielsachen mit ihrem Bruder zu teilen, ja sie ihm sogar zu überlassen, den so langsam war sie aus dem Alter raus, in dem man noch mit Teddybären spielte.


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Ich war an diesem Tag glücklich wie schon lange nicht mehr und so schien es allen Bewohnern der Simlane zu gehen. Allen bis auf Tristan, der recht betrübt im Sessel vor dem erloschenen Kamin saß. "Freust du dich etwa nicht, dass Dominik wieder hier eingezogen ist", fragte ich ihn unsicher und setzte mich zu ihm. "Nein, das ist es nicht", entgegnete er. "Es ist schön, dass ihr wieder eine Familie seid. Nur...ich fühle mich hier irgendwie überflüssig. Du, Dominik und die Kinder, ihr seid jetzt eine richtige Familie. Ich störe da nur. Es ist wohl besser, wenn ich ausziehe und mir eine eigene Wohnung suche."

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Vor Schreck klappte mir der Kinnladen herunter. "Aber du kannst doch nicht ausziehen. Das geht doch nicht", stammelte ich. Tristan lebte nun schon seit 20 Jahren mit mir unter einem Dach und jetzt wollte er von hier weg? Er hatte mir schon so oft geholfen mich wieder aufzurappeln und mutig nach vorne zu blicken, wenn es in meinem Leben mal wieder drunter und drüber ging. Wie sollte ich denn ohne ihn zurechtkommen? "Wollen Frank und du etwas zusammen ziehen? Ist es deswegen?", hakte ich weiter nach.

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"Nein, es ist nicht wegen Frank", antworte Tristan niedergeschlagen. "So wie wir beide leben, ist es schon gut. Jeder hat seinen Freiraum, aber wenn wir uns sehen wollen, dann können wir das jederzeit tun. Vielleicht will ich in 10, 15 Jahren mit ihm zusammenziehen, aber jetzt kann ich mir das noch überhaupt nicht vorstellen. Nein, Oxana, es ist, weil ich dir so viele Probleme bereitet habe. Dein ganzes Erspartes ist weg. Ich kann verstehen, wenn du mich nicht mehr hier haben möchtest."

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"Aahhhh, Tristan Linse, jetzt hör doch mit diesem Geld-Quatsch auf!" schrie ich laut heraus und sprang aus meinem Sessel auf. Von meinem Ausbruch erschrocken richte sich auch Tristan ruckartig auf. Ich raufte mir derweil meine Streichholz-kurzen Haare und schüttelte ungläubig den Kopf. "Wie oft soll ich dir denn noch erklären, dass der Verlust des Geldes nicht solch ein Drama ist. Ja, das Geld ist weg, aber daran können wir nichts mehr ändern und schließlich konntest du nicht ahnen, dass sich die politische Lage so zuspitzt."

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"Ich will die Worte 'Geld' und 'Auszug' nie wieder aus deinem Mund hören, haben wir uns da verstanden?" Mit dem rechten Handrücken schlug ich mehrmals drohend in meine geöffnete Hand um meiner Ansage mehr Nachdruck zu verleihen. Und da begann Tristan zu lachen. "Ist ja schon gut, Frau General, ich ergebe mich ja. Ich werde nicht ausziehen und ich versuche, dass Thema Geld zu meiden. Versprochen." Erleichtert atmete ich auf. Hoffentlich war das Thema jetzt ein für alle Mal gegessen.
 
Kapitel 144: Starke Frauen

SimCity


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Das dreigeschossige Gebäude unterschied sich kaum von anderen Bauten in der Umgebung. Es war neu, modern und durchaus ansehnlich, aber dennoch fiel es kaum auf. Dazu war es einfach zu gewöhnlich. Der Flughafen von SimCity war nur wenige hundert Meter entfernt. Ein passender Ort für den Sitz der "Sky Meal"- Company, des Unternehmens, welches das Caitering der Fluggesellschaften übernahm, die SimCity anflogen.


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Zumindest wirkte es nach außen hin so. Doch in der obersten Etage des Bürogebäudes schritt eine Frau unruhig umher. Immer wieder blickte sie zum Globus, der in ihrem edel ausgestatteten Büro stand. Sie war es nicht gewohnt, dass etwas nicht so verlief, wie sie es geplant hatte. Und in letzter Zeit liefen einige Dinge nicht nach Plan. Immer noch stand sie vor dem Globus und richtete ihren Blick auf den südamerikanischen Kontinent. "Verflucht", spie sie und ballte ihre Hand zu einer Faust zusammen.


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Müde nahm sie in ihrem Ledersessel platz und rieb sich die Schläfen. Vor vier Stunden hatte sie die Nachricht erhalten, dass zwei ihrer Agenten in Simnistrien geschnappt wurden. Beide waren tot. Die beiden Agenten waren noch jung und unerfahren gewesen. Vielleicht war es ein Fehler, sie ausgerechnet nach Südamerika zu schicken um in ein Militärlager der ehemaligen Simnationalen Kolonie einzudringen? Nein! Wie sonst sollten ihre Agenten Erfahrung sammeln, wenn sie nicht auf Einsätze geschickt wurden? Und niemand hätte ahnen können, dass sich dieser Einsatz so verheerend entwickeln würde.


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Wieder zwei Agenten weniger, dachte sie. Es war nicht ungewöhnlich, dass es zu Verlusten kam. Aber in den letzten Monaten musste sie mehr Verluste hinnehmen, als ihr lieb war. Und in Simnistrien ging etwas Ungewöhnliches vor sich. Man konnte es in der ganzen Unterwelt spüren, aber niemand schien genaueres zu wissen. Die Informationen der beiden toten Agenten hätten ihr womöglich den entscheidenden Vorteil gegenüber den anderen Untergrundorganisationen gebracht. Sie seufzte und versuchte ihre Nackenmuskeln zu lockern, die hart wie Stein waren. Immerhin konnte sie sich darauf verlassen, dass ihre Agenten sich eher zu Tode foltern ließen, als dass sie Informationen über ihren Auftrag preisgaben.

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Plötzlich flog die Tür zu ihrem Büro auf und ein kleiner sechsjähriger Junge kam laut lachend auf sie zugestürmt. Beim Anblick ihres Sohnes hellte sich ihre Stimmung umgehend auf. "Mami, Mami!", rief er und fiel ihr um den Hals.


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Sie wuschelte dem Jungen durchs Haar und gab ihm einen Kuss auf die Wange, doch der verzog nur das Gesicht und wischte sich mit seinem Ärmel heftig über die Stelle, die ihre Lippen berührt hatten. Doch er war ihr nicht böse. "Darf ihr runter zu Igor in die Werkstatt?", fragte er stattdessen, "Bitte, Mami, bitte!" Seinen großen blauen Kulleraugen konnte selbst die Leiterin einer Untergrundorganisation nicht widerstehen und so stürmisch wie er in ihrem Büro aufgetaucht war, war er auch wieder in die Werkstatt verschwunden.


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Fast wäre er in den Mann hinein gerannt, der eben durch die Tür herein kam. "Vorsicht kleiner Mann“, ermahnte dieser ihn, "du rennst deinen Vater ja fast um." Doch der Kleine hörte gar nicht hin und lief in die Richtung, in der sich die Werkstatt befand. Der Mann nahm seine Frau in den Arm und küsste sie und zum ersten Mal an diesem Tag fühlte sie sich wohl. "Danke, dass du Jakob hergebracht hast, Tobias", bedankte sie sich bei ihrem Ehemann. Er lächelte sie an und streichelte liebevoll ihren Nacken. "Nachdem ich von den Problemen gehört hatte, dachte ich, dass du jede Aufmunterung gebrauchen könntest“, entgegnete er. "Du bist in letzter Zeit so selten zu Hause bei den Kindern, da dachte ich, du würdest dich freuen, ihn zu sehen."


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Und das tat sie. Doch leider war dies der einzige Glücksmoment, den sie sich in der jetzigen Situation erlauben konnte. Sie löste sich von ihr Mann und stemmte die Hände in die Hüfte. Jetzt war sie nicht mehr die Ehefrau und Mutter, sondern Donna Joanna, Patin der Mafia von SimCity, Leiterin von „Justice“, einer Geheimorganisation, die weltweit im Einsatz war. "Hast du etwas Neues erfahren?", fragte sie ihren Mann. "Wissen wir endlich, wie unsere Agenten entdeckt werden konnte?" "Nein", war seine kurze Antwort und sie stimmte Donna Joanna überhaupt nicht glücklich. "Dann sorge dafür, dass ich dies Information umgehend erhalte", herrschte sie Tobias an. "Wie soll ich diese Organisation leiten, wenn ich nur von inkompetenten Menschen umgeben bin?"


