Kapitel 3 '‘It’s you who brings the morning and you who takes the sun when I sleep’
Nach einer kurzen Umarmung, bei der ich drauf achten musste, dass sie nicht länger als 3 Sekunden dauerte, entschlossen wir uns zusammen zur Karaokebar zu fahren - die Gedanken an mein Schulprojekt hatten jetzt erst einmal Sendepause.
Ich ließ mein Auto stehen und stieg in seins. Kurze Zeit später standen wir auch schon auf der Bühne. Bewaffnet mit den Mikros, einen guten Song ausgewählt und bereit uns die Seele aus dem Leib zu singen.
Und wir rockten so richtig!
Wir bekamen sogar zwei Zuschauer, die von unserem krummen Gesinge total begeistert waren –
definitiv zwei neue Fälle für den HNO-Arzt.
Den letzten Refrain sangen wir voller noch übrig gebliebener Imbrust und sahen uns dabei ganz tief in die Augen.
>>
Alizza!<< Ich schreckte zusammen als ich Dannys Stimme hörte. Als ich mich umdrehte stand er tatsächlich in der Tür. Durch das Fenster neben mir konnte ich auch Shawn und Steven entdecken.
>>Was macht ihr hier?
Haut ab!<< fauchte ich stocksauer.
Danny entdeckte nun auch Jason und begann breit zu grinsen. >>Ich find, wir kommen grad richtig.<<
Wütend klatschte ich das Mikro zurück in seine Halterung, packte Jason und zerrte ihn, grober als geplant, die Treppe hoch in den zweiten Stock.
Kann man nicht einmal seine Ruhe haben? Dachte ich frustriert.
Währendessen schnappten Danny und Shawn sich das Mikro, wählten das Lied, das Jason und ich zuvor gesungen hatten und imitierten uns mit übertriebenen, romantischen Gestiken. Auch die Blonde, die uns vorher zugejubelt hatte, machte erst große Augen, feuerte meine Brüder dann aber lautstark und mit erhobener Faust an.
Das Danny zwischendurch den Text nicht konnte und deshalb auf den Bildschirm starrte, störte Shawn nicht im geringsten. Er nutzte die Gelegenheit um mit seinem Hintern zu wackeln und sich Dramaqueenmäßig zur Schau zu stellen. Ich schüttelte den Kopf und folgte Jason die letzten Stufen bis nach oben.
Oben angekommen stand der bereits in der Fotokabine, hielt den Vorhang hoch und winkte mich zu sich rein. >>Komm das wird lustig.<< Ihm hatten meine Brüder anscheind nicht die Laune verderben können.
Ich fand mein lächeln wieder und schlüpfte zu ihm rein.
Hier muss ich euch allerdings enttäuschen – das was in der Kabine passierte, bleibt auch in der Kabine. Das was danach kam, enthalte ich euch aber nicht vor!
Wir verließen die Kabine und Jason gab mir einen Abzug. Seine Finger berührten meine und unweigerlich hielt ich kurz die Luft an.
Jason schien es ähnlich zu gehen. Er sah mir tief in die Augen und kam immer näher.
Oh Gott ich war
bereit –
ich war sowas von bereit von ihm geküsst zu werden. Er legte seine Arme um mich und ich lehnte meinen Körper gegen seinen. Ich schloss die Augen und spürte seinen Atem auf meinem Gesicht. Unsere Herzen pochten so stark, dass ich befürchtete sie würden gleich aus uns springen und zu einem großen Klumpen verschmelzen.
>>
Alizza!<< Jason und ich fuhren erschrocken zusammen. Ich schloss die Augen und dachte, dass das alles doch einfach nicht wahr sein kann. Meine Hände ballten sich zu Fäuste und ich drehte mich um. Steven stand auf der Treppe und ich hörte bereits wie Shawn und Danny die Treppe hochstürzten um mich zu begaffen, wie ich da stand – wie der letzte Depp.
>>
Ich hasse euch!<< brüllte ich die Drei an. Im unteren Stockwerk wurde es plötzlich still. Die beiden Möchtegernsänger die sich dort unten eben versucht hatten, hatten wohl durch meinen Schrei einen Schock bekommen und die Karaokebühne fluchtartig verlassen. Auch Shawns grinsen wich aus seinem Gesicht, als er sah wie ich kurz vor den Tränen stand. Danny zog an seinem Ärmel und bedeutete ihm klammheimlich den Rückzug anzutreten, bevor ich in eine vollkommene Tobsucht verfallen konnte. Steven blinzelte mich erschrocken an, als mein Blick ihn traf. >>
Ich hasse euch alle Drei!<< schrie ich noch einmal und hatte Shawn und Danny damit in die Flucht geschlagen.
Jason nahm meine Hand und versuchte mich zu beruhigen. >>Komm wir gehen.<< murmelte er und zog mich hinter sich die Treppe nach unten. Ich bemerkte einen kurzen, abschätzenden Blick seinerseits, der meinem Bruder galt und schon ließ meine Wut ein wenig nach.
>>Das hat noch ein Nachspiel.<< zischte ich Steven im vorbeigehen zu. Der allerdings schüttelte nur langsam mit den Kopf.
