Blood Red Sandman
Member
Vorne weg: Ich möchte hiermit nicht hetzen. Das ist ein Erlebnisbericht und ich habe mich erdreistet, meine persönliche Meinung am Ende einzubauen. Sollte ich PNs kriegen, die Beleidigungen oder ähnliches enthalten, so werde ich das einem Admin melden. Sollten in diesem Thread Hetzen stattfinden, wird sich ein Admin darum kümmern. Und sollte jemand nicht in der Lage sein zu lesen, werd ich ihn auf die Ignore liste setzen, da ich keine lust habe, jedem alles dreizehnmal erklären zu müssen. Sollten die Bilder zu groß sein, Nachricht an mich und ich werde sie kleiner machen.
Na ja, die Sache mit dem einsamen Soldaten ist wohl ein wenig übertrieben, aber dazu später mehr. Zuerst möchte ich erzählen, wie es überhaupt dazu gekommen ist. Das ist nämlich eine doch recht lustige Geschichte.
Eines schönen Tages, es war ein Montag, hatten wir mal wieder auf Arbeit herzlich wenig zu tun. Dazu muss man, glaub ich, noch sagen, dass es sich bei meiner Ausbildungsstätte um einen Bildungsträger handelt. Nun ja, wir hatten wie gesagt nicht sehr viel zu tun. Das führte dazu, dass Arbeitskollege A, wir wollen ihn der Einfachheit halber einfach mal Steffen nennen, im Internet mal so nach Emo Foren, Chats und Witze googelte. Als er lustige Weltansichten über Emos und besagte Witze vorlas, kam
Arbeitskollege B, wir nennen ihn einfach mal Jörn, auf die glorreiche Idee, einfach mal nach Emo Chats und Foren zu suchen, um die hiesigen Eingeborenen einfach mal zu stressen. Beides erntete von uns großes Gelächter. Während nun alle drei am googeln waren (ich ließ mir den Spaß natürlich nicht nehmen ein paar Emokinder zuzuflamen), fand ich mein zukünftiges Studienobjekt. Eine Emo-Community, beseelt von hunderten (wenn nicht sogar tausenden) verlorenen kleinen Emos. Perfektes Ziel. Eine extra E-Mail Adresse war leicht erstellt, ein Nickname wurde von Jörn vorgeschlagen und der Rest lief über Google und externen (und etwas geringen) Erfahrungen mit dieser ominösen Randgruppe, die Mütter in Angst und Schrecken versetzte. Ich nahm die Identität eines 16 Jährigen Schülers aus einem (fiktiven) Dorf in der Nähe von Potsdam an. Auf ins Getümmel.
Ich hatte mich also kaum angemeldet, schon trudelten die ersten Freundschaftsangebote ein. Ein Kulturschock. Es gab in dieser Community Freundschaftslisten. Bislang war ich eigentlich der Meinung, das Emos keine Freunde haben können, da sie sich schließlich in einer durch Trauer und Einsamkeit hervorgerufenen Agonie wälzten. Nachdem der erste Schock bewältigt war, beschloss ich erstmal den schüchternen Typen zu spielen. Ich durchstöberte diverse Userpages und schon stieß ich auf die nächste Merkwürdigkeit. Bislang betonte jeder Emo, den ich irgendwann mal getroffen hatte, wie individuell und vor allem, wie unkonformistisch er doch sei. Hier bat sich mir ein Bild, dass
jenen Aussagen nicht nur widersprach, sondern auch komplett widerlegte. Selten habe ich so eine Ähnlichkeit unter Tonnen von “verschiedenen” Bildern gesehen, zuletzt nur bei Naziaufmärschen. Soviel zur Individualität. Also rufe ich die Freundschaftliste auf und schaue mir meine beiden neuen “Freunde” an. Freundinnen sollte ich besser sagen. Ja, es wurden zuerst zwei Mädchen auf mich aufmerksam. Ich sage bewusst Mädchen, ich weigere mich einfach, Minderjährige als Frauen zu bezeichnen. Ich schau mir also die Userpage an, die mir auf Anhieb am sympathischsten erschien. Der nächste Schock wartete bereits. Dieses arme Ding hatte sich tatsächlich die Arme ausgekugelt, um sich den Hinterkopf zu fotografieren. Doch Halt! Das war nicht der Hinterkopf, das war das Gesicht. Ich muss zugeben, ich habe knapp 10-15 Minuten gebraucht, um die Augen zu finden bzw. ein Auge. Verdeckt hinter einem Vorhang aus diagonal gekämmten Haaren (der sog. “Emo-Scheitel“) war es wirklich fast nicht zu sehen. Ich machte mir den Spaß und wagte den weltberühmten Ersten Schritt in eine neue, mir unbekannte Welt.
