Kurz vorweg: ich hatte dieselbe Frage gestern abend - ich war so neugierig, musste sofort lesen und hab mir wieder die halbe Nacht um die Ohren geschlagen, weil ich nicht einschlafen konnte.
Aber nach ein paar Rest-Stunden drüber schlafen denke ich doch so: Ich habe keine Sorge, dass die anderen Autor/innen eine Geschichte nicht lesen, weil sie den Verfasser nicht kennen - ich war gespannt wie ein Flitzbogen, was ihr anderen schreibt.
Es geht doch eher um die "Laufkundschaft", die sich evtl. als Fangemeinde auf eine Story stürzt und die anderen vielleicht links liegen lässt. Und da ist es dann eben doch etwas viel Arbeit, auszurechnen, was von wem ist... Und das reicht schon, da ist man schneller, wenn man alle Stories liest.
Irgendwann wird es ja doch öffentlich.
Und ich muss sagen, ich finde das Ergebnis super und total spannend und bin somit auch Drea dankbar, für das Projekt an sich und dafür, dass sie mich quasi überredet hat - und ich mich zusammengerissen und durch die Story gequält hab, denn leicht ist mir das wirklich nicht gefallen. Et wuppt nicht... Aber man selbst ist da ja immer am kritischsten, ich zumindest.
Aber nun zu den Stories.
Du stehst am Fenster
Klasse gemacht. Voll Psycho
, aber sowas mag ich, und zuerst dachte ich noch, oh, oh... das gibt Tote. Womit ich ja nicht falsch lag, allerdings hab ich da zuerst was anderes vermutet.
Allerdings stelle ich fest, dass es bei so sehr kurzen Geschichten sehr schwer ist, so ein Überraschungsmoment richtig wirken zu lassen - es ist einfach zu schnell vorbei. Mir ging es jedenfalls so, dass ich so sehr von einem Bild ins andere geschliddert bin, dass sich am Ende alles überschlagen hat. Ich saß da und hab erstmal geschluckt - und musste das auch erstmal sacken lassen.
Das soll nicht mal eine Kritik sein, ich fand sie wirklich toll geschrieben und auch den (Ultrakurz)Plot Klasse. Vielleicht hatte ich auch nur deshalb Schwierigkeiten umzuschalten, weil ich anfangs dachte, uah, wen bringt sie jetzt um, ihn, die Frau oder gleich ein Massaker...
Wie man sich doch irren kann.
Die Erbschaft
Krimis sind eigentlich nicht so mein Ding, aber Geisterkrimis reißen da einiges wieder raus
. Die Kombination finde ich immer wieder ziemlich ergiebig für den Spannungsbogen. Mit Abstand die längste Geschichte und auch die, die ich am leichtesten "weggelesen" hab. Und auch die, zu der mir am wenigsten einfällt, wie es aussieht.
Ich fürchte, die Leute sind mir zu "normal".
Trotzdem, gute Idee, gut erzählt und stimmig. Nur nicht das, was mich tage- oder nächtelang beschäftigt. Was ja aber auch mal sein muss, sonst könnte ich gar nicht mehr schlafen.
Und es geht mir damit wie mit allen Krimis: Ich lese sie gern, wenn ich sie denn mal lese, ich find sie auch toll, aber wenn sie zu Ende sind, ist es auch gut. Liegt wahrscheinlich echt am Genre - so wirklich meins ist das nicht, selbst wenn es sich richtig gut liest. Obwohl das hier ja auch irgendwie eine Überraschung und ein offenes Ende ist - es ging mir wie fast immer bei Krimis. Ich kann lange aus dem Mustopf kommen, aber am Ende gibt es keine Fragen mehr. Und damit hat das dann eben auch ein wirklich endgültiges Ende, der Fall ist abgeschlosen und kann zu den Akten gelegt werden - manche mögen gerade das, ich eher nicht so.
Was aber dem Lesevergnügen, so lange es dauert, keinen Abbruch tut.
Das sieht bei
Ohne Titel
schon gaaaanz anders aus. Dafür, dass mir dazu erstmal gar nichts eingefallen ist, ist mir danach sogar jede Menge eingefallen.
Weil ich ganz lange darüber nachdenken musste, warum die mir wirklich zu kurz ist.
Das ist wieder so ein Ding, was mit falschen Erwartungen spielt, was ich grundsätzlich toll finde. Ich bin dann immer total frustriert, reg mich tierisch auf, aber mehr über mich als über den Autor, und am Ende liebe ich sowohl Autor als auch Geschichte, wenn es ihm gelungen ist, Vorurteile zu wecken und mich sauber aufs Glatteis zu führen - nachdem ich mich vom ersten unwillkürlichen Ärger erholt hab, ich mag es genausowenig wie jeder andere, wenn man mich verarscht
.
