Story Wusels Leben

oONicoleOo

Newcomer
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September 2022
Ort
Niedersachsen
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w

Heute bekam ich Post von einem Rechtsanwalt mit einem Termin zum Erbrecht.

Oh nein, Mutter ist vor vielen Jahren bei einem Autounfall verstorben.
Ich war noch sehr klein als das passierte und Vater ist nach einem Stromschlag im Kuhstall gestorben. Das ist gerade mal vier Wochen her. Er hat die Kabel für die Milchmaschinen vertauscht. Er war noch so jung. Gerade mal 68 Jahre alt. Die Beerdigung fand im Kreise des Dorfes statt. Mein Vater war wirklich sehr beliebt. Alle Nachbarn sind zur Beerdigung gekommen und viele davon haben sogar geweint. Mein Vater war ein hilfsbereiter Mann, mürrisch, aber im Herzen hatte er einen guten und weichen Kern. Die Nachbarn haben sich wirklich bemüht um ihm den letzten Weg so angenehm wie möglich zu machen. Sie hatten unfassbar schöne Blumengestecke binden lassen und einige Nachbarn spielten sogar seine Lieblingssongs auf verschiedenen Instrumenten. Ich war beeindruckt von der Anteilnahme.

Sicherlich kommt nun das was ich befürchtet hatte.
Ich öffnete den Brief und las die wenigen Zeilen die dort drin standen.
Der Anwalt nahm Anteil an das Geschehene und bot mir einen Termin für den morgigen Tag an .Um 10 Uhr sollte ich bei ihm sein.

Mir gehen viele Gedanken durch den Kopf und ich lege den Brief an die Seite. Noch ist alles viel zu frisch und ich habe Angst. Angst vor der Zukunft,
Angst vor dem was kommen wird.
Deshalb habe ich mich am Nachmittag an den kleinen Stadtsee verzogen um nachzudenken.
Hier gehe ich immer hin wenn ich nachdenken muss. Meine Kindheit hat mich wohl doch sehr geprägt.

Ich setze mich an den See, werfe ein paar mitgebrachte Brotkrummen in den See und Schwups haschen die Fische danach.
Etwas weiter hinten kommt ein Entenpärchen angeschwommen.

Ihr Gefieder schillert in der Nachmittagssonne.
Sie schimmern blau, manchmal gehen sie auch etwas ins Grün.

Als sie nah genug am Ufer waren, werfe ich abermals ein paar Brotkrummen auf die Wasseroberfläche
und schaue den beiden zu wie sie die schnell und hastig vertilgen.

Ich bin gerade mal 19 Jahre alt und weiß selbst noch nicht was ich möchte.

Wie kann ich dann das Erbe von Vater annehmen? Was würde er erwarten und wie stellt er sich mein Leben vor?

Er wohnt doch so im Nirgendwo.

Seitdem Mutter gestorben ist hat er sich zurück gezogen und es sich auf dem Land gemütlich gemacht.
Er selbst führte dort ein ausgefülltes Leben. Sein Hof und seine Tiere waren sein Ein und Alles.
Auch die Nachbarn unterstütze er wo er nur konnte. Mein Vater war handwerklich sehr begabt und alle im Dorf wussten das auch.
Wenn es Probleme gab hat mein Vater immer helfen können.
Ich weiß noch einmal bei Familie Landgraab.
Sie hatten Probleme mit ihrem Trecker. Sie riefen bei Vater an und baten ihn um Hilfe.
Er schaute sich den Trecker kurz an und teilte mit das die Benzinpumpe wohl hinüber sei. Vater war wirklich ein Spezialist. Er war gut indem was er tat und die Nachbarn wussten das wirklich zu schätzen.

Nicht umsonst bin ich so früh in eine kleine Wohnung in der Stadt gezogen.
Ich war das Landleben einfach leid.
Diese Einöde, die einfältigen Nachbarn, diese Trostlosigkeit haben mich schier um den Verstand gebracht
Ich wollte Partys machen, neue Leute kennenlernen, shoppen und mein Leben genießen.
Schnell erkannte ich aber das so ein Cityleben auch nicht einfach war.
Ich zog in eine kleine Spelunke, direkt über eine Pommesbude.
Hey, die Wohnung war günstig und lag ziemlich zentral. Nachdem ich direkt in der Pommesbude einen Job gefunden hatte, lernte ich Cappu kennen.
Er war wohl auch noch in der Findungsphase. Jedenfalls erzählte er mir am Anfang nicht wie seine Zukunft aussehen sollte.
Allerdings lebte er schon immer in der Großstadt und sein Slang deutete auch darauf hin das er in Gegenden verkehrt die ich gemieden habe.
Dennoch hatte er etwas Besonderes an sich. Er war sehr zuvorkommend, sehr emphatisch aber auch ein Draufgänger.

