Heute geht es wieder weiter und ich hoffe, das Kapitel kann zumindest etwas Licht ins Dunkle bringen.
Diesmal bin ich sogar mit meinen Bildern zufrieden - oder sagen wir, ich bin mit der Leistung meiner Grafikkarte zufrieden. Ab und an entstehen auch mal scharfe Bilder.
Leyla seufzte und winkelte ihr Bein an, das durch das lange Sitzen müde geworden war. Ihr Blick streifte durch Dr. Wiljas Ha’Likunas Untersuchungsraum, und sie versuchte mit zusammengekniffenen Augen die Namen der Bücher im Regal zu entziffern, wobei sie den Kopf leicht zur Seite neigte.
„Wenn Sie sich etwas leihen möchten, sagen Sie’s einfach!“ ertönte Ha’Likunas Stimme zwischen dem gleichmäßigen Klappern seiner Finger auf der Tastatur.
Leyla lächelte, aber sie antwortete ihm nicht. Stattdessen schwang sie ihre Beine von der Liege, setzte sich aufrecht hin und warf schweigend einen Blick auf die Pflanze, die in der Ecke des Raumes stand.
Erst jetzt fiel ihr auf, dass es wohl eine terranische Palme war. Nur wie kam Ha’Likuna zu einer solchen Pflanze?
Als hätte er ihre Gedanken gehört, wandte er ihr den Kopf zu und meinte: „Mein kleiner Begleiter von Ihrem Heimatplaneten. Er hat es hier leider etwas schwer, aber ich habe mittlerweile schon fast einen ‚grünen Daumen’ entwickelt, so sagt man bei Ihnen doch?“
„Sie waren auf Terra?“ fragte Leyla verblüfft.
„Natürlich“, antwortete er kurz und hämmerte weiter mit seinen Fingern auf die Tastatur ein. Beinahe fasziniert betrachtete Leyla den Arzt, der ihr eben noch so vorsichtig die Elektroden vom Kopf genommen hatte. Dieser Mann kannte ihr Zuhause!
Dieser Mann…
Mit einer schwungvollen Bewegung drehte sich Ha’Likuna wieder zu ihr und sah sie an. Verlegen – und ein bisschen über ihre eigenen Gedanken erschrocken – schlug Leyla die Beine übereinander und strich sich hastig eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Ich konnte nichts feststellen“, ergriff Ha’Likuna das Wort. „Alle Werte sind normal. Trotzdem denke ich, dass Sie die nächsten Tage kürzer treten sollten.“
Leyla fiel ein kleiner Stein vom Herzen, als sie hörte, dass sie gesund war. Auch wenn sie den Gedanken an eine nervale Störung recht abwegig fand, war sie doch froh, dass sich dieser absurde Verdacht nicht bestätigt hatte und lächelte zufrieden.
Ha’Likunas Blick wanderte von Leyla zur Palme und wieder zurück. „Sicher wundern Sie sich, wie gerade jemand wie ich dazu kommt, sich für Terra zu interessieren. Ich kann auch nicht genau sagen, was mich dorthin getrieben hat. Ich glaube, es war die Tatsache, dass mir die terranische Medizin sehr ‚exotisch’ vorkam. Viele meiner Studienkollegen kamen nicht einmal auf den Gedanken, sich mit Terra zu beschäftigen, aber mich faszinierte die Geschichte dieses Planeten und seiner Bewohner. Noch dazu ist terranische Organismus wirklich sehr komplex.“ Er lachte kurz auf. „Ich glaube, ich habe wohl einen Hang dazu, mir selbst etwas beweisen zu müssen.“
Einen Hang dazu, sich selbst etwas beweisen zu müssen…
Leyla hing gebannt an seinen Lippen.
War er ihr wirklich so ähnlich, oder bildete sie sich das nur ein?
Mit halbgeöffnetem Mund sah sie ihn an, sah seine großen, starken Hände, die breiten Schultern und selbst die Lemuren-Augen konnten nichts daran ändern, dass ihr Herz ein bisschen schneller schlug. Fast verträumt fixierte er einen Punkt hinter ihr an der Wand, und als er den Kopf wieder drehte und sich ihre Augen trafen, stellte Leyla erschrocken fest, dass sie ihn wohl eine Sekunde zu lange angestarrt hatte.
Auch seine Miene änderte sich plötzlich, und er meinte mit fester Stimme: „Sie sind wichtig, Dr. Nayim, sonst wäre ich nicht hier. Es ist nicht gerade rentabel einen Arzt für nur eine Person, die noch dazu selbst Mediziner ist, auf ein Schiff zu holen. Es gibt bessere Ärzte als mich, aber nahezu keinen, der auch Terraner behandelt.“
Leyla sah ihn an.
Sie war wichtig?
Unbeirrt für er fort: „Ich verdiene gut, glauben Sie mir. Aber wenn man einen Ersatz für mich findet, werde ich wieder nach Terra zurückzukehren, meine Verlobte wartet dort auf mich.“
Leyla zuckte kurz zusammen und verfluchte sich für ihre naiven Träumereien. Ruckartig stand sie auf und er erhob sich ebenfalls.
„Ich werde Ihnen noch ein paar Medikamente mitgeben. Wahrscheinlich kennen Sie sich damit sogar besser aus als ich.“ Und wieder lachte er.
