So, da ich erst in einer halben Stunde weg fahre, um Heiligabend zu feiern, werde ich die Zeit jetzt mal noch nutzen, was "sinnvolles" zu tun.
Also, falls einer von euch zwischen jetzt und dem siebenundzwanzigsten nichts zu tun hat oder mal Pause vom ganzen feiern braucht, jetzt schon, sonst für die, die nach den Feiertagen vorbeischauen:
Nachdem das Simweibchen ausgeschlafen hatte, versuchte ich noch mal einen etwas besseren Start mit ihr hin zu bekommen. Also einen, bei dem sie weder von der Klippe fiel, noch ich mir das Bein brach, noch wir beide sterben sollten. Klang doch eigentlich nicht einmal schwierig. „Wie heißt du eigentlich?“ In Anbetracht der Tatsachen war diese Frage absolut unwichtig, aber irgendwie war das nun mal Standard, um das Gespräch mit einer Fremden zu beginnen. Etwas verwirrt sah sie mich an. „Jessica Rider“, hauchte sie stimmlos und traute sich anscheinend nicht, mir in die Augen zu sehen. „Jessy ist auch okay.“ Ihr Blick fiel auf die dicke Lederbandage, die Zcito zur Stütze um mein Bein gebunden hatte. „Danke“, flüsterte sie, doch ich wusste nicht wofür. Eigentlich hatte ich Jessys Situation nur verschlimmert. Sie wäre lediglich verletzt, aber nach wie vor frei.
„Aber deine Süße“, begann sie und im ersten Moment verstand ich nicht mal, wovon sie sprach. „Sie scheint mich nicht besonders leiden zu können.“ Meinte sie allen Ernstes Mika? Zum Glück hatte die sie nicht gehört. Für diese Betitelung hätte die Königstochter ihr wohl kalt lächelnd den Hals umgedreht. Von der rechten Felswand hörte ich ein Pfeifen. „Deine Süße?“, wiederholte Zcito (Spricht sich „Skito“) grinsend und zog die Augenbrauen hoch. „Du sollst mir doch Bescheid geben, bevor du Mika zu nageln versuchst. Vergiss nicht, ich muss dann die Jungs zusammentrommeln, damit wir uns angucken können, wie Prinzesschen dich verdrischt.“ Manchmal wusste ich nicht, ob ich über Zcitos Witze lachen oder ihn dafür erwürgen sollte. Bei dieser Vorstellung hatte er allerdings Recht. Mika anzurühren war ähnlich intelligent, wie eine Klapperschlange zu streicheln. Erst jetzt fiel Zcitos Blick auf das Simweibchen. „Hi“, grüßte er bloß. „Zcito. Wie darf man dich anreden?“
Er sprach mit ihr, als sei sie eine Icubin. Es war gleichermaßen faszinierend und beängstigend, wie unbeeindruckt er Dinge aufnahm, die unser gesamtes Leben umwarfen. „J-Jessisca“, nuschelte das Weibchen überfordert. Dann fiel ihr Blick wieder auf mich. „Also, ist das Mädchen gar nicht deine Freundin?“ Ihre Frage war völlig unlogisch. Okay, es mochte sie interessieren, aber was ging in so einem Simhirn bloß vor sich? Sie war ein gewöhnlicher Sim, der noch nie von uns gehört hatte, aber anstatt uns nach unserer Lebensweise zu fragen oder unsere Flügel oder meinetwegen darüber, warum sie noch nie von uns gehört hatte, brabbelte sie wirres Zeug von einer Beziehung, die es nicht gab. Zcito grinste noch immer schief: „Falls es darum geht, Kleine, Caleb ist noch zu haben. Ich übrigens auch, bei Interesse.“ Mit einem Augenzwinkern flog er fort und irgendwie war ich mir nicht sicher, ob unser Macho den Satz wirklich als Scherz gemeint hatte. So ein Abenteuer wäre eigentlich genau nach seinem Stil.