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"Ich werde mich sofort darum kümmern", versprach Tobias. Im Laufe der Zeit, hatte er sich in seine Rolle gefügt. Er war der Mann an der Seite einer mächtigen Frau. Und solange es um das Geschäft ging, dann war er nicht mehr, als jeder andere Agent dieser Organisation. Er kam damit zurecht. Joanna war schon ihm Begriff ihn hinaus zu schicken, als er ein weiteres wichtiges Thema ansprach. "Kinga ist nun so weit", erklärte er im ruhigen Tonfall. "Ich denke, wir können nun mit der Ausbildung beginnen. Ich erwarte nicht, dass sie uns weiterhin größere Probleme bereiten wird."


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In diesem Moment danke Joanna innerlich Gott dafür, dass er sie nicht endgültig verlassen hatte. Äußerlich zeigte sie keinerlei Regung. "Dann beginne sofort mit Phase zwei", wies sie Tobias an. "Durch ihr bockiges Verhalten haben wir ohnehin schon mehr Zeit verloren, als mir lieb ist. Und sollte sie noch einmal Ärger machen, dann schreck nicht davor zurück, auch harte Maßnahmen zu ergreifen." Tobias nickte und verließ den Raum. Erst als sie allein war, erlaubte Joanna sich ein Lächeln. Endlich machte sie Fortschritte bei ihrer Nichte. Sie hatte ihrer Schwester versprochen, ihre Tochter wieder in den Griff zu bekommen und nach Wochen schien ihre Arbeit erste Früchte zu tragen.


zur gleichen Zeit in der Sierra Simlone...

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Dominik und Sky wohnten nun bei uns in der Sierra Simlone. Solange wie die Möbel für Skys Zimmer noch nicht angeliefert wurden, musste der Junge zusammen mit Dominik in unserem Schlafzimmer schlafen.

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Und ich nahm zusammen mit Klaudia in Tristans Bett Platz, während dieser die Nacht in Klaudias Bett verbrachte. Innerlich ärgerte ich mich, dass wir Kingas altes Bett schon auf den Dachboden gebracht hatten, denn so musste ich noch eine Nacht getrennt von Dominik verbringen.

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Aber das holten wir nach. Für einen kurzen Moment hatte ich befürchtet, dass es seltsam werden könnte, wenn Dominik und ich uns wieder so nah kamen. Aber das war es nicht. Es war, als ob wir uns nie getrennt hätten, also ob wir einfach wieder an der Stelle angesetzt hätten, an der wir bei dem tragischen Streit vor über sechs Jahren aufgehört hatten. Dominiks Küsse fühlten sich genauso elektrisierend an, wie schon damals und jede seiner Berührungen jagte einen Schauer durch meinen ganzen Körper.

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Meine Angst verflog vollständig und ich konnte mich Dominik mit jeder Faser meines Körpers hingeben. Kein Mann verstand es, mich glücklich zu machen. Und an seinem Blick, an all seinen Bewegungen erkannte ich, dass auch ich ihn glücklich machte.

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Es gab keine Worte, um mein Glück zu beschreiben. In dieser Nacht erreichte ich den Höhepunkt körperlichen Glücks, aber Dominiks Nähe versetzte mich auch in einen seelischen Höhenrausch. Ich fühlte mich so sicher und geborgen wie schon lange nicht mehr. Mit Dominik an meiner Seite konnte ich alles schaffen. Und selbst meine Probleme mit Kinga erschienen nicht mehr unlösbar. Er würde mir Kraft geben, diese Schwere Zeit der Trennung zu überstehen. Nein, wir würden uns gegenseitig Kraft spenden und ich war in diesem Augenblick überzeugt, dass ich auch Kinga bald wieder in meine Arme schließen konnte.



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Mit seinem Umzug zurück nach Sierra Simlone Stadt verlor Dominik auch seinen Job in SimVegas. Und in der Sierra Simlone konnte er aufgrund der andauernden Ölkrise nicht wieder als Wachmann bei der SimÖl anfangen. Dadurch blieb ihm aber sehr viel Zeit, um sich um Sky zu kümmern. Und auch wenn ich ihm ansah, dass die Arbeitslosigkeit an ihm nagte, so genoss er jede Sekunde mit seinem Sohn.

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Sky war ein sehr anhängliches Kind, das förmlich nach Liebe und Zuneigung schrie. Und die gab ich ihm, so gut ich es konnte. Dominik hatte mir erzählt, dass Ingrid, Skys Mutter, keinen Kontakt mehr zu ihrem Sohn wollte. Sie schrieb ihn zum Geburtstag zwar immer eine Karte, aber sie hatte den Jungen nicht mehr gesehen, seitdem sie überstürzt Mann und Kind verlassen hatte. Soweit ich das mitbekommen hatte, lebte sie jetzt in SimCity und arbeitet dort als Stylistin in den Filmstudios und das nicht unerfolgreich. Eine Familie passt einfach nicht in ihre Karriereplanung.

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Aber dafür konnte der Kleine nichts und er verstand auch nicht, warum seine Mutter ihn verlassen hatte. Er sehnte sich so sehr nach einem Ersatz für Ingrid, dass er mich sofort als seine Mutter akzeptiert hatte. Und immer noch lächelte ich zufrieden, wenn er beim Herumwirbeln schrie, "Noch schneller, noch schneller!", und mich dabei "Mami" nannte.

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Und gleichzeitig überkam mich dann immer solch ein wehmütiges Gefühl. Dieser Junge war nicht mein Fleisch und Blut, und doch hätte ich ihn nicht mehr lieben können. Warum war ich dann nicht in der Lage gewesen, Kinga so zu lieben? Diese Gedanken wurden besonders intensiv, wenn ich ungestört war und auf dem Feld oder der Plantage arbeitete. Wenn ich sie bloß mehr geliebt hätte, dann wäre sie nicht auf die schiefe Bahn geraten, dann wäre sie jetzt eine anständige, nette junge Frau. Ich hoffte inständig, dass sie das eines Tages doch noch werden konnte. Und ich hoffte inständig, dass ich Klaudia und Sky genug Liebe schenken konnte, um sie vor Kingas Schicksal zu bewahren.

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Seitdem Kinga fort war, besuchte ich wieder oft das Kloster des heiligen Ansbald. Ich betete dafür, dass Gott Kinga all die Kraft und Unterstützung gab, die sie brauchte. Ich betete aber auch dafür, dass Klaudia und Sky glücklich aufwachsen würden. Und ich dankte Gott dafür, dass er mir und Dominik eine zweite Chance gewährte. Mit seinem Segen würde unserer Liebe dieses Mal nichts mehr im Weg stehen. Schwester Beatrix leistete mir oft Gesellschaft und schloss mich in ihre Gebete ein. Der melodische Klang ihrer Stimme, wenn sie den Rosenkranz betete, gab auch mir inneren Frieden.

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Zum Dank unterstützte ich Schwester Beatrix und die übrigen Ordensschwester bei der Arbeit in der Kloster-Gärtnerei. Schwester Beatrix war nicht mehr die Jüngste und deshalb froh über jede Hilfe, die sie erhielt. So konnte sie sich für ein paar Stunden entspannt auf einen Stuhl setzen und das Treiben im Laden beobachten, während ich ihren Anweisungen entsprechend kleine Sträuße band.

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Diese Arbeit hatte so etwas Entspannendes. Hier im Kloster war mein Kopf frei von Sorgen und Ängsten, anders als bei der Arbeit auf der Farm, wo ich immerzu nur an die Probleme meiner Tochter dachte. Hier konnte ich aus tiefstem Herzen lächeln.​
 
Ich möchte nur mal anmerken, dass ich diese Story unglaublich gerne lese und auch alles nachgeholt habe, was ich während meiner Pause verpasst habe. Ich finde die Geschichte ist gut und spannend geschrieben und hat tolle Bilder dazu.
Da du ja an sich wenig Feedback bekommst wollte ich jetzt mal was schreiben :)
 
Hallo Chandy,
ja, das Feedback könnte schon üppiger sein. Aber dann freue ich mich um so mehr über jeden Kommentar. Und ich hoffe ja, dass es auch den ein oder anderen stillen Leser gibt.
Ich freue mich, dass dir meien Geschichte weiterhin gefällt. :hallo:
 
Ich lese deine Story schon lange mit und bin immer noch total begeistert. Ich freu mich immer sehr, wenn ein neuer Teil online ist. bin halt nicht so der Kommi-Schreiber, aber da es so wenig Rückmeldung gab, dachte ich, ich komme mal aus meiner Deckung! Also poste schön weiter!!
GLG
FallenAngel
 
@Philo
Vielen Dank für dein Lob :)

@Fallen Angel
Es freut mich zu hören, dass du meien Geschichte schon lange verfolgst. Und ich würde mich freuen, wenn du weiterhin ab und an einen Kommentar dalassen könntest :hallo:
 
Kapitel 145: Innerer Frieden

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Während ich meinen inneren Frieden im Kloster suchte, fand der Rest meiner Familie seinen im Pool hinter dem Haus. Obwohl es nun bereits November war, hatte die Sonne kaum an Kraft verloren und das Thermometer kletterte immer noch bis auf 30 °C. Sky war vom ersten Tag an begeistert, dass er nun ein Schwimmbad direkt hinter dem Haus hatte und Klaudia genoss es, mit ihrem Bruder und ihrem Vater im Wasser zu planschen.

