


Es war schrecklich. Seit Lynette schwanger war, kümmerte sich ihr Mann nur noch um ihre Gesundheit.
Nur noch dem Baby, dass noch nicht einmal auf der Welt war, schenkte er Aufmerksamkeit.
Sogar wenn Lynette´s ältere Schwester Katharina mit ihrer zwölfjährigen Tochter Karina zu
Besuch kam, war nur noch das Baby Gesprächsthema Nummer 1. Ja, Lynette hatte es satt.
Sie hatte es satt, dass sie ihren sämtlichen,einst geliebten Menschen, nun nur noch Hass
entgegen bringen konnte, weil alle nur noch dem Baby Interesse schenkten. Sie konnte es
nicht fassen, als ihr immer mehr, Tag für Tag, klar wurde, dass sie ihren Mann nicht mehr
liebte. Da war kein Gefühl mehr für ihn, nur noch das Wissen, dass es ihre Pflicht war, einen
Vater für ihr Kind zu haben, der für es sorgen konnte. Und wieder ging es nur um ihr Kind.
Immerhin war sie ja die jenige, die dieses Baby immer mit sich herum trug, und sie war die
jenige, die dieses Baby eines Tages auf die Welt bringen würde.
Warum dann kümmerte sich niemand um sie? Warum dann war nur noch das Baby für alle
interessant? Sie trug diese Last,diese unerträgliche Last,ein Kind gebären zu müssen.
Gebären in dieser schrecklichen Welt voller Hass und Gier.
Als sie einmal Halt bei ihrer besten Freundin suchte, um sich wenigstens bei jemandem ausheulen
zu können,meinte sogar Nina, ihre sonst so verständnisvolle,beste Freundin,dass die anderen recht
hatten. Ja,niemand wollte Lynette in dieser schweren Zeit beistehen, nicht einmal ihre engsten
Mitmenschen. Sie standen lieber ihrem Kind bei, dass es gemütlich und warm hatte. Nie musste
es sich um etwas sorgen, nie hatte es Angst, dass irgendetwas in seinem Leben sich plötzlich
negativ verändern könnte. Niemals.
Doch an jenem Tag,oder sagen wir lieber, an jenem Abend, sollte sich alles ändern...
Nachdem Lynette ihr Abendessen verzehrt hatte, ging sie gleich zu Bett, um sich noch ihrem Tagebuch
widmen zu können, denn alles, was ihr jedem Tag wiederfuhr, hatte sie schon seit ihrer Kindheit in diesem
Tagebuch eingetragen, und immer nur vor dem "ins-Bett-gehen". Doch an diesem Tag lauschte sie den
Fernsehn-Geräusche, die aus dem Wohnzimmer drangen, wo ihr Mann noch immer mit einem Glas Bier
saß. Sie war enttäuscht. Noch nicht einmal eine gute Nacht hatte er ihr gewünscht. Sein doofes Fußball
war ihm ja soooo viel wichtiger.. Sie griff nach dem Kugelschreiber, der neben ihr auf dem Nachttisch lag,
und schrieb eilig in ihr Tagebuch. Nachdem sie fertig war, bechtrachtete sie zufrieden ihren Eintrag.
Liebes Tagebuch,
es ist alles so furchtbar. Heute hat meine Mama bei uns angerufen,
nur um sich zu erkundigen,wie es meinem Baby geht. Aber woher
sollte ich schon wissen, wie es ihm in meinem Bauch geht? Es hat
alles was es braucht, ich liebe es und ich denke, dass Kind merkt das auch.
Sicher geht es ihm gut, doch wie es um mich steht, dass interessiert sie nicht-
meine Mutter. Hoffentlich werde ich eine bessere, fürsorglichere Mutter.
Mein Baby, es ist ja noch nicht einmal auf der Welt! Dass einzigste was ich weiß,
ist dass sich alle nur für es interissieren. Morgen habe ich wieder einen Artzttermin,
um kontrollieren zu lassen, ob mein Baby gesund ist. Ich hoffe ja! Auch wenn es mir
ziemlichen Kummer bereitet, habe ich es lieb, und möchte eine gute Mutter sein.
Ach, ich bin trodzdem noch zu jung für ein Kind! Ich bin ja erst 21!! Wenn ich
die Zeit zurück drehen könnte, hätte ich eine Schwangerschaft erst einmal vermieden.
Aber als ich erfuhr, dass ich schwanger bin, kam eine Abtreibung überhaupt nicht in Frage!
Was wäre ich für eine herzlose Mutter gewesen? Ich hätte einfach mein Kind umgebracht! Mein eigenes Kind!
Nein, ich bin nicht so wie meine Mama, die meine ältere Schwester beinahe abgetrieben hätte. Was hatte
sie sich in diesem Moment, in dem sie eine Abtreibung in Erwägung zog, nur gedacht?
Hatte sie sich um ihre Figur gesorgt? Wollte sie lieber kinderlos bleiben?
Oder hatte sie nicht genug Geld gehabt? Nun ja, sie würde es mir eh nie erzählen.
Wenn ich sie darauf anspreche, verkrampft sie automatisch und blockt ab. Mein Baby
wird geboren, soviel ist sicher. Ob es ein Mädchen oder Junge wird, ist mir aber egal,
hauptsache es wird gesund sein.
Lynette

