Nach einem dringenden Anfall von Rezensionslust schnappe ich mir mal das aktuell gelesene Buch und sage meine Meinung
Das erwähnte Buch ist, wie gesagt,
"Der dunkle Thron" von Rebecca Gable. Ihr letzter Roman und relativ neu (zumindest kriegt man ihn nicht so ohne weiteres in der Bücherei *hust*)
Was haben wir also denn da:
England, 1529- nicht die Zeit, wo man gerne leben würde. Denn der berühmte König Henry VIII- der in die Geschichte als "königlicher Blaubart" eingehen wird- hat ein Problem und stellt das Land auf den Kopf, denn wenn der König ein Problem hat, hat das ganze Land ein Problem. Die erste Frau des Königs hat ihm nur eine läppische Tochter geschenkt- er will aber einen männlichen Erben. Und sofort. Und überhaupt. Und die bezaubernde Hofdame Anne Boleyn. Trifft sich also gut.
Nur stellt sich die gesamte katolische Welt mit dem Papst als Oberhaupt der Scheidung des Königs entgegen- rein zufällig und sehr unpraktischerweise ist der Neffe der verstoßenen Königin der aktuell mächtigste Mann auf Erden. Die Sache zieht sich hin, die Laune des Königs wird schlechter, bis es zum offenen Bruch mit Rom kommt, als König's Berater auf den eigentlich ganz logischen Gedanken kommen: "Hey, was fragen wir Rom hier noch überhaupt?!"
So wird die eigene Kirche in England geboren, mit dem König an der Spitze (nebenbei eine geile Gelegenheit, kirchliche Reichtümer unter die Nägel zu reißen... yeah...) Und in dieser Zeit der Reformation und der Glaubensverfolgung kann man für seinen Glauben oder nach der Laune des tyrannischen Königs zu leicht das Leben verlieren.
So geschieht es auch dem Vater des Helden, 14-jährigen Nick of Waringham. Der Junge, gerade frisch aus der Schule des Humanisten Thomas More ("aha", sagen an der Stelle die Geschichtekundigen), erbt ein Trauma, ein vollkommen herunterwirtschaftetes Erbe und eine absolut gehässige Stieffamilie. Und nebenbei auch die berühmte Waringham-Ehre, weswegen er sich gleich auf die Seite der verstoßenen Königin und ihrer verschmähten Tochter Mary schlägt- die dank der neuen Liebe ihres Vaters von der Erbprinzessin zum Bastard alias rechtloses Dreck heruntergestuft wurde.
Eine ehrenhafte, aber unvorsichtige Entscheidung, politisch unkluge Entscheidung, eigentlich tödliche Entscheidung. Von nun an geht es nicht nur darum, ob Nick es schafft, sein Erbe wieder instand zu setzen, sondern viel mehr darum, wie die Autorin es hinkriegt, ihn heil und lebend durch das ganze dicke Buch zu bringen...
Die Meinung:
Die Bücher von Gable sind historische Romane. Es sind verdammt dicke Romane. Es sind schrecklich fesselnde Romane.
Als einziges ist es unbequem, den ganzen Schinken überall mitzuschleppen... (ich lese gerne unterwegs.) Aber genau wie bei den Vorgänger kann man das Ding kaum noch aus der Hand legen.
Waringham-Saga begann eigentlich schon mit "Lächeln der Fortuna" (wo der junge Robin 1360 sein Erbe und seinen Vater verliert- kommt erstaunlich bekannt vor... naja, es interessiert ja den Leser mehr, wenn der Held sich von unten an gegen die Ungerechtigkeit und für sein Geburtsrecht ankämpfen muss.) Die zwei nachfolgenden Romane "Die Hüter der Rose" und "Das Spiel der Könige" schilderten das Schicksal der nachfolgenden Generationen im XV Jahrhundert (hallo weiße und rote Rose.) Nach dem Überspringen von zwei Generationen landen wir dann bei Nick.
