Fotostory: Geschichten die das Leben schrieb

Belliwell

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:lalala: Hallo,

heute beginnt wieder ein neues Fotostoryprojekt. Satin Rainbow und ich haben uns zusammengetan, um für euch Kurzgeschichten in Fotostorys umzuwandeln. Die Kurzgeschichten stammen alle aus der Feder von Satin Rainbow. (Und wenn ich mir mal die Bemerkung erlauben darf: Satin, du schreibst einfach suuuuuuuper!!!!) Die dazugehörigen Bilder wurden abwechselnd zu den Storys vom jeweiligen Poster gebastelt.

Wir hoffen das euch die Storys gefallen und legen deshalb auch gleich los.

:hallo: Belli
 
DIE BROTDOSE

Müde stand sie in der Küche. Es war so heiss in den Nächten. Jetzt, um 5 Uhr morgens, war es kühler. Und auch schon ein wenig hell.
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Ihre Hände suchten in der Brottrommel nach dem Weissbrot, das sie immer da hatte, und trocknen liess.
Sie nahm es für die Enten. Im Park, hinter dem Seniorenwohnheim, war ein Teich. Dort sass sie gerne.
Am liebsten wenn sonst niemand unterwegs war. So wie jetzt. Etwas später kamen dann die Leute mit den Hunden.
Aber jetzt war sie alleine. Nur sie und ihre Gedanken, die Enten und die kühle Luft.
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Die Brotscheiben legte sie sorgfältig in eine Dose. Jede einzelne hatte sie auf Schimmelbefall kontrolliert.
Sie wollte ihre Freunde ja nicht vergiften.
Ein Lächeln spielte um ihren Mund, als sie an die kleine Ente dachte, die immer so vorwitzig war
Die kleinste war sie, aber sie hatte den meisten Mut. Und war am schnellsten an den Brotkrumen.
Jetzt war sie selber Mutter geworden. Und sie hatte ihre Kinder gebracht .
Zu ihr hatte sie die Kinder gebracht.
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Sie legte den Deckel auf die Dose, nahm die Tasche und eine Flasche Wasser, dann ging sie durch die Tür.
Gewohnheitsmässig drehte sie den Schlüssel im Schloss und dachte: "Warum schliesse ich ab?
Bei mir kann man ja doch nichts holen!" Alles von Wert trug sie an sich.Die goldene Uhr, die ihr nach 25 jahren in der Firma geschenkt wurde. Und der Ring, den ihr der Mann, der der Vater ihrer Tochter war, zur Geburt geschenkt hatte.
Sie hatte die Stelle nicht mehr. Als sie 47 jahre wurde, rationalisierte man sie weg. Den Mann hatte sie auch nicht mehr. Er hatte ihr den Ring geschenkt, dann war er gegangen. Alles hatte sich um ihre Tochter gedreht. Geschuftet hatte sie für ihr Kind. Studiert hatte sie.
Ja, sie war etwas geworden.
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Und dann ging auch sie. Sie lebte jetzt ein anderes Leben. Eins, in das eine Frau wie ihre Mutter nicht passte.
Eine Frau, die nur harte Arbeit kannte, und nicht mithalten konnte, wenn die Freunde der Tochter über Dinge redeten,
die sie nicht verstand.Sie stieg die 5 Stufen hinunter, die zur Haustür führten, und blieb draussen eine kleine Weile stehen. Es roch so gut, so frisch, so nach Leben. Entschlossen ging sie los. Heute würde sie sich nach dem Park ein Frühstück gönnen. Sie würde sich bedienen lassen, und sie würde ein Glas Sekt dazu trinken.
Ja! Das würde sie heute tun....
....Ihre Schritt wurden leichter. Fast fröhlich. Die Konditorei öffnete um 7. Sie hatte also Zeit.
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Auf ihrer Bank sass jemand. Ärger stieg in ihr hoch. Das war IHRE bank. Was wollte der Mann dort? Nie war jemand dort, wenn sie kam. Warum jetzt?Trotzig ging sie zur Bank, fischte ein Taschentuch aus ihrer Tasche und rieb damit über die Sitzfläche.
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Sie ignorierte den Mann, der es wagte, ihre Stunde zu stören. Doch sie merkte, das er sie hin und wieder verstohlen ansah.
"Ich bin sonst abends hier." sagte eine tiefe, ruhige und wohlklingende Stimme leise.
"Wenn nicht mehr viele Leute da sind. Aber jetzt ist das anders. Sie kommen am Abend, weil es dann kühler ist.
Also komme ich am Morgen!" Er sah aufs Wasser beim reden. Sie schwieg.Eine Weile sassen sie stumm und bewegungslos. Dann zeigte der Mann auf eine Ente und sagte: "Sehen sie diese Ente? Sie war die kleinste, und die mutigste. Jetzt bringt sie mir ihre Kinder." und er packte eine Dose mit Brotscheiben aus. Getrocknet! Die Frau sah ihn verblüfft an. Dann platzte es aus ihr heraus:
"Aber das ist MEINE Ente!" Der Mann sah sie erstaunt an.
"IHRE Ente?"
"Ja! MEINE Ente!"
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"Wissen sie was, gnädige Frau. Erzählen sie mir doch, von IHRER Ente!
Das Cafe, dort am Ausgang beim Kindergarten, das macht schon um 6 uhr auf.
Wir könnten frühstücken, und vielleicht sogar ein Glas Sekt dabei trinken. Nun? was sagen sie?
Und sie erzählen mir alles über ihre Ente."
Er stand auf, hielt ihr die Hand hin, und sie ergriff sie widerspruchslos.
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Seidem sieht man am Morgen und am Abend zwei Menschen am Teich sitzen. Mit einer Dose, in der Scheiben Brot liegen. Sie brauchen nur noch eine Dose. Eine Dose reicht auch für zwei Menschen.
______________

