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Geliebtes Kind,[/FONT] [FONT="]Eltern wollen immer gerne kluge Ratschläge geben. Wasche dich, kämme dir die Haare, sei immer höflich und trage zu jeder Gelegenheit Unterwäsche – aber dies alles wirst du dir selber aneignen, und es gut heißen oder nicht. [/FONT]
[FONT="]Das einzige das ich dir mitgeben möchte ist folgendes:[/FONT]
[FONT="]Mache nicht den gleichen Fehler wie ich![/FONT]
[FONT="]Vertraue auf dein Bauchgefühl. Hast du die Liebe deines Lebens gefunden, dann halte sie und arbeite daran, dass sie ewig sein wird.[/FONT]
[FONT="]Ich hörte auf meinen Vater und ließ meine Liebe zurück und in dieses Unglück wurdest du geboren. Ich bin fort – und du allein, hilf deinen Kindern ein besseres Leben zu haben, und versprich mir: Mach es besser als ich. Höre auf die Worte der Legende von Beacon Hights. Verliebe dich, habe keine Angst davor, denn es ist das aufregendste Gefühl der Welt – und meinetwegen sollst du es nicht missen.[/FONT]
[FONT="]Mein Fehlen tut mir so Leid, aber ich weiß du gehst deinen Weg.[/FONT]
[FONT="]Deine Mutter[/FONT]
[FONT="]Seine müden Augen schauten auf den Leuchtturm am anderen Ufer. Ein Käufer solle sich gefunden haben. Er wusste nicht, ob diese Nachricht eine gute oder eine schlechte war. Viele Erinnerungen hingen an ihm. Seine Jugendzeit, seine erste Liebe, seine einzige Liebe. Hinter ihm bellte es aufdringlich. „Oll, sei ruhig, ich komm ja schon.“[/FONT]
[FONT="]Aufregung machte sich breit. Dies würde ihr erstes eigenes Heim werden. Immer wieder hatte sie den Brief ihrer Urgroßmutter gelesen. „Höre auf die Worte der Legende von Beacon Hights.“ Sie hatte ihr Literatur Studium an der Universität abgeschlossen und hoffte auf die Ruhe und Besinnlichkeit dieser Insel, um die Legende zu finden und wieder unvergessen zu machen.[/FONT]
[FONT="]Immer mehr grün erschien vor dem Abteilfenster und immer weniger Häuser flogen vorbei. Lange schon hatte sie die Stadt hinter sich gelassen. Unruhig sah sie auf ihre Armbanduhr, nur noch wenige Augenblicke, dann würde sie dort sein, wo ihre Urgroßmutter gelebt und geliebt hatte.[/FONT]
[FONT="]Ihre ersten Schritte in der neuen Heimat waren merkwürdig. Fremd – es fühlte sich fremd an. Sie fühlte sich fremd. Die Luft war schwer salzhaltig und sie atmete einige Sekunden lang einfach nur tief ein. Jede Sekunde sollte ihr in Erinnerung bleiben. Auf eine Bank am Bahnsteig ließ sie sich nieder, sah den Bahnbeamten zu, die, ganz altmodisch, ihr Gepäck in die Bahnhofshalle trugen.[/FONT]
[FONT="]Das erste Mal wurde ihre Vorfreude getrübt. Sie hatte keine Ahnung, wie Beacon Hights finden sollte. Seine Spitze hatte sie schon gesehen, aber dieses Nest schien zu klein, um ein Taxiunternehmen zu beherbergen.[/FONT]
[FONT="]Sie beschloss, sich auf die Suche nach einer Auskunft zu machen.[/FONT]
[FONT="]Direkt im Bahnhof war ein kleiner Imbiss und am leeren Tresen sah sie eine Bedienung für Ordnung sorgen. „Entschuldigen Sie bitte,“ sprach sie ihn an.[/FONT]
