Naike
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Kapitel 37 – Sind Träume nur Schäume?
Und dann war es soweit, Julia schickte sich an, die Kerzen auszupusten. Alles ging sehr schnell, aber es war für Naike wie immer spannend, Geburtstage in der virtuellen Welt mitzuerleben.
Ein Sprung, ein buntes Blitzen ...
... und das kleine Julchen war im Handumdrehen ein derart attraktiver Teenager geworden, so dass alle nur staunten. Naike war erleichtert, die Chirurgie-Station würde nicht zum Einsatz kommen müssen, Adams Gene hatten sich bewährt. Es war die richtige Entscheidung gewesen, mit Julia in der schweren Phase nach dem Tod ihres Vaters zu Jess und Naike zu ziehen, dachte Joseph, und er war sehr mit sich sehr zufrieden. Niemals hätte er es sich verzeihen können, wenn seine Nichte von einem guten Wege abgekommen wäre.
"Na, dann meinen herzlichen Glückwunsch, Süße! Jetzt darfst du Hochprozentiges trinken – Prost!" Julia schaute argwöhnisch. "Bist du irgendwie beschwipst, Naike? Ich bin jetzt Teenager, aber noch kein Erwachsener. Außerdem würde ich selbst volljährig keinen Killepitsch anrühren, das Zeug stinkt einfach widerlich!" Naike kippte sich ungerührt einen Doppelten hinter die Binde. "Soll ich dir nicht lieber einen Fruchtsaft holen, Tantchen?", fragte Julia ein wenig besorgt.
"Tantchen?", wiederholte Naike entrüstet und hickste dabei, "du spinnst wohl, mich so zu nennen. Aber gib mir ruhig mal’n Saft rüber.“ Julia schüttelte grinsend den Kopf und machte sich auf die Suche.
Sie fand den Fruchtsaftspender abseits des lauten Party-Getümmels auf der Terrasse. Doch plötzlich musste sie an ihren Vater denken. Warum konnte er nicht dabei sein, wenn sie aufwuchs? Julia war plötzlich zum Heulen zumute, aber sie fing sich, zog kurz die Nase hoch und mischte sich dann wieder unter ihre Gäste, ohne noch an den Fruchtsaft zu denken.
Und gleich noch jemand hatte es auf den hochprozentigen Killepitsch abgesehen. Joseph nahm bereits zum dritten Mal einen sehr großen Schluck, denn er musste sich ein bisschen Mut antrinken.
"Naike, kann ich dich kurz alleine sprechen?"
"Aber natürlich, immer doch! Was ist denn?" Sie stand auf und lächelte ihren neuen Partner offen und liebevoll an. Joe zog sie an sich und sah ihr tief in ihre großen grün-braunen Augen.
"Weißt du, ich ... wo wir doch jetzt zusammen sind ... ich dachte ... vielleicht wäre es ... wir also, wir könnten doch ... willst du meine Frau werden?"
Naike überkam augenblicklich das Gefühl, von einem Holzhammer getroffen worden zu sein. "Was? Joe, ich ... das geht doch nicht ..."
"Wieso geht das nicht? Liebst du mich denn nicht?", fragte er alles andere als freudig überrascht. Naike seufzte. "Ach Joe, darum geht es nicht ... aber ich bin ... es ist noch zu früh! Ich habe deinen Bruder noch nicht vergessen. Ich möchte das Geschehene erst komplett verarbeitet haben, bis ich mich fürs Leben binde. Bitte verstehe das!" Joseph schluckte schwer. "Ja, ist schon gut. Ich glaube, du hast Recht. Ich werde warten. Bitte gib mir ein Zeichen, ja?" Naike streichelte über seine Wange. "Das werde ich."
Dann wandte sie sich von ihm ab und überlegte, wo sie sich verkriechen konnte.
Joe schaute ihr betrübt nach.
"Kann ich etwas für dich tun, Naike?"
"Danke, nein, Voodoo Mom, ich muss nur mal ein bisschen Luft schnappen", antwortete sie und ging ein wenig schwankend nach draußen, wo Dr. Blythe bereits ein Geburtstagsfeuer angezündet hatte, das nun warm vor sich hin knisterte und die Nacht ein wenig erhellte.
Naike setzte sich ans Feuer und dachte nach. Mit einer solchen Entwicklung des Abends hatte sie weiß Gott nicht gerechnet. Was hatte sich Joe nur dabei gedacht? Sie waren doch erst seit kurzer Zeit ein Paar. Es hätte sich einfach nicht richtig angefühlt, Ja zu sagen. Was für ein blödes Spiel! Warum konnten unbeschwerte Zeiten hier nicht mal länger als bloß ein paar Wochen dauern?
