Die Lehre vom gerechen Krieg beinhaltet das "Recht zum Krieg" und das "Recht im Krieg"
Recht zum Krieg (jus ad bellum) Recht im Krieg (jus in bello)
- legitime Autorität
- gerechter Grund
- gerechte Absicht
- letztes Mittel
- begründete Hoffnung auf Erfolg
- Verhältnismäßigkeit der Mittel
- Unterscheidung von Kombatanten und Nichtkombatanten
Die Theorie des gerechten Krieges
Die Tradition des gerechten Krieges unterscheidet zwischen den Kriterien des Rechts zum Kriegseintritt, jus ad bellum, und den Kriterien der Gerechtigkeit im Krieg, jus in bello. Die Kriterien des ersteren entscheiden, ob es gerechtfertigt ist, einen Krieg zu beginnen. Die des letzteren entscheiden, wie in einem gerechten Krieg gekämpft werden muß.
Es gibt fünf Kriterien des jus ad bellum:
Erstens muß ein gerechtfertigter Krieg einen gerechten Grund haben. Der einzige traditionelle Grund eines gerechten Krieges ist die Notwehr. Auf sie beruft man sich zu Recht, um die Einheit des Staats oder das Leben seiner Staatsbürger zu verteidigen, wenn sie angegriffen oder klar bedroht sind. Heute ist es auch allgemein anerkannt, daß ein Staat das Recht hat, einen Nachbarstaat vor einem anderen feindlichen Staat zu schützen. In der letzten Zeit versuchten einige Denker, dieses Recht um die Verteidigung eines Nachbarn zu erweitern, um humanitäre Eingriffe einzuschließen.[iv]
Zweitens muß ein gerechter Krieg von einer legitimen Autorität erklärt werden. Eine legitime Autorität hat Verantwortung für das allgemeine Wohl und ist normalerweise die Regierung eines Staats. Private Individuen und Gruppen sind nicht berechtigt, einen Krieg zu erklären. Laut Artikel 42 der Charta der Vereinten Nationen darf auch der Sicherheitsrat "mit Luft-, See- oder Landstreitkräften die zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen durchführen."
Drittens: um gerechtfertigt zu sein, muß eine Entscheidung, in den Krieg zu ziehen, mit einer rechten Absicht getroffen werden. Diese muß die Absicht sein, den Frieden zu förden oder wiederherzustellen. Jede andere Absicht, z.B. Rache, Herrschaft, wirtschaftlicher Gewinn usw., ist falsch.
Viertens darf ein gerechter Krieg nur als das letzte Mittel sein. Alle nicht-militärischen alternativen Mittel müssen ausgeschöpft worden sein. Solange politische Mittel zur friedlichen Lösung noch bestehen, z.B. Diskussion, Verhandlungen, wirtschaftliche Sanktionen usw., kann keine militärische Waffengewalt gerechtfertigt werden.
Schließlich muß ein gerechtfertiger Krieg eine vernünftige Hoffnung auf Erfolg haben. Wenn es keine ausreichend hohe Wahrscheinlichkeit gibt, daß das gerechte Ziel des Krieges erreicht wird, ist es unmoralisch, Zerstörung und Vernichtung zu verursachen. Ein aussichtsloser Widerstand ist nicht gerecht. Außerdem muß man, um die Aussichten auf Erfolg einschätzen zu können, zuerst einmal eine klare, konkrete Vorstellung davon haben, worin der Erfolg bestehen sollte.
Es gibt zwei Kriterien des jus in bello:
Erstens muß die Unterscheidung zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten eingehalten werden. Man darf keine Nichtkämpfenden und nicht-militärische Ziele absichtlich vernichten und muß versuchen, ihnen nicht unabsichtlich zu schaden. Mit anderen Worten, man muß versuchen, den "Kollateralschaden" zu minimieren. Freilich gibt es Fälle, in denen nur schwer zwischen militärischer und nicht-militärischer Angriffsfläche unterschieden werden kann.
Zweitens muß eine angemessene Verhältnismäßigkeit zwischen den Schäden und Kosten des Krieges und den guten Folgen bestehen, die dadurch erreicht werden sollen. Die Menge und Art der Kraft, die im Krieg eingesetzt wird, soll nicht größer sein, als benötigt wird, um den Krieg zu beenden und den Frieden wiederherzustellen. Die Übel, die der Krieg zufügt, dürfen nicht größer sein als das Unrecht, das er beseitigen soll. Kein Staat soll einen Krieg führen, ohne an die langfristigen Folgen für alle Betroffenen zu denken.
Nach der Theorie des gerechten Krieges kann ein Staat in den Krieg zu Recht nur ziehen, wenn alle diese Kriterien erfüllt sind. Ich werde nun versuchen, möglichst objektiv unparteilich festzustellen, ob der Krieg zwischen der NATO und der Bundesrepublik Jugoslawien im Jahre 1999 diesen Kriterien entsprach.
David Lutz (Forschungsinstitut für Philosophie Hannover): Kann es gerechte Kriege geben? Eine philosophische Auseinandersetzung am Beispiel des NATO-Einsatzes in Jugoslawien
Vortrag gehalten am 18. Juni 2001 im Rahmen von Reflex: Institut für Praktische Philosophie Hannover, Auszug.