@Sweetie
Der Erfolg des blonden Gifts
Der blonde Zopf ist so lang wie das Dekolleté tief. Wenn sie die Stimme anhebt, rücken ihre Talkgäste unwillkürlich ein paar Zentimeter von ihr ab. Diese Frau hat was von einer fehlgeleiteten Walküre. Mit der anarchischen Talkshow "Blondes Gift" steigt Barbara Schöneberger zur Kultfigur der Nach-Viva-Generation auf.
Moderatorin Schöneberger: "Diesmal scharf, Sigi?"
Schöneberger schreitet nicht zum Auftritt vor die Kamera, sie stürmt. Ihre 1,73-Statur wirkt dabei wie 1,85. Mindestens. Die 27-Jährige hat eine eigene Talkshow im "Ballungsraumfernsehen". Das klingt fast so schlimm wie "Rechtsverordnungsermächtigung" oder "Bindehautentzündung", ist es aber eigentlich gar nicht. Gemeint sind die lokalen Großstadtsender, die zur abendlichen Hauptsendezeit das gleiche Programm senden: etwa Hamburg 1, TV Berlin, TV München und seit neuestem auch der Ruhrpott-Sender TV NRW.
140 Episoden von "Blondes Gift" sind mittlerweile gelaufen, und irgendwie müssen überraschend viele Leute hingeschaut haben, denn inzwischen hat die Show vor allem unter Viva-entwachsenen Jungzuschauern Kultstatus. Seltsam ist das vor allem, wenn man schaut, wer bislang so alles zu Gast war.
Wer zu "Blondes Gift" kommt, darf meist nirgends sonst mehr hin. Die Gästeliste liest sich wie ein Auszug aus dem Pflegeheim der deutschen Fernsehbranche. Es ist, als wäre die "Was macht eigentlich?"-Seite des "Stern" zum TV-Format geronnen. Wolfgang Lippert? Oh! Ingrid Steeger? Lebt die noch? Frank Zander? Du lieber Himmel!
Schön ist es trotzdem, weil Schöneberger wunderbar plaudern kann und spontan lustige Sätze sagt, in denen das Wort "poppen" vorkommt, ohne dass gleich ein Toilettenwitz folgt wie bei Stefan Raab. Genauso darf sie dann fehlerfrei "anthroposophisch" sagen oder "soziologischer labelling approach", was sowieso lasziver klingt.
Überhaupt dreht sich die ganze Show nur darum, ihr zuzuhören. Das weiß sie natürlich selbst, und deshalb sagt sie dann auch mal einem ihrer eher schweigsamen Gäste: "Am liebsten wäre ich einfach bei mir selbst zu Gast." Genauso hat sie sich ihre TV-Karriere bisher erquatscht.
Zum Geldverdienen neben dem Soziologiestudium jobbte sie 1998 als Assistentin von Elmar Hörig in dessen Gameshow-Irrsinn "Bube, Dame, Hörig". Schon damals hat sie bald mehr geredet als Hörig. Deswegen und weil sie - wie gesagt - auch noch ziemlich gut aussieht, durfte sie dann auch in die "Harald Schmidt Show".
Schöneberger, Zander: Pflegeheim der TV-Branche
"Harald hat gedacht, dass er sich da eine blonde Dumpfbacke eingeladen hat", sagt sie. Große Brüste, kleines Hirn. Also hat sie geredet und gewitzelt und kokettiert und sich irgendwann so weit vorgebeugt, dass ihr die Kamera durch den Ausschnitt hindurch bis auf die Zehen geschaut hat. Am Ende hat Schmidt gesagt, dass sie eine eigene Sendung haben sollte. Am nächsten Tag hatte sie ihre eigene Show.
"Barbaras plötzlicher Aufbruch ins Wunderland" ist jetzt drei Jahre her. Bei Schmidt war sie inzwischen sechsmal und ist damit dritthäufigster Gast. Sie hat ein TV-Tennismagazin moderiert und macht seit zwei Jahren das Frühstücksfernsehen "Weck Up" auf Sat.1. Trotzdem macht sie vor allem eins: Marginal-Fernsehen. Das Tennismagazin lief beim Quotenzwerg DSF, "Weck Up" sendet sonntags morgens um 8 Uhr an jeder vernunftbegabten Zielgruppe vorbei, und "Blondes Gift" ... eben! Woran liegt das bloß?
Wahrscheinlich daran, dass eine derartige Show nur als bewusstes Rand-TV funktionieren kann. Hier darf die Moderatorin ihren Gast schon mal mit den Worten begrüßen: "Jetzt bist du bei uns, und danach kommt nur noch ein Schwarzes Loch."
Die Sendung lebt von Selbstironie, von durchsichtigen Kulissen und dem eigentlich verbotenen Dialog mit den Leuten dahinter. "Ist die Kamera diesmal scharf, Sigi?", fragt Schöneberger den Kameramann und ignoriert dann ihren Gast, um nacheinander mit dem Producer, dem Tontechniker und dem Regieassistenten Boshaftigkeiten auszutauschen. Gegen die durchgestylten Hochglanz-Shows der großen Sender ist das regelrecht anarchisch. Vor allem aber ist es erfrischend, weil es zeigt, dass Fernsehen nicht perfekt sein muss, um zu unterhalten.
Es könnte also alles ganz wunderbar sein mit dieser Moderatorin, die ihre Gäste so leichtfüßig massakriert. Nur nimmt sie aus unerfindlichen Gründen dann immer die falsche Abzweigung. Gerade erst wälzte sie sich in einem Luderanfall in auberginefarbenem Dessous durch das Springer-Herrenblatt "Maxim". Oder sie versuchte sich als Einpeitscherin des TV-Totalflops "Girlscamp". Oder sie geht zur ZDF-Fernsehvorhölle "Blond am Sonntag", setzt sich zwischen Marijke Amado und Ralph Morgenstern und macht eine Sendung, die so wehtut, dass man danach drei Wochen freiwillig Arte schaut.
Vielleicht ist das alles so, weil Schöneberger ständig auf dem Absprung scheint, aber nicht weiß, wohin. Sie sagt: "Ich muss nicht in der ersten Reihe stehen." Aber dann ist da wieder die Sehnsucht nach der eigenen großen Show. "Bis jetzt", sagt sie, "ist immer noch alles von allein auf mich zugekommen."
Zusammen wirkt das alles entweder arrogant oder nicht ehrgeizig genug. "Ich bin", sagt sie dann, "ja eh zu dick fürs Fernsehen."