Kapitel 1
Kapitel 01: Anna
Mit feuchten Augen sah Prinzessin Anna zu, wie das Feuer im Kamin prasselte. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass die Sonne bereits über dem Horizont blickte. Sie saß nachdenklich und unbekleidet vor dem Kamin und dachte über ihr Leben nach. Ab und zu musste die junge Frau lächeln… Ab und zu floss jedoch eine Träne aus ihrem Augenwinkel…
Anna stand auf und schürte durch die Glut.
Dann wandte sie sich um. In ihrem Bett lag ein Mann. Er schlief… und sie sah, wie seine Brust auf und ab stieg. Wollte sie ihm einen Kuss geben? Anna glaubte letzte Nacht ihn zu lieben, doch schien dies nicht mehr wahr zu sein. Ihre Gefühle schienen sie betrogen zu haben. Mit langsamen Schritten ging sie in ihr Ankleidezimmer und zog ein Abendkleid heraus. Sie sah in den Spiegel… War das die Prinzessin, die sie sein wollte? War dies wirklich eine junge Frau, die nur einen Mann lieben und ehren konnte?
„Nein…“, flüsterte Anna und zog sich dann langsam das Kleid an. Ihre Frisur steckte sie, wie so oft alleine hoch, da sie es nicht wollte, dass die Dienerschaft an ihren Kleidern oder Haaren zupfte… Mit leisen Schritten verließ die Prinzessin das Gemach des Gastes und ging durch die langen Korridore ihres Schlosses.
An einem Fenster jedoch, blieb sie stehen… und sie beobachte ein Rehkind, wie es seiner Mutter hinterherlief. Sie lächelte. Dann sah Anna eine Spinne, die gerade ihr Netz vorm Fenster spann. Wie gern würde sie doch einfach ein Tier in freier Wildbahn sein… Einfach hin gehen, wo immer man will, dachte sie sich. Keine Gefangenschaft, wie in diesem Schloss… Keine Dramen, die sich in der eigenen Familie zu schaffen machen…
Anna wandte sich vom Fenster ab und ging weiter. Jeden Morgen blieb sie an einem Gemälde ihrer Eltern stehen. Jeden Tag kniete sie sich nieder. Und jeden Morgen betete sie für diese verstorbenen Seelen und jeden Morgen… liefen Tränen aus ihren Augen…
„Welch Unglück mag das Reich überkommen haben, Vater?“, fragte Anna und sah das Gesicht ihres Vaters an. „Bald werde ich 18 und soll dann auf dem Thron Platz finden… Doch dann muss ich deinen Platz einnehmen… Ich weiß nicht, ob ich das schaffe, Vater?“
Sie dachte an jene Nacht, wo sie geboren wurde… Man hatte ihr diese Geschichte oft erzählt… Sehr oft… Manchmal als Gute Nacht Geschichte, manchmal, damit sie nie vergesse, wie ihre Eltern verunglückten….
Es war eine kalte Nacht im Winter… Und König John und seine Frau Königin Julia fuhren mit ihrem treuen Kutscher durch den Wald. Julia stöhnte und seufzte immer wieder auf und hielt sich den Bauch. „Wir sind gleich da… Mein Schatz!“, wisperte John immer wieder. „Der Arzt weiß Bescheid, und wird unser Kind zur Welt bringen!“
Julia schrie vor Schmerzen. „John… wir kommen zu spät!“
Vorne warf der Kutscher mal einen Blick nach Links… mal einen nach Rechts… Plötzlich fiel, wie aus dem Nichts ein Baumstamm auf den Weg. Die Pferde schlugen aus und die Kutsche rutschte dem steilen Abhang nach recht hinab. Die Pferde lösten sich von der Kutsche. Der Kutscher fiel in den Schnee. Schreie hallten durch den Wald und Pferde wieherten. Julia hielt ihren Bauch fest umklammert. Sie schrie und weinte. John suchte ihre Hand. Ein dünner Baumstamm durchbohrte die Kutschwand und dann Johns Kopf. Julia heulte laut auf und schüttelte schreiend den Kopf. Der Kutscher rannte den Abhang hinunter auf die Kutsche zu, welche nach langen Minuten zum Stillstand kam. Mit letzter Kraft riss der Kutscher die Tür auf und erschrak beim Anblick seines Königs und dann sah er noch, wie Julia ein Messer aus John Tasche zog. „Retten… Retten Sie…“, stammelte sie. „Das Baby…“
Kopf schüttelnd und weinen nahm der Kutscher das Messer. „Bitte…“, wisperte Julia noch. Sie sah, wie der Kutscher das Messer ansetzte… Der Kutscher sah, wie Blut durch den Schnee lief. Die Stille wurde von den Schreien eines Kleines Mädchens durchbrochen…
„Was wünschen Sie heute zu unternehmen, Prinzessin?“, fragte Gérarde, der Dienstbote.
„Ich habe noch nicht darüber nachgedacht…“, antwortete Anna und nahm einen Schluck Wein aus dem Becher.
„Wollen Sie einen Ausritt machen?“
„Ich werde es mir überlegen…“
„Wünschen Sie noch etwas, Prinzessin?“, fragte der Diener.
„Nein Danke, Gérarde! Wissen Sie vielleicht, wann der Graf wünscht abzureisen?“, fragte Anna, stand auf und wandte sich noch einmal dem Diener zu.
„In dieser Hinsicht bin ich Unwissend, Prinzessin!“, antwortete Gérarde.
Anna nickte und verließ den Speisesaal.
„Ach, Prinzessin…“, der Hofmarschall kam auf die junge Frau zu. Er schloss die Tür zur Bibliothek hinter sich.
„Herr Charleston?“, Anna sah ihn fragend an.
„Ich muss sie leider noch auf etwas aufmerksam machen, auch wenn es etwas unpassend zu sein scheint!“, antwortete Herr Charleston.
„Um was handelt es sich?“
„Nun ja… sie werden bald 18… und sind dann für den Thron bereit… Um auf den Thron steigen zu können, gibt es jedoch eine Bedingung in dem Königreich…“
„Ja?“, fragte Anna.
„Sie müssen heiraten…“
Anna sah ihn starr an. „Wen sollte ich heiraten?“, fragte sie.
„Das Gesetz schreibt vor, es muss jemand aus einem Königshaus sein!“
Der Hofmarschall wandte sich ohne ein weiteres Wort ab.
Anna sah ihm nach und drehte sich schließlich zum Fenster. Heiraten? Einen edlen Heeren, der wahrscheinlich so alt wäre wie ihr Vater?
Anna sah auf den großen Garten vor dem Schlosse. In diesem Garten hatte sie als Kind oft gespielt und geträumt, wie sie später heiraten würde. Eine große Familie haben würde. Doch jetzt wollte sie ihren Traum nicht mehr leben. Sie wollte nicht mal mehr in diesem Schlosse leben… Wollte sie überhaupt noch leben?
-Ende-
Kapitel 01: Anna