Der Emo
Der erste Schritt war getan, der nächste Schock wartete. Ich versuche dies in einem vereinfachten Dialog darzustellen, wie der PN (Private Nachricht) Ablauf in etwa aussah. Der Inhalt wurde nicht entfremdet.
Ich: “Hallo, ich bin noch neu hier und weiß immer nicht so recht, was ich schreiben soll, wenn ich online bin.”
Emo: “Hallu, ich weiß das du neu bist, deswegen hab ich dich ja eladen*. Wie geht’s dir so im Moment??? ^_^”
Ich: “Im Moment geht’s mir ziemlich mies… Und dir?”
Emo: “Warum??? Mir geht’s gerade voll gut**, fahr morgen für drei Wochen in den Urlaub. xD”
Ich: “Ach, das liegt an der Schule… Dort sind nur Idioten… Wo fährst denn hin?”
Emo: “Nach Föhr, das liegt in der Nordsee. Das mit der Schule kenn ich, aber ich und meine Freunde*** stehen da drüber. x)))”
Ich: “Ich bin leider der einzige auf meiner Schule… sonst sind dort nur Hip Hopper und solche Idioten… Die Insel kenn ich nicht, aber ich komm ja auch nicht aus der Ecke.”
Emo: “Wo kommst denn her???”
Ich: “So ein Kaff in der Nähe von Potsdam, das ist, glaub ich, nicht mal auf einer Karte eingezeichnet.”
Emo: “Kenn ich, ich komm aus nem Dorf in der Nähe von Duisburg ^_^. Das kennste glaub ich nich, das heißt XXXXXX xDDD”
Ich: “Das kenn ich tatsächlich nich. Na gut, ich muss jetzt offline. Vielleicht komm ich ja später noch mal on… mal sehen… cyaz”
Emo: “Okay, bis denn in drei Wochen.”
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Kommentar des Autors:
*wahrscheinlich ein Schreibfehler, vermutlich gleichbedeutend mit “geaddet” (jemanden in eine Favoritenliste aufnehmen)
**ich dachte bislang, dass dieses Wort im Repetoire eines Emos nicht vorhanden ist
***siehe oben, der Teil mit der Agonie und der Einsamkeit
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So in etwa lief der Dialog ab. Fällt etwas auf? Zugegeben, es trat hier nicht so deutlich hervor.
Entweder hat sich besagtes Emomädchen zurückgehalten um mich als Neuling nicht zu verschrecken, oder sie schreibt tatsächlich nicht so aufdringlich. Um den Leuten ein paar Beispiele für “Emo-Schrift” zu geben:
iCh BiN eIn EmO uNd StOlZ dArAuF
ich binz ein em0 und st0lz daraufz
ích bíñ éíñ émó úñd stólz dáráúf
Dies sind nur ein paar der Unmengen an Schreibweisen, die inzwischen viele User nerven. Ebenso werden verkorkstes Leet (auch: 1337 genannt; eine Schreibweise, die Zahlen und Sonderzeichen statt Buchstaben verwendet, früher in sauberer Form von Gamern verwendet) und die übermäßige Benutzung von Satzzeichen, sowie Unmengen an Smileys innerhalb der Emoszene auch recht gern verwendet. Das führte mich nun dazu, mich langsam aber sicher an eine dieser Schreibweisen heranzutasten. In der Zwischenzeit waren auch schon meine beiden Leidensgenossen in der Community eingetroffen, die ebenfalls schon Kontakte geknüpft hatten. Daraus schließe ich einfach mal, dass sich entweder
a) ein paar User einen Spaß daraus machen, den ganzen Tag vor dem Rechner zu sitzen und Neuankömmlinge zu begrüßen
oder
b) diese Subkultur doch nicht so vereinsamt und verzweifelt ist, wie man von außen glauben mag.
Ich entschied mich einfach mal für den letzten Punkt, da es meiner Meinung nach einfach widersinnig ist, ca. 8 Stunden auf einen Monitor zu starren und darauf zu warten, dass sich jemand neues anmeldet.
