33. Kapitel: Liebe
In nächster Zeit versuchte ich Alison und ihrer Clique aus dem Weg zu gehen. Offensichtlich war sie wieder von allen geliebt und mich hasste wieder die ganze Welt, diesmal für etwas, was ich gar nicht getan hatte. Weder kannte ich einen Dave, noch war ich auf Zaynas Party gewesen. Doch mittlerweile versuchte ich mir das Ganze nicht mehr so zu Herzen zu nehmen, denn bald würde das Schuljahr sowieso enden und all das hätte keine Bedeutung mehr. Denn was noch viel wichtiger war, war dass Noah sich seit dem Abend nicht mehr bei mir meldete. Ich begann das, was ich sagte, schon allmählich zu bereuen. Aber wieso kämpfte er denn nicht um mich? Das zeigte, dass ich mit meiner Vermutung wahrscheinlich richtig lag. Für ihn war ich nur eine Freundin, jetzt nach der Nacht, in der er mich entjungferte, wahrscheinlich nicht einmal mehr das. Doch ich versuchte mir die Traurigkeit in Bezug auf diese Sache nicht mehr anmerken zu lassen. Es war an der Zeit ihn zu vergessen und all das hinter mich zu lassen. Ich hatte mich die letzten Wochen zu sehr gehen lassen, es war wieder an der Zeit, mich hübsch zu machen, wieder die schönen Sachen anzuziehen, die ich zusammen mit Lisa gekauft hatte. Das Wetter bat sich auch ideal dafür an, denn obwohl schon Herbst war, waren es noch über 20 Grad.