Während Naike weiter vor sich hinfluchte, knirschten hinter ihr Schritte im Sand. "Hi, Nai!", summte leise eine ihr wohlbekannte tiefe Stimme hinter ihrem Rücken. Sie erkannte sie sofort und knurrte. "Hau ab, du doofes Gespenst! Du fehlst mir gerade noch, ich hab jetzt keinen Bock auf sowas!"
"Es tut mir leid. Ich weiß, dass du mich nicht mehr sehen willst, aber ich wollte dich noch einmal sehen und dir endgültig Adieu sagen, bevor ich das Land verlasse. Ich werde in meiner alten Heimat ein neues Leben anfangen." Naike pfiff abschätzig durch die Zähne. "Ja, ja, bla bla bla … dankeschön, Geisterwelt, ich hab's gerafft, Ihr könnt mich nicht mehr foppen, Ton aus!"
"Ich bin kein Geist, was soll der Blödsinn, Naike?"
"Na klar, du bist mein lieber süßer Adam, am Kreuze gestorben, hinab gestiegen in das Reich des Todes und am x-ten Tage auferstanden von den Toten. Und jetzt kommst du vor der Auffahrt in den Himmel noch einmal bei mir vorbei", blaffte sie aggressiv.
"Nix Reich des Todes, ich war einige Wochen zur Reha in Liechtenstein. Hat Joseph dir das nicht gesagt oder hast du nicht zugehört?"
"Äh ... Liechtenstein?", lachte Naike genervt, musste aber grinsen, denn das war eindeutig der Blödeste aller ihrer bisherigen Träume!
Jetzt hatte sie aber wirklich genug von diesem Affentheater. "So Feierabend! Ich gehe wieder rein, du kannst dich jetzt guten Gewissens wieder entmaterialisieren. Und suche mich bitte nicht mehr weiter in meinen Träumen auf, du tust mir damit keinen Gefallen." Dann drehte sich Naike vorsichtig um. Welches Kostüm er wohl diesmal trug?
Keines. Unheimlich echt sah er aus. Es schauderte ihr, und für einen kurzen Moment zweifelte sie an ihrem Traumzustand.
Sie sah sich um. Hatte sie zuviel getrunken? Im Haus war die Party weiterhin in vollem Gange, alles schien normal. Es gab weder Unregelmäßigkeiten in der Atmosphäre noch Zeitsprünge. Bisher zumindest nicht. Ängstliche Unruhe breitete sich in ihrem Geist aus, die ersten Affen hangelten sich durch ihrem Kopf. Aber dann kam ihr eine Idee, schließlich hatte sie sich in ihrem anderen Leben ausgiebig mit Traumarbeit beschäftigt.
"Na warte! Jetzt mache ich den ultimativen Traumtest und kneife dir in den Hintern!"
"Nur zu, das ist doch schon mal ein guter Anfang", lachte die Adam-Erscheinung zustimmend.
Gesagt, getan. Aber statt des erwarteten Griffs ins Leere, fühlte Naike einen wohlgeformten, bestens trainierten, kräftigen Männerarsch und stutzte völlig irritiert. "Bist du tot oder nicht?", fragte sie und ihre Lippen begannen zu zittern. "Kannst gerne auch gleich noch mal vorne nachfühlen, um ganz sicher zu gehen", zwinkerte er ihr zu, wirkte aber dann plötzlich selbst nachdenklich.
Dann zog er sie an sich. "Sag mal, wie viel hast du heute Abend schon getankt, Mädchen?" Der Adam-Geist schnupperte. "Hm ... das müssen mindestens fünf Schnäpse gewesen sein." Naike sah inzwischen seltsame kleine Sternchen quirlig umher tanzen. "Ich ..."
"Moment mal. Hat mein Bruder dir etwa erzählt, ich sei tot?"
"Nicht?", brachte sie noch lahm über die Lippen und knickte dann ein, so dass Adam sie gerade noch aufschnappen konnte, obwohl auch ihm mächtig schummerig war. Er zog hörbar die Luft ein. Dann lachte er bitter. "Mädchen, Mädchen – ich glaube wir sind ordentlich beschissen worden. Mir hat Joe erzählt, du wolltest wegen meiner Vergangenheit nichts mehr von mir wissen." Naike schielte ihn an und nahm jetzt gleich zwei Gespenster wahr. "Ist er gerade bei euch im Haus?"
"Ja ... aber bitte tu ihm nichts", wimmerte sie schwach, das Schlimmste befürchtend, denn sie wusste um seine riskante Unberechenbarkeit.
"Keine Sorge, ich mache jetzt erstmal etwas ganz anders. Ich werde dich einfach stehlen!"
Naike sagte gar nichts mehr, als Adam sie zu Josephs Auto trug, auf den Beifahrer-Sitz legte, die Zündung kurzschloss und mit ihr in die sternenklare Nacht davonbrauste.