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Mein Pummelchen war glücklich, wie schon lange nicht mehr. Zwar hatte sie Dominik in den vergangenen Jahren regelmäßig übers Wochenende besucht, aber ihn nun wieder jeden Tag um sich zu haben, war für sie das Größte. Und auch Dominik genoss es sein Zeit mit den Kinder zu verbringen, sei es nun beim gemeinsamen Spielen an der Konsole, einer Runde Minigolf oder einer wilden Wasserbombenschlacht hinter dem Haus.

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In meiner kleinen Welt schien alles fast wieder perfekt, doch mit Sorge musste ich verfolgen, wie sich die Spannungen zwischen der SimNation und Simnistrien weiter verschärften. "Erneut ist es in der simnistrischen Hauptstadt Tirasimpol zu Übergriffen auf Staatsbürger der SimNation gekommen. 12 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Nach Augenzeugenberichten beobachtete die simnistrische Polizei den Vorfall, griff aber nicht ein. Das Auswertige Amt rät dringend von Reisen nach Simnistrien ab", berichtete die Nachrichtensprecherin. Die heutigen Ereignisse waren allerdings nur die Spitze der immer weiter eskalierenden Ereignisse zwischen den beiden Staaten.

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"Unsere Regierung kann sich das doch nicht länger bieten lassen", bemerkte Dominik energisch. "Die Simnistrier tanzen uns schon seit Wochen auf der Nase herum! Die Ölförderung ist fast vollständig zum Erliegen gekommen und die SimÖl steht kurz vor dem Bankrott. Und jetzt werden auch noch unsere Staatsbürger bedroht! Fürst Ferdinant sollte es diesen Mistkerlen so richtig zeigen". Ich konnte Dominiks Verärgerung verstehen. Auch ich beobachtete die Geschehnisse mit wachsender Sorge. Allerdings hielt ich es für falsch, wenn die SimNation sich auf die Provokationen Simnistriens einließ.

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Doch über Politik wollte ich mir keine Gedanken machen. Wegen des Ölförderstopps hatten plötzlich sehr viele Menschen wieder sehr viel Freizeit und so nutzte ich die Gelegenheit, um mich nach langer Zeit mal wieder mit Manuela Bretz zu treffen. Nur hieß sie nicht mehr Bretz, sondern Holz und war mit Hektor verheiratete. Wir trafen uns also im öffentlichen Freibad und während ich Manuelas Mann näher kennenlernte, unterhielt Klaudia sich mit Manuela.

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Wie sich im Gespräch herausstellte, war Hektor der Vater von Timon, dem ersten Freund meiner Tochter Kinga. Zwar hatten die beiden sich schon vor Ewigkeiten getrennt, trotzdem erinnerte sich Hektor noch gut an Kinga. Allerdings kannte er nur die nette Kinga von damals. Ich hielt es nicht für nötig ihn darüber aufzuklären, was aus dem süßen Mädchen von früher geworden war. Außerdem tat es mir selbst gut, mich an die schönen alten Zeiten zu erinnern.

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Hektor hatte bereits zwei Kinder aus erster Ehe, als er Manuela zur Frau nahm. Timon und Marissa waren für Manu aber wie ihre eigenen Kinder, außerdem hatten sie mit Hektor noch eine gemeinsame Tochter. Manu fand den Gedanken ganz herrlich, dass sie beinah Kingas Schwiegermutter geworden wäre. Naja, beinah würde ich das nicht nennen, immerhin waren Kinga und Timon nur ein paar Wochen miteinander gegangen. "Aber du hast ja noch eine hübsche Tochter", zwinkerte sie Klaudia zu. "Die Chance ist also noch nicht endgültig vertan". Trotz des Dampfes und der Dunkelheit konnte ich erkennen, wie Klaudias Wangen tief rot anliefen.

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Es war herrlich mit Manu über alte Bekannte zu tratschen. Als ich gerade frisch in die Sierra Simlone gezogen war, hatte ich öfter etwas mit Manuela unternommen. Leider war unsere Freundschaft irgendwann im Sand verlaufen. Aber sie konnte sich noch gut an die damalige Zeit erinnern und an unsere gemeinsamen Partys mit Roland, Brandi und Benny.

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Wir waren den ganzen Abend eigentlich nur am Kichern. Ich fühlte mich ein wenig wie um20 Jahre in die Vergangenheit versetzt. Und deshalb versprach ich Manuela, nicht wieder so eine lange Zeit bis zu unserem nächsten Wiedersehen verstreichen zu lassen, woraufhin sie mich und Dominik gleich für das nächste Wochenende zu sich und Hektor zum Essen einlud.

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Und natürlich sagte ich zu. Manu hatte sich ein wundervolles, kleines Heim eingerichtet und servierte ein leckeres Essen. Und Hektor war ein unheimlich sympathischer Mann, der sich sehr gut mit Dominik verstand. Ich hoffte, dass wir in Zukunft öfter solche Treffen abhalten würden.

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Manu und Hektor sahen das genau so und gemeinsam stießen wir auf unsere neue Freundschaft an. Manuela schaute ihrem Mann dabei tief in die Augen und man konnte sehen, dass sie immer noch verliebt war, wie am ersten Tag. Aber mir erging es da nicht anders, wenn ich Dominik anblickte. Ich liebte ihn so sehr, Worte konnten dies gar nicht beschreiben.

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Und deshalb wollte ich ihn auch so schnell wie möglich heiraten. Wir hatten zwar noch keinen festen Termin ausgemacht, aber ich plante die Zeremonie irgendwann nach Weihnachten abzuhalten. Am liebsten schon im Januar. Und dafür blätterte ich bereits in verschiedenen Zeitschriften, um mir Anregungen für die Dekoration, Make-up und mein Kleid zu suchen. Doch all zu oft schweiften meine Gedanken zu Dominik und die Zeitschrift wurde vollkommene Nebensache. Ich war so aufgeregt, als ob dies meine erste Hochzeit wäre. Und im Grunde war sie es auch, zumindest würde es die erste Ehe sein, die ich nur aus Liebe einging.


Währenddessen an einem unbekannten Ort

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Wie sehr hatte sie es vermisst, die Sonne auf der Haut zu spüren. Seit etwa zwei Wochen durfte sie ihr "Gefängnis" verlassen. Nun, gefangen war sie immer noch. Sie hatte nur wenige Quadratmeter, um sich frei zu bewegen, umzäunt von einer hohen Steinmauer. Aber das war immer noch besser, als wochenlang in ihrer kleinen Betonzelle zu sitzen. Sie konnte es kaum glauben, als sie eines Tages die Türklinke herunter drückte, und die Tür ihrer Zelle einfach aufschwang. Flucht war ihr erster Gedanke gewesen und natürlich hat sie es gleich probiert, aber kaum war sie über die Mauer geklettert und hatte sich einige Meter entfernt, lief sie sofort einem Muskel bepackten Mann in die Arme, der sie ohne viel Worte wieder hinter diese tristen Mauern brachte.


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Nun wartete sie seit Tagen, dass etwas passierte. Wie lange war sie überhaupt schon hier? Genau konnte sie es nicht sagen, aber durch das kleine Fenster ihrer Zelle hatte sie beobachten können, wie die kahlen Bäume langsam Blätter bekamen. Und wo sie war, wusste Kinga auch immer noch nicht. Irgendwo im Norden, so viel war klar, aber wo genau, das blieb ihr ein Rätsel. Kinga krallte ihre Finger in das Maschengitter des Tores zu ihrem Käfig und blickte frustriert auf die Straße davor, auf der sich nichts, aber auch wirklich nichts regte. Hier gab es nur Wald und endlose Stille. Und sie war mitten drin. Und wem hatte sie das zu verdanken? Ihrer Mutter, dieser herzlosen Hexe, die dafür sorgte, dass sie hier in diesem Verließ landete. Wie sehr sie diese Frau doch hasste!


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Alleine der Gedanke an ihre Mutter trieb ihr die Zornesröte ins Gesicht und sie ließ sich auf dem Rasen nieder. Irgendwie hatte diese Hexe es geschafft, sie in dieses Drecksloch sperren zu lassen. Mit ihrer Tante Joanna war sie hier her gekommen, doch seitdem hatte sie sie nicht mehr gesehen. Nur dieser Schrank von einem Mann, der sie schon in der Sierra Simlone in den Wagen schleifte sah sie gelegentlich. Die ersten Tage hatte sie gefleht und gebettelt, sogar geweint hatte sie. Sie wollte hier raus, zurück zu ihren Freunden, zu Alex, zu ihrem alten Leben. Am ganzen Leib hatte sie gezittert, wie im Fieberwahn. Es waren die Anzeichen ihres Drogenentzugs gewesen, doch davon wollte Kinga nichts wissen. Für sie war das nur die Antwort ihres Körpers auf die ungerechte Behandlung, die ihr widerfuhr.