:hallo: Text: Satin Rainbow :hallo:
:) Bilder: Belli :)
 
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danke belli
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die rose und ich verbeugen uns. das hast du wunderschön umgesetzt...



und hier das ganze haus
 
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Das Mädchen mit den Mandelaugen

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"Das also, ist jetzt mein Kind. Meine Tochter": dachte die Frau.
Sie sah auf ein Mädchen mit borstigen, kurzen schwarzen Haaren, die wie die Stacheln eines Igels vom Kopf abstanden. Darunter war ein winziges Gesicht mit hohen Wangenknochen und grossen, mandelförmigen, fast schwarzen Augen. Sie waren ebenso glanzlos wie ihr Haar. Und leblos, ohne Ausdruck.....

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Nicht einmal Angst schien sie zu haben....nicht einmal das.....
Am Hals waren kleine Narben zu sehen....Napalm hatte man ihr gesagt. Und da seien noch mehr. Auf dem Rücken und an der Seele.
Die andere Frau drückte ihr mit einem verlegenen Lächeln die kleine, knochige Hand in ihre. Sie war schlaff und kalt.

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Die Frau wusste nicht viel von dem Kind. Nur das sie in einem Dorf gefunden wurde, irgendwo in Vietnam. Sie war sprachlos und halb verhungert gewesen. Verbrannt vom Napalm.
In einem Flüchtlingslager hat sie gewartet. Darauf, das jemand kam, der sie wollte. Sie hat lange gewartet. Stumm und alleine.
Die Frau wusste, es würde schwer werden. Doch sie hatte soviel Liebe.
Und nun ein Kind, das diese Liebe brauchte.
Die andere Frau drückte ihr einen winzigen Rucksack und einen Umschlag in die freie Hand.
"Das war es dann! Ich muss das nächste Flugzeug nehmen. Es sind noch soviele Kinder, die ich unterbringen muss"
In dem Umschlag und dem winzigen Rucksack war das ganze Leben ihrer Tochter. Alles was sie besass und alles, was sie war.

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Das kleine Mädchen lief stumm und ohne aufzusehen neben ihr her. Vor dem Gebäude wartete ein Mann, lässig mit dem Rücken an ein Auto gelehnt. Er hatte geraucht. Vor seinen Füssen lagen Reste von kaum angerauchten Zigaretten. Mit einem Ruck stiess er sich vom Wagen ab. Er ging auf die beiden zu und kniete vor dem Kind nieder. Er nahm die winzige Knochenhand in seine grosse, schwarz behaarte Hand.
"Willkommen im Leben mein Kind!"
Mit vorsichtigen Bewegungen setzte er das Kind in den Fond, neben seine Frau.

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Das Zimmer des Kindes war spartanisch eingerichtet. Es sollte sich erst an die vielen fremden Dinge gewöhnen. Dinge, die es nicht kannte, niemals zuvor gesehen hat.
Ein grosses Bett stand an der einen Wand und eine Tür führte ins Elternschlafzimmer. Die Tür blieb auf.

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Am Tisch ass das Mädchen nicht viel. Nur ein wenig Brot und Obst. Nichts gegartes oder Wurst. Auch nicht Salat oder Süsses. Sie trank nur Wasser. Und immer nahm sie Essen mit.
Die neuen Eltern glaubten, sie würde es später essen.

