Hoschi schrieb:
Kennst Du die eigentlich die Losung mit der die Menschen 1989 auf die Straße gegangen sind? Und was am 23.11.1989 im "Kanzler-Bungalow" entschieden wurde? Frag mal Teltschik.
"Wir sind das Volk", sprach das Volk.
Hoschi schrieb:
Was wollte die Mehrheit der Menschen Ende November 1989 in der DDR?
Was glaubst Du wohl haben Meinungsforscher dazu herausgefunden. Kannst ja mal einen Tipp abgeben.
Entscheidungshilfe: "DDR zwischen Wende und Wahl. Meinungsforscher analysieren den Umbruch, hrsg. von Peter Förster und Günter Roski, Berlin 1990 S.54"
Sags mir. Mein Tipp ist, dass sie wirtschaftliche und politische Reformen habe wollte, aber die DDR als solches bestehen bleibt.
Hoschi schrieb:
Was heißt den "quasi pleite"? Ist das wie ein "bisschen Schwanger"? Das kannst Du doch sicher mit Zahlen belegen.
Aber die sogenannte "Einheit" war schon etwas tolles. Ein gigantisches Konjunkturprogramm West. Ausgetragen auf dem Rücken der Steuerzahler.
Warum hätte denn die DDR nicht allein überleben können? Müssten und müssen alle Staaten die wirtschaftlich gleich oder schlechter wie die DDR dastehen sich einem wirtschaftlich potenten Aggressor unterordnen?
http://www.simforum.de/showpost.php?p=2518422&postcount=43
Nein, es müssen sich nicht alle einem "potenten Agressor" unterwerfen, aber ersten war die BRD kein potenter Agressor und zweitens habe ich den Sonderfall genannt. Die BRD und DDR waren eine Folge des kalten Krieges keine unterschiedlichen gewachsenen Nationen, die Wiedervereinigung hat zusammengeführt was zusammengehört und durch den Zusammenfall der kommunistischen Führung bestand eine Möglichkeit, welche auch genutzt wurde. Man hätte es sicherlich besser und bedächtiger machen können, aber hinter her ist man immer klüger.
Geht es den DDR-Bürgern besser als ihren kommunistischen Bruderländern? Mit Sicherheit: Höheres Lohnniveau, bessere Infrastruktur, eine medizinische Versorgung auf Westniveau.
Ich kann sogar aus meiner eigenen Diplomarbeit zitieren, am Beispiel der Lebenserwartung.
Lebenserwartung der Frauen bei Geburt (und im Vergleich die BRD, bzw. Westdeutschland)
Land/Jahr 1990 2003
DDR 76,28 81,08
Slowakei 75,68 77,72
Tschechien 75,46 78,54
Ungarn 73,74 76,63
BRD 79,11 81,34
Wie man unschwer erkennen kann ist die Lebenserwartung in Ost-Deutschland stärker gestiegen und hat fast schon West-Niveau. Ein Unterschied von 0,3 Jahren sind nur 4 Monate.
Genaue Zahlen für die wirtschaftliche Situation der DDR kann ich dir jetzt leider nicht nennen, sind aber in jedem wirtschaftlichen Geschichtsbuch nachzulesen (habe nur keins zur Hand). Aus meinen Geschichtsnotizen kann ich dir nur vollgendes zitieren.
"Die Arbeitsproduktivität betrug 37,6% der BRD. Die Arbeitsstundenproduktivität sogar nur 32%, und lag damit auf dem Niveau der BRD von 1953. Das BSP pro Kopf betrug 50% der BRD, was an der höhern Beschäftigungsquote der DDR lag."
Mit "quasi pleite" meinte ich, dass ein Staat nicht wirklich insolvent werden kann. Wenn er seine Schulden nicht bedienen kann, dann zahlt er sie einfach nicht. Die DDR brauchte aber ausländisches Geld um Waren importieren zu können für Güter die sie nicht selbst produzieren konnte.
Noch zwei Zitate aus meinen Notizen.
"Im Sozialismus wurde der Außenhandel als Clearing- Handel abgewickelt. Dieses Verfahren impliziert eine ausgeglichene Zahlungsbilanz am Ende des Jahres, daher gibt im bilateralen Handel der schwächere Partner das Handelsvolumen vor. Da die DDR aber mehr importierte als exportierte wurde die Differenz mit der BRD durch einen Swing (≈ Kredit an die DDR) ausgeglichen."
"Gab es nach der Wende ein Wirtschaftswunder in den neuen Bundesländern? Teilweise gab es eine doppelte Wachstumsrate als in den alten Ländern. Der Anfangsboom war aber zum großen Teil durch die Baubranche ausgelöst, die jetzt auch wegen Fehlinvestitionen und Überkapazitäten in einer Krise steckt. Ohne die Baubranche ist das Wachstum im Osten immer noch relativ hoch. Erschwerend kommt für die neuen Länder noch hinzu, dass sie den bürokratischen Überbau der BRD übergestülpt bekommen haben, der das Wachstum auch behindert."
(Die Vorlesung war 2002/2003, heute geht es der Baubranche ja wieder etwas besser)
Letztlich krankt unsere Diskussion auch an einem unterschiedlichen Geschichtsverständnis. Du vertrittst mit Sicherheit die Ansicht der DDR, dass das Deutsche Reich mit dem Ende des zweiten Weltkriegs untergegangen ist. Dieses Machtvakuum wurde nun durch drei Staaten gefüllt. Der Osten wurde polnisch, der Mittelteil sozialistisch und der westliche Teil nannte sich "deutsch". In der BRD und der DDR sind nun zwei neue souveräne Nationen entstanden. Und wie sich die Österreicher irgendwann nicht mehr als deutsche Nation sahen, hätten auch die BRD und die DDR diese Vorstellung abgelegt. Die DDR versuchte ja auch den Deutschlandbezug immer weiter aus den offizielen Dokumenten (wie zum Beispiel der Verfassung) herauszunehmen.
Ich sehe nun das eher nach dem BRD-Verständnis. Das Deutsehe Reich ist nicht untergegangen, sondern die BRD und die DDR haben vorrübergehend die Rechtsnachfolge des Deutschen Reiches angetreten, bis dessen Handlungsfähigkeit wieder hergestellt ist. Die BRD sah sich zu Beginn als Provisorium, daher auch der Name "Grundgesetz" und nicht "Verfassung". Natürlich trieb diese Auffassung in der BRD komische Blüten. DDR-Bürger welche in die BRD reisten, bekamen auf einmal Einberufungsbescheide zur Bundeswehr und ich glaube die Reisepässe der DDR waren nicht offiziell anerkannt. Wirtschaftlich wurde auch die DDR als Inland betrachtet, so dass für den Außenhandel mit der DDR keine Zölle oder ähnliches galten. Mit der Wiedervereinigung ist die Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches (nun Bundesrepublik Deutschland) wieder hergestellt.