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Irgendwann hatte das Zittern aufgehört und diese tiefe Einsamkeit machte sich in ihrem Herzen breit. Immer wieder hämmerte sie gegen die Tür ihrer Zelle und flehte darum, endlich befreit zu werden. Irgendwann wurde sie erhört und ihr Bewacher Olek kam zu ihr. Sie ergriff die Chance, nicht etwa, um seine Gesellschaft zu genießen, sondern um zu fliehen. Auch das gelang ihr nicht. Unsanft schleifte er sie zurück und sie bezahlte ihre Flucht damit, dass sie die nächsten Tage nur noch trockenes Brot zu essen bekam. Doch auch das brachte Kinga nicht dazu, ihren Zorn zu begraben. Ganz im Gegenteil stachelte es sie nur noch mehr an. Sie begann damit, die spärlichen Möbel ihres Zimmers zu zertrümmern, stellte aber schnell fest, dass sie sich damit nur selbst schadete, denn keiner nahm davon auch nur die geringste Notiz.


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Also ging sie auf Olek los. Der Mann kam immer wieder zu ihr, um ihr Essen zu bringen und zu sehen, wie es ihr ansonsten erging. Manchmal sprach er sogar mit ihr, auch wenn er all ihre Fragen ignorierte. Und als sie das Gefühl hatte, ihn so weit gebracht zu haben, dass er ihr vertraute, sprang sie ihn an, schlug auf ihn ein und zerkratze ihm das Gesicht. Mit einer stoischen Ruhe schüttelte er sie ab und warf sie zu Boden. Er ließ nicht eine Sekunde erkennen, dass ihm der Angriff etwas ausgemacht hätte. Doch diesen Angriff bezahlte Kinga mit einem hohen Preis. Zwei Tage später kam er in ihre Zelle, packte sie unsanft, band ihre Hände am Rücken zusammen und schnitt ihr dann mit einer stumpfen Schere gemächlich und leise vor sich hin summend jeden ihrer langen Rasterzöpfe einzeln ab. Kinga flehte ihn an, damit aufzuhören, sie versprach sich zu ändern, bot sogar ihren Körper an, nur damit er aufhörte. Doch das tat er erst, als auch der letzte Zopf auf dem Boden lag. Kinga überfiel selbst heute ein Schaudern, wenn sie daran zurück dachte.


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Sie hatte die ganze Nacht starr auf dem Boden in ihren abgeschnittenen Haaren gelegen. An diesem Tag war etwas in ihr gebrochen. Die Flamme des beständigen Widerstandes war plötzlich erlöschen. Zwei Tage später kam Olek wieder zu ihr und brachte ihr ihr Essen, als ob nie etwas passiert wäre und auch Kinga verlor nie wieder ein Wort über diesen Vorfall. Die Wochen verstrichen, ohne dass sich viel veränderte. Sie lebte vor sich hin, aß und schlief und irgendwie fand sie sich mit ihrer Situation ab. Nur der Zorn auf ihre Mutter erinnerte sie daran, dass sie noch lebte. Und plötzlich wurde ihr klar, dass sie dieses Spiel mitspielen sollte, denn wenn sie es tat, bot sich ihr womöglich die Chance, sich an dieser Hexe zu rächen. Auch Olek bemerkte ihre Veränderung und schnell erhielt Kinga ihre erste Belohnung. Sie erhielt ihr Make-up zurück und auf ihren Wunsch hin, durfte sie sich ihre kurzen Haarstoppeln schwarz färben. Und auch wenn sie sich ihr Abbild nur als Spiegelung in der Spüle sah, wusste sie, dass sie immer noch schön war.


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Und auch wenn sie in ihrer Zelle alleine war, so gab ihr diese Gewissheit doch sehr viel innere Stärke. Nachdem sie ihre Hände von den Rückständen des Grases befreit hatte, machte sie sich etwas zu Essen. Morgen würde Olek wieder vorbei kommen. Sie wartete bereits darauf, denn er war der einzige Gesprächspartner, den sie hatte. Und vielleicht würde sie endlich erfahren, warum sie hier war und was man mit ihr vorhatte. Die offene Tür war der erste Schritt gewesen, dass wusste sie und der zweite Schritt würde sicher bald folgen.

 
Kapitel 146: Blindes Vertrauen

An einem unbekannten Ort...

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Wie erwartet kam Olek am nächsten Tag und neben den üblichen Essensrationen brachte er dieses Mal noch eine weitere Nachricht mit. "Ich werde das Tor heute Abend nicht mehr verschließen. Um dich herum ist nur Wald, selbst wenn du weg laufen würdest, würdest du doch nirgendwo hin können." Kinga wusste, dass er Recht hatte, aber dennoch konnte sie den Gedanken an Flucht kaum zurückdrängen. "Morgen früh nach Sonnenaufgang wirst du der Straße nach Osten folgen. Etwa nach fünf Kilometern triffst du dann auf eine Holzbaracke. Dorthin wirst du ab jetzt jedem Tag gehen." "Und was soll ich dort?", fragte Kinga ihren Bewacher, doch der hob zum Abschied lediglich die Hand und machte sich auf und davon.


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Natürlich hatte sie überlegt, einfach in ihrer Zelle zu bleiben. Doch dann hatte die Neugier gesiegt. Und obwohl es in Strömen regnete, machte Kinga sich auf den Weg, der ihr von Olek beschrieben worden war. Fast eine Stunde war sie unterwegs und obwohl sie ohnehin bis auf die Knochen durchnässt war, lief sie die letzten Schritte zur Holzbaracke.


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Was genau sie im Inneren erwartet hatte, wusste sie selbst nicht, aber ganz sicher war es nicht die Schulklasse, die sie vorfand. Doch endlich traf sie auf Menschen! Nach Wochen der Einsamkeit und nur gelegentlichen Gesprächen mit Olek war dies das Beste, was sie sich vorstellen konnte. "Hi Leute, ich bin Kinga!" stellte sie sich deshalb überschwänglich vor, ohne Rücksicht auf den bereits begonnen Unterricht zu nehmen.


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"Du bist spät!" antwortet eine Frau um die Vierzig mit starkem osteuropäischem Akzent, die hier die Lehrerin zu sein schien. "Der Unterricht beginnt pünktlich um acht. Es wäre gut - gut für dich - wenn du dir diese Uhrzeit einprägen würdest." Die Drohung, die in ihrer Stimme mitschwang war kaum zu überhören. Kinga schluckte schwer. Die anderen Schüler, alle etwa in ihrem Alter, manche etwas jünger, einige etwas älter, warfen ihr neugierige Blicke zu.


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Kinga hatte auf irgendeine Erklärung gehofft, was sie hier sollte, warum sie diese seltsame Schule mitten im Wald besuchte? Doch sie wurde erneut enttäusch. Professor Elena, so wurde die rothaarige Frau von ihren Mitstudenten genannt, fuhr unbeirrt in ihrem Unterricht fort. Erst Geschichte, dann Politik, als nächstes Mathematik. Kinga wurden Papier und Stifte gegeben und sie versuchte so gut es ging, dem Frontalunterricht zu folgen. Anders als in ihrer früheren Schule herrschte absolute Ruhe. Kein Getuschel, kein leises Gekicher. Alle Schüler zeigten perfekte Disziplin und lauschten aufmerksam den Worten der Lehrerin.


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Die erste Pause gab es erst etwa nach vier Stunden. Kingas Kopf rauchte und sie war froh über die Unterbrechung. Außerdem brannte sie darauf, von ihren Mitschülern zu erfahren, wo sie war und was das ganz hier sollte? Rabea und Hajo ließen sich sogleich auf ein Gespräch mit ihr ein, doch leider musste Kinga feststellen, dass sie ihr nicht viel sagen konnten. "Wir sind etwa seit drei Monaten hier. Hin und wieder stößt jemand Neues zu uns, so wie du. Die meisten von uns leben einige Kilometer von hier entfernt zusammen in anderen Baracken", berichtete Rabea.


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"Und wo kommt ihr her? Wie seid ihr hier gelandet?", fragte Kinga weiter. "Ich war im Knast", antwortete Hajo ohne zu zögern. "Eines Tages kam eine Frau zu mir und erklärte mir, dass ich früher entlassen werde, wenn ich mit ihr gehe. Tja und jetzt bin ich hier. Alles ist besser als Knast, also mache ich brav mit, was hier von mir verlangt wird." Kinga war sichtlich überrascht, auch wenn sie versuchte es so gut es ging zu verbergen. Neugierig, ob diese auch solch eine Geschichte zu berichten wusste, blickte sie Rabea an. "Ich hab auf der Straße gelebt, mich mit ein paar Taschenspielertricks über Wasser gehalten. Vor ein paar Monaten kam ein Typ auf mich zu und sagte, dass er mir mehr beibringen könnte. Mit Schulunterricht hab ich zwar nicht gerechnet, aber immerhin hab ich ein Dach überm Kopp. Die anderen hier haben alle ähnliche Geschichten."


