Grüß Euch,
so, dann hängen wir doch gleich eine Fortsetzung dran - hab ja eh nichts besseres zu tun
Teil 8: Noland/Tenebra: Verwandtschaften
Nachdem Noland sein Tonikum ausgetrunken hatte und in Ruhe darüber nachdachte, was nun zu tun sei, entschloss er sich, Ceraphina aufzusuchen. So ging er also zu Lady Viola und sie beförderte ihn mit einem seltsam anmutenden Spruch zum Haus der Noland all zugut bekannten Tenebra.
Obwohl Viola sagte, dass Ceraphina geflohen war, findet er sich an der selben Stelle wieder, wie vor so vielen Jahren, als er zuletzt hier war.
Alles ist ihm bekannt. Nur ist das Häuschen noch verwilderter als damals.
Er läuft langsam Richtung Eingang. Unentschlossen bleibt er stehen und überlegt sich, ob er nicht wieder gehen sollte.
Doch Ceraphina bereitete seinen Überlegungen jäh ein Ende, als sie ihn sieht.
Sie stürmt auf ihn zu und nimmt ihn in den Arm.
"Ach mein Junge, wo warst du? Geht es dir gut?"
"Ich habe Fragen" weicht er ihr aus. "Viele Fragen"
"Natürlich. Komm mit mir ins Haus. Es wird ohnehin gleich dunkel und es wird Zeit, etwas zu essen.
"Was ist mit den Menschen in Bergtalingen geschehen? Lady Viola meinte, sie wären verarmt... was ist mit meiner Familie?"
"Nun, das ist ein Teil der Geschichte.
Deine Mutter verließ das Dorf nicht von Ungefähr. Ich habe sie von dort förmlich weggezerrt. Auch ihre Eltern wollten sie aus dem Dorf haben.
Der Ältestenrat der magischen Reiche hatte damals schon begonnen, sich einen Weg auf den Thron zu bahnen. Kurz nachdem deine Mutter mit dir floh, versiegten die Erzadern. Armut machte sich breit. Die Felder verdorrten, das Vieh erkrankte. Hunger machte sich breit. So flohen die Jungen, doch die Alten blieben. Die meisten von ihnen waren Hexen wie du und ich und dem Rat ein Dorn im Auge.
So sprachen die Ältesten einen Fluch. Eine der abscheulichsten Taten des Rates, doch wer sollte ihnen Einhalt gebieten? Der damalige Merlin war alt und krank. Die Venterro lieferten sich mit dem Ältestenrat einen öffentlichen Wettstreit. Doch selbst die hochangesehenen Venterro hatten dem Rat und deren Günstlingen nichts entgegenzusetzen. Die Adligen waren den Geboten der Merlinier überdrüssig und die Ältesten versprachen allerlei Vorzüge für sie.
Wie auch immer, so siechte Bergtalingen dahin und wurde krank. Nachdem auch der letzte Einwohner erlag, verebbte die Magie des Fluches, doch es kehrte Niemand zurück.
So fanden auch deine Großeltern ihr Ende. Ein trauriges und tragisches Ende"
"Wie kam es dazu, dass du mich damals aufgenommen hast?"
"Das mein Junge ist leicht erklärt: nachdem deine Mutter starb, sah ich es als meine Pflicht, dich aufzunehmen. Du warst gerade einmal vierzehn und musstest noch allerhand lernen. Ich hätte dich nicht einfach in die Welt hinausgehen lassen können mit ruhigem Gewissen. Deshalb habe ich dich hier bei mir aufgenommen, auch wenn es nur für wenige Jahre war"
Ceraphina und Noland machen es sich vor dem Kamin gemütlich.
"War die Pest in Toren auch das Werk der Ältesten?"
"Zutrauen würde ich es denen. Die meisten der Ältesten sind trotz ihres Rufes und ihres Gehabes Schwarzmagier - oder werden es mit der Zeit.
Sie foltern, töten und rauben. Nachdem die Venterro ausgelöscht wurden, offenbarten sich die Ältesten den Adeligen. So jedenfalls musste es sein, denn unter den hochangesehenen Herrschaften der Adelshäuser machte sich die selbe Krankheit breit, wie die, die in Bergtalingen wütete.