Und offene Enden mag ich auch sehr, da reagiere ich auch ganz ähnlich. Ich hasse es wie die Pest, wenn meine Fragen nicht beantwortet werden, weil ich nun mal neugierig bin - was ich natürlich nie zugeben würde
- aber es hat auch einen ganz eigenen Reiz. Und die Neugier wird dadurch eben nicht befriedigt, sondern wirkt nach, solche Stories bleiben immer länger hängen als andere.
Aber all das blieb völlig aus, und ich hab lange überlegt, warum das so ist. Und ich denke, dass mir das einfach zuviel Exformation ist - ich kann kaum glauben, dass ich das sage.
Aber die können alles sein, es kann um alles Mögliche gehen, es gibt nicht den kleinsten Hinweis. Es ist völlig offen, was mit Stan ist, wer oder was Stan ist, warum ihm nichts passieren darf, womit die sich da beschießen und wohin sie entschwinden. Ob irgendwo nach Kassiopeia oder auf den Mond, in eine andere Dimension oder nach Faery - wer weiß das schon?
Am Anfang hab ich die Jungs für sowas wie wenig abgebrühte Kleinganoven gehalten, aber das dreht sich ja in dem Moment, als die Besucher kommen. Und dann wird es rasant, ich zumindest hab nicht mehr durchgeblickt, was da abgeht. Rote Lichter, weiße Lichter, okay, die Realität wirkt noch nach, im ersten Moment denkt man an Kanonen, und wenn man realisiert, dass es keine sind, ist es auch schon vorbei. Ich glaub nicht, dass mich der krasse Wechsel stört - sowas kann ich eigentlich ab, auch wenn ich mal kurz den Überblick verliere. Aber wenn das so ist, möchte ich, glaube ich, schon irgendwann mal abgeholt werden. Und genau das passiert nicht, ich steh da in meiner Orientierungslosigkeit und darf mir aussuchen, ob die nun Aliens, Hexer oder noch Schlimmeres sind.
Aber ich finde, grade bei Kurzgeschichten ist sowas, eben wegen der wenigen Informationen, die man da transportieren kann, eh sehr subjektiv, und anderen kann es da auch ganz anders gehen. Den Schreibstil an sich finde ich übrigens sehr gut, der gefällt mir. Gerade am Anfang wird die Szenerie total lebendig, es entsteht ein klares Gefühl - für was auch immer
. Nur am Ende kippt das für mich in ein großes Nichts, und das löste bei mir im ersten Moment nicht einmal Neugier aus - dafür fehlen mir einfach die konkreten Fragen. Es war, als ob ich ein Bild sehe, das ich kenne, und dann verwirbelt das plötzlich, setzt sich neu zusammen, und ich erkenne: nichts. Und das ist mir wohl doch etwas zu wenig.
Aber als Idee finde ich diese Story dann doch originell, sie fällt ziemlich aus dem Rahmen.
Summer rain
Ha, ich weiß, von wem die ist.
Unverkennbar.
Und gerade deshalb weiß ich nicht so recht, was ich schreiben soll, weil sie mich an eine andere erinnert, irgendwie. Die sprachlichen Bilder sind immer wieder schön und sehr treffend, die Fähigkeit, das Innenleben zu schildern, ist beeindruckend. In dieser Kurzgeschichte ist es mir aber etwas zu wenig Handlung und zu viel Innenleben, vielleicht ist auch das eine vom anderen zu wenig getrennt, das gefällt mir sonst
besser. Und das ist das Blöde - ich vergleiche und lese die Geschichte nicht als das, was sie ist. Ein Beitrag zu diesem Projekt, das Ergebnis einer Idee zu einem Bild - und kein Teil von etwas anderem, das mir nun mal leider im Hinterkopf ist.
Aber alles in allem eine schöne, berührende Geschichte - und mit einem hoffnungsvollen Ende.
Liebes Tagebuch
Seltsam, dass so viele bei dem Bild an Tod denken. Regen und Dunkelheit = Tod - oder Geister.
Ist schon auffällig.
