Nochmal vielen Dank für die lieben Kommis! Ich hoffe, dass euch Kapitel 1 genauso gut gefällt..

(Die Fotos waren mal wieder der Horror..)
Viel Spaß!
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Was am Ende übrig blieb
-Kapitel 1-

Tapfer wischte sich Sue schnell über das Gesicht, als vom Erdgeschoss her Geräusche zu vernehmen waren und man gedämpft die laute Auseinandersetzung zweier Personen belauschen konnte. Anscheinend waren ihre beiden Mitbewohner - Amélie und Ingo - vom Einkaufen zurückgekehrt. Umso besser, denn Sue langweilte sich fürchterlich und in ihrer Einsamkeit war das ewige Nachdenken auch nicht wirklich die beste Medizin gegen ihren heimlichen Kummer. Sie gab es nicht gerne zu, aber irgendwo vermisste sie die gewohnte Umgebung und die vertrauten Menschen, die ihr bis vor kurzem noch gute Freunde gewesen waren.

Sie verließ ihr Zimmer und ging die Treppe hinunter zum Erdgeschoss, wobei die Stimmen erheblich deutlicher wurden und man gleichzeitig den Verlauf des Gesprächs mitverfolgen konnte. "Du weißt ganz genau, dass ich auf Diät bin", zischte Amélie mit bedrohlicher Stimme und fixierte dabei ihren Mitbewohner. Ingo zuckte unwissend mit den Schultern. "Natürlich weiß ich das, aber.. wo liegt dein Problem?"

"Dass du auch noch so scheinheilig fragst, einfach unglaublich.." Sie wirkte sichtlich gereizt, fuhr dann aber nach einer kurzen Pause fort. "Okay.. Vielleicht ist dir, auch wenn ich es erst gestern noch erwähnt hatte, entfallen, dass ich nur fettarme Milch trinke.." Ihre azurblauen Augen wanderten gleichzeitig zum Kühlschrank rüber und so langsam schien ihr gegenüber zu realisieren, worum es bei der ganzen Sache eigentlich ging. "Ist das.. alles?", fragte Ingo stutzig und kassierte auch weiterhin düstere Blicke ihrerseits.

Sue musste unbewusst schmunzeln, als sie das Bild, was sich ihr bot, erblickte. Zwar kannte sie Amélie und Ingo noch nicht all zu lange, doch waren die beiden sehr freundlich zu ihr gewesen und hatten auch keinerlei Fragen, bezüglich Sue's Vergangenheit, gestellt. Sie wurde einfach so aufgenommen und Sue hatte, im wahrsten Sinne des Wortes, wirklich Schwein gehabt, auch betreffend der Miete, die sie zu zahlen hatte. Besser hätte es sie nicht treffen können..

"Oh", entfuhr es Amélie, als diese den Kopf zur Seite wandte und schließlich die junge Frau im Tührrahmen bemerkte. Ingo folgte ihrem Blick fraglich, während Sue auf die beiden zuging. "Da seid ihr ja wieder", lächelte sie. "Wie wars denn so?"

Sofort hatte sich ihre Mimik verändert und Amélie erwiderte das Lächeln mit einem darauffolgendem Nicken. "Ganz okay. Mal ganz abgesehen davon, dass ich Ingo am liebsten mal wieder den Kopf abreißen würde, aber ansonsten.." Ingo, der neben der Blondine stand, seufzte schwer und sah mitleidig zu Sue rüber, welche lachen musste. "Stimmt, das ist mir in den vergangenen vier Tagen auch aufgefallen..", fügte sie schließlich noch hinzu, als sie aufhörte zu lachen.

Der Nachmittag verlief weiterhin ruhig und entspannt, während die beiden Mädels es sich auf dem Sofa bequem machten. Ingo wurde, wie schon so oft, zum Kochen des herbeisehenden Abendessens verdonnert und hatte nicht wirklich die Chance gehabt, auch nur ein Wort über die Erziehungsmethoden, wie Amélie es so schön nannte, seiner eigenwilligen Mitbewohnerin fallen zu lassen. Stattdessen hatte er sich wie ein jaulender Hund ergeben und konnte halbherzig das Gekicher von Amélie und Sue wahrnehmen, welche sich irgendeine billige Talkshow anschauten.

"So einen Schwachsinn habe ich wirklich noch nie gesehen..", brachte Amélie unter Tränen hervor, als die Show unterbrochen und stattdessen Werbung eingeblendet wurde. Sue grinste verschmitzt und hatte längst all ihre traurigen Gedanken in ihrem doch so guten Gedächtnis verloren. Vielleicht war das auch besser so.
Nachdem sich Amélie schließlich wieder beruhigt hatte, atmete sie tief durch und wandte sich danach an ihre Sitzpartnerin, welche noch immer gebannt auf den Bildschirm des Fernsehers starrte. "Sag mal, Sue..", begann die Blondine und erhielt nun endlich die volle Aufmerksamkeit der jungen Frau. "hast du vielleicht Lust, heute Abend mit uns auszugehen? Das machen wir meistens an Wochenenden und es wäre schon irgendwie blöd, wenn wir dich ständig hier alleine lassen würden. Du sollst dich schließlich.. wie soll ich sagen, wohl bei uns fühlen."
Sue war gerührt über ihre Worte und setzte zu einer überglücklichen Antwort an, hielt jedoch inne, als ihr ein wichtiger Gedanke kam. "Ähm.. also.. das hört sich echt toll an. Wo genau fahrt ihr denn hin?", erkundigte sie sich.
"Du müsstest dich doch eigentlich in der Großstadt auskennen, oder? Sagt dir der Name.." Weiter hörte sie nicht mehr zu, denn für Sue stand fest, dass die Stadt vorerst tabu blieb. Schließlich bestand das Risiko, dass sie dort ihren Eltern über den Weg laufen könnte und das war wirklich das letzte, was sie jetzt noch gebrauchen könnte.

