,,Ich kann´s noch kaum glauben, dass du wirklich hier bist.“ Rachel
nahm mich noch einmal stürmisch in ihre Arme und führte mich dann
lachend zu einem alten, klapprigen Landrover. ,,Mademoiselle “ sie
öffnete mir mit einem breiten Grinsen die Beifahrertür. ,,Da soll ich
einsteigen? Das kannst du vergessen.“ Ich ließ meine Koffer fallen
und setzte mich mit einem gekünstelten Entsetzen auf den staubigen
Boden. Rachel lachte. ,,Ok, kein Problem. Du kannst die 12 Kilometer
bis zur Farm auch gerne allein mit deinen Koffern laufen.“ Sie stieg
ein und ließ den Motor an. Kreischend sprang ich auf und stolperte
prustend auf den Beifahrersitz, daraufhin holperte der Landrover
langsam die Landstraße entlang.
Ich blickte mich um. Obwohl wir die meiste Zeit im dichten Wald
fuhren, war die Aussicht atemberaubend schön. Ich wandte meinen
Blick zu Rachel, deren Freude man kaum übersehen konnte. Es tat
gut, meine Freundin so glücklich und ausgelassen zu sehen. Zufrieden
schloss ich die Augen und ließ mich zurück in meinen Sitz sinken. 3
Wochen voller Ruhe und Entspannung lagen vor mir. Ich musste mir
weder wegen Tom, Mark oder Katja mehr Sorgen machen. Vom
wackeln des Landrovers wurde mir ein wenig schwindlig und ich
richtete mich sicherheitshalber wieder auf, um ein Malheur zu
verhindern.
Ungefähr eine halbe Stunde später hatten wir die kleine Farm erreicht.
Rings um das Gebäude war nichts als Wald und Einöde, nur eine
kleine zweiteFarm war noch am Horizont zu erkennen. Erleichtert, den
alten Landrover hinter mir zu lassen, schleppte ich meine Koffer
mühsam die wenigen Stufen zur Veranda hoch. Aus der Tür trat ein
hoch gewachsener, muskelbepackter Mann hervor und fing bei meinem
Anblick an in schallendes Gelächter auszubrechen. ,,Soll ich dir
vielleicht helfen, junge Dame?“ Er beugte sich zu mir herunter und
blickte mir mit einem verschmitzten Lächeln ins Gesicht.
,,Dirk!“ schnaufte ich empört und stützte beide Arme in die Hüften.
Rachels Mann, mit dem sie seit knapp 2 Jahren verheiratet war, liebte
es mich zu ärgern und behandelte mich fast wie ein kleines Kind, aber
wir verstanden uns trotzdem ziemlich gut. Freundlich schloss er mich
in seine Arme. ,,Mensch Michi, hab ich dich vermisst.“ Ich erwiderte
die freundliche Geste. Es tat so gut, von dem Stress der letzten
Wochen abgelenkt zu werden. Hier fühlte ich mich rundum glücklich.
Rachel kam grinsend auf uns zu.
,,Wie wär´s wenn du andere Frauen mal in Ruhe lassen und dich
stattdessen um dein Ehefrau kümmern würdest ?“ Sie zwickte ihm
sanft in den Rücken worauf er sie in seine Arme schloss und sie
küsste. Dann sprang er wie ein Kleinkind auf und trug meine
beiden Koffer hüpfend ins Haus, während sich Rachel lachend zu mir
umdrehte. ,,Du bist bestimmt müde von der langen Reise. Ich zeige
dir nur kurz dein Zimmer und dann kannst du dich erst mal richtig
Ausruhen.“
***
Noch etwas erschöpft wurde ich von einem kleinen Spatz, der
minutenlang vor dem Fenster herumzwitscherte, aus meinen
Träumen gerissen. Ich rieb mir Müde die Augen und sah mich um. Die
letzten Sonnenstrahlen tauchten den kleinen Raum in ein gemütliches
Rot. Im schimmernden Licht tanzten die Staubkörner um die Wette.
Von unten drangen Stimmen und klappernde Geräusche an mein Ohr.
Neugierig schlüpfte ich in meine Pantoffeln und begab mich ins untere
Stockwerk, wo sich Rachel und Dirk vergnügt mit dem Abendbrot
beschäftigten.
Sie waren so ineinander vertieft, dass sie mich gar nicht bemerkten.
Ich atmete tief den Duft des frischgebackenen Brotes ein. So ließ es
sich leben. Zufrieden schnappte ich mir meine Lesebrille und das
Buch, dass ich ihn meiner Handtasche gefunden hatte und machte es
mir auf einem der Esszimmerstühle gemütlich. Den dicken Roman
hatte ich schon vor Ewigkeiten angefangen, hatte aber nie Zeit dafür
übrig gehabt, ihn weiterzulesen. Auf dem Tisch stand ein kleiner
Teller mit Keksen. Ich blickte heimlich nach links und rechts und schob
mir einen nach dem anderen in den Mund.
Plötzlich hörte man von draußen Schritte auf der Veranda. ,,Rachel,
bist du da? Ich rieche doch, dass du wieder deinen
traumhaften Obstkuchen gebacken hast. Und da dachte ich, lade ich
mich mal selbst zu einer Tasse Kaffee ein.“ Die Tür öffnete sich
ruckartig und ein junger, gutaussehender Mann blickte mich verdutzt
an. Ich hielt den Atem an. Wer war er? Und warum sah er mich so
komisch an? Klebten mir vielleicht noch Kekskrümel am Mund?
Erschrocken wischte ich mir mit dem Ärmel den Mund ab und blickte
beschämt auf den Boden. Der Mann musste schmunzeln. ,,Sie sind
nicht Rachel, oder?“