Vielleicht irre ich mich, aber besteht der "Rollenspiel-Charakter" nicht in diesen ca. 100 neuen Eigenschaften der Sims? In Sims 2 ist es doch bisher so, dass das Handeln der Sims äußerst undifferenziert ist -da gibt es, grob gesagt, nur gut und böse als Grundrichtung, und dann unterscheidet das Spiel noch zwischen Familie, Freunden, Liebhabern, Feinden und Bekanntschaften, aber vom Charakter her haben sie relativ wenig Tiefgang. Selbst den unordentlichsten Sim kann ich bei entsprechender Laune zwingen, das Haus zu putzen; ein Paar, dass sich eben noch Eifersuchtsszenen machte, spielt plötzlich "Stein, Papier, Schere", als wäre nie etwas geschehen; wenn ich einen Hippie erstelle, können zwar Klamotten, Möbel und Frisur stilecht sein, aber er jammert die ganze Zeit, dass er einen größeren Fernseher oder Computer möchte, und auch die Laufbahnen sind äußerst simpel. Mal ganz davon abgesehen, dass einem ein einziger Nachmittag mit "Witz erzählen-freundschaftlich umarmen-bewundern-kitzeln-lästern-Witz ezählen..." die Freundschaft beinahe jedes Sim einbringt, denn wenn man am Anfang nicht allzu stürmisch rangeht, wird auch der sprödeste und schwierigste Sim garantiert ein Freund.
Mir gefällt nicht alles, was uns in Sims 3 da präsentiert wird: z.B. hätte ich gern mehr Auswahl bei den Nachbarschaftsgeländen oder Wetter; die rabbit holes stören mich als Arbeitsplatz und Schule gar nicht (im Gegenteil), aber dass Geschäfte und Restaurants jetzt nicht mehr betreten werden können, schon.
Die Sache mit dem selbstständigen Handeln kann ich mir noch immer nicht richtig vorstellen: Nehmen wir mal an, ich spiele eine Familie A, die aus Eltern und zwei Kindern besteht, habe dann keine Lust mehr und wechsle in eine andere Familie B. Nach langer Zeit kehre ich dann in Familie A zurück, die Eltern sind mittlerweile Knacker kurz vor dem Ableben, das ältere Kind ein junger Erwachsener, verheiratet und mit eigenem Nachwuchs, das jüngere Kind ein Teenager. Zieht der neue Familienzuwachs dann einfach ins das Haus von Familie A? Muss ich dann zuerst massig Zeit damit verbringen, neue Möbel anzuschaffen, da ja jetzt plötzlich wieder ein Baby im Haushalt lebt? Woher bekommen die Sims ihre Namen?
Die Möbelfrage kann ich für mich selbst nicht klären, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass EA den Spielern letztlich alle Fäden aus den Händen nimmt, so dass man den Nachwuchs nicht einmal selbst benennen kann. Die Aussicht, dass meine Lieblingsssims in der nächsten Runde mit einer dieser Townie-Monstrositäten (kantig-wulstiges Gesicht, grüne Augen, blodes Haar, dunkelste Hautfarbe, hört auf den Namen Goopy Depiesse) verheiratet sind und die Nachbarschaft mit dem gemeinsamen Nachwuchs überfluten, treibt mir den Angstschweiß auf die Stirn. Aber ich hoffe da schwer auf EA und dass man die Möglichkeit hat, den verschiedenen Verbindungen zuzustimmen oder nicht bzw. dass man den Nachwuchs selbst mit Namen versehen kann, auch wenn man gerade nicht spielt.
Prinzipiell finde ich dieses gleichzeitige Altern der Nachbarschaft aber durchaus reizvoll. Ich habe schon mehr als einmal Familien erstellt, um das demographische Profil und/ oder den Genpool der Nachbarschaft zu erweitern, hatte aber nicht wirklich Lust, die auch zu spielen. In der Zukunft könnte man die dann einfach in ihre Häuser ziehen lassen und müsste sich nicht mehr groß darum kümmern -sie wären im Prinzip fast so etwas wie "handverlesene NPCs" -mit besseren Namen und passablem Aussehen.
Um wieder zu meinem Anfangspunkt zurückzukehren: Ich hätte sehr gern Sims, die sich auch entsprechend ihres Charakters benehmen. Ich möchte Sims, bei denen es einen Unterschied macht, ob sie von lieblosen Rabeneltern oder in einer heilen Familie aufgewachsen sind, ich möchte, dass meine Vegetarier nicht nach Schweinskotelette schreien oder dass schwierige Charaktere auch schwierig im Umgang sind, denn -wie bereits oben erwähnt- in Sims 2 kann man im Laufe eines Sim-Nachmittages mit jedem Freundschaft knüpfen.
Bevor Sims 2 rauskam, wurde mit dem Charakter der Sims geworben. Man sah einen extrovertierten und einen schüchternen Sim tanzen und es hieß, der schüchterne Sim käme besser mit anderen Sims zurecht, die ebenfalls schüchtern sind. Im eigentlichen Spiel aber macht dies kaum einen Unterschied und ich als Spieler kann meinen Sim "entgegen seiner Veranlagung" spielen. Ich kann einen sehr schüchternen Sim nehmen und ihn trotzdem aggressiv flirten lassen, mit dem Ergebnis, dass er zwar meckert und und mit dem Fuß stampft oder das Gesicht verzieht, aber letztlich macht es kaum einen Unterschied. Eventuell brauche ich ein paar Minuten länger oder einige optionen erscheinen später im Menü, aber das ist mir persönlich nicht genug. ich möchte einzigartie Sims, die ich nicht glücklich machen kann, indem ich sie vor der Glotze parke und anschließend eine Runde Witze erzählen lasse (und die sich dann Hals über Kopf in den besten Freund verlieben, weil ich die falsche Aktion ausgewählt habe). Ich fände es toll, wenn dieser Freund mal mit Verärgerung, Schock oder Verlegenheit reagierte -schließlich war man doch "nur" befreundet bisher. Ich habe gar nichts gegen die Erwiderung von Gefühlen, nur bitte nicht jedes Mal. Ich möchte das Gefühl haben, dass zwei Sims sich wirklich gefunden haben, wenn das passiert, und nicht bloß denken, "Na toll, schon wieder..."
Ich weiß dass andere Leute andere Prioritäten setzen und dass ihnen andere Facetten des Spiels wichtiger sind. Ich baue gern und ich spiele gern Charaktere. Die Bedürfnissbefriedigung ist mir so ziemlich egal -notfalls cheate ich halt, wenn der Sim zur Arbeit fährt und der Energiebalken nur halb voll ist und das Duschen ausfallen musste, weil das Bad blockiert war. Aber ich möchte endlich mal realistischere Sims haben -so sehr, dass ich mich mit eher negativeren Begleiterscheinungen abfinden kann.
Abwarten, was Sims 3 letztlich in die Realität umsetzt.
ETA: Mir scheint, dass auch andere dieselben Gedanken bezüglich der Folgen von Sims-Autonomie haben.