Kapitel 37 – Sind Träume nur Schäume?
Und dann war es soweit, Julia schickte sich an, die Kerzen auszupusten. Alles ging sehr schnell, aber es war für Naike wie immer spannend, Geburtstage in der virtuellen Welt mitzuerleben.
Ein Sprung, ein buntes Blitzen ...
... und das kleine Julchen war im Handumdrehen ein derart attraktiver Teenager geworden, so dass alle nur staunten. Naike war erleichtert, die Chirurgie-Station würde nicht zum Einsatz kommen müssen, Adams Gene hatten sich bewährt. Es war die richtige Entscheidung gewesen, mit Julia in der schweren Phase nach dem Tod ihres Vaters zu Jess und Naike zu ziehen, dachte Joseph, und er war sehr mit sich sehr zufrieden. Niemals hätte er es sich verzeihen können, wenn seine Nichte von einem guten Wege abgekommen wäre.
"Na, dann meinen herzlichen Glückwunsch, Süße! Jetzt darfst du Hochprozentiges trinken – Prost!" Julia schaute argwöhnisch. "Bist du irgendwie beschwipst, Naike? Ich bin jetzt Teenager, aber noch kein Erwachsener. Außerdem würde ich selbst volljährig keinen Killepitsch anrühren, das Zeug stinkt einfach widerlich!" Naike kippte sich ungerührt einen Doppelten hinter die Binde. "Soll ich dir nicht lieber einen Fruchtsaft holen, Tantchen?", fragte Julia ein wenig besorgt.
"Tantchen?", wiederholte Naike entrüstet und hickste dabei, "du spinnst wohl, mich so zu nennen. Aber gib mir ruhig mal’n Saft rüber.“ Julia schüttelte grinsend den Kopf und machte sich auf die Suche.
Sie fand den Fruchtsaftspender abseits des lauten Party-Getümmels auf der Terrasse. Doch plötzlich musste sie an ihren Vater denken. Warum konnte er nicht dabei sein, wenn sie aufwuchs? Julia war plötzlich zum Heulen zumute, aber sie fing sich, zog kurz die Nase hoch und mischte sich dann wieder unter ihre Gäste, ohne noch an den Fruchtsaft zu denken.
Und gleich noch jemand hatte es auf den hochprozentigen Killepitsch abgesehen. Joseph nahm bereits zum dritten Mal einen sehr großen Schluck, denn er musste sich ein bisschen Mut antrinken.
"Naike, kann ich dich kurz alleine sprechen?"
"Aber natürlich, immer doch! Was ist denn?" Sie stand auf und lächelte ihren neuen Partner offen und liebevoll an. Joe zog sie an sich und sah ihr tief in ihre großen grün-braunen Augen.
"Weißt du, ich ... wo wir doch jetzt zusammen sind ... ich dachte ... vielleicht wäre es ... wir also, wir könnten doch ... willst du meine Frau werden?"
Naike überkam augenblicklich das Gefühl, von einem Holzhammer getroffen worden zu sein. "Was? Joe, ich ... das geht doch nicht ..."
"Wieso geht das nicht? Liebst du mich denn nicht?", fragte er alles andere als freudig überrascht. Naike seufzte. "Ach Joe, darum geht es nicht ... aber ich bin ... es ist noch zu früh! Ich habe deinen Bruder noch nicht vergessen. Ich möchte das Geschehene erst komplett verarbeitet haben, bis ich mich fürs Leben binde. Bitte verstehe das!" Joseph schluckte schwer. "Ja, ist schon gut. Ich glaube, du hast Recht. Ich werde warten. Bitte gib mir ein Zeichen, ja?" Naike streichelte über seine Wange. "Das werde ich."
Dann wandte sie sich von ihm ab und überlegte, wo sie sich verkriechen konnte.
Joe schaute ihr betrübt nach.
"Kann ich etwas für dich tun, Naike?"
"Danke, nein, Voodoo Mom, ich muss nur mal ein bisschen Luft schnappen", antwortete sie und ging ein wenig schwankend nach draußen, wo Dr. Blythe bereits ein Geburtstagsfeuer angezündet hatte, das nun warm vor sich hin knisterte und die Nacht ein wenig erhellte.
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Naike setzte sich ans Feuer und dachte nach. Mit einer solchen Entwicklung des Abends hatte sie weiß Gott nicht gerechnet. Was hatte sich Joe nur dabei gedacht? Sie waren doch erst seit kurzer Zeit ein Paar. Es hätte sich einfach nicht richtig angefühlt, Ja zu sagen. Was für ein blödes Spiel! Warum konnten unbeschwerte Zeiten hier nicht mal länger als bloß ein paar Wochen dauern?
