Wenn zwei Menschen mit einer vererbbaren Krankheit sich lieben und auch Kinder haben wollen, ist das ok.
Wenn zwei Menschen mit ähnlichem Erbgut (=Verwandte) sich lieben und auch Kinder haben wollen, ist das unmoralisch, ekelhaft, verantwortungslos.
Das finde ich irgendwie mit zweierlei Maß gemessen, oder? Es wird ja geradezu so getan, als seien Kinder aus Inzestbeziehungen
grundsätzlich und
mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit Schwerstbehinderte, die für den Rest ihres Lebens gezeichnet sind, und die Eltern verantwortungslose Perverse, die aus Spaß an der Freude so etwas in Kauf nehmen. Was eine Hysterie.
Sicher ist, dass durch zu geringe "Durchmischung" des Erbguts auf lange Sicht Folgen drohen. Das sieht man -wie michi erwähnte- z.B. an diversen Königshäusern, die
über Generationen hinweg Inzucht praktizierten.
So ein Effekt ist aber allgemein vorhanden, wo der "Genpool" sehr klein ist. Schickt mal 20 Leute in ein völlig isoliertes Bergdorf und wartet fünf, sechs Generationen - da geht genau das gleiche Problem los. Nur schreit keiner Zeter und Mordio, weil die Leute ja unterschiedliche Familiennamen haben.
Das Problem bei der Sache ist grundsätzlich natürlich vorhanden und sollte auch nicht ignoriert werden, aber das hysterische Brandmarken solcher Beziehungen als "widernatürlich", "ekelhaft", "pervers", "verantwortungslos" usw. usf. ist m.E. tatsächlich vorwiegend gesellschaftlich bedingt. In der Tat zeigt sich dort genau der gleiche Beißreflex wie bei der Homosexualität - bloß weil's nicht so häufig ist und man es sich selber nicht vorstellen kann, dämonisiert man es.
Manchmal frage ich mich, ob das noch unbewusstes Reflexverhalten von ganz, ganz, ganz tief drinnen ist; aus einer Zeit, als der Mensch wirklich noch zusehen musste, sich (mit natürlich möglichst gesundem und reichlichem Nachwuchs) in einer harten Umwelt und ohne technische Hilfsmittel zu behaupten, so dass alles, was nicht zu Nachwuchs führte oder nicht für dessen Gesundheit förderlich war, schlecht war.
Zur Normalität sollte man Inzestverhältnisse nun nicht werden lassen (das werden sie wohl auch von ganz alleine nie sein), und z.B. ein Geschwisterpärchen sollte sich darüber im Klaren sein, dass bei den Kindern dann aber auch schleunigst wieder mal neues, fremdes Erbgut durchgemischt werden sollte.
Darüber hinaus kann man aber wirklich den Ball flach halten und braucht (gerade als Unbeteiligter, der's eh nicht nachvollziehen kann) nicht mit Schaum vorm Mund auf Andere zu zeigen und den Untergang der Zivilisation heraufzukreischen...
Es ist doch bezeichnend, dass man öfters mal von solchen zufälligen oder absichtlichen Inzestpaaren mit Kindern liest, aber dass da kein Pieps davon steht, dass die Kinder auch nur irgendwelche Schäden hätten, hält die Schreier anscheinend nicht ab. Noch mal, ich will das grundsätzliche Risiko nicht leugnen - ich will es aber auch nicht hochstilisieren. Stattdessen möchte ich lieber mal auf die oftmals heuchlerische Gesellschaft aufmerksam machen, die unter 50 "normalen" Kindern die 49 gesunden als Regel und das eine behinderte als unglückliche Ausnahme annimmt, unter 50 "Inzestkindern" aber die 49 gesunden als unglaubliche Glücksfälle, für die die verantwortungslosen, perversen Eltern auf Knien dankbar sein können, und das eine behinderte Kind als (gottgewollte) Bestätigung der Regel, an der man sich nach dem "Siehste, ich hab's ja gesagt, das habt ihr jetzt davon"-Schema hochziehen kann. Auch das ist jetzt natürlich überspitzt gesagt, aber ich hoffe, es wird deutlich, in welche Richtung ich damit will...