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"Aber warum sind wir hier? Wer ist der verantwortliche? Was wird von uns erwartet?", bedrängte Kinga die beiden mit ihren Fragen. Hajo und Rabea zuckten die Schultern. "Wir machen einfach das, was man uns sagt. So machen wir uns keine Schwierigkeiten", antwortete Hajo. "Du hast wahrscheinlich selbst schon gemerkt, dass dir zu viel Fragen oder gar Widerstand nur Ärger einbringen. Wenn es so weit ist, werden wir schon erfahren, was wir hier sollen und bis dahin machen wir einfach das Beste aus der Situation."​


Derweil in der Sierra Simlone​
...

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Ein paar Tage nach unserem Abendessen bei Hektor und Manuela führte Dominik ein wichtiges Telefonat. "Ja natürlich, ich kann sofort nach den Feiertag anfangen. Seien sie versichert, dass ich der richtige Mann für diesen Job bin", sprach er in sein Handy. "Sobald der Postbote den Vertrag vorbeibringt, bringe ich ihn Ihnen in die Zentrale...Ich hoffe ebenfalls auf eine gute Zusammenarbeit. Auf Wiedersehen."

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Tristan hatte das Ende des Gesprächs mit verfolgt. "Hast du etwa wieder einen Job?", fragte er neugierig. Dominik grinste. "Ja, ich kann wieder bei der SimÖl anfangen. Sie brauchen erfahrene Leute für den Sicherheitsdienst und meine Referenzen haben sie überzeugt. In einem Monat geht es los."

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"Hej, das ist ja super!", freute sich Tristan. "Ich hab gar nicht mitbekommen, dass die SimÖl wieder anfängt zu fördern. Die Bohrtürme gehen also nach Weihnachten wieder in Betrieb? Dann kann ich sicherlich auch endlich wieder zur Arbeit. Langsam wird es nämlich echt öde, so ganz ohne Beschäftigung". Doch Dominik runzelte das Gesicht. "Ähm, ganz so ist das nicht", druckste er herum. "Ich soll nicht hier anfangen. Die wollen, dass ich nach Simnistrien gehe und dort für die Sicherheit der Arbeiter sorge".

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"Wer soll nach Simnistrien?", fragte ich, als ich ins Wohnzimmer trat. Ich hatte das Abendessen zubereitet und ein paar Wortfetzen des Gesprächs der beiden mitbekommen, als ich einige Zutaten zurück in den Kühlschrank stellte. Tristan zuckte zusammen und sah Dominik mit besorgter Miene an. Er wusste genau, dass mir nicht gefallen würde, was Dominik mir zu erzählen hatte.

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"Ich lass euch beide dann lieber mal allein", sagte Tristan und verließ den Raum. "Dominik, was ist hier los?", fragte ich misstrauisch, als er auf mich zukam und allzu liebevoll meine Wange streichelte. "Ich hab einen neuen Job, Brodlowska", erklärte er und bei diesen Worten stieg sofort Freude in mir auf, die allerdings nicht lange währte. "Es gibt da nur ein winziges Problem. Ich muss dafür nach Simnistrien."

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"Sim...Simnistrien?", stotterte ich. Es dauerte einige Sekunden, bis ich die volle Tragweite dieser Worte begriff. Und dann stieg die Wut in mir auf. "Dominik, hat dir die Sonne etwa die letzten Gehirnzellen weggebrannt? Da kannst doch unmöglich ernsthaft in Erwägung ziehen, einen Job in Simnistrien anzunehmen. Das ist Südamerika! Und dir ist schon bewusst, dass Simnistrien das Land ist, das die SimNation hasst wie die Pest und gerade im Moment einfach mal zulässt, dass deren Bürger bedroht und fast umgebracht werden. Du wirst diesen Job nicht annehmen, Dominik Blech! Haben wir uns da verstanden?!"

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"Ich hab mich bereits entschieden, Brodlowska", sagte Dominik im ruhigen Tonfall. "Lass uns später noch einmal darüber reden. Du musst die Neuigkeit erst sacken lassen." Er drehte sich um und ging in die Küche, wo Klaudia meinen Ausbruch besorgt mitverfolgt hatte. Hilflos fasste ich mir an die Stirn. Das konnte doch nicht Dominiks Ernst sein! Wie konnte er nur daran denken, sein Leben in Gefahr zu bringen und mich und die Kinder allein zu lassen? So wichtig konnte kein Job der Welt sein.

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Spät am Abend saß ich alleine im Dunkeln auf der Bank vor dem Haus und starrte auf die verlassene Straße. Ich hörte zwar, dass Dominik sich nährte, aber ich sah ihn nicht an. Ich war immer noch wütend und enttäuscht aufgrund seiner Entscheidung. Schweigend setzte er sich neben mich uns betrachtet das Haus seiner Eltern auf der gegenüberliegenden Straßenseite. "Brodlowska, lass uns vernünftig miteinander reden", durchbrach er schließlich die Stille. "Je früher desto besser. Benimm dich doch nicht so kindisch."

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"Kindisch? Wer von uns beiden benimmt sich hier denn kindisch?!", zischte ich in an und warf meine Hände wütend in die Luft. "Du bist doch derjenige, der plötzlich Dschungelkamp in Südamerika spielen möchte. Aber das ist kein Spiel, Dominik. Dir könnte etwas passieren! Du könntest verletzt werden oder vielleicht noch Schlimmeres. Ich bitte dich Dominik, fahr nicht. Wir brauchen das Geld nicht. Die Farm wirft genügend Gewinne ab. Vielleicht müssen wir den Gürtel etwas enger schnallen, aber das schaffen wir schon."

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"Es geht mir doch nicht um das Geld, Brodlowska", erwiderte Dominik. "Kennst du mich wirklich so schlecht?" In diesem Moment glaubte ich wirklich, ihn nicht zu kennen. Der Dominik den ich kannte, hätte seine Familie nicht aus einer Laune heraus im Stich gelassen. Aber ich sagte nichts dazu und ließ Dominik weiter sprechen. "Unsere Leute in Simnistrien brauchen unsere Hilfe. Meine Hilfe! Die Männer und Frauen die dort arbeiten können nichts dafür, dass die simnistrische Regierung sie zu Feinden erklärt hat. Und ich kann nicht einfach tatenlos zusehen, wie mit Gewalt gegen sie vorgegangen wird. Es ist meine Pflicht zu helfen. Meine christliche Pflicht, wenn du es so sehen willst."

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Oh es war so unfair von ihm meinen Glauben ins Spiel zu bringen, denn so nahm er mir mit einem Schlag alle Argumente. Er tat es für die Bürger der SimNation, die seine Unterstützung in Simnistrien brauchten. Es wäre selbstsüchtig von mir gewesen, ihn davon abhalten zu wollen. Aber ich konnte meine Tränen dennoch nicht zurückhalten. "Ich hab Angst, Dominik, so furchtbare Angst", schluchzte ich. "Ich will dich nicht verlieren, nicht noch einmal." Dominik zog mich an sich heran und legte seine Arme um mich. "Du brauchst keine Angst zu haben, Brodlowska. Die Situation wird sich in wenigen Monaten wieder beruhigt haben und du kannst mich erneut in deine Arme schließen. Versprochen."​


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Ich wollte ihm so gerne glauben, aber all seine Worte und Küsse konnten meine Sorgen nicht beiseite wischen. Niemand konnte sagen, was wirklich passieren würde. Und einfach blind darauf zu vertrauen, dass alles gut gehen würde, wäre mehr als naiv gewesen. Aber es bleib mir gar nichts anderes übrig. Dominik hatte seien Entscheidung getroffen und er würde nach Simnistrien gehen. Aber vorher konnten wir noch ein wundervolles Weihnachtsfest verbringen.

 
muahh,jetzt beginnt der showdown,weil ich weiß was noch kommt entwickel ich schon mal profilaktisch pipi in den augen.

machst du mit sims4 dann eigentlich auch weiter?(ich frage natürlich gaaaanz uneigennützig)
claudias kind dann?
 