Während Naike weiter vor sich hinfluchte, knirschten hinter ihr Schritte im Sand. "Hi, Nai!", summte leise eine ihr wohlbekannte tiefe Stimme hinter ihrem Rücken. Sie erkannte sie sofort und knurrte. "Hau ab, du doofes Gespenst! Du fehlst mir gerade noch, ich hab jetzt keinen Bock auf sowas!"
"Es tut mir leid. Ich weiß, dass du mich nicht mehr sehen willst, aber ich wollte dich noch einmal sehen und dir endgültig Adieu sagen, bevor ich das Land verlasse. Ich werde in meiner alten Heimat ein neues Leben anfangen." Naike pfiff abschätzig durch die Zähne. "Ja, ja, bla bla bla … dankeschön, Geisterwelt, ich hab's gerafft, Ihr könnt mich nicht mehr foppen, Ton aus!"
"Ich bin kein Geist, was soll der Blödsinn, Naike?"
"Na klar, du bist mein lieber süßer Adam, am Kreuze gestorben, hinab gestiegen in das Reich des Todes und am x-ten Tage auferstanden von den Toten. Und jetzt kommst du vor der Auffahrt in den Himmel noch einmal bei mir vorbei", blaffte sie aggressiv.
"Nix Reich des Todes, ich war einige Wochen zur Reha in Liechtenstein. Hat Joseph dir das nicht gesagt oder hast du nicht zugehört?"
"Äh ... Liechtenstein?", lachte Naike genervt, musste aber grinsen, denn das war eindeutig der Blödeste aller ihrer bisherigen Träume!
Jetzt hatte sie aber wirklich genug von diesem Affentheater. "So Feierabend! Ich gehe wieder rein, du kannst dich jetzt guten Gewissens wieder entmaterialisieren. Und suche mich bitte nicht mehr weiter in meinen Träumen auf, du tust mir damit keinen Gefallen." Dann drehte sich Naike vorsichtig um. Welches Kostüm er wohl diesmal trug?
Keines. Unheimlich echt sah er aus. Es schauderte ihr, und für einen kurzen Moment zweifelte sie an ihrem Traumzustand.
Sie sah sich um. Hatte sie zuviel getrunken? Im Haus war die Party weiterhin in vollem Gange, alles schien normal. Es gab weder Unregelmäßigkeiten in der Atmosphäre noch Zeitsprünge. Bisher zumindest nicht. Ängstliche Unruhe breitete sich in ihrem Geist aus, die ersten Affen hangelten sich durch ihrem Kopf. Aber dann kam ihr eine Idee, schließlich hatte sie sich in ihrem anderen Leben ausgiebig mit Traumarbeit beschäftigt.
"Na warte! Jetzt mache ich den ultimativen Traumtest und kneife dir in den Hintern!"
"Nur zu, das ist doch schon mal ein guter Anfang", lachte die Adam-Erscheinung zustimmend.
Gesagt, getan. Aber statt des erwarteten Griffs ins Leere, fühlte Naike einen wohlgeformten, bestens trainierten, kräftigen Männerarsch und stutzte völlig irritiert. "Bist du tot oder nicht?", fragte sie und ihre Lippen begannen zu zittern. "Kannst gerne auch gleich noch mal vorne nachfühlen, um ganz sicher zu gehen", zwinkerte er ihr zu, wirkte aber dann plötzlich selbst nachdenklich.
Dann zog er sie an sich. "Sag mal, wie viel hast du heute Abend schon getankt, Mädchen?" Der Adam-Geist schnupperte. "Hm ... das müssen mindestens fünf Schnäpse gewesen sein." Naike sah inzwischen seltsame kleine Sternchen quirlig umher tanzen. "Ich ..."
"Moment mal. Hat mein Bruder dir etwa erzählt, ich sei tot?"
"Nicht?", brachte sie noch lahm über die Lippen und knickte dann ein, so dass Adam sie gerade noch aufschnappen konnte, obwohl auch ihm mächtig schummerig war. Er zog hörbar die Luft ein. Dann lachte er bitter. "Mädchen, Mädchen – ich glaube wir sind ordentlich beschissen worden. Mir hat Joe erzählt, du wolltest wegen meiner Vergangenheit nichts mehr von mir wissen." Naike schielte ihn an und nahm jetzt gleich zwei Gespenster wahr. "Ist er gerade bei euch im Haus?"
"Ja ... aber bitte tu ihm nichts", wimmerte sie schwach, das Schlimmste befürchtend, denn sie wusste um seine riskante Unberechenbarkeit.
"Keine Sorge, ich mache jetzt erstmal etwas ganz anders. Ich werde dich einfach stehlen!"
Naike sagte gar nichts mehr, als Adam sie zu Josephs Auto trug, auf den Beifahrer-Sitz legte, die Zündung kurzschloss und mit ihr in die sternenklare Nacht davonbrauste.
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