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Das Kind schlief auf dem Boden vor dem Bett.
Die Eltern hatten Urlaub genommen, doch sie blieben zuhause.
Sie wussten, das Kind brauchte Zeit. Viel Zeit. Soviel Zeit, wie Liebe.
Alles ging langsam, behutsam und mit leisen Stimmen.
Doch das Kind blieb stumm.
Und es schlief nie in dem grossen Bett. Immer auf dem kleinen Teppich davor. Und immer mit dem Rücken zur Wand. Es war sofort wach, näherte sich jemand ihrem Teppich.

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Am Tage sass es in irgendeiner Ecke des Hauses auf dem Boden. Immer mit dem Rücken zur Wand.
Es schien, als schliefe das Mädchen. Doch kam man ihr nahe, war da ein Flackern in den Augen. Und ein kaum wahrnehmbares Zucken in den Beinen.
Nach einiger Zeit fing es im Zimmer der Mädchens an zu riechen. Verfault....süsslich....was war das?

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Die Frau suchte und sie fand...
...unter dem Bett lagen das Obst und Brot, das immer mit dem Mädchen verschwand.
Und sie begriff!
Nun wusste sie, was zu tun war.

An diesem Abend sassen sie wieder gemeinsam am Tisch. Das Kind ass nur wenig.
Als die Mahlzeit beendet war, nahm die Frau ein Tablett. Sie stellte Wasser, Obst und Brot darauf. Dann ging sie die Treppe hinauf. Das kind hinter ihr her.
Oben nahm sie das Tablett und schob es unter das Bett. Dann nahm sie, immer noch wortlos, einen Teppich,legte ihn an die Wand und rollte sich auf dem Teppich zusammen.
Das Kind stand da.
Lange stand es da.
Die Frau blieb liegen.
Sie wartete.
Das Kind sah unter das Bett. Alles war da. Auch das alte, faulende Essen.
Das Kind sah zu der Frau, und unter das Bett und zu der Frau. Zu der Frau mit dem Rücken an der Wand. Das Kind nahm seinen Teppich und legte ihn vor die Frau. Dann legte das Kind sich auf den Teppich. Mit dem Rücken zur Wand, und dem Herzen zur Frau.

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Am nächsten Tag suchte das Kind in der Küche.
Es nahm einen Beutel und eine Schaufel und ging die Treppe hinauf.

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Nach einer Weile kam es wieder. In der Tüte waren faulige alte Essenreste.
Einen Moment schien das Kind nicht zu wissen was zu tun ist. Dann formten ihre Lippen kaum wahrnehmbar ein Wort: "Mama?"
....und sie hielt der Frau die Tüte hin...


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An diesem Abend ass das Kind zum erstenmal Rühreier...

...und heute steht sie wieder mit dem Rücken zur Wand. Denn ihre Haare sind schwarz, ihre Wangenknochen hoch und ihre Augen haben die Form von Mandeln...

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Ich konnte die zweite Geschichte gar nicht richtig lesen,ich hole das später nach. Ich bin irgendwie von der 1. Geschichte total gerührt...das habt Ihr beide aber wunderschön gemacht.
 
Großes Kompliment an Euch Beide...

die Geschichten gehen wirklich ans Herz,muß ich sagen...
besonders der letzte Satz hat mich sehr berührt.
 
danke euch für die lieben kommentare *lächel*

und yoyo... wenn geschichten das herz berühren, wenn sie dich weinen lassen, oder zum lachen bringen, oder dein herz vor spannung wie ein kaninchen hüpfen lassen, dann haben sie ihr ziel erreicht.

das mädchen mit den mandelaugen gibt es übrigens wirklich. sie lebt in phönix USA, und ist jetzt mitte 30. es hat 2 jahre gedauert, bis sie es aufgab essen unterm bett zu horten, und viele wochen, bis sie das erstemal sprach. und es brauchte mehr liebe, als sich ein mensch denken kann, das zu erreichen.
im lager hatte sie gelernt, sofort alles aufzuessen, oder eben zu verstecken. sonst war es weg.
veile amerikaner haben nach dem krieg, aufgrund ihres schlechten gewissens die kinder adoptiert, deren eltern sie zuvor umbrachten.
dieses paar allerdings waren deutsche, die in USA lebten.
 
Ich bedank mich auch für die netten Worte von euch, auch wenn ich nur zu 30 % beteiligt bin. Die Geschichten sind ja von Satin. Ich wünschte manchmal das ich auch so gut schreiben könnte, aber ausser Kinderstorys bring ich nix Gescheites zustande. Jedenfalls nichts was so ans Herz geht....
 

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