Auf dem Gang wartete Namakiha auf sie und sah Leyla erwartungsvoll an.
„Und?“
„Nichts gefunden“, antwortete Leyla knapp.
„Oooch, und ich hab gedacht, ich bekomme jetzt eine schriftliche Bestätigung dafür, dass du verrückt bist!“ scherzte Namakiha.
Leyla zwang sich zu einem Lächeln. Sie hatte es die ganze Zeit vor sich hergeschoben ihre Freundin um Hilfe zu bitten – weil sie wusste, wie Namakiha darauf reagieren würde.
Leyla hatte beschlossen, durch Gyras an die Informationen zu kommen, die man ihr nicht geben wollte. Und eine Person musste den Neffen des Captains dazu bringen, ihr Zugang zum „Archiv“ zu schaffen.
„Leyla, träumst du?“ Namakiha sah sie schräg von der Seite an. Leylas schiefes Lächeln war noch nicht aus ihrem Gesicht gewichen. „Du siehst mal wieder so komisch aus. Ich hab mir überlegt, dass wir heute mal was Schönes machen. Irgendwas Entspannendes. Was meinst du?“
Sie grinste breit und legte erwartungsvoll die Hände aufeinander.
Wie hätte Leyla diesem Blick etwas ausschlagen können?
Wie Namakiha es versprochen hatte, war die Sporthalle leer. Leyla hatte immer noch kein Gefühl für die Standard-Zeit – zugegeben, es interessierte sie auch nicht – aber Namakiha, die sich glücklicherweise Leylas Stundenrhythmus weitestgehend angepasst hatte, wusste immer, wie sie lästigen Arkidianern aus dem Weg gehen konnte.
„Komm schon!“ rief Leyla fröhlich, als sie auf den Whirlpool zusteuerte.
„Das ist komisch!“ Namakiha deutete auf ihre nackten Füße auf den kalten Fließen.
„Gewöhn dich dran! Einfach laufen!“ lachte Leyla und ehe Namakiha sie einholen konnte, saß sie auch schon im warmen Wasser.
Namakiha kam mit wackligen Schritten hinterher und ließ sich erleichtert ins Wasser gleiten.
„Ach, ist das schön“, sagte die Rothaarige und fügte schmunzelnd hinzu: „Meine Mutter meinte immer, dass ich keine Elduri sein kann, so wie ich warmes Wasser liebe… Na ja, vielleicht hatte sie ja recht…“ Dann warf sie Leyla einen viel sagenden Blick zu. „Ich habe nachgedacht.“
„Ach herrje…“
„Lach nicht!“ maulte sie und spritze Leyla Wasser ins Gesicht. „Du hast Il Ahinn auf das Doka-System angesprochen, oder?“
„Jaa.“ Leyla runzelte die Stirn. Sie hatte Namakiha doch alles erzählt, warum musste sie jetzt noch mal alles durchkauen?
„Und was hat er geantwortet?“ fragte Namakiha weiter.
„Dass es nicht das ist, was ich denke, dass es ist.“
„Also?“
Leyla verzog den Mund. „Was also? … Du meinst doch nicht etwa?“ Wieder lief ihr ein Schauer über den Rücken, als in ihrem Kopf der Namen der Wesen auftauchte, die im Doka-System lebten und von denen niemand wusste, wie sie aussahen, niemand wusste, wer sie waren – Eigentlich war nicht einmal sicher, dass sie existierten…
Verkuri…
Leyla sah ihre Freundin zweifelnd an. „Aber er hat doch gesagt, dass es eben das nicht ist.“
„Eben.“ Namakiha lächelte verschmitzt. „Er hat gedacht, du kommst selbst drauf. Bist du aber nicht, du hast schließlich gerade alles Mögliche im Kopf, aber nichts richtig.“
Diesmal war es Leyla, die Namakiha Wasser ins Gesicht pfefferte.
„Spekulationen helfen uns auch nicht weiter, Kiha.“
„Ja, ich weiß… Und ich hab da eine Idee, auch wenn sie mir nicht gefällt.“ Sie stockte und legte sich die Hände auf den Schoß. „Ich habe da so einen kleinen, grünen Freund, weißt du?“
Leyla schluckte, zwang sich aber, sich nichts anmerken zu lassen. Es war wesentlich einfacher, diesen Vorschlag von Namakiha selbst zu hören, als sie darum bitten zu müssen.
„Ich werde Gyras davon erzählen… nicht alles… nur etwas…“ Namakihas Blick verlor ein bisschen von seinem üblichen fröhlichen Glänzen und ihr Mund wurde schmal. „Manchmal frage ich mich, ob das alles überhaupt Sinn macht.“
„Kiha…“
„Vielleicht verrenne ich mich da in etwas… das hat doch alles keine Zukunft...“
„Solange es dich glücklich macht, ist es doch gut, oder?“ Leyla rutschte ein bisschen näher zu ihrer Freundin und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Es macht keinen Sinn darüber nachzudenken, ob es funktioniert oder nicht, wenn man es nicht wenigstens probiert.“
Namakiha nickte langsam.
„Seid ihr verabredet?“ wollte Leyla wissen und zauberte damit wieder ein Leuchten in die Augen ihrer Freundin.
„Jaa“, antwortete Namakiha strahlend.