Hallo an alle!
Zunächst einmal vielen lieben Dank für eure Kommis! Und entschuldigt bitte die lange "Stillegung" dieses Threads. Bei mir ist das Studium im Moment einfach wahnsinnig stressig! Trotzdem hab ichs irgendwie geschafft, ein neues Kapitel zu schreiben! Viel Spaß beim Lesen!
Kapitel 21
8 Jahre später
„Lucretia, komm doch bitte nach drinnen. Ich habe Küchlein gebacken, die nur darauf warten, verzehrt zu werden!“, rief Jada ihrer Tochter zu, die mit ihrem Stoffbären, einem Geschenk ihres Vaters, beschäftigt war. Aranel, ihr kleiner Bruder, versuchte schon seit Stunden, seine Schwester zum gemeinsamen Spiel zu bewegen, indem er um sie herumkrabbelte und immer wieder an ihren Armen zupfte und dabei vor sich hinbrabbelte. Lucretia hob den Kopf und nickte Jada mit einem freudigen Lächeln zu, denn Kuchen gab es nicht oft. Eigentlich gab es meist nur dann Kuchen, wenn Papa von einer seiner Reisen heimkehrte und Mama ihn damit überraschen wollte. „Ich komm gleich, Mama!“, antworte Lucretia kurz und wandte sich wieder ihrem Spiel zu.
Jada erwiderte das Lächeln ihrer Ältesten und ging in die Blockhütte zurück, die sie nun gemeinsam mit ihrer Familie seit ungefähr sieben Jahren bewohnte. Die Hütte bestand aus einem einzigen Raum, der Boden war mit Lehm verkleidet und auch die Einrichtung war eher karg ausgefallen, da es anfangs an Geld und auch an Zeit gemangelt hatte. Für den Kauf ihrer ersten beiden Pferde hatte sich Hadrian eine Menge Geld von Trajan geliehen und er hatte jahrelang dafür geschuftet, sie endlich begleichen zu können. „Weißt du, Reylinor“, flüsterte Jada ihrer erst drei Monate alten Tochter zu, „Wenn mir jemand vor zehn Jahren erzählt hätte, dass ich einst ein Leben als Pferdehändlerin im Süden führen würde, hätte ich denjenigen für verrückt erklärt…“
„Ich wünschte, ich könnte euch das Leben bieten, das euch im Norden zuteil geworden wäre. Kein Hunger, ein eigenes Zimmer, einen Privatlehrer für jeden von euch… Wie sehr ersehne ich mir die Annehmlichkeiten meines früheren Daseins zurück!“ Einen Moment lang betrachtete sie nachdenklich ihre Tochter, die, wie all ihre Kinder, ihrem geliebten Mann so ähnlich sah. Sie vermisste Hadrian schrecklich, denn diesmal war er länger als je zuvor unterwegs. Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken, dass ihr Mann nach wie vor als Kundschafter in den Norden reiste, aber sie hatte keine Wahl, denn das Geld aus dem Verkauf der Pferde hätte niemals für eine fünfköpfige Familie gereicht. „Mama, sind die Kuchen jetzt fertig oder nicht?“, hörte sie plötzlich eine fragende Stimme in ihrem Rücken.
Wenige Augenblicke später hatte Jada die verschiedenen kleinen Küchlein appetitlich auf einem großen Teller platziert. Sie war eben dabei, den Teller auf dem Tisch abzustellen, als Zerena völlig aufgelöst herbeigeeilt kam. „Zerena! Warum so eilig? Ich habe gerade gebacken, setz dich doch und iss mit!“ „Ich… ich… naja, eigentlich sollte ich… Ich war noch gar nicht bei… Aber er ist…“, keuchte Zerena.