Hallo Boese Birthe :winken

Ich werde bei Sims4 sicherlich weiter machen. In welcher Form weiß ich aber noch nicht. Es ist sicher eine Option, dass es mit Klaudias Kindern weiter geht. Dafür müssen diese aber erst einmal geboren werden :lol
 
Kapitel 147: Dinge, die wir vermissen

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Ich liebte das Weihnachtsfest, doch dieses Jahr hätte ich nicht lang genug darauf warten können. Doch die wenigen Wochen, die mir noch mit Dominik blieben vergingen in Windeseile. Und eh ich es mich versah, war Heiligabend. Wie jedes Jahr, gingen wir mit der ganzen Familie um sechs in die Messe. Die Kirche war voll wie immer zu Weihnachten, sodass Dominik und viele andere keinen Sitzplatz mehr bekamen. Während wir auf den Beginn des Gottesdienstes warteten, bewunderte ich die Weihnachtsdekoration, die mir dieses Jahr besonders gut gelungen schien. Aber tief in meinem Herzen musste ich auch an Kinga denken, die mir an diesem Tag mehr denn je fehlte.

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Pfarrer Erding war sichtlich erfreut, sein Haus wieder einmal voller Menschen zu sehen. An den übrigen Sonntagen waren in der Regel nämlich kaum die ersten zwei Reihen besetzt. Die ganze Gemeinde hatte sich heute Abend hier versammelt.

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Dominiks Eltern Glinda und Anan lauschten aufmerksam den Worten des Pfarrers, während Dominiks jüngere Schwester Kira ganz offensichtlich mit einer Nackenverspannung zu kämpfen hatte. Hans und sein Lebensgefährte Mika waren ebenfalls erschienen. Flankiert wurden die beiden von Dominiks beiden Brüdern Kevin und Mark. Als Küken der Familie, Mark war nur drei Jahre älter als Klaudia, hat er sogar noch einen Sitzplatz neben Hans ergattert.

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Tristan war über seinen Sitzplatz aber nicht so glücklich. Warum mussten Kirchenbänke auch so unbequem sein? Egal wie er sich auch wand und drehte, irgendwo drückte es immer noch. Miranda, deren dicker Kugelbauch langsam nicht mehr zu übersehen war, warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu und ihr Ehemann Frank wollte ihn schon zur Ruhe ermahnen, hielt sich aber doch in letzter Sekunde zurück.

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Roland und Brandi waren auch anwesend und sogar Constance war über die Weihnachtsferien zu Besuch gekommen. Eine Pause vom Uni-Stress würde ihr auch gut tun außerdem vermisste sie ihren Vater, ihre Stiefmutter und ihre beiden jüngeren Geschwister Sahra und Nikolas, die aber daheim bei Brandis Eltern geblieben waren. Neben Roland stand mein kurzzeitiger Mitbewohner Stev, der sich beschämt zur Seite drehte, weil sein Lebensgefährte Dennis, Dominiks ältester Bruder, mitten im Gottesdienst seine Hose zurechtzupfte.

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Die schien ihn aber auch wirklich zu zwicken. Mein Bruder Orion grübelte derweil darüber nach, ob auch alles für den Heiligen Abend vorbereitet war, während seine Frau Desdemona in Gedanken schon längst bei der Bescherung war und selig vor sich hin grinste. Dominiks Schwester Siana konnte dagegen den Blick nicht von ihrem Bruder abwenden, der vor lauter Herumgezupfe an seiner Hose fast das Gleichgewicht verlor.

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Elvira war gefesselt von der Predigt von Pfarrer Erding. Gerda hingegen fuhr erschrocken zusammen, als ihr bewusst wurde, dass sie womöglich vergessen hatte, eine Kerze zu löschen, bevor sie mit der Familie zur Kirche aufgebrochen war. Ihr Mann Volker versuchte zwar sie zu beruhigen, doch so ganz wollte es ihm nicht gelingen. Und Dominik bereute in diesem Augenblick, dass er den Fotoapparat zuhause gelassen hatte und diesen Moment nicht auf Film festhalten konnte.

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Pfarrer Erding kam zum Schluss der Messe. "Brüder und Schwestern, ich wünsche euch ein gesegnetes Weihnachtsfest. Öffnet eure Herzen und lasst den Herrn hinein. Schenket einander den Frieden, den es uns im Alltag so häufig mangelt, dann wird uns allen das Wunder von Weihnachten zuteil. Gehet hin in Frieden."

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Die Orgel ertönte und voller Inbrunst sangen alle Anwesenden "Oh du fröhliche". Vor der Kirche ergriff jeder noch die Gelegenheit, seinen Freunden und Nachbarn ein frohes Weihnachtsfest zu wünschen. Inzwischen war es draußen dunkel geworden. Die Zikaden zirpten munter in den Blättern der Palmen und ein warmer Wind wehte vom Meer heran.

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Ich drückte meinen Bruder fest an mich. Heute würde er den Abend mit seiner Frau bei Gerda und ihrer Familie verbringen, aber am zweiten Weihnachtstag hatte ich ihn und die Kappes in die Simlane eingeladen.

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Klaudia unterhielt sich noch mit Constance. Es gab eine Zeit, als Constance sich furchtbar für ihre Asch-graue Haut geschämt hatte, doch seitdem sie auf der Uni war, war sie wie verwandelt und zu einer selbstbewussten jungen Frau herangewachsen. Wehmütig dachte ich an die Zeiten zurück, als Kinga und sie gemeinsame Pläne für ihre Studienzeit schmiedeten. Wie die Zeiten sich doch geändert hatten.

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Auch Dominik wünschte seinen Eltern und Geschwistern ein frohes Weihnachtsfest. Glinda war nicht begeistert gewesen, als sie erfuhr, dass Dominik und ich vorhatten, erneut zu heiraten. Ich musste ihr aber zugutehalten, dass sie mich dieses Mal nicht offen angriff und ihre Einladung den 1. Weihnachtstag bei ihnen zu verbringen, auch mich mit einschloss.



Und an einem unbekannten Ort...


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Die Unterichtspause dauerte nicht lang. Verärgert stellte Kinga fest, dass sie nicht daran gedachte hatte, etwas zu Essen mit zu nehmen. Immerhin gaben ihr Hajo und Rabea etwas von sich ab, aber zum satt werden reichte das lange nicht. Am Nachmittag ging es dann mit Unterricht in Simlisch, Wirtschaft und Erdkunde weiter. Gegen sechs Uhr wurde der Unterricht beendet und Kinga machte sich mit knurrendem Magen auf den Weg zurück zu ihrer Behausung. Noch einmal würde sie das Essen nicht vergessen. Sie blätterte noch etwas in dem Schulbuch herum, dass sie bekommen hatte, doch erschöpft vom langen Unterricht und dem anstrengenden Fußmarsch, fielen ihre Augen bald zu. Ihre Kraft reicht nicht einmal mehr für hasserfüllte Gedanken an ihre Mutter.


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Zu Beginn stellte der tägliche Unterricht eine willkommene Abwechslung von Kingas bisherigen tristen Tagen in ihrer Beton-Zelle dar. Das Lernen fiel ihr nicht schwer und sie hatte innerhalb kürzester Zeit alles aufgeholt, was ihre Mitstudenten ihr voraus hatten. Dennoch wurde sie von Prof. Elena weiterhin sehr kritisch beobachtet, zumindest erschien es Kinga so. Aber all zu schnell begann sie das Lernen zu langweilen und ihre Gedanken schweiften ab zu ihrer Clique in Sierra Simlone Stadt. Was Alex und Farina jetzt wohl machten? "Sicherlich haben sie jetzt mehr Spaß als ich und versauern nicht in einem öden Klassenzimmer", dachte sie und schnaufte verächtlich.


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Verstohlen blickte sie sich im Klassenzimmer um und betrachtete die anderen Schüler. Es war doch nicht möglich, dass die den ganzen Tag nur lernten. In der Pause nahm sie Hajo, mit dem sie sich in den letzten Wochen recht gut angefreundet hatte, beiseite. "Nun verrat es mir schon, wo steigen hier die Partys? Ich nehme euch das brave Klosterschüler-Getue nicht länger ab."


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Zunächst druckste Hajo herum und wollte nichts verraten. Kinga wurde schon sauer bis sie bemerkte, dass er lediglich darauf wartete, dass die anderen Mitschüler den Raum verließen. Als sie endlich alleine waren, packte er aus. "Rabea, ich und noch ein paar andere treffen uns gelegentlich auf einer Lichtung im Wald. Wenn man weiß wie, dann kann man die Aufpasser schon mal dazu bewegen, dass sie die ein oder andere Flasche Schnaps einschmuggeln und nicht so genau hinsehen, ob wirklich alle in ihren Bettchen liegen. In zwei Tagen ist es wieder soweit. Wenn du Lust hast, kannst du dich uns anschließen". Hajo brauchte nicht ein zweites Mal zu fragen. "Pass nur auf, dass dir niemand folgt", warnte er sie und erklärte ihr dann den Weg zur Lichtung.



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Kinga konnte das Warten kaum ertragen. Am liebsten wäre es ihr gewesen, wenn sie noch am gleichen Abend die Sau raus gelassen hätten. Zu lange hatte sie nicht mehr gefeiert und sich ordentlich gehen lassen. Als sie dann aber alleine durch den dunklen Wald schritt, ließ ihre Begeisterung deutlich nach. Allerdings dauerte dies auch nur so lange an, bis sie den Schein eines Feuers und ein ausgelassenes Stimmengewirr wahrnahm. Und gleich darauf entdeckte sie auch schon Hajo zwischen den Bäumen.