"Na, dass nenn ich doch mal einen gelungen Eintrag!",sagte sie dann zu sich selbst und schloss ihr Tagebuch.
Danach verstaute sie ihr Tagebuch unter ihrem Bett und machte das Licht aus, um zu schlafen. Doch sie konnte
einfach nicht einschlafen! Als bereits eine Stunde vergangen war, und sie immer noch wach in ihrem Bett lag und
nach dachte, stand sie einfach auf und ging ins Wohnzimmer. Doch als sie dort niemanden vor fand, schlich sie
in den Flur. Vom Büro aus hörte sie ihren Mann reden. *Er telefoniert sicher*, dachte sie. Doch sie war verwundert
dass er überhaupt noch wagte, zu telefonieren,denn es war immerhin schon 23:50 Uhr. Und weil sie ja so neugierig war,
lauschte sie.

"Du willst jetzt kommen? JETZT noch?! Kommt überhaupt nicht in Frage! Wenn Lynette plötzlich
aufwacht, was dann? Sie ist schwanger, dass weißt du ganz genau! Da ist es besser, wenn ich
ihr allerlei Ärger erspare. Aber naja, wir können uns ja treffen! Wie wär´s wenn wir uns an der
Hasengasse treffen, also vorm Kelters Bäck. Was willst du eigentlich? WAS? Bist du verrückt!
Nein, dass kannst du nicht verlangen.. Doch, doch, ich komme trodzdem! Bis gleich!",hörte sie ihn sagen.
Sie war erschrocken. Mit wem er wohl gesprochen hatte? Sie hastete sofort ins Schlafzimmer und kramte
im Schrank nach Klamotten. Sie musste unbedingt herausfinden, mit wem sich Ben unterhalten hatte!
Aber als sie die Haustür ins Schloss fallen hörte, spürte sie ihr Herz rasen. Unruhig zappelten ihre Finger. Sollte sie...?
So würde sie ihn sicher nicht mehr verfolgen können! Ohne zu zögern zog sie sich ihre Hausschuhe an und rannte
im Schlafanzug aus dem Haus. Ja,Ben war schon längst nicht mehr zu sehen, aber als ihr wieder einfiel, dass er
sich an der Hasengasse treffen wollte,hastete sie wie wild los,denn sie wusste ja den Weg zum Kelters Bäck.
Doch plötzlich schmerzte ihr Bauch. Sie blieb stehen und hielt sich an einem Zaun fest, der neben ihr stand.
"Nein...", keuchte sie atemlos. War etwas mit ihrem Baby? Sie begann fürchterlich zu schluchzen, und flehte ab
und zu rufend nach Hilfe, doch es schien sie niemand zu hören. Sie merkte nur noch wie sie zusammen sackte
und ihr schwarz vor Augen wurde...


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