Sie war gegen den Willen ihres sturzbetrunkenen Vaters von Zuhause ausgerissen und da ihr Geld nicht ganz gereicht hatte, schaffte sie es mit dem Zug nicht weit und musste notgezwungen nach der fünften Station wieder aussteigen. Nun saß sie in dieser Kleinstadt fest und konnte die Angst, irgendwann ihren Vater vor der Tür stehen zu sehen, nicht verdrängen. Aber das waren eher nebensächliche Probleme, wie sie fand.
"Sue? Hey! Sue!"
Die junge Frau schreckte leicht zusammen und erwachte schließlich wieder aus ihrer Tagträumerei. "Äh.. ja?", stammelte sie leicht erschrocken.
"Was ist denn nun? Kommst du mit?" Amélie sah sie erwartungsvoll an, sodass es ihr beinahe schon wieder Leid tat, dass sie schweren Herzens nein sagen musste. "Tut mir wirklich Leid.. aber mir ist nicht ganz nach Feiern."
"Oh.. Okay, dann eben ein anderes mal."
"Ja, natürlich." Sue nickte eifrig und lächelte, um ihr schlechtes Gewissen wenigstens ein wenig zu unterdrücken. Währendessen hörte man Ingos lautes Fluchen aus der Küche und ihnen stieg der Geruch von verbranntem Essen in die Nase, woraufhin die beiden Mädels beinahe synchron seufzten.. "Ingo.."
Gegen Abend war das Essen dann, nach endlosen Streitereien bezüglich Amélie und Ingo, endlich fertig und Sue deckte schnell den Tisch auf. Im ganzen Raum roch es mittlerweile wie nach einem Großbrand und hätte keiner der beiden schnell genug eingegriffen, wäre dies wohlmöglich noch passiert. Verlegen kratzte sich Ingo am Kopf und setzte sich gemeinsam mit seinen Mitbewohnern an den Tisch.
"Tut mir echt Leid.. Kochen war noch nie mein Ding", nuschelte er beschämt und linste vorsichtig zu Amélie rüber.
"Aber warum hast du denn nichts gesagt?", fragte Sue verwundert.
"Hab ich doch! Nur Amélie hat..-"
"Soll das heißen, dass ich das Essen hab anbrennen lassen?"
Ingo schüttelte hektisch den Kopf und Sue begann die Teller aufzufüllen, da sie sich doch lieber aus der ganzen Sache raushalten wollte.
Irgendwann wechselte Ingo schließlich das Thema und sah dabei zu Sue, welche nur mühsam den seltsamen Dosenfraß zu sich nahm und daher leicht abwesend wirkte. "Erzähl mal, Sue. Was machst du eigentlich beruflich?" Sie verschluckte sich ungemein, hustete kräftig und beruhigte sich erst dann wieder, als Ingo ihr führsorglich auf den Rücken klopfte. Stille.
"Nun ja..", begann sie zögernd. "Ich habe erst vor kurzem gekündigt, da ich nicht so gut mit meinem Chef klar kam. Und, äh.. deswegen möchte ich mir lieber hier in der Umgebung etwas Neues suchen." Glück gehabt. Weder Ingo, noch Amélie brauchten nicht zu wissen, dass Sue bei ihrem Telefonat vor 4 Tagen ein wenig gelogen hatte. Immerhin war sie nicht 24, sondern erst 19.
"Oh. Verstehe." Desweiteren verlief das gemeinsame Abendessen friedlich und unbeschwert. Sue genoss das Zusammensein und ihr wurde bewusst, dass jeder Tag besser war, als der andere. Sie würde es wirklich schon irgendwie schaffen, da war sie sich sicher..
"Wir gehen dann mal. Falls irgendwas sein sollte, kannst du mich gerne auf dem Handy anrufen, ja?" Sie umarmten einander und Sue nickte anschließend. "Bis später und viel Spaß!" Die beiden machten sich auf den Weg und waren bereits wenige Sekunden später außer Reichweite. Sue ging zurück ins Haus und blieb dort unschlüssig im Flur stehen.
"Das hast du ja super hinbekommen..", flüsterte sie verärgert und wandte sich danach um. Sue überlegte, wie sie die Zeit nun am besten totschlagen könnte und da ihr nichts besseres einfiel, beschloss sie erstmal ein schönes, heißes Bad zu nehmen.
"Vielleicht hätte ich doch mit ihnen mitgehen sollen.."
Sie versuchte ihren Zorn auf sich selber unter Kontrolle zu halten und verschwand kurz darauf ins Badezimmer. Im selben Moment schrillte die Türklingel auf.