[FONT="]„Kann ich Ihnen helfen?“ Erleichtert ob der freundlichen Begrüßung seufzte sie. „Ja, ich erhoffe es mir. Ich wohne jetzt auf Beacon Hights, nur – ich habe so gar keine Ahnung wie ich dort hinkommen soll.“ „Setzen Sie sich.“[/FONT]
[FONT="]Er kramte einen Teller hervor und belud ihn mit einem frischen Hotdog. „Nehmen Sie nur, es ist ein langer Fußmarsch, da brauchen Sie etwas Stärkung.“ [/FONT]
[FONT="]Aufmunternd lächelte er die Fremde an. Sie wohnte jetzt auf der kleinen Insel? Ihm schoss die alte Geschichte in den Sinn, die er zum Einschlafen als kleines Kind von seiner Mutter erzählt bekommen hatte. Ob diese Frau das Geheimnis lösen würde? Sie plauderten ein Weilchen ungezwungen, während sie dankbar das Brötchen verspeiste.[/FONT]
[FONT="]Sie hatte sich bedankt – höflich, und war dann die ersten Schritte raus aus dem Bahnhof auf eine Bushaltestelle gestoßen. ‚Na wer sagt’s denn? Doch nicht ganz so weit zu laufen.’ Doch vergeblich suchte sie einen Fahrplan und musste die Worte des Imbissverkäufers nun doch für bare Münze nehmen.[/FONT]
[FONT="]„Fisher Paul bringt Sie rüber, Sie können ihn gar nicht verfehlen.“[/FONT]
[FONT="]Lange war sie schon gelaufen und langsam fragte sie sich, wie die Menschen hier bloß überleben konnten, ganz ohne Auto. Doch dann sah sie einen älteren Herrn der seinem Hund gerade etwas in den Futternapf füllte. „Sind Sie Fischer Paul?“ „Wer will das wissen?“ fragte er kurz angebunden. „Na ich,“ antwortete sie und dachte sich im Stillen ‚sonst hätte ich ja nicht gefragt…’[/FONT]
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[FONT="]Fischer Paul drehte sich zu ihr um, erkannte dieses Gesicht sofort und ließ beinahe seine Hundefutterpackung fallen. „Kommen Sie rein.“ Er stellte die Packung auf die Anrichte und goss seinem Gast eine Tasse heißen Kaffee ein. „Woher kommen Sie?“ Sie setzten sich an den kleinen Tisch in der Ecke.[/FONT]
[FONT="]„Das ist eine lange Geschichte. Jetzt in diesem Augenblick komme ich von der Universität und brauche einfach mal etwas Abstand. Ich will leben – und lieben.“ Verschmitzt grinste sie in ihre Tasse. Diese Worte hatte er schon einmal gehört. Viele, viele Jahrzehnte her.[/FONT]
[FONT="] „Sie wollen jetzt auf die Insel? Was ham Sie denn da vor?“ fragte er. „Ich will wissen wo meine Urgroßmutter gelebt hat, und warum meine Familie dieses wunderschöne Fleckchen Erde verlassen hat – und was es mit der Legende auf sich hat. Ich soll sie suchen, oder so in der Art.“ Sie nahm noch einen Schluck, und er hustete plötzlich los.[/FONT]
[FONT="]„Alles in Ordnung mit Ihnen? Soll ich einen Arzt rufen? Sind Sie vielleicht krank?“ fragte sie hastig und stellte ihren Becher auf den Tisch. Behutsam legte sie ihre Hand auf seinen Unterarm. „Ach was, ich habe mich nur verschluckt.“ Auch Fischer Paul stellte seinen Becher ab. „Gar nicht wahr,“ scherzte das junge Gör. „Sie sind ja noch da.“[/FONT]
[FONT="]Er führte sie auf dem Steg entlang und wies auf den Leuchtturm.[/FONT]
[FONT="]Ihre Augen wurden größer. Er war wunderschön, nie hätte sie gedacht, dass er eines Tages ihr gehören würde. Ihre Mutter wollte ihn verkaufen, doch sie hatte lange gebettelt ihn behalten zu dürfen.[/FONT]