Ich hatte in diesen Tutorials einige Sachen gesehen, die ich ganz interessant fand und versuchte auszuprobieren. Vorsichtig zog ich den Lidstrich, so wie sie es im Video getan hatte und war zufrieden mit dem Ergebnis. Ein wenig stolz, dass es gleich auf Anhieb so klappte, wie ich wollte, löste ich das Zopfgummi aus meinen Haaren und fuhr mir mit meiner Hand noch einmal durch die Haare, um sie noch einmal in Position zu bringen. Mit Chase hatte ich länger auch keinen Kontakt gehalten, es war wohl das Beste auch ihm aus dem Weg zu gehen. Manchmal dachte ich mir, wäre er vielleicht der bessere Freund für mich gewesen. Er war ehrlich, organisiert, sehr ehrgeizig und fleißig, was wohl der Grund dafür war, dass er jetzt schon so einen guten Job gefunden hatte und nur noch den Schulabschluss absolvieren musste. Es würde wohl nicht lange dauern, bis er zu einer großen Nummer werden würde. Dagegen war Noah ein einziges Geheimnis, mal tauchte er auf, mal war er wie von der Bildfläche verschwunden. Mittlerweile war er einfach nur noch schwer einzuschätzen, der, von dem ich glaubte, dass wir beste Freunde seien und uns alles teilen würden. Da hatte ich mich wohl bitter in ihm getäuscht.
Ich packte noch einmal die letzten Sachen zusammen, bevor Lisa mich abholen würde. Dann klingelte es auch schon und ich eilte darauf los, noch einmal einen letzten Blick in den riesigen, schweren Spiegel im Flur werfend und verließ die Wohnung.
[FONT="]Zu meiner Überraschung stand sie nicht allein da, sondern auch jemand anders. Ich kannte sie nur vom Sehen her, aber nicht ihren Namen. Sie ging in unsere Parallelklasse.
„Na du hübsch siehst du aus, endlich mal wieder! Dachte schon, dass du dich wegen dem Idioten komplett aufgegeben hättest… Ja und das ist übrigens Lynn.“
Sie begrüßte mich lächelnd mit einer Umarmung und ich versuchte mir meine Schüchternheit nicht allzu sehr anmerken zu lassen.
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„Ich will jetzt nicht schleimen, aber weißt du was? Ich hab dich damals immer nur vom Sehen her gekannt und dachte mir, dass du eigentlich ganz hübsch bist, aber irgendwie total still“, fing Lynn an, als wir im Auto saßen. Ich sah sie fragend an und wartete, bis sie weiter sprach. „Dann hab ich dich immer mit diesem Noah gesehen, den kennt ja eh jeder. Ihr seid beste Freunde?“
„Beste Freunde? Ich glaub ich muss gleich kotzen“, entgegnete Lisa verächtlich. „Der Typ ist einfach das Letzte, aber ich erzähl dir jetzt nicht wieso, das kann Lou machen, wenn sie will.“
In diesem Moment wurde mir klar, dass es Lisa auf jeden Fall nicht gewesen sein konnte, die Alison oder wem auch immer von der Sache zwischen uns erzählte. Aber woher wusste sie es dann? Lynn warf mir einen neugierigen Blick zu und ich überlegte kurz, ihr davon zu erzählen, doch ich ließ es lieber sein. Stattdessen versuchte ich es kurz wie möglich zu fassen. Eigentlich hatte ich jetzt in nächster Zeit sowieso vor gehabt, die Sache zu vergessen, doch es schien mich jedes Mal wie ein Schatten zu verfolgen.
„Ach, ich will jetzt nichts Schlechtes über ihn sagen… Er ist ein komplizierter Mensch, irgendwie launisch. Mehr nicht“, antwortete ich, während ich den Boden des Fahrzeugs ansah. „Er ist kein schlechter Mensch.“ „Siehst du Lynn, sie nimmt ihn schon wieder in Schutz. Es hat keinen Sinn, vergessen wir dieses Árschloch einfach, ich will noch was essen können.“
Ich ließ Lisas Aussage unkommentiert, in der Hoffnung, wir würden bald das Thema wechseln – mit Erfolg. „Heute ist Freitag, was wollen wir machen? Habt ihr Lust essen zu gehen oder irgendwas zu starten?“, fragte Lynn, während sie in ihrer Tasche nach irgendetwas wühlte und schließlich eine Packung Kaugummis herausholte. „Auch eins?“ Sie streckte mir den Streifen entgegen. „Danke.“
„Ich hab nicht so viel Lust heute feiern zu gehen… Wollen wir einen Mädelsabend bei mir machen?“, schlug Lisa zu meiner Erleichterung vor. „Ich hätt da ehrlich gesagt auch Lust drauf“, warf ich vorsichtig ein. „Gut, dann heute Abend zu dritt bei mir? Ihr könnt ja noch jemanden mitbringen, wenn ihr wollt.“ [/FONT]

Als ich das Klassenzimmer betrat, bot sich mir ein Bild an, das ich im nächsten Moment erst einmal seltsam fand. Annie saß auf Noahs Tisch und schien sich mit ihm über irgendetwas zu unterhalten. Ich ging langsam an meinen Platz, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, versuchte aber gleichzeitig auch zu lauschen, worüber sie sprachen, doch leider konnte ich nicht viel hören. Er hatte mich wahrscheinlich sowieso gesehen, schien mich aber irgendwie zu ignorieren.
„Bis später hoffentlich, ja?“, mit diesen Worten stand sie auf und winkte ihm zu. Noah reagierte nicht darauf, kratzte sich stattdessen am Nacken und holte sein Handy aus seiner Hosentasche, ohne mich dabei anzusehen. Offensichtlich hatte er es bemerkt, dass ich auch da war, doch er ignorierte mich. Nicht mal ein Hallo, kein Gar Nichts. Es hinterließ in mir einen stechenden Schmerz, der mir für einen kurzen Moment den Atem raubte, doch ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen, holte meinen I-Pod heraus und hörte ein wenig Musik. Lisa war noch mit Lynn auf Toilette, vielleicht hätte ich mitgehen sollen, dann wäre mir die jetzige Situation möglicherweise erspart geblieben.