Mit einem besorgten Stirnrunzeln stellte Jada den Teller ab, ehe sie sich der aufgebrachten Freundin zuwandte. „Nun sag mir doch erst einmal, was los ist, meine Liebe… Erst sehe ich dich tagelang nicht, obwohl ihr keine 50 Fuß von uns entfernt wohnt, und dann stehst du plötzlich mitten im Raum und gibst völlig Unzusammenhängendes von dir. Zuletzt hab ich dich so gesehen, als dich Trajan nach all den Jahren gefragt hat, ob du seine Frau werden willst…“ Zerena legte den Kopf ein wenig schräg, wie sie es meist tat, wenn sie etwas verlegen war und meinte leise: „Also so unähnlich ist es der Lage von damals gar nicht… Es ist nämlich etwas passiert, worauf ich schon gar nicht mehr zu hoffen wagte.“
„Ich bin schwanger!“, platzte sie heraus und ihr herzliches Lachen, für das Jada sie so liebte, erfüllte den Raum, „Wir hatten uns schon damit abgefunden, wohl immer nur zu zweit zu bleiben, aber nun hat es doch noch geklappt! Während der letzten Tage war ich unterwegs zu der Schamanin, die hinter dem Toki Berg lebt. Sie hat meinen Verdacht bestätigt und gemeint, es würde wohl ein Junge werden. Was sagst du jetzt?“
„Ach Zerena, ich freu mich so für dich!“, rief Jada und drückte die Freundin fest an sich. Oft hatte sie den betrübten Blick bemerkt, mit dem Zerena ihre Kinder betrachtete, und sich von ganzem Herzen gewünscht, dass auch Zerena das Glück eines Kindes vergönnt sein möge, denn sie wusste, dass auch die Beziehung von Trajan und Zerena unter der Kinderlosigkeit gelitten hatte. Darüber hinaus waren Zerena und Trajan etwas wohlhabender als sie selbst, da Zerena in den Dorfrat gewählt worden war und Trajan eine kleine Schänke im Dorf mit großem Erfolg führte. „Trajan war bestimmt überglücklich, nicht wahr?“, fragte Jada neugierig, nachdem sie sich von Zerena gelöst hatte. „Er war nicht zu Hause, als ich eben zurückgekehrt bin… Also bin ich gleich zu euch gekommen! Ist Hadrian immer noch unterwegs?“ Jada nickte zögerlich und spürte zugleich, wie sich ihre Augen mit Tränen zu füllen begannen.
„Mama, darf ich mir denn nun endlich einen Kuchen nehmen?“, fragte Lucretia ungeduldig. „Natürlich, mein Schatz“, antwortete Jada sanft und löste sich von Zerena. „Ich komme später zu euch rüber, ich habe noch ein paar Kleinigkeiten zu erledigen“, wandte sie sich erneut an die Freundin. Zerena nickte und ohne, dass Jada ein weiteres Wort gesagt hätte, meinte sie plötzlich: „Mach dir keine Sorgen, Jada… Er wird bald wieder bei uns sein, das spüre ich!“ Jada seufzte nur. „Ich hoffe, du behältst Recht!“
Die Sonne war längst hinter dem Horizont verschwunden und die nächtliche Kälte der Wüste begann sich auszubreiten. Nachdenklich strich Jada durch die schwarzen Löckchen ihres Sohnes. „Papa?“, fragte der Kleine nun schon zum wohl hundertsen Mal an diesem Tag und Jada zwang sich erneut zur ewig gleichen Antwort. „Bald, Aranel, bald ist Papa wieder zu Hause. Vielleicht kannst du schon morgen wieder mit ihm spielen! Und jetzt wird es auch für dich Zeit, ins Bett zu gehen. Du solltest dir ein Beispiel an deinen Schwestern nehmen – die sträuben sich nicht jeden Abend vor dem Waschen und Zubettgehen!“
Eine Stunde später war im Haus schließlich Ruhe eingekehrt. Erschöpft von den Strapazen des Tages lehnte sich Jada gegen den Türbogen und ließ die Ereignisse des Tages erneut vor ihrem inneren Auge ablaufen. Zerena erwartete also ihr erstes Kind… Es war nur allzu verständlich, dass sie außer sich war vor Freude. Sie wusste aber auch noch nicht, wie schwierig es war, hier, mitten in der Wildnis der Wüste, ein Kind großzuziehen. Jada hasste die Abhängigkeit von der Gunst der Natur. Diesen Sommer hatte die Hitze den Bach vor ihrem Haus beinahe austrocknen lassen und so die Preise für Nahrung in die Höhe getrieben. Darüber hinaus hatte die Hitze den Pferden zugesetzt und mit dem Verkauf der dürren Tiere hatte sie nicht genug eingenommen, um sich und ihre Kinder zu versorgen. Das Einzige, was sie ihre Armut ertragen ließ, war ihre Liebe zu Hadrian – und auch die wurde immer wieder auf eine harte Probe gestellt, da Hadrian von Zeit zu Zeit als Späher im Norden unterwegs war. Kundschafterdienste waren hier im Süden sehr angesehen und großzügig bezahlt und sicherten so das Überleben ihrer Familie.