Zurück in Jason Auto schnallte ich mich an, lehnte mich zurück und wandte den Blick nicht von der vorbeirauschenden Landschaft ab. Die Hälfte der Strecke schwiegen wir beide, bis Jason an einer roten Ampel halten musste. Nervös knetete er den Schalthebel und sah aus seinem Fenster. >>Sie haben es bestimmt nicht so gemeint.<< Ich schnaubte bloß als Antwort. >>Sie sind deine Brüder, ist doch klar, dass sie sich Sorgen machen.<< versuchte er es weiter.
>>Sie sind wie Naturgewalten. Unmöglich vorherzusehen und zerstörerisch. Ihre Lebensaufgabe besteht nur darin, mir immer alles Schöne kaputt zu machen.<< murmelte ich leise. Ich spürte Jasons Blick im Nacken, konnte ihn aber aus Scham nicht ansehen.
>>Sie tauchen dann auf, wenn sie denken, dass sie dich beschützen müssten. Du bist die kleine Schwester – ich würde nicht anders handeln.<<
>>Nicht?<<
Er schwieg kurz. >>Naja...<< Er schwieg wieder und versuchte es nach ein paar Sekunden mit einem neuen Anlauf. >>Ihr seid Vierlinge. Überall in den ganzen Biobüchern steht doch, dass da die Bindung stärker ist, als bei normalen Geschwistern.<<
Ich musste lächeln. >>Versuchst du mich jetzt mit Fakten tot zu schlagen? Außerdem, was hat das damit zu tun?<<
Endlich sah ich ihn an. Seine Augen funkelten in der sinkenden Sonne und seine Lippen deuteten ein grinsen an.
>>Ich bin ein Junge, Alizza, ich könnte dich verletzen und die Drei wollen das nun mal verhindern, ist doch klar.<< Ich musste lächeln, gab ein “Mhm” von mir und sah wieder aus dem Fenster.
Jason räusperte sich. >>Ich fahr dich am besten zurück an den Club, dann kannst du nach Hause fahren. Ich fahr hinter her, damit du sicher Daheim ankommst. Deal?<<
>>Ich will noch nicht Heim. Guck mal, es sind keine Wolken am Himmel, lass uns in den Park fahren.<<
Er nickte und gab Gas.
Kurze Zeit später erreichten wir den Park. Wir suchten uns ein schönes Plätzchen und setzten uns. Sofort deuteten Jason in den Himmel und ich folgte seinem Wink. Die Sonne war noch nicht richtig hinter den Hügeln verschwunden, dennoch konnte man am Himmel einen hellen Stern ausmachen. >>Das ist der Siriusstern.<<
Ich lachte. >>Ich sitze im Unterricht direkt neben dir, ich weiß das.<<
Jason grinste. >>Weißt du auch, dass es einen Sirius B und C gibt? Begleitsternen von dem Sirius da oben?<< Jetzt sah ich ihn doch überraschter an, als ich wollte. Zufrieden lehnte er sich zurück. Seine Hand streifte meine und ein Schauder lief mir über den Rücken. Ich versuchte aus den Augenwinkel heraus fest zu machen, wo seine Hand war. Nahm dann allen Mut zusammen und legte meine Hand auf seine.
Überrascht sah er mich an, lächelte dann aber, was mich tierisch erleichterte.
Wir blieben noch etwa eine halbe Stunde so sitzen, alberten herum und zeigten uns Sternenbilder, die es wahrscheinlich gar nicht gab. Jason zeigte mir zum Beispiel das Spiderschwein und ich ihm den Affen von Pipi Langstrumpf.
Als es dann aber langsam kalt wurde, brachte er mich zu meinem Auto und schließlich nach Hause.
Als ich aus meinem Wagen ausstieg, hob er zum Abschied die Hand und fuhr wieder weg. Sehnsüchtig sah ich den roten Lichtern, die langsam in der Dunkelheit verschwanden, nach.
Kein Kuss für Alizza.
Ich seufzte, schloss mit einem *piep* mein Auto ab und betrat das stille Haus. Meine Mutter war unterwegs, irgendwo in Bridgeport und einen Vater gab es nicht, zumindest nicht in meiner Welt.
Ich nahm die Treppe in wenigen Schritten und betrat mein Zimmer. Die Jungs waren noch wach. Etwas, das mich nicht überraschte.
Shawn und Danny ließen ihre Kopfkissen sinken und Steven sah von seinem “Tischcomputer” auf. Die Blicke die mich trafen, waren ein Gemisch aus Mitleid und Schuldbewusstsein und ich wusste - alle Worte waren überflüssig, sie bereuten ihre Aktion.
>>Ist schon okay….<< grummelte ich und schon setzte die Computermusik wieder ein und Shawn und Danny schlugen sich die Köpfe mit ihren Kissen ein. Ich kletterte in mein Bett und machte es mir bequem.
Eigentlich, ignorierte man die Aktion meiner Brüder, war es doch noch ein schöner Abend gewesen. Auch wenn Jason mich immer noch nicht geküsst hatte, waren wir uns schon ein Stückchen näher gekommen.
Unterm Strich - ich war zufrieden.