So, jetzt melde ich mich auch mal zu Wort und will ein paar Missverständnisse aus dem Weg räumen.
Als erstes der Solidaritätszuschlag, den ich als Arbeitnehmer ja auch schon seit Anfang an bezahle und sicher nicht begeistert darüber bin. Ich hab auch anfangs so gedacht: Na toll, jetzt zahlen wir für "die" auch nochmal extra. Damals war ich noch in der Ausbildung und hab sowieso nicht besonders viel verdient. Überrascht war ich aber, als mir dann jemand aus dem Osten erzählte, dass der Solidaritätszuschlag auch im Osten vom Gehalt abgezogen wird.
Fakt ist aber auch, dass schon lange vor der Wiedervereinigung Millionen an Steuergeldern in den Osten geflossen sind. Gut, die Bürger haben davon keinen Pfennig gesehen, die Politiker haben einen Grossteil für sich selber ausgegeben (irgendwo musste ja ein Honecker sein Geld herhaben

)
Dann das Problem mit den zusätzlichen Renten. Es war auch schon vor der Wiedervereinigung so, dass Leute, die niemals in die Rentenkasse eingezahlt haben, Renten kassiert haben. Darunter z.B. auch viele Juden, die in Nazideutschland gelebt haben, ebenso ehemalige DDR-Bürger, die im Rentenalter dann auch "übersiedeln" durften, weil sie dann nicht aus DDR-Kassen bezahlt werden mussten.
Über Recht und Unrecht will ich hier auch gar nicht diskutieren, Fakt ist, wir hätten uns das trotzdem leisten können, wenn unsere Politiker sich nicht Jahrzehnte lang aus der Rentenkasse bedient hätten, um andere Finanzlöcher zu stopfen.
Erschreckend finde ich, dass gerade die Jüngeren, für die ein wiedervereinigtes Deutschland Normalität ist, so Aussagen von sich geben wie: Ja, baut die Mauer wieder auf.
Das ist keine Lösung!
Für diese Einstellung mache ich unsere Medien und unsere Politiker verantwortlich. Warum wird nach all diesen Jahren immer noch in Ost und West getrennt? Warum sind alle Statistiken noch immer so aufgeteilt? Macht euch bitte klar, dass so eine Einstellung sehr praktisch für die Politik ist, denn solange wir uns gegenseitig die Augen auskratzen, können wir uns nicht verbünden und gemeinsam unsere Politiker für ihre Unfähigkeit anprangern.
Ich bin sicher, dass ich noch heute eine Anti-Ost-Einstellung hätte, wenn ich nicht 10 Jahre lang mit einem "Ossi" zusammengelebt hätte. Dadurch, dass wir seine Familie und Verwandten im Osten besucht haben, haben sich mir die Augen geöffnet und ich hab gesehen, dass im Osten dieselben Vorurteile geschürt werden wie bei uns. Als wir relativ am Anfang unserer Beziehung mal seine Oma im Krankenhaus besuchten und dort eine andere Dame mit im Zimmer lag, die ziemlich über den Westen geschimpft hat (und zwar ebenso ungerechte Vorurteile, wie sie andersrum auch bestehen), da musste ich auch erst mal schlucken. Aber ich hab angefangen selber zu denken. Wenn man nicht beide Seiten sieht, und ich hatte vorher gar keine Beziehung zum Osten und wollte da auch nie hin, dann kann man sich wirklich kein Urteil bilden (obwohl man es denkt).
Die meisten Cousins/Cousinen von meinem Ex machen ihre Ausbildung im Westen, bzw. arbeiten dort, quer über Deutschland verteilt, weil wirklich keine Perspektive in der dortigen Region geboten ist. "Die im Osten" sind durchaus arbeitswillig, aber die derzeitige Arbeitsmarktsituation ist überall schwierig und Arbeitsplätze wachsen nicht auf Bäumen.
Jedenfalls ist es so, dass es sowohl im Westen als auch im Osten Arbeitswillige und Arbeitsunwillige gibt. Es gibt nette Menschen überall in Deutschland und solche, denen man nirgendwo begegnen möchte.
Es wurde sehr viel falsch gemacht, von Seiten der Politik, der Medien und der Unternehmen. Vielen Ostdeutschen wurden z.B. nach der Grenzöffnung von Versandhäusern Irrsinnskredite gewährt. Dass die ausgeschöpft wurden, weil man endlich ohne Einschränkung einkaufen konnte, ist nun wirklich nicht verwunderlich. Aber irgendwann wollten die Versandhäuser ihr Geld wieder haben, da wars dann mit der Solidarität zu Ende. Klar hätten die Leute damit rechnen müssen, man bekommt nichts geschenkt. Aber vielen ist das einfach nicht klar gewesen. Die haben nur gesehen, dass die "Wessis" alle totschick eingerichtet sind, dass es auch bei uns immer schon Armut gab hat man ihnen wohlweisslich verschwiegen. Das auch hier nicht alles bar bezahlt werden kann und konnte, hat man auch niemandem gesagt. Das die Lebenshaltungskosten viel höher sind ... wozu noch erzählen? Merken "die" dann schon. Das die scheinbar so günstigen Mieten im Osten die DDR in den finanziellen Ruin getrieben hat, das Anrecht auf einen Krippen- und Kindergartenplatz finanzielle Löcher in die Haushaltskassen gerissen hat und letztlich dieser finanzielle Ruin eine Wiedervereinigung überhaupt erst möglich gemacht hat, will niemand mehr hören.
Meiner Meinung nach sollte endlich aufgehört werden sich gegenseitig vorzurechenen, wer was bezahlt hat und wer was viel besser gemacht hat, sondern endlich mal ein Schlussstrich gezogen werden und eine gemeinsame Grundlage zu finden. Unsere Politiker wollen das nicht wirklich (siehe oben), also sollten wir vielleicht als mündige Bürger und Menschen mit Verstand das Ganze im Kleinen angehen und einander die Hände reichen. Und aufhören uns gegenseitig anzugiften.
So, ist ein bisschen lang geworden, aber jetzt hab ich's mir vom Herzen geschrieben und wenn es auch nur ein oder zwei Leute zum Nachdenken bewegt, dann bin ich schon zufrieden.