„So, guten Morgen, setzen Sie sich bitte alle an Ihren Platz und hören Sie mir zu. Mein Stuhl ist ja mal wieder irgendwohin verschwunden, ganz lustig.“
Schnell zog ich die Ohrstöpsel aus meinen Ohren und packte meinen I-Pod ein, denn so wie Mr Walter drauf war, würde er ihn mir sofort wegnehmen.
„Wo ist denn Lisa?“, fragte er verwundert, während er seine Sachen aus der Tasche holte.
„Sie kommt gleich“, antwortete ich. Daraufhin nickte er still und fuhr schließlich fort. „Ich kann Ihnen mitteilen, dass Sie alle die Prüfung erfolgreich bestanden haben. Ich habe mir Ihre Facharbeiten durchgelesen und war durchweg positiv überrascht. Die beiden besten Facharbeiten haben…“ Er wurde von der aufgehenden Tür unterbrochen. „Schön, dass Sie auch noch kommen, Lisa. Setzen Sie sich bitte, wenn Sie schon nicht anklopfen.“
„Entschuldigung, ich musste noch etwas aus meinem Spind holen.“

„Hab ich was verpasst?“, flüsterte sie, als sie sich eilig an den Platz setzte.
„Wir haben alle die Prüfung bestanden und er will jetzt die Facharbeiten zurück geben.“
„Nun denn, die beiden besten Facharbeiten haben Chase und Noah abgegeben, herzlichen Glückwunsch, Sie haben jeweils 98 von hundert Punkten erreicht.“
Mr Walter war nie jemand, der es mit der Pädagogik wirklich ernst nahm, aber daran hatte sich jeder hier gewöhnt. Was mich erstaunte war, dass auch Alison bestanden hatte. Eigentlich war sie immer ein Wackelkandidat und, dass sie zudem auch eine gute Note in der Facharbeit haben sollte, überraschte mich noch umso mehr.

Während er uns die Facharbeiten zurückgab, warf ich einen kurzen Blick hinüber zu Noah, der desinteressiert Löcher in die Luft starrte. Dann landeten auf unserem Tisch beide Facharbeiten. Neugierig griff ich zu meiner, um zu sehen, welche Note ich erreicht hatte. „83 von 100 Punkten“, murmelte Lisa etwas enttäuscht. „Das ist doch gut?“, hakte ich nach. „Ja, aber ich wollte eigentlich mindestens 90… Man sitzt so lange in der Bibliothek und dann das. Egal, eigentlich bin ich zufrieden. Was hast du?“
„86 von 100. Aber Chase hatte mir damals auch geholfen, sonst hätte ich bestimmt wieder nur 60 oder so gehabt.“
„Achso, ja dann wird es wohl Zeit, dass du dich bei ihm bedankst, oder?“
„Ja, da hast du wohl Recht.“

Als wir zur Pause den Klassenraum zusammen verließen, fiel mir auf, dass Annie bei Alison stand. Die drei unterhielten sich und lachten, als würden sie sich schon ewig kennen. „Ach, deine Stiefschwester hat sich jetzt mit der Schrulle angefreundet.“
Unten in der Cafeteria wartete ich auf Lisa, die noch Shawn suchen wollte. Bevor ich mich jedoch wieder in Gedanken versinken lassen konnte, sah ich Chase auf mich zukommen. „Hey, kann ich mich zu dir setzen?“
„Ich wollte mich übrigens noch bei dir bedanken, wegen der Facharbeit.“
„Was war damit?“
„Du hast mir doch damals geholfen, ich hab jetzt 86 von 100 Punkten, ohne dich hätte ich nie so ein gutes Ergebnis geschafft, ehrlich nicht.“
„Ach was, alles gut. Das ist auch deine eigene Leistung, glaub mir mal.“
Ein Lächeln umspielte seine Lippen, er war wirklich bescheiden. In diesem Moment fragte ich mich, wieso es zwischen uns so enden musste. Was wäre gewesen, wenn ich weiterhin mit ihm zusammen geblieben wäre? Wäre er dann mein erstes Mal gewesen und nicht Noah?
„Und, alles gut bei dir?“, fragte er und sah aus dem Fenster. „Ja, bei dir?“ „Ist irgendetwas draußen oder warum guckst du so?“ „Ne, ich dachte nur daran, dass ich jetzt eigentlich gern eine rauchen würde, aber dann hab ich dich hier allein sitzen sehen. Sag mal, wo ist Noah?“ Und wieder sprach mich jemand auf ihn an… Konnten sie es nicht einfach alle sein lassen, er hatte außer mir wohl doch genug andere Freunde. „Ich weiß nicht“, antwortete ich trocken. „Habt ihr euch wieder vertragen?“
„Ja klar, er ist einer meiner besten Freunde. Ich wollte ihm noch was geben, aber ihr beiden hängt ja sowieso auch bestimmt die ganze Zeit miteinander ab, vielleicht magst du das für mich machen, sobald du ihn siehst?“ Chase holte aus seiner Hosentasche einen silbernen USB-Stick, den er mir direkt in die Hand drückte. „Falls es dich interessiert, da sind nur ein paar Spiele drauf, die er von mir haben wollte.“ Er zwinkerte mir zu als hätte ich irgendwelche Hintergedanken gehabt. „Du, ich glaub dir. Ich werde auch nicht schnüffeln“, lachte ich und steckte den USB-Stick in meine Tasche.