Erst jetzt, als Jessicas Blick darauf gerichtet war, dass einer von uns tatsächlich flog, verlor sie wieder etwas an Farbe. „Also gut“, meinte sie und erst dachte ich, dass sie mit mir sprechen wollte, doch da irrte ich mich. „Du träumst nur.“ Stoßhaftes Lachen quälte sich über ihre Lippen, während sie mit der Panik rang. „Da gibt es einen Trick. Irgendeinen.“ Auf wackeligen Beinen stolperte sie zur Klippe und sah hinunter. Kreidebleich stolperte sie wieder zurück. Wir waren die Höhe gewöhnt, aber Mika hatte mir mal erzählt, dass Sims es schon mutig fanden 1500 Meter hoch Segelzufliegen (Was auch immer das war). Hektisch atmend ließ sie sich auf die Erde fallen und sah mich hilflos an. „Luft anhalten“, sagte ich bloß, doch sie konnte es nicht. Viel zu schnell atmete sie weiter. Ich humpelte die zwei Meter auf sie zu, beugte mich zu ihr runter und hielt ihr mit meiner Hand den Mund und die Nase zu. „Hoffentlich geht das gut“, dachte ich bloß. „Das ist eine Panikattacke. Das geht vorüber!“ Ich ließ sie wieder Luft holen und sie keuchte, während ihre wieder Wasser aus den Augen lief.
„Ich will nach Hause“, quietschte sie kläglich und ließ sich seitlich auf die Steine fallen. Bis eben hatte sie wohl noch versucht sich einzureden, das sei alles bloß ein böser Traum. Umso härter war es nun aufzuwachen. „Hey“, meinte ich vorsichtig und hätte gerne ein paar tröstenden Worte gesagt. Blöd war nur, dass mir wirklich nichts tröstendes einfiel und nur zu sagen „Sei doch froh, dass die uns nicht abgemurkst haben“, wäre wohl etwas grob gewesen. Unsere Weibchen waren da anders. Wenn ihnen etwas nicht gefiel, dann brüllten sie und schlugen um sich, aber dieses klägliche, wehleidige hatte etwas mitleiderregendes. Fast schon unfair. Natürlich bekamen sie ihren Willen, wenn sie direkt auf Mitleid anspielten. Zumindest bei mir wäre das so, aber nicht bei jedem. „Hey, Pussi“, kam die grobe Stimme von hinten. „Sei froh, dass Caleb dich gefangen hat und mach hier keinen auf >Oh Gott, ich will sterben<. Wenn du dir das Wünschst: Spring. Wenn nicht, dann hör auf zu flennen. Unser Leben hier ist eh schöner, als das in euren Mief-Städtchen.“ Jessy hörte auf zu weinen und sah Mika entgeistert an. „Aber -“
Mika war nicht gerade bekannt dafür, dass sie ihre Gesprächspartner ausreden ließ. „Nix da, >aber<. Das Leben ist schön und immerhin lebst du noch!“ Wow. Mika war noch herzloser, als ich es erahnt hätte und doch wirkte ihre miese Art. Der Wasserfall aus den Augen des Weibchens versiegte. „Was ist flennen?“, wollte ich dann doch wissen. Zwar versuchte man nicht, die Männchen dumm zu halten, doch, da wir für die Jagd zuständig waren, gab es bei uns einfach nicht so viel Zeit, uns Dinge zu erklären. Gerade bei Mika hatte die Königin hohen Wert auf ihre Bildung gelegt und dementsprechend intelligent war sie auch. „Flennen ist ein Druckmittel von Sims, das hauptsächlich die Weibchen nutzen. Das Zeug, dass aus ihren Augen kommt nennt man Tränen. Sims flennen, wenn sie traurig sind, wütend, verletzt, beleidigt oder manchmal auch, wenn sie Spaß haben oder sich übermäßig freuen“, erklärte sie mir.
„Genau genommen >flennen< sie also ohne besondere Bedeutung und es hat trotzdem Auswirkungen? Einfach so, weil es ihnen Spaß macht?“ Mit einem Kopfschütteln sah ich zu dem Simweibchen hin. „Genau“, erwiderte Mika und Jessica starrte sie mit großen Augen an. Sagen wollte sie dazu allerdings nichts, wie es schien. „Na gut, ähm... Wie auch immer“,begann Mika und sah Jessica nun auffordernd an. „Ich schlage vor, wir schauen gleich mal, wie du dich so machst.“ Dann fiel ihr Blick auf mich und ich ahnte bereits, was kam. „Caleb wird dich mitnehmen. Ich spiele für den Notfall Begleitung.“ Die Sache war beschlossen und so sehr Jessica sich innerlich dagegen sträuben mochte, Mika hatte ihr – uns beiden – das Leben gerettet. Sie würde alles tun, was diese zu ihr sagte. Vorsichtig flog ich ein Stück hoch und direkt vor die Klippe, sodass sie auf meinen Rücken klettern konnte, ohne, dass ich dafür auftreten musste.
„Ach ja“, meinte Mika noch. „Wenn du kotzen musst, gib vorher Bescheid!“
Dann ging es los.
So, das war´s jetzt bis nach Weihnachten erstmal.