Sie war dermaßen in Gedanken versunken, dass sie erst jetzt bemerkte, dass sich ein Schatten der Hütte näherte. Als die Gestalt vom Licht des Feuers erfasst wurde, erkannte Jada endlich, wer sich um diese Uhrzeit noch herumtrieb und ein Lächeln machte sich auf ihren Zügen breit.
„Ich habe mir solche Sorgen gemacht!“, flüsterte sie ins Halbdunkel der Nacht und machte eine ausladende Geste. „Wie konntest du mich und die Kinder nur so lange allein zurücklassen?“
„Verzeih mir, mein Herz…“, wisperte Hadrian, während er Jadas Hand ergriff. Einen Moment lang herrschte betretenes Schweigen zwischen den beiden und Jada wurde bewusst, wie sehr sie ihn wirklich vermisst hatte während der letzten Monate. Reylinor war zwei Wochen alt gewesen, als Hadrian in den Norden aufgebrochen war.
Stumm führte Hadrian Jadas Hand an seine Lippen und küsste sie sanft. „Du hast mir so gefehlt“, meinte er leise, „Du und die Kinder! Sind…sind alle wohlauf?“ „Davon kannst du dir sofort selbst ein Bild machen, Hadrian… Lass uns nach drinnen gehen!“
„Bei den Göttern… Es ist, als hättest du mich verhext… Ich habe so oft daran gedacht, wie unser Wiedersehen wohl sein wird nach all dieser Zeit und nun? Nun stehe ich vor dir und mir laufen eiskalte Schauer den Rücken hinunter, mein Herz schlägt mir bis zum Hals und ich vermag kaum noch einen vollständigen Satz zu sagen.“ „Dann sag einfach gar nichts“, meinte Jada, der die zärtlichen Berührungen ihres Ehemannes gefehlt hatten.
Mit einem Mal hielt Hadrian inne und senkte betrübt den Blick. „Ich habe Neuigkeiten für dich, die ich dir nicht länger vorenthalten kann, Jada“, begann er, ehe er sich räusperte.
„Und zwar betreffen diese Neuigkeiten deinen Vater!“ „Meinen Vater?“, wiederholte Jada ungläubig und begann nervös mit ihren Fingern zu spielen, denn über ihren Vater hatte sie seit mehreren Jahren nichts mehr erfahren und so freute sie sich, endlich zu wissen, wie es um ihn stand. „Er litt an einer schweren Krankheit, zumindest ist das, was mir berichtet wurde“, setzte Hadrian fort, „Ich wollte mich im Geheimen mit deiner Mutter treffen, um Näheres herauszufinden… Doch noch in der Nacht vor unserer vereinbarten Zusammenkunft, ist die Seele deines Vaters zu den Göttern heimgekehrt!“
„Mein Vater ist tot?“, entgegnete Jada erschüttert und fasste sich mit der linken an die Brust, da ihr Herz einen Sprung machte, bei dem sie meinte, es bliebe jeden Augenblick stehen.
Die Tränen ließen nicht lange auf sich warten. „Was bin ich nur für eine miserable Tochter?“, schluchzte sie, „Ich habe ihm weder bei seinem Leiden beigestanden, noch war ich da, um mich für immer von ihm zu verabschieden! Ist das die Strafe der Götter für mein ehrloses Dasein als Prinzessin?“
„Das darfst du nicht sagen, Liebes“, widersprach ihr Hadrian und drückte sie fest an sich. „Dein Vater war ein kluger Mann… Er hat immer gewusst, dass du ihn liebst, auch wenn er es dir selten zeigen konnte. Er hatte den Weg der Pflicht gewählt, du den der Liebe – natürlich war er darüber enttäuscht. Aber ich will verdammt sein, wenn er im Sterben nicht auch an dich gedacht hat!“ Jada schluchzte erneut. „Und meine Mutter?“ „Sie hat abgedankt… Dorian regiert nun diese Lande…“ „Hätte ich gewusst, mit welchen Nachrichten du zu mir zurückkehrst, hätte ich den Tag deiner Wiederkehr gewiss nicht so herbeigesehnt!“, meinte Jada bitter, „Dennoch – ich habe dich wieder… Und das ist, was zählt.“
~~ Ende Kapitel 21 ~~