Irgendwie für mich die "normalste" Geschichte, und sehr sympathisch. Ich mag sie echt gern. Schon wieder ein Geist, aber diesmal ohne jeden Grusel und als Auslöser für eine Veränderung - und ohne Frage zum Positiven. Obwohl sie ja durchaus erstmal tragisch und traurig ist, löst sie doch ein warmes, schönes Gefühl aus - viel mehr kann ich dazu gar nichts sagen. Aber für eine so kleine Geschichte ist das ja auch schon eine ganze und nicht ganz unwichtige Menge. Vielen Dank dafür.
Eine knappe Stunde Arbeit
Auch dazu kann ich nicht so wirklich viel sagen, außer: witzige Idee kurzweilig erzählt. Dazu einen tiefschürfenden Kommentar zu erfinden, bin ich leider außerstande.
Was aber nicht heißt, dass mir die Story nicht gefällt - weder Tod noch Verderben, keine Geister und Verrückten, nicht mal Außerirdische, trotzdem liest sie sich echt nett. Den Schlusssatz hätte ich mir vielleicht noch etwas witziger und prägnanter gewünscht - nicht, dass ich da was Besseres auf Lager hätte, wir verdienen ja alle nicht unser Geld damit.
Somit ist die Hoffnung auf
den Jahrhundertsatz zum Thema vielleicht etwas übertrieben. Gefällt mir jedenfalls auch echt gut.
Rote Geranien
Mich erinnert diese Geschichte witzigerweise auch an eine andere, allerdings nicht Roald Dahl, sondern H.C. Andersen, Der Schatten. Sogar sehr stark, schon im ersten Moment, als das Fenster mit den Geranien erwähnt wird, musste ich sofort an den Schatten denken, der im Vorzimmer der Muse war...
Das hat eigentlich gar nichts mit dem Plot zu tun, es gibt fast gar keine Ähnlichkeit. Aber das ganze Feeling, schon gleich zu Anfang, war genau dasselbe.
Die letzte Geschichte in der Reihe, und ich hab sie sofort in mein Herz geschlossen. Es ist immer schwer, in so einer Auswahl, die so unterschiedlich ist, einen Favoriten zu benennen, aber die ist es - voll subjektiv natürlich.
Hat auch gar nichts mit dem Schatten zu tun, das Märchen mag ich eigentlich nicht wirklich. Nur diese Geschichte in der Geschichte, die Sache mit der Muse mit den wunderschönen exotischen Blumen vor dem Fenster einer Wohnung, in der nie jemand zu sehen ist... Die Passage hab ich geliebt, die ist wieder typisch Andersen, ganz anders als der Rest. Und ich liebe es, dass diese Geschichte dasselbe Gefühl auslöst. Neugier - ich kann das so gut nachvollziehen, dass die Protagonistin - ich nehme mal an, sie ist ein Mädchen - da über Jahre hinweg so neugierig ist. Eine Neugier, die nie befriedigt wird - hab ich das nicht grad schon mal geschrieben?
Das ist genau so ein Ende, wie ich es liebe. Weniger frustrierend - irgendwie ist es gar keine Frage... Vielleicht weiß ich, wessen Geranien das sind. Vielleicht weiß ich, warum die, nach all den Jahren, so plötzlich weg sind - klar, hab ja Andersen gelesen.
Das sind unnütze Fragen, ja, sogar ungehörige Fragen, aber es sind Fragen, die ich auch gestellt hab. Und irgendwann findet man darauf auch Antworten, auch wenn die nicht wirklich kommunizierbar sind.
Wenn du ganz genau hinsiehst, wirst du feststellen, dass es in dem Fenster eine Spiegelung gibt: ein Fenster mit Geranien davor. Und in diesem Fenster... Hier springt
meine Phantasie voll an, das triggert tierisch alles Mögliche an.
Und ich liebe es, wenn eine Story das tut.
Schmalz aus, Kritik ein: es gibt keine.
Wunderschön erzählt, ich finde die Story rundherum gelungen. Obwohl so kurz mal eben ein paar Jahre erzählt werden, ist das Timing perfekt, es sind genau die richtigen Details herausgegriffen, um genau das zu transportieren, was transportiert werden muss. Jeder Satz ist so, wie er sein muss - zumindest für mich. Bin voll neidisch.
Sowas fließt, oder es fließt nicht.
Und jetzt bin ich doch mal ganz doll neugierig: wenn das alles hier aufgelöst wird, darf ich dann fragen, wie lange das Schreiben gedauert hat? Ist das in einem Rutsch entstanden oder war es harte Arbeit?
Ein ganz großes Dankeschön.
Auch für die Erinnerung an ein seltsames Märchen, das mich aus diesem Anlass auch mal wieder beschäftigt.