So wurde das gesamte Machtgefüge der magischen Reiche ausgehebelt. Selbst die Sterblichen sind gefährdet. Den Ältesten dürstet es nach Macht. Nicht unbedingt nach Reichtum, doch dieser stellt sich durch ihre anwachsende Macht wie von selbst ein.
Dass die Halda Malle zerstört wurde, ist nur ein weiteres Indiz für ihre widernatürlichen Taten.
Ich weiß nicht, wie die Ältesten an solch große Macht kamen, doch sie besitzen sie - und sie leben sie auch aus. Das Haus des Wissens ist die letzte Bastion freien Willens auf dieser Erde. Wir brauchen einen neuen Merlin - und das so schnell als nur irgend möglich!
"Wie konnte sich das Haus des Wissens behaupten, wenn die Ältesten so große Macht besitzen?" will Noland wissen.
"Nun ja, das mein lieber ist eine sehr interessante Geschichte, wenn ich das mal anmerken darf.
Nachdem du verschwunden bist, also vor etwa sieben Jahren, begann der große Krieg. Die Adeligen waren nahezu ausgelöscht, die Venterro entmachtet. Als erstes kümmerten sich die Ältesten natürlich um die Erben.
Die Ältesten rekrutierten Söldner und heuerten viele Wesen an. Sie sammelten alles, was der Nacht entsprang: Dämonen, Schwarzmagier, Nekromanten, Vampire... und fielen in die Hochburgen und Paläste der Venterro ein. Keiner, so glauben sie, überlebte. Sie eroberten die Häuser der Erben und besetzten sie. Die meisten dieser Prachtbauten stehen an magisch sehr wertvollen Orten. An den meisten kreuzen sich drei oder mehr Ley-Linien und bieten somit einen nahezu unerschöpflichen Reichtum an Magie.
Als nächstes kam meine Familie, die Tenebra. Ich lebe schon lange in dieser Hütte, wie du weißt und niemand außer einigen Wenigen wissen darum, wie man mich finden kann. So blieb ich verschont - doch das Geschlecht der Seher ist ausgemerzt.
Als letztes kam natürlich deine Familie, die Sippe der Sucher. Du musst wissen, die Hagazuss waren ein sehr zahlreiches Geschlecht. Viele lebten weit im Süden als Nomaden. Ein paar lebten sogar bei den Walküren im Norden. Doch als die Hagazuss angegriffen wurden, eilten alle Verwandten herbei um den Ältesten Einhalt zu gebieten. Doch das war ihr Untergang. Wärst Du nicht verschollen gewesen, so hätte es dich ebenso erwischt.
Die nächste Tat bestand darin, sich die Welt untertan zu machen. Sie zerstörten alle wichtigen Orte. Nicht nur die Halda Malle, sondern auch die Akademie, die Tempel... die magische Welt wurde zu einer Ruinenlandschaft"
"Aber es gibt doch so viele Magier und Hexen, wie kann ein kleiner Kreis von Ältesten so einen Schaden anrichten? Ich meine, die Venterro waren doch die mächtigste Familie! Wie konnten sie so einfach ausgelöscht werden?!"
"Das mein Junge weiß niemand. Doch auch das ist nur ein weiteres Indiz dafür, dass die Ältesten Schwarzmagier sind. Die schwarze Magie liefert nicht die mächtigere Magie, aber leider die zerstörerischere. Dafür opfern sie auch ihre Seele. Wer sich für den Pfad der schwarzen Magie entscheidet, opfert seine Seele dem ewig währenden Tod.
Nun denn, wieso das Haus des Wissens noch steht.
Das mein Junge hat eine ganz einfache Antwort: Merlin ist der Erbauer des Hauses des Wissens. Es mag recht klein und bescheiden sein für sein Alter, aber der Geist des großen Merlins wacht über dieses Gemäuer. Es ist nicht so, dass es die Ältesten nicht versucht hätten, als sie die Halda Malle zerstörten. Aber selbst die Zyklopen von Um'dar bissen sich die Zähne an den Steinen aus"
"Wie alt ist das Haus des Wissens?"
"Etwas mehr als eintausend Jahre"
"Wieso ist es dann nicht größer?"
