Ranicki will nicht, er hat schon – und zwar die Nase voll
Am Samstag, dem 11. Oktober 2008 war’s mal wieder Zeit für alle richtig Prominenten – und natürlich die, die’s sein wollen: Der Deutsche Fernsehpreis (das, was einen Star eben zum Star macht!) wurde verliehen. Eingeladen waren kultivierte Vorbilder der Nation, wie beispielsweise Atze Schröder und Bernhard Hoecker. Der 88-jährige Marcel Reich Ranicki, der unter den vielen jungen Menschen sicher schon als „zu faul zum Umfallen“ bezeichnet wird, sollte ebenfalls einen Preis verliehen bekommen. Doch wie man es von überreifen Menschen kennt, nörgeln diese anstatt sich über die niveauvolle Gleichstellung mit „Richterin Barbara Salesch“ zu freuen. Moderator des Abends, Thomas Gottschalk (wetten, dass sich seine Tagesration an Balla Balla auf eine halbe Europalette beläuft?) witterte den Zorn des Literaturkritikers Ranicki und äußerte ZDF im Vorherein seinen Unmut darüber. ZDF witterte wiederum die Sensationsgeilheit vieler Zuschauer und ließ Ranicki bis zum bitteren Ende warten. Bis zum bitteren Ende: kulturlose Honks bekamen da einen Preis, die waren schlimmer als der nette Mann aus der Goldbärenwerbung. Nun, als dann Meister Ranicki den Teppich betrat (den nur die ganz Großen betreten) um den Ehrenpreis der Stifter entgegen abzulehnen, begann er zu schimpfen, dass nichts Gescheites mehr im Fernsehen käme (Außer bei Arte und 3 Sat! Aber nur manchmal!). Sag Marcel, wieso missfallen dir denn Sendungen wie „Cindy aus Marzahn“ oder „Die Oliver Geissen Show“? Ist es nicht interessant, mit welch argen Problemen Menschen sich durchs Leben schlagen solang es nicht die eigenen Probleme sind? Gut, verständlich, dass es für einen alten Kopf wie dich schwer ist, solch verwirrenden und durcheinander geführten Argumentationen zu folgen. Da es an jenem Abend wie in der „Oliver Geissen Show“ zugegangen haben muss, fühlte sich Ranicki sicher wie Bushido in einer Vorlesung aus dem Duden der deutschen Rechtschreibung: verwirrt, verletzt, angegriffen, diskriminiert. Der 88-Jähirge sprach mit letzter Kraft: „Ich kann diesen Preis nicht annehmen. Man hätte mit seiner Zeit während der letzten drei Stunden weit Besseres anfangen können als diesen Mist hier.“ Da stellt sich natürlich die Frage – was denn? Bekommt man etwas anderes vorgesetzt, wenn man den Fernseher einschaltet? Nein, ich Scherzkeks, denn es war ja die Verleihung des Deutschen Fernsehpreises. Dort wird nach Ranickis Ansicht das sensationell zusammengefasst, was unkultiviert und niveaulos ist. Thomas Gottschalk durfte die Situation nicht eskalieren lassen und behalf sich seiner gummibärchenwerbungmäßiglustigen Sprüche. Dies schien Ranicki nicht zu beeindrucken, sondern ihn in die Enge zu treiben: „Ich gehöre hier nicht hin. Ich werfe den Preis von mir!“ Abgesehen davon, dass ein fast 90-jähriger Mann den Preis nicht mehr allzu weit weg werfen könnte (aufgrund der körperlichen Beschaffenheit), braucht es schon viel um einen Senior in solchen Zorn zu setzen, dass er sogar mit Gegenständen um sich wirft. Wetten, dass Gottschalk verhandeln zu versuchte? Er bot dem Literaturkritiker den Preis und gratis dazu eine Diskussion über Literatur und Medien an. Dieses Angebot hätte sich niemand entgehen lassen, außer Ranicki mal wieder (diese olle Extrawurscht). Ranickis Eindruck formulierte er am folgenden Abend wie folgt: „Das war empörend.“