6.Kapitel
Macellius Severus Tarentus war ein Mann, der gerade in die mittleren Jahre kam. Es gehörte zu seinen Pflichten als Präfekt von Deva, den Nachschub und die Versorgung für die gesamte Legion sicherzustellen. Er war Quartiermeister und Verbindungsoffizier für die britonische und römische Bevölkerung und das Militär.
Im Laufe des Tages erschienen in seinem karg ausgestatteten Arbeitszimmer, das nicht größer war, als unbedingt erforderlich, viele Zivilisten und Militärs mit einer endlosen Fülle von Klagen, Forderungen und Bittgesuchen. Macellius Severus war gerade mit seinen morgendlichen Pflichten fertig geworden, als er seinen Sekretär Valerius im Vorzimmer erstaunt rufen hörte: „Salve, junger Severus. Du bist wieder zurück?“
„Salve, Valerius! Vorsicht, der Arm tut noch weh! Ist mein Vater da?“
Macellius stand so schnell auf, dass sein Stuhl umfiel. „Gaius! Mein lieber Junge! Ich habe mir bereits Sorgen um dich gemacht!“
Er kam um den Tisch herum und umarmte seinen Sohn.
Macellius spürte, wie Gaius unter seinem Griff zusammenzuckte und ließ ihn sofort los.
„Was hast du? Bist du verletzt?“
„Nicht schwer. Es ist beinahe alles verheilt.“
Macellius musterte kopfschüttelnd die staubige Kleidung seines Sohnes und brummte mißbilligend: „Sag mal, muss du so abgerissen wie ein Freigelassener hier im Lager erscheinen? Du hattest doch baden und dich umkleiden können, bevor du zu mir unter die Augen trittst.“
„Ich dachte, du machst dir Sorgen, Vater“, erklärte Gaius, „weil ich meinen Urlaub überschritten habe. Deshalb bin ich sofort hierher gekommen. Mit deiner Erlaubnis werde ich jetzt baden und mich umkleiden.“
„Warte“, brummte Macellius mißmutig, „ich begleite dich.“
***
Das Militärbad befand sich außerhalb der Palisaden. Macellius setzte sich auf eine Bank, während sich Gaius von Badewärtern auskleiden, waschen und massieren ließ. Macellius lehnte sich entspannt zurück und überlegte, was mit dem Jungen wohl geschehen war, denn er schien irgendwie verändert.
Es dauerte nicht lange und Gaius erschien sauber aus dem Bad. Macellius ließ den Barbier kommen, und während der Sklave seinem Sohn das Haar militärisch kurz schnitt und den Bart rasierte, berichtete Gaius von seinem Abenteuer.
Eindeutig verschweigt er gewisse Dinge, dachte Macellius. Ich möchte wissen, auf was für einen Unfug er sich eingelassen hat.
„Gaius, was hälst du davon, hier zu bleiben?“ sagte er schliesslich. „Ich brauche jemanden, der mir hilft. Als der Statthalter das letzte Mal in Deva war, habe ich mit ihm darüber gesprochen. Er war einverstanden, eine Ausnahme zu machen und dich mir zuzuteilen. Weißt du, es ist Zeit, dass ich dich hier mit richtigen Leuten bekanntmachen. Wer weißt, wie weit du einmal kommen wirst?“
Er machte eine Pause und betrachtete Gaius nachdenklich.
„Es ist Zeit, dass wir den nächsten Schritt zum Wohl unserer Familie tun. Du bist jetzt... neunzehn.., also alt genug, um zu heiraten.“
„Ich werde in einpaar Wochen zwanzig, Vater“, erwiderte Gaius und fragte mißtraurisch: „Denkst du dabei an jemand bestimmtes?“
„Du wirst dich vermutlich nicht mehr dran erinnern, denn du warst damals noch ein Kind, aber wir haben gewissermaßen eine Verlobung zwischen dir und der Tochter eines alten Freundes vorbereitet... Licinius ist jetzt Prokurator.“
„Vater“, fragte Gaius schnell, „ich hoffe, du hast noch nichts in die Wege geleitet, was...“
Macellius kniff die Augen zusammen und fragte: „Warum? Gibt es ein Mädchen, hinter dem du her bist? Du weißt, so einfach geht das nicht. Eine Heirat ist eine gesellschaftliche und eine wirtschaftliche Verbindung.“
Er sah, wie seinem Sohn die Röte ins Gesicht schoss.
