„Meinst du wirklich, dass das nötig ist, Martin? Die Polizei tut ihr möglichstes“, stellte meine Mutter in Frage, doch der Entschluss war längst schon gefallen. „Solange die Polizei nicht in der Lage ist zu vermeiden, dass Lilli in unserem eigenen Garten beinahe erschossen wird, vertraue ich diesen Uniformträgern keine zwei Meter weit. Wer weiß, vielleicht ist sogar einer von ihnen der jenige.“ Papas Stimme klang angeschlagen und besorgt. Ich saß zwar mit am Tisch, doch wie meistens wusste ich nicht, worüber sie gerade sprachen. Das wollten sie auch gar nicht.
„Was ist denn nötig?“, erkundigte ich mich. „Nichts, Lilliana. Heute Abend kommen bloß ein paar Gentleman zu Besuch, die sich die Papiere mal anschauen möchten“, bekam ich eine, wie immer, nicht zufriedenstellende Auskunft. Ich war zu jung, um zu verstehen, wieso sie mich solche Dinge nicht wissen ließen, doch immerhin alt genug, um zu verstehen, dass sie wieder einmal über meinen Kopf hinweg entschieden.“Sagt mir doch, was los ist. Heute Abend weiß ich es dann doch eh“, bat ich. Ohne Erfolg. Auch wie immer.
„Das ist auch noch früh genug, meine Kleine. Jetzt geh schön hoch spielen. Du sollst ja nicht das ganze Wochenende auf einem Stuhl sitzen“, kam von meinem Vater. „Kommt ihr mit?“, wollte ich wissen. Es war nicht so, dass ich ständig Aufmerksamkeit brauchte. Einfach nur so, dass ich mich nicht mehr traute lange allein zu bleiben. Wie gefährlich es wirklich war konnte ich nicht sagen, jedenfalls war es gefährlich genug, um meinem Vater Angst einzujagen und aus damaliger Sicht, war dieser immerhin der stärkste Mensch der Welt.
Am Abend kamen dann Besucher. Einer nach dem anderen kamen. Mein Vater stellte jedem die selben Fragen und abgesehen von ein wenigen Ausrutschern, antworteten alle ungefähr gleich. Jeder wurde mit freundlichem Händedruck begrüßt und ein jeder war männlich, durchtrainiert und redeten nicht viel und nicht gerne. „Haben Sie gut her gefunden“, erkundigte sich mein Vater. Ich wusste, dass ihn die Antwort nicht interessierte, doch er eröffnete so jedes Gespräch, egal, wer zu Besuch kam. Von den meisten kam nur ein Nicken, andere brachten immerhin ein „Ja“ hervor.
Jeder wurde aufgefordert sich hinzusetzen und ins Kreuzverhör genommen. Was genau das sollte wusste ich nicht. „Haben Sie bereits Erfahrung auf Ihrem Gebiet?“, war immer die erste Frage. „Ja“, war die allgemeine Antwort. Keiner erzählte spontan, inwiefern. Ein wenig traurig. Hätte er mir eine solche Frage gestellt, hätte ich auf meine ganze Lebensgeschichte überleiten können, egal, von welchem Gebiet er sprach. „Wie lange machen Sie den Job bereits?“, war die zweite Frage. Hierbei rechneten manche sogar nach und manche sahen aus, als sollten sie vielleicht die Finger zur Hilfe nehmen, um antworten zu können.
„Können Sie Kinder leiden?“ - „Ja.“ Keiner dieser Schränke sah wirklich nach einem Kinderfreund aus, trotzdem antworteten alle dasselbe. „Stimmt der im Internet genannte Stundenlohn noch?“ Erst jetzt wurde mir klar, dass es sich um ein Vorstellungsgespräch handelte. Wozu wollte mein Vater diese Mischlinge aus Mensch und Monster einstellen? Suchte er einen Auftragskiller für den Fremden? Dann sollten wir doch erst mal wissen, wer dieser Fremde war. Man bucht ja auch keinen Flug, wenn man noch nicht wusste, ob man frei bekam. Mein Vater verhielt sich komisch.
Der Stundenlohn stimmte natürlich bei allen noch. Komischer weise fiel einer der Schränke absolut aus dem Raster. Es war ein riesiger Kerl mit Blonden Haaren. „Haben Sie gut her gefunden?“ Der Riese lächelte. „Ist ja schwer zu verfehlen.“ Endlich mal einer, der einen Satz sprach. „Haben Sie bereits Erfahrung auf Ihrem Gebiet?“ Sein Lächeln war nicht verklungen, trotzdem folgte diesmal nur ein stummes Nicken. Och, manno. Dabei hatte er so gut angefangen. „Wie lange machen Sie den Job bereits?“ Er zählte nicht nach. „Elf Jahre.“ Er hatte nichts außergewöhnliches getan, trotzdem war er anders, als seine Affen-Kumpanen.
„Können Sie Kinder leiden?“ Mein Vater sollte die Platte mal umdrehen. Vielleicht war ja noch ein anderer Text drauf. „Ich verstehe die Relevanz Ihrer Frage nicht“, gab der Riese zurück. „Relevanz“ zählte zwar nicht zu meinem derzeitigen Wortschatz, aber es reichte, um zu merken, dass er nicht geantwortet hatte. „Nun ja, immerhin sollen Sie meine Tochter schützen.“ Ich staunte. Ein eigener Bodyguard? COOL! „Ich soll mir eine Kugel für sie einfangen können, dazu muss ich sie nicht mögen“, entgegnete er. Der Kerl war komisch, aber auf jeden Fall ziemlich interessant.
Mein Vater ging nicht weiter darauf ein. Ich war mir nicht sicher, ob ihm die Antwort recht gewesen war, doch immerhin war der Riese ehrlich. „Stimmt der im Internet genannte Stundenlohn noch?“ Wieder ein Nicken. „Sie sind weit teurer, als Ihre Kollegen“, bemerkte mein Vater kritisch. Der Riese nickte: „Wenn Sie auf das Geld gucken müssen, sollten sie mich nicht einstellen. Falls es um Ihre Tochter geht sind hier meine Referenzen.“ Er gab eine dünne Mappe an meinen Vater. Dieser las sich die Blätter durch. Auf der letzten Seite erstarrte sein Blick.
„Molly? Sagen Sie den anderen Herrschaften bitte ab. Wir haben jemanden.“
Ich hoffe, es hat euch gefallen.
Möchte mich auch noch mal ganz herzlich für die vielen Kommis zum Prolog bedanken und würde mich freuen, wenn ich auch zu den Kapiteln ein bisschen was zu lesen bekäm