Er ist ein Einzelkind. Seine Eltern sind beruflich sehr viel unterwegs und er ist oft auf sich allein gestellt. Das wusste ich wohl.

Außerdem sah er umwerfend gut aus.
Jeden Donnerstag kam er in die Pommesbude und bestellte sich eine Pommes rot/weiß Schranke, eine Currywurst und dazu eine Cola.
Eines Abends kam er aber am Montag und sagte nur: “Wie immer.“
Ich bereitete ihm sein gewünschtes Essen zu. Er war nachdenklich. Ich gab ihm seine Bestellung und wünschte ihm einen guten Appetit. Er murmelte etwas unverständliches hin und aß an seiner Pommes.
Ich beobachtete ihn heimlich von der Theke aus und fragte mich was ihm passiert sei. Nachdem er an einem weiteren Pommes Streifen nagte äußerte ich:
“ Hey, wenn du weiter so an deiner Pommes nagst wirst du sehr bald auf deinen Fingernagel kauen.“
Ich musste so lachen, aber er grummelte nur vor sich hin. Was war passiert?
Wieso war er so abweisend und nachdenklich? Ich beobachtete ihn weiter. Sein Handy klingelte und ich konnte mir keinen Reim aus seinem Gespräch bilden. Kurz vor Ladenschluss bat ich ihn darum die Cola auszutrinken.
Er schaute mich mit großen Augen an und äußerte:
“Ich komme schon so oft hierher und erst heute merke ich wie hübsch du eigentlich bist.“ Ich errötete.
Insgeheim fand ich ihn ja vom ersten Tag als er herkam toll und ich war auch immer schrecklich aufgeregt wenn er den Laden betreten hat.
Ich bedankte mich höflich bei ihm für das Kompliment.
Er lächelte verschmitzt und lud mich am Wochenende zur Beachparty bei Freunden ein.
Die Party war gar nicht so übel wie ich anfangs dachte und nach dieser Beachparty waren wir ein Paar.

Als Kind war es bei Vater wirklich sehr schön. Ich habe viel Zeit in der Natur verbracht, Frösche gesucht,
im Stadtpark mit den Nachbarskindern gespielt und am Fluss geangelt.
Die Nachbarn waren immer allgegenwärtig und es gab kein „meins und deins“.
In der Stadt ist das was anderes. Jeder ist sich selbst am nächsten und niemand will Kontakt mit dem anderen haben. Was habe ich die Dorfgemeinschaft geliebt. Jeder kannte jeden und jeder hat auch auf den anderen aufgepasst.
Man fühlte sich einfach überall zu Hause.
In der Stadt ist sich jeder selbst am nächsten und Hilfe kann man auch nicht erwarten. Alle sind gestresst und verfolgen nur ihre Interessen,
gehen ihrem Beruf nach und kümmern sich um die Familie. Ich bin immer wieder erstaunt darüber wie sich die Menschen in der Stadt eine Auszeit gönnen. Wo schalten sie ab? Wo lassen sie ihre Seelen baumeln?

Wenn mir das Stadtleben zu viel geworden ist, habe ich ein paar Tage bei Vater verbracht.
Ich bin in die Ställe gegangen um mich um die Tiere zu kümmern, ich habe am See geangelt,
bin mit alten Freunden schwimmen gegangen,
habe den Vögeln und den Hasen zugesehen und einfach diese unfassbare Ruhe genossen.

Nun sitze ich hier immer noch am See und denke über meine Zukunft nach.

Ich bin gespannt was der morgige Tag beim Anwalt bringen wird.
 

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Hallo oONicoleOo,

wenn Du eine NB-Doku posten möchtest, braucht jedes Kapitel mindestens fünf Bilder.
Am besten schaust Du mal in den Kurzregel Thread.

Wie man Bilder - auch mehrere - einbinden kann, kannst Du hier nachlesen.

Wenn Du es bei einem Bild belassen möchtest, müssten wir den Prefix auf Story ändern. :)
 

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