Alle Waringhams stecken tief in historischen Ereignissen drin- zu tief für eine fiktive Familie, wenn man mich fragt, sind sie etwa schon mit fast allen gängigen Königen zutiefst befreundet - und alle müssen sich mit ihrer Ehre gegen die Widrigkeiten des Schicksals ankämpfen. (Mindestens ein Gefängnisaufenthalt gehört etwa dazu, das muss sein. Und so weiter.) Und wir schauen ihnen fasziniert zu. Das ganze lange dicke Buch hindurch.
Als einziges muss ich sagen, Frau Gable beschreibt Sachen sehr schön, was passiert ist- aber kaum, wie. Sie zeigt Szenen, eine nach der anderen, manchmal mit Monaten oder Jahren dazwischen- sehr lebendige, spannende
Szenen. Aber wenn ich nachdenke, was für Charaktere sie eigentlich zeichnet... Ok, von Nick kann ich sagen, dass... er die Klappe nicht halten kann und immer mit seiner unverblümten Meinung herausrückt. Und dann hat er sicher seine Ehre, aber auch gewissen Snobismus. Ähm. Wenn man mich fragt, welchen Charakter seine Schwester Laura hat, würde ich nichts sagen können. Nix. Null. Überhaupt.
Meistens führt der Versuch von der Autorin, nicht nur schwarz-weiße Charaktere zu zeichnen, nicht zu Grautönen- sondern zu einer Art von Schachspielbrett *schulterzuck* Der strahlendweiße Held hat plötzlich unangenehme Seiten, weil er ja doch irgendwie auch Nachteile haben soll, oder. Und das sieht komisch aus.
Einige Charaktere sind aber gelungen. Etwa Nick's "böse" Stiefmutter. Seine Stiefschwester wieder nicht- angeblich ist sie böse, aber auch wieder nicht, weil man sie verstehen kann, jaja hallo, Schachbrett. (Was für einen Charakter sie denn genau hat, kann ich immer noch nicht im entfernsten beschreiben.)
Dafür stimme ich in der politischen Frage mit Henry's und Mary's Darstellung überein (oh Wunder
) Mit Henry geht zum ersten Mal ein (Lancasternachfolger) Tudor ins Rennen, der wirklich, nun aber gar nicht gut und angenehm ist. (Der war ein richtiger Mistkerl, wenn man mich fragt. Sieht man schön an dem Umgang mit Frau und Tochter und den mal geliebten Freunden, wenn die nicht mehr tun, was man möchte.)
Mary, die in der englischen Geschichte als Bloody Mary, oh-Gott-diese-furchtbare-Königin-die-Protestanten-verbrannt-hat-und-danach-wollen-Engländer-nie-mehr-katholische-Königen-haben, bekannt ist, ist in der Tat eine äußerst interessante Persönlichkeit, wenn man nachschaut, mit der man nicht anders als Mitleid haben kann. Ein Aschenputtel, das verzweifelt für die eigene Würde und Ehre ihrer geliebten Mutter kämpfte, in den Umständen, wo jeder schon aufgegeben hätte- und von dem nicht minder geliebten Vater kaputt gemacht wurde. Sie war politisch nicht erfolgreich, weil sie sich zu sehr auf die Gefühle, Ehre und ihren ewigen Stützpunkt-Glauben- verlassen hat; aber sie war keineswegs schlimmer als andere Königen ihrer Zeit, dafür wurde sie von ihrer Widersacherin Protestantin Elisabeth beerbt - ratet mal, warum Mary unbedingt ein Ungeheuer sein musste. Und das wurde 50 Jahre lang in der Regierungszeit von Elisabeth wiederholt. (Ich fang nicht damit an, was man mit Katholiken bei Elisabeth gemacht hat. Neinneinnein. Ich sag nur, es hat recht lange gedauert- und Verbrennen wäre im Vergleich dazu ein Vergnügen...)
Insgesamt: ein sehr unterhaltsames Buch, das ich empfehlen würde- trotz aller Schwächen. Nicht nur für Geschichtebegeisterten, denn so lernt man die Geschichte auch mittendrin