„Es gibt ein Mädchen, aber ich will sie nicht verführen. Ich habe ihr angeboten, sie zu heiraten.“
„Wie bitte? Wer ist es?“ rief Macellius und starrte seinen Sohn entgeistert an.
„Bendeigids Tochter...“
Der Bacher klirrte laut, als Macellius ihn auf den Tisch stellte.
„Unmöglich! Der Mann ist geächtet, und wenn ich mich nicht irre, ein Druide. Ich will nichts gegen das Mädchen sagen, aber diese Art von Ehen...“
„Wie du sie gehabt hast“, unterbrach ihn Gaius.
„Und das hat beinahe meine Laufbahn zerstört! Deshalb werde ich nicht zulassen, dass du dein Leben auf diese Art ruinierst.
Eine solche fragwürdige Verbindung ist für jede Familie genug!“ rief Macellius erregt. Er schwieg, als er den vorwurfsvollen Blick seines Sohnes sah und den Eindruck hatte, dass die Augen seiner Frau auf ihn gerichtet seien.
Oh Moruad, verzeih mir. Ich habe dich geliebt, aber ich muss unseren Sohn retten.
„Denkst du, ich habe dreißig Jahre in der Legion durchgehalten, um jetzt mitanzusehen, dass du im jugendlichen Leichtsinn alles zunichte machst?“ sprach er nach einer Weile etwas ruhiger weiter. „Dir sind keine Grenzen gesetzt, wenn du die richtigen Verbindungen hast, und die Tochter des Prokurators ist eine besonders gute Partie.“
Gaius starrte trotzig zu Boden. Er wollte nichts hören. Alles, was sein Vater zu sagen hatte, war so vernünftig – viel zu vernünftig. In seiner Verzweiflung sagte er schliesslich: „Eilan ist etwas anderes für mich als ein kurzes Abenteuer! Kannst du mich denn nicht verstehen... Ich liebe sie.“
„Deine Eilan ist die Tochter eines Druiden!“ erwiderte Macellius ungerührt. „Finde dich damit ab, das Mädchen ist nichts für dich...“
„Das muss ihr Vater entscheiden!“ stieß Gaius leidenschaftlich hervor, „nicht du! Wenn Bendeigid bereit ist, mir seine Tochter zu geben, dann werde ich Eilan heiraten. Ich hab ihr mein Ehrenwort gegeben. Wenn du meine Werbung nicht unterstützt, dann werde ich eben allein um ihre Hand anhalten!“
Macellius schwieg und rührte sich nicht. Bei den Göttern, dachte er, er ist mir viel zu ähnlich. Moruad hatte sein Blutt zum Sieden gebracht. Er hatte ohne sie nicht mehr leben wollen. Aber sie hatte sich als seine Frau in den Mauern eines römischen Hauses wie eine Gefangene gefühlt. Niemand achtete sie, niemand wollte etwas mit ihr zu tun haben. Die Römerinnen lachte sie aus, und von ihrem Volk wurde sie verstoßen.
„Du hatest kein Recht, dich ihr gegenüber so zu verpflichten.“ sagte er schliesslich. „Ich möchte nicht, dass du die selbe Dummheit begehst wie ich.“ Er räusperte sich und erklärte dann einlenkend: „Ich kann einen Boten zu Bendeigid schicken, aber ich zweifle nicht daran, dass er ebenso denkt wie ich. Und wenn er deine Werbung ablehnt, dann werde ich Licinius schreiben, und du wirst noch in diesem Jahr heiraten.“
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Annaliese59; Gudrun15; Jucara; Marsmädchen; Exces;
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