„Na, hat sich Lou schon bei dir bedankt?“ „Ach was, alles gut. Ich glaub ich geh jetzt auch erstmal schnell eine rauchen, bevor die Pause vorbei ist.“ „Wenn du Shawn siehst, kannst du ihm vielleicht sagen, dass er heute kurz vorbeikommen soll? Ich hab noch seine Jacke, wollte sie ihm heute wieder geben und er ist die ganze Zeit nicht aufzufinden...“ „Seid ihr noch immer nicht zusammen oder was?“, hakte Chase nach. Es war ein seltener Anblick, als Lisa im Gesicht allmählich rot anlief. „N-nö…“, stotterte sie etwas verlegen. „Das mit uns ist nichts.“ „Naaaa, das werden wir ja mal sehen. Egal, haut rein, wenn was ist, ich bin draußen rauchen.“ Beim Verabschieden legte er noch seine Hand kurz auf meine Schulter, dann ging er.
„Vergiss mal Noah, guck wie viel Mühe sich Chase jetzt gibt. Ich glaub er mag dich immer noch“, flüsterte sie, während sie ihm noch kurz hinterhersah. „Ach, wenn ich ehrlich bin, will ich jetzt eigentlich gar nichts mit irgendwelchen Jungs zu tun haben, das bereitet nur Kopfschmerzen. Ich will jetzt lieber erstmal eine Ausbildung suchen, um direkt nach dem Schulabschluss starten zu können.“
„Echt, du willst direkt arbeiten?“ „Ja… Einfach raus aus dieser Stadt, weg von allem… Also nicht von dir, aber du weißt, was ich meine.“ „Ja, ich weiß was du meinst, aber glaubst du nicht, dass das vielleicht etwas stressig ist direkt danach gleich zu arbeiten?“
Bevor ich antworten konnte, klingelte plötzlich mein Handy. „Noah schon wieder?“ „Ne, Chase.“
„Wenn du Lust hast, können wir mal was zusammen unternehmen?

Würd mich freuen, wenn du dich meldest, ruf einfach irgendwann mal an, wenn du Zeit und Lust hast

“
„Und, was will er von dir?“ „Er will sich mit mir treffen… ich hab aber keine Lust.“ „Ja, heute bist du sowieso erstmal mit uns unterwegs, nicht wahr?“
Während ich meine Sachen packte, ertönte die Klingel, die mich sofort aufschrecken ließ. Wer konnte das sein?
„Hallo, wer ist da?“, sprach ich neugierig in das Sprachgerät, aus dem daraufhin Annies Stimme ertönte. „Hey Lou, ich bins.“ Woher wusste sie, wo ich jetzt genau wohnte?

