Giulia starrte über den Tisch hinweg ihren Geschichtslehrer an.
,,Wenn ich mich jetzt nicht beruhige", sagte sie sich, ,,erreiche ich gar nichts".
Der gut aussehende junge Lehrer nahm seine Nickelbrille ab und starte sie mit seinen blauen Augen an.
,,Also gut, Giulia", sagte er während sich ein Lächeln in seinen Gesicht schlich. ,,Ich höre."
Giulia holte tief Luft und legte ihr Testheft auf seinen Schreibtisch und zeigt auf den unteren Rand der Seite,
wo der Lehrer eine große rote Zwei eingetragen hatte.
,,Ich verstehe meine Note nicht. Ich habe den ganzen Test durchgesehen", erklärte Giulia es ihrem Lehrer.
,,Die zehn Ankreuzfragen sind alle richtig."
,,Ja, das stimmt", sagte Mr. Kaptcher ruhig.
,,Und bei den anderen zwei Fragen - den Aufsatzfragen- habe ich alles beantwortet, wonach Sie gefragt haben.
Sie haben nirgendwo markiert, dass etwas fehlt oder gar falsch beantwortet wurde."
,,Auch das stimmt," sagte Mr. Kaptcher noch mit seinem Lächeln im Gesicht.
,,Aber wenn nichts falsch ist, warum haben sie mir nun eine Zwei gegeben?"
"Giulia, du hast Recht damit, dass du die Aufsatztfragen nicht falsch beantwortet hast.
Deine Lösungen sind gut, also eine Zwei. Für eine Eins waren deine Lösungen nicht stark genug."
Was? Hatte Giulia richtige hört, dass ihre Lösungen nicht stark genug für eine Eins waren?
,,Das kann nicht sein", stotterte Giulia. Sie versuchte ruhig zu bleiben und holte ganz kräftig Luft.
,,Leider ist es so, Giulia", erwiderte Mr. Kaptcher während er auf stand und zur Kaffeemaschine ging.
Giulia runzelte die Stirn. Wie konnte er bei solch einem ersten Gespräch aufstehen und etwas anderes machen?
,,Wollen Sie auch eine Tasse Kaffee?"
,,Nein, danke", sagte sie Kühl. Als Mr Kaptcher die Kaffeemaschine einschalten, machte sie ein merkwürdiges lautes Geräusch.
,,Alles in Ordnung, die Maschine geht bloß schon wieder kaputt", rief er ihr zu.
Sie nickte, obwohl er es nicht sehen konnte, da er mit dem Rücken zu ihr stand.
Mit langsamen Schritten setzte er sich wieder auf seinem Stuhl. Er warf noch einen Blick zur Kaffeemaschine, bevor er sich ihr zuwandte.
,,Meine Note ist viel wichtiger als diese doofe Kaffeemaschine", dachte Giulia wütend.
,,Mr Kaptcher", sagte sie bittend, ,,ich habe mehr als drei Wochen für diese Arbeit gebüffelt"
,,Ja und?", gab der Lehrer zurück und zuckte leicht die Schultern.
,,Ich habe die Eins verdient"
,,Für drei Wochen lernen? Dir ist schon klar, dass man eine Eins nicht einfach gibt, sondern
man verdient sie sich, wenn man besonders gute Beiträge bringt."
,,Können sie mir nicht wenigsten eine Eins minus geben?"
Mr Kaptcher seufzte. ,,Nein"
Langsam füllten sich die Augen von Giulia mit Tränen. Noch nie hatte sie mit einem Lehrer solche Probleme gehabt.
Doch vor ihm weinen, dies wollte sie nicht. ,,Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwierig wird ihn umzustimmen", dachte sie.
Sie ballte die Fäuste und unterdrückte die Tränen, die in ihr hochstiegen. Aber dann spürte sie ein anderes Gefühl in ihr - Hass.
,,Wenn es bei einer Zwei bleibt, dann kriege ich garantiert eine Zwei in diesem Kurs. Das wäre meine einzigste Zwei im Zeugnis", schrie sie schrill.
,,Ich kann...", begann der Lehrer.
Ein lautes Geräusch brach das Gespräch ab. Die Kaffeemaschine, die rechts vor dem Fenster des Schreibtisches von
Mr Kaptcher stand, fing an zu qualmen. Schnell stand er auf und ging zur Maschine. ,,Nun ist sie endgültig kaputt!"
Giulia ballte die Fäuste immer stärker zusammen. Der Lehrer stand mit dem Rücken zu ihr.
,,Ich kann nicht zulassen, dass er mir das antut", dachte sie.
,,Das kann er nicht mit mir machen, nicht mit Gulia Drifford!"
,,Giulia, ich kann und werde dir keine Eins geben", rief Mr Kaptcher ihr zu, der an der Kaffeemaschine rum bastelte.
Wütend starrte sie seinen Rücken an und schluckte ihren Kloß in ihrem Hals hinunter.
,,Ist das Ihr letztes Wort?", fragte sie in einem schrillen freundlichen Ton. Der Lehrer drehte sein Kopf zur Seite,
um sie besser sehen zu können. ,,Ja, so ist es", gab er lächeln zurück. Anscheinend war das Ganze für ihn lustig gewesen.
Giulia spürte, dass der Hass wuchs. Plötzlich griff sie nach einem Brieföffner, der auf dem Schreibtisch lag.
Unwillkürlich stand sie auf und nährte sich mit langsamen Schritten ihrem Lehrer zu.
Giulia schloss die Augen und stach mehrmals auf ihn ein. Fünf oder Sechs mal...
Ihre Augen öffneten sich. Über all sah sie nur noch Blut. Beim letzten Hieb, hatte sie den Brieföffner stecken gelassen, es ragte senkrecht aus seine Brust.
Er atmete schwer und blutete stark. ,,Du hättest das nicht machen sollen, nicht mit mir!", schrie Gulia.
Mr Kaptcher sackte zu Boden.