Bald sollte eine neue Vorstellung beginnen. Dompteurin Luna de la Lumi war schon tierisch aufgeregt. Heute wollte sie das gefährliche wagen, ihren Kopf in einen ihrer weißen Löwen zu stecken. Damit der Trick auch auf jeden Fall klappte und sie nicht plötzlich den Kopf verlor, stellte sie ihrer Lieblingslöwin Blanche-Neige einen extra großen Eimer mit Hühnchen in Tomatensauce an Kräuterpaste, garniert mit edlen Jakobsmuscheln hin. Sie tätschelte Blanche-Neige und ging dann in ihren Schaustellerwagon, um sich umzuziehen.
So sah sie nicht, dass gewisse Herrschaften sie beobachtet hatten.
»Was glaubt ihr?«, fragte eine feine Dame. »Wer gibt denn bitte einem Löwen so ein Fressen? Brauchen die nicht Gazelle oder so?«
»Ich weiß, was du meinst«, stimmte der Herr mit Schnauzbart ihr zu. »Das arme Tier bekommt bestimmt furchtbare Bauchschmerzen oder ganz üble Blähungen.«
»Wir sollten nicht riskieren, dass die Zuschauer - und damit wir - an einer Gasvergiftung sterben«, nickte eine Dame mit weiß gepudeter Haut. »Mademoiselle, geh du und hol den Eimer wieder raus!«
»Warum ich?« Mademoiselle fing an zu heulen.
»Weil du die kleinste bist und durch die Gitterstäbe passt«, erklärte der Herr mit Schnauzbart. »Die Schlüssel hat schließlich Luna.«
»Immer auf die kleinen mit den krummen Füßen«, murmelte Mademoiselle beleidigt. Doch sie lief so schnell sie ihre kleinen, krummen Füße trugen zum Käfig von Blanche-Neige, schlüpfte hinein und zog dem Löwen den Eimer vor der Nase weg.
Die Menge begrüßte Luna mit tosendem Applaus. Sie verneigte sich zu allen Seiten und schließlich auch gegenüber Blanche-Neige. Dann führte Luna ihren Arm an der Schnauze der Löwin entlang, woraufhin sie ihr Maul öffnete. Luna blickte nochmal bedeutungsvoll in die Menge, dann schob sie zuerst eine Hand hinein und zog sie blitzschnell zurück. Das Maul des Löwen schnappte zu, die Menge hielt den Atem an, doch als sie Lunas unversehrten Arm sahen, entwich ein Laut der Erleichterung und sie klatschten. Luna wiederholte dies mit dem anderen Arm. Schließlich stieg sie auch auf einen kleinen Schemel und streckte ihren Kopf in das Löwenmaul. Die Spannung im Zelt war nun zum Zerreißen gespannt, doch Luna kam etwas seltsam vor. Blanche-Neige stank nicht wie sonst nach Jakobsmuscheln mit Tomatensauce, nein. Sie stank nach... gar nichts!
Luna wollte gerade noch ihren Kopf wegziehen, als Blanche-Neige auch schon zuschnappte. Ihres Abendessens beraubt, hatte sie nun solchen Hunger, dass sie alles nahm, was ihr zwischen die Zähne kam.
Später am Abend sah man die Schausteller, wie sie Lunas Wagon auseinandernahmen, doch nichts fanden, was für einen der feinen Herrschaften sprach.
»Ich glaube, sie war tatsächlich eine von uns«, sagte Neha traurig.
»Mehr noch«, sagte Kenaj und hielt einen vergilbten Zeitungsartikel in die Höhe. »Ihre Löwen haben damals den bösen Zirkusdirektor gefressen. Sie wollte uns auch bestimmt helfen, die Städter loszuwerden!
→ Luna wurde gemeutert und war der Smutje
Es ist Tag und ihr dürft wieder reden.