„Hübsch hast du es hier…“
„Joa…“ Ich wusste nicht so Recht, was ich sagen sollte. Immer, wenn ich sie sah, fühlte es sich für mich so an, als hätte sie jetzt meinen Platz in der Familie eingenommen. So, als hätte meine Mutter meinen Vater und mich durch John und Annie ersetzt, es war seltsam. Aber diesen absurden Gedanken versuchte mir immer wieder schnell wegzudenken. Sie konnte ja nichts dafür, dass ich mich dazu entschied zu gehen, eigentlich war sie von allen immer am nettesten zu mir. „Du wirst zu Hause vermisst, aber offensichtlich hast du es hier wohl auch nicht ganz so schlecht.“
„Ach wirklich? Oder sagen die das einfach nur so?“
„Nein, sie fragt jeden Abend nach dir, ob ich dich in der Schule gesprochen hab und so weiter.“
Und warum geht sie nicht selbst auf mich zu? Wenn sie mich wirklich ernsthaft vermisst hätte, hätte sie mich schon längst anrufen können. „Naja mir egal, wenn irgendwas sein sollte, dann soll sie sich gefälligst selbst bei mir melden und nicht so.“
„Wär schön, wenn du wieder nach Hause kommst… Aber, wenn du lieber bei deinem Vater bleiben möchtest, kann ich das auch verstehen. Wenn irgendetwas ist, kannst du mit mir immer über alles reden, ich möchte nicht die blöde Stiefschwester sein, die alles versaut, weißt du.“
„Du bist jetzt mit Alison befreundet, oder?“
„Ja, wieso?“
„Ach… Sie war nie wirklich nett zu mir, aber naja, das ist deine Sache, mit wem du dich anfreundest. Es ist aber nur deswegen auch schwer für mich, dir Sachen zu erzählen, obwohl ich es gerne tun würde. Ich glaube nicht, dass du die blöde Stiefschwester bist, aber wenn du mit so Leuten wie Alison herumhängst, weiß ich auch nicht, wie sehr ich dir vertrauen kann, ohne, dass du es versehentlich weiter erzählst.“
„Nein… So eine bin ich nicht, Lou… Es ist nur so, dass ich neu hier bin und mich mit jedem möglichst gut verstehen möchte, weißt du? Dieses ganze Cliquengehabe, das geht mir sowieso auf die Nerven… Ich will zu keiner Clique dazugehören oder soetwas. Ich möchte hier einfach neue Freunde finden, mehr nicht. Und du bist für mich auch eine, die mir sehr am Herzen liegt. Und vor allem als Schwester habe ich dich mittlerweile sehr ins Herz geschlossen. Du bist nicht nur meine Freundin, sondern auch meine Schwester, die ich bewundere.“
Ich wusste nicht so Recht, was ich darauf antworten sollte, aber es war irgendwie süß. Ich ließ kurz alles stehen, ging auf sie zu und umarmte sie fest. „Danke, ehrlich. Du weißt nicht, wie viel mir das bedeutet, soetwas gesagt zu bekommen.“
„Ach Mensch… Ich hatte echt Angst, dass wir uns jetzt auseinander leben…“
„Annie, nimm’s mir nicht übel, ich muss ehrlich gesagt auch schon los. Wir sehen uns dann bestimmt nochmal die Tage, oder?“
Wir ließen bei Lisa unsere Sachen, bauten schnell die Matratzen und alles auf und beschlossen schließlich von Bar zu Bar zu ziehen. Heute Abend war „Ladies Night“, in der jede Frau freien Eintritt und den ersten Drink umsonst bekommen würde in der Pub-Meile, sodass wir dies auch irgendwie nutzen wollten. Ich mochte es, es war nicht so eine befremdliche Atmosphäre wie in der Discothek, aber auch nicht zu langweilig, wie wenn wir jetzt essen gegangen wären. Mittlerweile hatten wir schon zwei Bars und jeweils vier Drinks hinter uns, was ich allmählich auch selbst spürte. Meine Zunge lockerte sich wie von selbst und ich lachte plötzlich immer mehr über jeden Mist, der erzählt wurde.
„Und dann hat er ernsthaft geglaubt ich würde ihm ein Nacktfoto von mir schicken, wer bin ich denn?! Bin ich so eine Nútte wie seine Ex?“ Den ganzen Abend lästerte Lynn schon über einen Typen, von dem ihre romantischen Hoffnungen anscheinend enttäuscht wurden. Wieder brachen Lisa und ich in lautes Lachen aus, obwohl es gar nicht witzig war. „Ja Lou, pass mal auf in der Männerwelt. Du hast ja Glück, dass du nur solche Prinzen wie Chase und Noah um dich herum hast.“ Lisa drückte mir ihren Ellbogen in die Seite, dann gab sie dem Barmann mit Gesten zu verstehen, dass sie noch mehr trinken wollte. „Das ist so geil hier, ich glaub wir bleiben erstmal hier, ja?“, lallte sie und holte eine Packung Zigaretten aus ihrer Tasche. „Wollt ihr auch was? Ach ja Lou, du bist ja Nichtraucherin…“
„Aber ich nicht!“, nuschelte Lynn mit ihrer Zigarette im Mund und zündete sie an. „Ist auch besser so, dann sparste dir das Geld und die gelben Zähne, die du dadurch bekommst.“

