Mist, meinen Beitrag von gestern hat's gefressen.

Dann eben heute...
Ich muss hier mal gegen die Vermutung von Zebulon sprechen, unsereiner halte das doch für normal und "alles halb so wild".
Es ist mitnichten so, dass ich Inzest für etwas "Normales" (im Sinne von "als gleichberechtigt zu tolerierendes) halte. Es geht mir nur um den rein praktischen Gesichtspunkt: Inzest ist nichts rational Begründetes, sondern eine Beziehung zwischen zweien, die sich lieben, obwohl sie das eigentlich nicht sollten*. Nein, ich kann das auch nicht nachvollziehen. Nein, ich kann mir das auch nicht vorstellen. Ich habe eine (objektiv gesehen alles andere als unattraktive) Schwester, und da ist NULL Anziehung, eher ein Gefühl von Widerwillen. Wenn also zwei so weit sind, dass sie trotz wissentlicher Verwandtschaft zusammenkommen können, muss dort tatsächlich etwas schiefgelaufen sein. Na, und jetzt?
Wir haben doch schon das Verbot, wir haben doch schon die Ächtung, welche Keulen hauen wir jetzt noch drauf? Es geht doch nicht darum, zu sagen "Hey, Inzest ist doch ganz cool, sollte jeder mal ausprobieren, macht Euch doch mal locker, ey", herrgottnochmal! Es geht mir doch nur darum, dass die Leute schon genug gestraft sind.
Dass (geschätzt) 99% der Menschen nicht mit engsten Verwandten zusammenkommen würden, liegt ja auch nicht in Gesetzbüchern begründet, sondern ist von Natur aus so. Dass es bei den restlichen 1% -aus welchen Umständen auch immer- doch dazu kommen kann, liegt ebenso in der Natur des Lebens: Es klappt eben nicht immer alles 100% nach den festen Gesetzen, sondern es gibt
immer Ausreißer. Warum, weshalb - es hat viele Gründe, wahrscheinlich kennen wir sie noch nicht mal alle. Die haben's in der Regel schwer genug, da muss man nicht noch übermäßig draufkloppen, sondern sollte lieber über die Gefahren informieren, aber ansonsten vielleicht nicht auf einem ganz so hohen Ross reiten. Hätt' der Zufall drei Zentimeter weiter eingeschlagen, wäre man jetzt vielleicht selber bei den 1%, würde wissen, dass man empfindet, wie niemand sonst empfindet, etwas tut, was niemand verstehen kann und gegen gesellschaftliche Normen verstößt. So, und wenn jetzt alle schimpfen, aufschreien, kriminalisieren, erst recht ausgrenzen, Kontakt abbrechen - hilft das irgendwem? Macht das wenigstens die "Ih,bäh, pfui, abartig"-Schreier glücklich? Gibt Euch das was? Wenn ja, wie schön für Euch.
Mein Gott, es ist passiert, es passiert, es wird passieren... also was tun? Beraten von wegen möglichst keine Kinder kriegen (weil das Risiko eben höher
ist, auch wenn mir dort ebenfalls eine Dramatisierung stattzufinden scheint)**, und das war's dann auch. Man könnte die Leute natürlich auch gewaltsam voneinander trennen, in unterscheidliche Orte verschleppen und dort aussetzen (oder, wie von jemandem angedeutet, in ein Land zwangsabschieben, wo's erlaubt ist) sowie aufgrund ihrer abartigen Neigungen gleich noch zwangssterilisiern, um das Risiko vollends auszumerzen. Oder wie wäre es, um Gendefekten generell vorzubeugen, grundsätzlich eine zwingende präkoitale Genanalyse beider Partner vorzuschreiben und je nach Ergebnis im günstigen Fall Geburtslizenz von der Bundeserbgutverwaltung, sonst Zwangstrennung. Wäre das genug? Reicht das? Sind dann alle zufrieden? Oder doch gleich an die Wand stellen?
Es geht mir doch nicht drum, hier Werbekampagnen zu machen, ich richte mich nur gegen diese Inquisitionsstimmung, die garantiert niemandem und zu nichts nützt. Als wäre Inzest in den meisten Fällen ein bewusstes Verbrechen an Anderen, das immer mehr um sich greift und gegen das man gar nicht hart genug zu Felde ziehen kann, um nicht die heilige(tm) Ehe untergehen zu sehen... lasst das man Mutter Natur machen, die kriegt das in 99% der Fälle prima hin - seit Millionen von Jahren. Und das restliche 1% sind auch so schon arme Säue - dass es die getroffen hat und nicht unsereinen, liegt i.d.R. nicht an deren Rücksichtslosigkeit. Und wenn doch: Gibt es unter den "normalen" Paaren nicht genauso rücksichts- und verantwortungslose?
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* und wenn z.B. ein Vater seine Tochter vergewaltigt, ist das Vergewaltigung und Kindesmissbrauch und in jedem Falle eine Sauerei, schei§§egal, wie die Verwandtschaftsverhältnisse sind. Da ist nicht der Inzest das Hauptargument, so nach dem Motto "Kinder vergewaltigen schön und gut, machen wir alle, ABER DIE EIGENE TOCHTER? SAU!"
** Was hatte Somian geschrieben? 3% Risiko auf genetisch bedingte Defekte? Wobei ja noch nicht gesagt ist, dass diese Defekte auch alle schwerwiegend sind. Ließe man die Leute schätzen, würden die meisten wahrscheinlich auf 100% und grundsätzlich schwere Defekte tippen... Genau das meinte ich mit "Ball flach halten", Schaum vom Mund wischen. Man sollte die obige Zahl natürlich nicht zu Verharmlosungen nutzen, aber einfach mal wieder runterkommen.
Und Bestrafung gilt auch, wenn das Kind gesund ist? Na bravo - Stellen wir uns das Szenario doch mal vor: Inzestpaar kriegt Kind, Kind ist zum Glück normal. So, wie verfahren wir jetzt?
A) Alle ach-so-guten Freunde haben -seitdem sie von der Geschichte wussten- ihre Freundschaft gekündigt und schneiden das Paar jetzt. Im Dorf wird getuschelt, im Wirtshaus will keiner am gleichen Tisch sitzen, und das Essen schmeckt auch irgendwie anders, und dann kommen die Eltern in den Knast und das Kind ins Heim. Hurra, der Rechtsstaat ist gerettet, die Zivilisation hat gesiegt!
B) Man sagt den Leuten halt, dass sie auf keinen Fall noch ein Kind bekommen sollten, um das Schicksal nicht unnötig herauszufordern (lieber adoptieren, ein Heimkind wird sich freuen!), und versucht vor allem dem Kind ein möglichst normales Leben zu ermöglichen, indem man es nicht dauernd zwingt, sich zu fragen, warum alle Leute seine Eltern hassen - oder sie ihm gleich wegnimmt. Sodom und Gomorrha, Sünde, Abscheu, Skandal! So geht es ja nun nicht. Gell? Na bitte. In diesem Sinne auch weiterhin frohes Ekelvokabelwerfen und Keulenschwingen.