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"Da bist du ja, King", rief er ihr zu. "Komm, setz dich zu uns ans Lagerfeuer." Kinga kam näher und entdeckte auch gleich Rabea. Einige der anderen kannte sie aus dem Unterricht, aber nicht alle. Das erstaunte sie etwas, denn bis jetzt hatte sie gedacht, dass alle Leute, die es in diesen seltsamen, geheimnisvollen Wald verschlagen hatte, auch an den Lehrübungen teilnehmen mussten. Womöglich gab es ja mehr als eine Lehrbarake?


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Sie unterhielten sich eine Weile, bis Bert, der unbekannt mit den blauen Haaren, plötzlich aufstand. "Ich hohle mir 'nen Drink. Will sonst noch jemand?" Kinga fiel wieder ein, dass Hajo Alkohol erwähnt hatte. Sie hatte in den letzten Wochen kaum noch an Alkohol, Gras oder gar Crystal Meth gedacht, aber plötzlich erinnerte sie sich wieder, wie gut sich diese berauschende Gefühl doch anfühlte und so folgte sie Bert und auch Hajo zu einer hochkant aufgestellten Holkiste, die als Bar fungierte und eine interessante Auswahl an alkoholischen Getränken beherbergte. Bert reichte ihr ein gefülltes Glas und Kinga nahm hastig einen tiefen Schluck. "Also so", dachte sie, "kann ich auch noch länger in diesem gottverlassenen Wald bleiben."


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Dem ersten Drink folgte ein zweiter und auch der dritte ließ nicht lange auf sich warten. "Hey, King, lass es doch ein wenig langsamer angehen, die Nacht ist noch jung", ermahnte sie Hajo freundschaftlich und führte sie von der Bar weg. Etwas abseits von der Gruppe ließen sie sich nieder. "Was starrst du denn so?", fragte Kinga unfreundlich, als Hajo nicht aufhörte, sie zu mustern. "Ich stelle einfach nur fest, wie schön du bist, dass ist alles", erwiderte er grinsend. Kinga war froh, dass es so dunkel war, denn unweigerlich röteten sich ihre Wangen. Aber das brauchte Hajo nicht zu wissen.


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Doch bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, beugte er sich zu ihr hinüber und küsste sie. Bis zu diesem Augenblick hatte Kinga in Hajo nie mehr als einen Freund gesehen. Und der Alkohol verhinderte, dass sie sich in diesem Moment darüber Gedanken machen konnte. Und deshalb ließ sie es einfach geschehen. Sie hatte es vermisst, geküsst zu werden und obwohl Hajos Drei-Tage-Bart kratzte, empfand sie das alles andere als unangenehm. Oh ja, die körperliche Zuneigung eines Mannes hatte sie wohl am meisten vermisst.

 
Kapitel 148: Freud und Leid

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Nach dem Gottesdienst verabschiedete ich mich von all meinen Freunden und Verwandten und beeilte mich, mit Siana schnell in die Simlane zurückzukehren und die restlichen Vorbereitungen für den Heiligen Abend zu treffen. Derweil machte Dominik mit seinem Bruder Dennis, Stev und den Rest meiner Familie einen Spaziergang zum Haus von Stev und Dennis und holten deren beide Töchter Lena und Emma ab.

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Siana und ich hatten das Essen inzwischen vorbereitet. Der traditionelle Weihnachtskarpfen stand dampfend auf dem gedeckten Tisch. Doch dafür hatten die Kinder gar keine Augen. Sky stürzte sich sofort auf den Weihnachtsbaum, unter dem sich die Geschenke türmten. Klaudia war da schon etwas zurückhaltender, aber auch ihre Augen glitzerten voller Vorfreude. Und Dominiks beide kleinen Nichten Emma und Lena interessierten sich mehr für das bunte Geschenkpapier als für den Inhalt der vielen Päckchen.

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Da es unfair gewesen wäre, die Kinder noch länger auf die Folter zu spannen, begannen wir direkt mit der Bescherung. Dass Essen würde auch noch ein paar Minuten länger warm bleiben. Sky freute sich wahnsinnig, als Dominik ihm sein Geschenk überreichte.

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Natürlich riss Sky sofort das Geschenkpapier herunter und packte seinen neuen ferngesteuerten Hubschrauber aus. Da Dominik selbst wissen wollte, wie das Ding sich so flog, durfte Sky es auch gleich ausprobieren. Und so sauste ein Hubschrauber über unsere Köpfe hinweg, während wir uns zum Essen an den Tisch setzten. Lena war begeister von dem fliegenden Ungetüm und lief dem "Huschaba" glucksend hinterher. Ihre Schwester Lena hatte hingegen hatte nur Augen für ihren neuen Teddybär.

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Der Karpfen war köstlich. Ich hatte ihn nach dem Rezept meiner Großmutter zubereitet, ebenso wie die Suppe aus Rotebeeten, die es als Vorspeise gab. Tristan haute rein, als ob er seit Tagen nichts gegessen hätte. Wie gut, dass im Kühlschrank noch genügend Essen auf uns wartete.

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"Ein Lob auf unsere Köchin!", warf Dennis in den Raum und alle Stimmten mit ein. Ich merkte, wie meine Wangen rot anliefen. "Stev und ich müssen uns übrigens noch einmal vielmals bei dir bedanken, Oxana", setzte er fort. "Wenn du uns nicht die Agentur für Leihmütter vermittelt hättest, dann hätten wir heute nicht unsere wunderbaren Mädchen. Vielen Dank." Dafür mussten sie mir nun wirklich nicht danken. Ich hatte gern geholfen und den beiden lediglich die Unterlagen der Agentur rausgesucht, die meinen Vätern auch meine leibliche Mutter vermittelt hatte.

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Nach dem Essen folgten wir einer weiteren polnischen Tradition. Jeder erhielt ein Stück einer geweihten Oblate, die mir meine Tante Kasia aus Polen zugeschickt hatte. Und damit ging man nun reihum von Person zu Person, brach ein Stück der Oblate des Gegenübers ab und sprach sich gegenseitig Glückwünsche für das kommende Jahr aus.

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Anschließend räumte ich mit Siana die dreckigen Teller vom Esstisch und wir zogen uns ins Wohnzimmer zurück, wo aus unserem Schneemann-Weihnachtsradio schon den ganzen Abend diverse Weihnachtslieder erklangen. Und dort hatte ich auch eine kleine Falle aufgestellt. "Schau mal nach oben, Dominik. Ist das etwa ein Mistelzweig?"

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"Und du weißt, was das bedeutet." Ich legte meine Hand unter sein Kinn und führte seine Lippen an meine. Wir teilten einen zarten Kuss miteinander. Am liebsten hätte ich ihn für immer und ewig so weiter geküsst, denn ich wusste, dass er bereits in drei Tagen auf unbestimmte Zeit von mir getrennt sein würde.

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Doch heute wollte ich meine Laune nicht mit solchen Gedanken trüben. Also setzte ich mich zu Siana an den Schachtisch und spielte mit ihr, während Dominik und Klaudia zu "Deck the Halls" ein Tänzchen aufs Parkett hinlegten und Tristan und Stev eine Partie Darts spielten.

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Stev hatte seine kurze, aber nicht erfüllte Liebesbeziehung zu Tristan wohl längst überwunden. Er wirkte wirklich glücklich mit Dennis und seinen beiden Töchtern und dem Bruder von Dominik erging es nicht anders. Immer wieder konnte man sie dabei beobachten, wie sie sich zärtliche Blicke zuwarfen und auch ganz ohne Mistelzweig küssten. Und auch Tristan schien damit keine Probleme zu haben, sondern überlegte, wie man das Bild der beiden am besten einfangen konnte.

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Und zum Ausklang des Abend sahen wir noch die Muppets-Version von "A Christmas Carol" auf DVD an. Klaudia liebte den Film, seit sie ihn das erste Mal vor etlichen Jahren gesehen hatte. Und ich muss gestehen, dass auch ich ihn immer wieder gerne sah. Sky und die beiden ganz Kleinen waren schon längst im Bett und Stev überprüfte, ob es ihnen auch an nichts fehlte.



Und an einem unbekannten Ort...

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Wie sehr Kinga es doch vermisst hatte, von einem Mann berührt zu werden. Das wurde ihr so richtig bewusst, als sie in der winzigen Nasszelle ihres Betonbunkers stand und das warme Wasser auf ihren Körper niederprasselte. Hajo und sie hatten sich noch ein Stück weiter von der Gruppe entfernt und sich auf dem mit Moos bedeckten Waldboden geliebt. Kinga bereute diese Tat in keinster Weise, auch nicht, als der Alkohol langsam seine Wirkung verlor. Partys, Rauschmittel und Männer, mehr als diese drei Dinge brauchte sie nicht, um glücklich zu sein und sie schämte sich nicht dafür.