Dies jedoch waren nur die ersten Eindrücke, gesammelt innerhalb von ein paar Stunden. Was würde wohl passieren, wenn ich noch längere Zeit in dieser Community verbrachte? Der Mensch formt sich nach seinem Umfeld, dass weiß ich aus eigener Erfahrung. Doch hege ich bislang eine große Abneigung
(um nicht zu sagen, Hass) gegenüber dem Emo-Kult. Würde sich diese Abneigung letzten Endes in Sympathie oder gar Zuneigung verwandeln? Ich war begierig zu erfahren, was mein kleines “Experiment” wohl noch für Dinge ans Licht bringen würde, oder ob ich mich am Ende gar selbst verändern werde. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Da ist er auch schon, ein neuer Tag, voller neuer Erlebnisse. Ich zittere, während ich meine Zigarette rauche, denn heute wurde ich tatsächlich Zeuge eines Hagelschauers von Nachrichten und Freundschaftsangeboten. Doch erst mal alles nacheinander. Ich schwor mir heute, mehr auf meine Studienobjekte einzugehen und nahm Kontakt zu einem weiteren Emogirl auf. Der darauf folgende Dialog ist, ehrlich gesagt, zu sinnfrei, um das ganze hier darzustellen. Es handelte sich um Smalltalk im weiteren Sinne. Um jedoch mein Spektrum an Informationen zu erweitern, schrieb ich meine Kollegen an, sie mögen mir bitte ihre Eindrücke und Berichte zuschicken. Gesagt, getan, bislang ist allerdings nichts angekommen. Ich beantwortete einen Shouteintrag (eine Shoutbox ist so etwas wie ein Gästebuch) und nahm ein paar weitere Emos in meine Freundschaftsliste auf. Dann begann auch schon der Radau. Ein Shouteintrag nach dem anderen. Ich wusste gar nicht, wie ich diese ohne fremde Hilfe beantworten sollte. Ich hatte übrigens an eine jugendlichere Schriftweise angenommen, damit ich nicht so schnell auffliege. Die Unterhaltungen in der Shoutbox drehten sich allerdings auch nur um Fingernägel, Gemütsfragen und das legendäre “Was machst du heute noch?”. Alles in allem, ein inhaltlich recht ereignisloser Tag. Dachte ich jedenfalls bislang. Da ich von einem anderen Emogirl (der einzige öffentliche Kerl in meiner Freundschaftsliste ist einer meiner Kollegen) aufgefordert wurde, ein Kommentar zu einem ihrer Bilder zu machen, ließ ich mich einfach mal zu einer kleinen Lüge hinreißen. Prompt wurde ich mit “lüpp ya” und “du bis sau süß” beworfen. Okay, ich hatte vielleicht ein wenig zu dick aufgetragen, aber ich dachte, dass machen Emos so. Ich wusste es halt nicht besser, aber so was schafft bekanntermaßen Vertrauen. Also werde ich weiterhin auf dieser Schiene bleiben und hoffen, dass es nicht irgendwann mal verdächtig wirkt. Ich suche übrigens derzeit einen Löschbutton, womit ich meinen Account in dieser Community löschen kann. Ich weiß, ich werde zwar viele Herzen brechen, allerdings hatte ich nie vor, ewig dort zu bleiben. Bis zu dem Tag allerdings dauert es noch ein wenig. Und während ich so suchte und mich langsam dazu entschied, den Logoutknopf zu bedienen, trudelten schon die nächsten Freundschaftsangebote und Nachrichten ein. Ein Teufelskreis. Die müssen geahnt haben, dass ich mich ausloggen wollte. Es handelt sich um zwei weitere Emogirls. Während ich mir so angucke, mit wem ich es nun schon wieder zu tun habe, fällt mir ein kleines Merkmal auf. Ich wollte es eigentlich nicht recht glauben und schaue mir noch andere Profile an. Nach elendiger Profilbeschau komme ich doch zu dem Schluß, dass ein nicht gerade geringer Teil der Community aus 13-16 Jährigen zusammensetzt, die zwar zum Teil schon ein wenig reifer aussehen, allerdings durch ihre Schriftform und durch ihre Ausdrucksweise ihr wahres Alter verraten. Ich bekomme langsam wirklich ein ungutes Gefühl. Sollte die Polizei das in den falschen Hals kriegen, stehe ich als 20 Jähriger schon mal ganz gut unter Verdacht, kleine Kinder aus dem Internet mit falschen Versprechungen locken zu wollen. Ich beantwortete also die zwei Nachrichten und klickte augenblicklich auf Logout. Ein etwas abrupter Schritt, das muss ich zugeben, aber es war nötig. Ich musste schließlich jemanden mimen, der zwar nur Zuhause sitzt, allerdings viel zu tun hat (über das Leben philosophieren, zeichnen etc.). Außerdem wollte ich keine Überdosis von den Leuten haben. Ich hab innerhalb weniger Stunden 10 Leute auf meiner Freundschaftsliste, einschließlich meiner beiden Kollegen. Und noch etwas ist mir aufgefallen. Einige Emos wehren sich scheinbar strickt dagegen, ihre Quotes (Zitate in Nachrichten; beim Antworten wird automatisch die letzte Nachricht mitzitiert) zu löschen. Das führt im Endeffekt dazu, dass der Bildschirm nach kurzer Zeit nur noch aus einem Haufen viereckiger Textfelder besteht, die vor Textzeilen nur so sprudeln. Das hört sich weitaus harmloser an, als es in Wirklichkeit ist. Soviel zu diesem Tag.