"Die meisten Bücher wurden in die Akademie ausgelagert. Das Haus des Wissens beherbergt die Essenz von all dem Wissen, dass wir heute haben. Alle anderen Bücher, die in der Akademie und in den Tempeln zu finden waren, sind auf der Essenz des Hauses des Wissens aufgebaut. Diese Essenz konnten wir bewahren - also ist all das Wissen, welches die Ältesten verbrannten, nicht verloren"
Sie redeten die ganze Nacht durch, doch Nolands Fragen wurden immer mehr, nicht weniger.
Zur Ablenkung macht er sich im Haushalt nützlich und stockt den Nektar-Vorrat etwas auf. Das kann er ja schließlich.
Nach dem ganzen schuften will er die Flaschen in die Vorratskammer bringen, die noch immer gut gefüllt ist mit allerlei Nützlichem und Schmackhaftem.
Doch er sieht sein altes Bett. In diesem Heuhaufen schlief er früher. Da überkam ihn ein Schauer.
"Tante, warum hast Du mein damaliges Bett nicht weggeräumt?" ihr trat das Wasser in die Augen.
"Ist es denn so verwerflich, wenn man auf Gutes hofft?"
Tröstend nimmt Noland seine "Tante" in den Arm.
"Mein Junge, ich glaube, es wird Zeit, dass du jemanden kennen lernst. Ich habe dir früher immer gesagt, dass in diesem Wald ein Geist lebt, der uns beschützt und behütet. Wir haben immer eine Kerze angezündet und dem Geist gedankt. Es wird Zeit, dass du diesen Geist rufst und mit ihm sprichst. Du weißt wo und wie. Geh!"
Noland geht unsicher in den Wald und sucht nach dem Kreis, den er und seine Tante damals angelegt hatten.
Als er ihn findet, kniet er nieder, entzündet eine Kerze und verräuchert ein paar Kräuter. Plötzlich erscheint über ihm ein schemenhaftes Wesen, das er gleich wieder erkennt.
"DU?!" entfährt es Noland. "Du warst auch beim Markt, als ich eine Kerze entzündete!"
"Ja"
"Du wachst über diesen Wald?"
"Und über Dich"
"Über mich?" der Geist nickt nur. "Du hast mich verschwinden lassen für sieben Jahre..." haucht Noland.
"Ich musste Dich doch beschützen. Es stehen sehr schlechte Zeiten an und wir müssen alle zusammenhalten, um die Welt wieder ins Gleichgewicht zu führen"
"Wieso hast Du mich beschützt, Geist?"
"Ich war vor so langer Zeit, als ich noch lebte, ebenso ein Sucher wie Du es bist, Noland. Nur lag auf meinen Schultern nicht eine derart große Verantwortung, die heute auf Dir lastet"
"Du bist ein Hagazuss?!"
"Ich war der Erste. Es war meine Aufgabe, nach dem Tod des großen Merlin seinen Nachfolger zu finden. Die Unruhen damals waren vergleichbar mit denen, die heute wüten, doch damals waren es keine Würdenträger der magischen Reiche, sondern Ausgestoßene.
Ceraphina, Lady Viola und ich werden Dich alles lehren, was Du brauchst, um den letzten Erben des wahren Thrones zu finden. Wenn Du ihn gefunden hast, beginnt erst der echte Kampf. Dann müssen wir die magische Welt zurückerobern und befreien. Doch mit dem Erben Merlins wird dies möglich sein - ohne wäre es nicht mehr als ein Himmelfahrtskommando mit nur einem einzigen möglichen Ausgang: dem Tod.
Bist Du bereit, Deine Aufgabe anzunehmen? Bist Du bereit, Deiner Bestimmung zu folgen? Bist Du bereit, alles, was Du bisher zu wissen glaubtest, in Frage zu stellen und Dich einer Welt zu öffnen, die Dich nicht nur mit Entzücken und Freude erfüllen wird?"
Noland wird schwarz vor Augen, alles dreht sich, der Boden zieht sich unter seinen Füßen zurück. Alles in ihm zieht sich zusammen und er hat das Gefühl, als würde er in eine endlose Leere stürzen.
Fortsetzung folgt