Nach einiger Zeit war ich bereits so heiter, dass ich gar nicht merkte, dass sich zwei weitere zu uns gesellten. „Drei hübsche Ladies allein hier?“, fragte der Blonde. Ich konnte ihn nur verschwommen erkennen und musste mich anstrengen meine Augen offen zu halten, um die beiden genau betrachten zu können.
„Ja und die wollen auch allein bleiben!“, antwortete Lynn und nahm noch einen Schluck aus ihrem Drink. „Die Bar macht gleich zu, ist doch viel zu gefährlich für euch allein herumzuschlendern.“
„Weischt du, du hälscht dich wohl für rischtig genial, oder…“, lallte Lisa mittlerweile fast unverständlich. „Aber isch hab dich vorhin mit dieser Blondine da gesehen… Jajaajaja, du denkst wohl, du könntest uns hier verárschen, hälst dich wohl für einen richtigen W-Weiber…“
„Weibermagneten!“, rief ich rein, um sie kurz zu unterstützen. „Ja genau, Weibermagneten… Aber das bist du nicht, du bist einfach nur eine Ratte… Ihr beiden seid blöd… Kommt Mädels, ich glaub es wird Zeit zu gehen, ja.“
Eine Weile gingen wir die Straßen entlang auf dem Weg zu Lisa nach Hause. Mit der Zeit sagten wir immer weniger und nüchterten immer mehr aus. Im Nachhinein war es vielleicht etwas peinlich, wie wir uns verhielten. Nach einiger Zeit kamen wir am Sushirestaurant in der Nähe von Lisas Wohnung an, wo ich plötzlich nicht glauben konnte, was ich sah.
„Boah, der hat uns jetzt noch gerade gefehlt…“, stöhnte Lisa genervt.

„Noah, ich geh jetzt wieder rein! Wir können nicht ewig hier draußen stehen und du rauchst hier in Ruhe deine Zigarette…“
„Mir doch egal, geh halt vor.“
„Das macht echt keinen guten Eindruck, weißt du das…“
Ich wollte unbemerkt an ihnen vorbeigehen, vielleicht waren sie in ihrer Diskussion so sehr vertieft, dass er mich nicht bemerken würde. Dafür versteckte ich mich extra ein wenig hinter Lisa und Lynn, doch das war vergebens. „Lou?“
„Say my name, say my name, when no one’s around you, say baby I love you! You actin’ kind of shady and callin me babyyyy”, sang Lisa. Ich spielte zuerst mit dem Gedanken ihn zu ignorieren, ließ es dann jedoch sein. Mit angetrunkenem Mut blieb ich stehen und mischte mich unter Emilia und Noah, um ihm meine Meinung zu sagen.