Am nächsten Tag war die ganze Sache anfänglich ruhiger, doch nicht minder Schlimmer. Ich hatte am vergangenen Tag noch einige Nachrichten erhalten und beantwortete diese nun. Es kam jedoch nur eine Antwort zurück. Das 15jährige Emogirl, welches mich zum Lügen zwang, hatte sich offenbar in mich- besser gesagt, in meinen Account- verknallt. Ganz tolle Sache. Jetzt habe ich wirklich ein Problem. Da ich weder pädophil bin, noch sonst Interesse an diesem Mädchen habe, wollte ich eigentlich gekonnt ausweichen. Doch zu spät. Nun hab ich eine ungewollte Fernbeziehung am Hals, auch wenn die nur einseitig von einer Pickelbacke aus Bayern ausgeht. Gut, das war nicht gerade nett. Aber was ist schon nett in dieser Welt? Mir ist aufgefallen, dass die Gattung Emo doch ziemlich starken Stimmungsschwankungen unterlegen ist. Eine Sache, die mehr als einmal zu Missverständnissen führt.
Fast ständig bereue ich es, einen gewissen Kommentar gemacht zu haben, da ständig ein trauriges und in der nächsten Nachricht wieder ein grinsendes Smiley zurückkommt. Die ganze sache ist mehr als verwirrend. Auch wird sofort und ohne sichtliche Begründung starkes Vertrauen in Neuankömmlinge gesteckt, was es nicht nur mir leicht macht, dort Kontakte zu finden. Vielleicht liegt es daran, dass Emos glauben, niemand würde ihnen böses wollen, vielleicht liegts aber auch nur einfach daran, dass sich alle Emos dieser Community noch beim Durchschnittsalter 14 bewegen. Eine Leichtgläubigkeit gegenüber anderen Leute, die Meilenweit entfernt sind, das kann gar nicht gut enden.
Die Tatsache, dass mir das besagte Emogirl immer weiter auf die Pelle rückt, lässt mir einen schauer, eiskalter Übelkeit über den Rücken gleiten. Was nehme ich nicht alles auf mich, um die Welt über die
Emos aufzuklären. Dass sie die berühmten drei Worte von mir hören will, macht die Sache nicht unbedingt einfacher. Denn soweit geht meine Lüge nun wirklich nicht, zumal diese Worte einzig und allein für meine Verlobte bestimmt sind. Also habe ich schonwieder mit einem Heulanfall seitens des Emos zu kämpfen. Ein Glück, dass man meinen genervten Gesichtsausdruck nicht sehen kann.
Ich habe mir insgesamt zwei Stunden pro Tag zugemutet und zähle schon die Minuten, bis sie um sind.
