Stillgelegter Heiligenstädter Ast der Linie U6
1996 wurde die Strecke Nussdorfer Straße - Heiligenstadt der Linie U6 (bis 1989 Stadtbahnlinie G) zuletzt befahren. Seitdem fahren die Züge über eine an den westlichen Teil des ehemaligen Verbindungsbogens anschließende Neubaustrecke nach Floridsdorf. Was aus dem östlichen Teil des Verbindungsbogens geworden ist, hab ich hier
schon im Februar gezeigt.
Deswegen zurück zum seit 1996 stillgelegten Heiligenstädter Ast: Die Oberleitung und Gleisanlagen blieben noch eine ziemlich beachtliche Zeit erhalten und zumindest in der Theorie war eine etwaige Wiederinbetriebnahme deswegen leicht denkbar, nicht zuletzt deshalb, weil es Pläne gab, die Badner Bahn nahe der Philadelphiabrücke in die U6-Trasse einzufädeln und sie nach Heiligenstadt oder sogar noch weiter über die Farnz-Josefs-Bahn nach Norden zu führen.
Dann waren auf der Trasse eines Tages überdimensionale Holzleitern zu sehen - die Oberleitung wurde demontiert. Der Oberbau sollte bald folgen. Und es sollte noch schlimmer kommen: Die Kastenbrücke über die Franz-Josefs-Bahn wurde einfach abgebaut, nur damit ein Autohändler seine beiden Betriebsstätten mittels einer Betonbrücke verbinden konnte. Diese verläuft mitten durch die solcherart geschaffene Lücke der Trasse über die Gleise der Franz-Josefs-Bahn und der U4.
Am anderen Ende wurde auf dem Viadukt ein Glas-Beton-Bürohaus errichtet. Zwar forderte der Bezirksvorsteher von Döbling, dass man zwischen dem Viadukt und dem es überbauenden Bürohaus soviel Platz lassen sollte, damit eine spätere Wiederinbetriebnahme der Strecke möglich wäre, doch wurde diesem Ansinnen nicht entsprochen.
In der Station Heiligenstadt waren die beiden ehemaligen Gleise der U6 lange Zeit erst einmal nur abgesperrt, bis man auf die Idee kam, für die immer noch dort endende U4 eine Wendeanlage zu errichten. Der frühere U6-Bahnsteig wurde dahingehend miteinbezogen, so dass die Anlage schließlich viergleisig sein sollte - soviel hat keine andere U-Bahn-Endstelle.
Alles in allem hat man somit sehr gründlich eine Vielzahl von verkehrspolitischen Tatsachen geschaffen, damit ja nicht mehr jemand auf die Idee kommen sollte, die Strecke reaktivieren zu wollen. In den letzten Jahren wurde das baufällige Geländer dann noch abschnittsweise durch Holzverschläge ersetzt.
Warum ich von alledem jetzt schreibe? Naja, ich hab halt heute auf Wikipedia zwei interessante Fotografien entdeckt, die den Jetztzustand wiedergeben. Da diese ziemlich dunkel geraten sind, hab ich sie nachbearbeitet:

Hier befand sich einmal die Kastenbrücke, von der ich weiter oben schon gesprochen habe. Direkt über dem Widerlager erhebt sich im Hintergrund der ehemalige APA-Turm, weiter rechts residiert Hans Dichands rechtes Boulevardblatt "Kronen Zeitung". Vor dem niedrigeren blauen Gebäude von "Johnson&Johnson" ist eine halbverfallene ehemalige Fabrik (oder was auch immer), die so aussieht, als könnte sie in jedem Moment einstürzen. Vor dieser Fabrik kann man wiederum die ehemalige Unterführung der Stadtbahnlinie WD erkennen oder wenigstens erahnen, die das kreizungsfreie Einfädeln in die bis 1976 bestehende, gemeinsame Endschleife der Linien G und WD ermöglichte.

Blick auf die andere Seite: Deutlich sind die Holzverschläge zu sehen, die an einigen Stellen das Geländer ersetzen. Der wilde Mix von Oberleitungsmasten verschiedenster Ausführungen, der sich hier nur erahnen lässt, erklärt sich so, dass die Strecke im Krieg 1945 schwer beschädigt wurde und die Masten in weiterer Folge dort, wo die alten nicht mehr zu brauchen waren, durch neue ersetzt wurden.
Quelle: Wikimedia Commons
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Zum Abschluss zwei Vergleichsbilder aus besseren Zeiten:
Zur Orientierung: Der APA-Turm ist hier rechts oben zu sehen.
Am linken Bildrand ist besagte Kastenbrücke erkennbar.
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EDIT: Noch ein paar Bilder, die den Sachverhalt vielleicht ein wenig klarer machen:
Klick!