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Hajo war ganz sicher nicht Kingas große Liebe. Irgendwie gehörte dieser Platz immer noch Alex, auch wenn sie ihren Freund, oder sollte sie lieber sagen Ex-Freund, gut genug kannte um zu wissen, dass er nicht lange getrauert hat und sicher schon eine Neue hatte. Sie konnte es ihm nicht einmal verübeln. Schließlich würde sie mit Hajo auch ihren Spaß haben, ganz egal, ob sie ihn nun liebte oder nicht. Doch als sie am übernächsten Tag das Klassenzimmer betrat, stellte sie verwundert fest, dass von Hajo weit und breit keine Spur zu sehen war. Und auch Rabea war nirgends zu entdecken.


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Sie fragte ihre Kommilitonen, doch keiner konnte, oder wollte, ihr sagen, wo Hajo und Rabea waren. Von Jasmin wusste sie, dass sie mit den beiden in einer Baracke lebte. Sie musste doch wissen, wo die beiden waren und so bettelte sie so lange, bis Jasmin ihr schließlich doch eine Antwort gab. "Ich weiß auch nichts genaues, aber ich hab durch den Türspalt zufällig mitbekommen, wie Rabea ihre Sachen packte. Ich fürchte, die beiden sind irgendwo anders hin gebracht worden, aber ich habe keine Ahnung wohin." Das Entsetzen war Kinga deutlich ins Gesicht geschrieben, als sie diese Worte hörte.


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Kinga spürte instinktiv, dass Jasmin die Wahrheit sagte. Hajo und Rabea waren weg. Und Kinga kannte auch den Grund dafür. Irgendwer muss den Aufsehern von der Party auf der Waldlichtung erzählt haben. Irgendwer muss sie verpetzt haben. Und was Kinga besonders belastete war der Gedanke, dass im Grund sie der Auslöser gewesen war. Solche Partys hatten schon öfter statt gefunden und bis jetzt war nie etwas passiert. Doch kaum war sie mit dabei, verschwanden zwei Menschen und ausgerechnet die beiden, mit denen sie sich am besten verstand. Das konnte kein Zufall sein. Irgendwer war ganz und gar nicht damit einverstanden, dass sie ihre Zeit mit Feiern und Männern verbrachte. Das Verschwinden von Hajo und Rabea waren sicherlich eine Warnung.

 
Aww, sie gucken zu Weihnachten Die Muppets Weihnachtsgeschichte. Ich liebe diesen Film und er ist auch für mich zu Weihnachten ein Muss.

Ansonsten bin ich gespannt, wie es weiter geht. Habe ja das Gefühl, dass Kinga und Dominik sich schneller wieder sehen, als gedacht.
 
@Arya
War das ernst gemeint wegen der Benachrichtigung? Ich frage, wegen des Zwinker-Smiles. Falls ja, dann muss ich dich enttäuschen, denn ich führe keine Benachrichtigungen durch. Das ist aber auch nicht nötig, da es jedes Wochenende ein neues Update gibt.

Auf deinen Kommentar freue ich mich übrigens schon sehr.

@Chandy
Ich liebe diesen Film auch, deshalb mussten meine Sims ihn such sehen :D
Meinst du, Kinga könnte sich in Simnistrien aufhalten, wohin Dominik unterwegs ist? Da muss ich dich leider enttäuschen, denn Kinga ist wirklich noch in der SimNation. Aber natürlich ist nie ganz auszuschließen, dass die beiden sich doch begegnen ;)

Danke euch beiden für die Rückmeldungen!
 
Schade mit den Benachrichtigungen...ich bin doch so vergesslich
Ach ja Kommentar ... da war doch was :schäm:
Es wurde gestern Abend so spät auf der Arbeit, das ich das gänzlich vergessen habe...siehst da gehts schon los :lol:

Ich hol mir wacker nen Kaffee und dann wird das unverzüglich nach ediert :D


Kommentar Teil 1:


Ja, ich habe mich durch fast die Hälfte alle Kapitel gelesen. Aber wir wollen ja schön nach der Reihenfolge kommentieren. Der zweite und dritte Teil folgt dann in Kürze.

Erstmal großen Applaus für das Opening Video. Ich finde das eine grandiose Idee, so eine Fotostory zu beginnen. Man hat wirklich das Gefühl bei dem Beginn einer Telenovela dabei zu sein. (auch wenn ich eigentlich solche Formate nicht mag...Fernsehtechnisch - Simstechnisch ist es was anders^^)
Ich finde es richtig gut gemacht.

Gut, fangen wir an. Ein Auftakt mit Knall. Man erfährt in ersten Kapitel recht viel von Oxana, das finde ich spannend. Vielleicht wäre es auch toll gewesen, manche Informationen nach und nach einfließen zu lassen. Whatever...auch so macht der Anfang neugierig und man möchte weiter lesen. Was ich ja dann auch getan habe.
Zurück zum Inhalt des Kapitels. Also ist Oxana bei einem homosexuellen Paar aufgewachsen. Ich finde es gut, das du in diesem Punkt von der "Normalität" abgewichen bist. Dieses "typische" Vater-Mutter_Kind ist einfach nicht mehr modern und zeitnah. (was mich nicht davon abhielt^^)
Ich weiß im Moment nicht mit wem ich mehr Mitleid habe. Mit Oxana, die entscheidet nun alle Brücken abzubrechen, ihrer Schwester, die sie gerne beim wichtigsten tag ihres Lebens dabei haben möchte (und ich denke mal für den vorherigen Lebensumstand keinerlei Mitschuld trägt) oder für die Großeltern, die nun nach Hause kommen und feststellen müssen, das dort niemand mehr ist.

Prima Idee, die Eigenschaften und co. als Test zu tarnen. Ich gehe doch richtig in der Annahme, das es sich hierbei um einen Singleprojekt handelt...!? (ist mir das echt unter gekommen :argh:)
:lol: Verdorbenes Brot als Aphrodisiakum, das muss ich mir merken ;)
Kein Wunder, das alle etwas "erstaunt" waren. Was ein netter Start ins neue Leben.

Welch ein Glück, das Benjamin da ein Schuldbewußtsein entwickelt hatte. Wäre furchbar peinlich, wenn Oxana ihm ohne Aussprache über den Weg gelaufen wäre. Gut umschifft...
:love: Ach die Karte ist ja liebevoll gemacht. :up:
:lol: Waren jetzt die blauen Lakritzstangen Schuld am Sturz? Vielleicht sollte man dann die Tester eher verklagen?! Oder den Installateur der Toilette?

Roland der neue Mitbewohner und Benjamin, dem es nicht wirklich passt. Ich finde es rührend, das er Oxana mit dem Fremden nicht allein lassen möchte, obwohl er eigentlich auch ein Fremder noch ist. Also gibt es im Leben von Oxana bereits zwei Männer...mehr als so mancher von sich behaupten kann ;)

Oh Mann da geht es aber ab. Was ein Mistkerl, schläg einfach eine Frau. (obwohl ich die andere Version auch nicht toll finde, siehe Noushin)
Jetzt hast du mich aber wahnsinnig neugierig gemacht, was das so auf sich hat. Warum wehrt sich Roland nicht gegen diesen fiesen Typen? Wer ist das überhaupt..und so

Eifersuchtsdramen, Schlägerein, das kann ja noch was werden :lol:
Ich glaube das muss ich auch mal wieder machen, einfach mal rumblödeln. Leider kann ich mein Sofa dafür nicht missbrauchen, da muss ich mir schon was anderes suchen. Und im Pyjama bzw. Unterwäsche im Vorgarten zu tanzen würde meine Nachbarin wahrscheinlich mit dem 3ten und letzten Herzinfakt krönen.
Roland scheint wirklich ein Talent zu besitzen sich mit jedem anzulegen. Ich muss gestehen das mich das ganze noch neugieriger macht.

Dieser Kasimir :polter:

Jetzt bin ich aber beruhigt, Roland hat also nicht nur Feinde sondern es gibt auch nettere Zeitgenossen. :nick:

lineare Form der Michaelis
:lol:
- köstlich- :D

Sag bloß Benny ist tatsächlich eifersüchtig auf Roland?! Der ist ja meines Erachtens eher dem anderen Geschlecht zugetan...wir werden sehen.

Oje, Speckalarm...Männer geht in Deckung :D Ich finde ja das Frauen mit ein wenig Rundungen viel weiblicher aussehen. Aber da kann man sich bekannterweise, den Mund fusselig reden.



So, nun muss ich aber erstmal die hungrigen Mäuler hier stopfen. Ob ich heute dazu komme weiter zu schreiben, weiß ich noch nicht. Aber da wird noch was kommen - versprochen.
 
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