[FONT="]„Waren Sie schon dort? Auf der Insel?“ fragte sie und spürte seinen Atem in ihrem Haar. Vielleicht war es aber auch der Wind, das konnte sie nicht so genau sagen. „Ja,“ brummte er. Dieses Gespräch wollte er gern vermeiden und hatte gerade die Zähne auseinander gebracht, um sie zum Boot zu bitten als sie fragte: „Und meine Urgroßmutter – war sie dort glücklich?“ Fischer Paul räusperte sich. „Ja, das war sie. Kommen Sie, wir sollten übersetzen, die Flut ist günstig.“[/FONT]
[FONT="]Sie hörte nicht auf zu plappern. Stellte immer mehr Fragen über ihre Familie, doch Fischer Paul hüllte sich in Schweigen. Er war die Ruhe gewohnt und fühlte sich von Touristen überfordert. Er wies auf das Boot vor sich. „Da soll ich einsteigen?“ Sie war schwer besorgt – und fürchtete um ihr Leben.[/FONT]
[FONT="]„Ich werde hier bestimmt sterben. Untergehen, wie ein Stein. Haben Sie schon einmal einen Stein untergehen sehen? Ich kann doch nur ganz schlecht schwimmen.“ Leise jammerte sie vor sich hin. „Seien Sie doch still.“ brummte der alte Mann. „Sie verscheuchen sonst noch die Vögel.“[/FONT]
[FONT="]„Entschuldigung.“ Krampfhaft legte sie ihre Hände auf ihren Schoss. Alle in ihrer Familie haben diese Fahrt überlebt, warum sollte dann ausgerechnet sie untergehen?[/FONT]
[FONT="]Trotzdem war sie zutiefst dankbar als sie das wackelige Boot verlassen konnte. Fischer Paul legte direkt wieder ab. „He, warten Sie! Lassen Sie mich hier allein?“ Besorgt sah sie sich um. „Zum Leuchtturm geht’s da rauf!“ Sie folgte seiner Hand mit ihrem Blick. „Danke.“ murmelte sie. Der Weg hinauf war kurz.[/FONT]
[FONT="]Mit einem unfassbaren Gefühl blieb sie stehen. Es war, als wäre sie aus dem Traum der letzten Wochen aufgewacht. Sie stand vor ihm – vor ihrer Vergangenheit und plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie sich mitten in ein Abenteuer hinein katapultiert hatte. Gerade sie, das sonst so stille und achtsame Mädchen.[/FONT]
[FONT="]Sie öffnete die Tür und nahm den staubigen Geruch wahr. Die ersten Tage würde sie wohl überall die Fenster dauergeöffnet halten. Sie durchstreifte die Räume, berührte vieles mit ihren Fingerspitzen und fand ein altes Tagebuch im Regal. Kribbelnd öffnete sie es und hoffte etwas mehr davon zu erfahren was sie suchte.[/FONT]
[FONT="]An den Ausblick würde sie sich nie gewöhnen, zu schön um wahr zu sein. Ihren Laptop stellte sie auf den winzigen Balkon und sah in die Ferne.[/FONT]
[FONT="]„Hey Mom, ich bin hier gut angekommen, oder so. Die Luft ist herrlich, ich liebe das Meer und den Strand! Ich bin heute schon spazieren gewesen und das Wasser ist so warm. Ich kann nicht verstehen, wie du ihn einfach so verkaufen wolltest! Du musst ihn sehen – deine Großmutter lebte hier! Bist du denn gar nicht neugierig? Sei lieb gegrüßt von Beacon Hights![/FONT]
[FONT="]Schnell brach die Nacht herein und sein Licht warf einen hellen Schein über die Welt, um den Seefahrern ein sicheres Geleit zu geben.[/FONT]