Und dann, kurz vor Ablauf der Zeit… Eine Handynummer. Ich bekomme tatsächlich ihre Handynummer. Ich könnte jetzt sagen, wie leichtsinnig das ist, schließlich könnte sich hinter meinem Account ja wirklich ein pädophiler Serienkiller verstecken. Aber in Wirklichkeit mir fehlen die Worte bei soviel Dummheit. Ich kenne dieses Mädchen nicht, eigenen Angaben nach kommt sie aus Bayern. Wir haben insgesamt ca. 20 Nachrichten ausgetauscht, vielleicht auch 30. Und sie überreicht mir ihre Handynummer. Ich habe Mühe, nicht alles gleich auffliegen zu lassen und mich aus dem Staub zu machen. Mit dieser Nummer könnte ich schließlich ihre Adresse aufspüren und weiß der Geier, was noch. Ich bin nervlich wirklich am Ende. Aber für die vollständige Berichterstattung muss ich durchhalten. Der einzige Trost, den ich habe, ist der Black Metal, denn ich mir die ganze Zeit ins Ohr dröhnen lasse. Wer hätte gedacht, dass ich mich schon nach drei Tagen krampfhaft dagegen wehren muss, um nicht aufzugeben. Nun gut, zurück zum eigentlichen Thema. Ich wurde ständig nach ICQ oder MSN gefragt, was mich vermuten lässt, dass sich die “Damen” auch mal etwas privater mit mir unterhalten wollen. Ich war sogar schon in Versuchung meine ICQ Nummer preiszugeben, jedoch trat dann ein kleines Männchen in meinem Hinterkopf mit seinen Springerstiefeln ziemlich feste gegen die Schädelwand und brüllte “Wenn du das tust, dann hast du ein richtiges Problem!”, also hab ich diesen Gedanken wieder verdrängt. Ich hatte mich auch ein wenig in einer Art Forum umgesehen, aber nur mehr halbherzig. Es gab dort die verschiedenstens Threads (Themen, zu denen man seine Meinung kundtun kann), die sich alle mehr oder minder um Emos drehen. Es gab auch sog. “Forumspiele” dort, die in einigen Foren mit Ächtung bestraft wurden. Nicht in diesem wie mir schien. Besonders aufmerksam wurde ich auf ein Thema, dass mir als junger Mann sofort ins Auge sprang. Es trug den Titel “Sex mit dem User über mir…” und ich dachte mir “Okay… Allesamt Kinder in dieser Community, aber sie versprechen sich gegenseitig hier sexuelle Aktivitäten… Ganz tolle Sache…”
In der Hoffnung vielleicht doch noch etwas gescheites dort drinne zu finden (ich wurde jedoch ziemlich enttäuscht), klickte ich auf den Link und es erschien sofort ein post (Nachricht, die man im Thread beisteuern kann->posten) nach dem anderen und alle hatten den selben Inhalt, “Ja”.
Ziemlich eintönig, also blätterte ich ganz elegant auf Seite 1, wo die Regeln erklärt wurden. Wie der Titel schon sagte, man sollte posten, ob man mit der Person über einem gerne mal beischlafen möchte. Das ganze zog sich über mindestens 27 Seiten á 40-50 posts. Richtig eintönig, aber ein weiterer Beweis dafür, dass Emos nich ganz so gefrustet sein können, wie die Gesellschaft glauben mag. Desweiteren habe ich heute von einer neugegründeten Musikrichtung gehört. Unglaublich aber wahr, es gibt angeblich eine Musikrichtung die sich “Emometal” nennt. Aus Unterhaltungen mit Anhängern aus der Emocore Szene, die in den 80er Jahren entstanden sein soll (also in etwa Zeitgleich mit dem Punk, vermutlich sogar aus versprengten Teilen der Punkbewegung) und mit den heutigen Emos gar nicht zu vergleichen, wusste ich in etwa, dass es tatsächlich Emomusik gab, die nicht unbedingt die Mundwinkel in den Keller sinken ließ. Aber Emometal? Ist das eine neue Bezeichnung für eine alte Sache, oder haben ein paar einfallslose Kellerkinder das Rad neu erfunden? Mir schwebt da in etwa so was wie die Band “Bullet for my Valentine” vor. Auf dem Wacken Open Air 2007 waren sie doch recht verpönt, ich konnte die Buh-Rufe sogar vom Zeltplatz aus hören. Oder ist mit diesem ominösen Emometal etwa die Visual Key/J-Rock Szene gemeint? Das wird den Metrosexuellen (Menschen, die weder homosexuell noch transsexuell sind, sondern lediglich ihre weibliche Seite besonders hervorheben) aber ganz und gar nicht gefallen. In meinen Augen ist dieser Emometal eine weitere Verballhornung einer Musikrichtung, die wahrscheinlich gar nichts mit Metal zu tun hat, genauso wie Nu-Metal (Mischung aus Hip Hop und Metal; Metaller und Hip Hopper sind Todfeinde) oder NSBM (National Socialist Black Metal->Nationalsozialistischer Black Metal; eine Erfindung der Faschisten um in die Metalszene einzusteigen, schafft allerdings mehr Feinde als Anhänger).
Ich will mich nicht zulange mit diesem Thema aufhalten, deswegen nun ein extrem abrupter und zusammenhangsloser Themenwechsel. Es folgt eine Liste der Erkenntnisse der letzten Tage.
1. Emos sind im Internet sehr vertraunseelig, sie schließen schnell Freundschaften und/oder fangen schnell eine Fernbeziehung an, die sich von Bayern bis nach Mecklenburg-Vorpommern quer durch Deutschland ziehen kann.
2. Sie legen im ersten Moment ein doch recht unbeschwertes Dasein an den Tag, sodass im ersten Augenblick keine tieferen Probleme erkennen lässt, jedoch sind sie dafür (sehr) häufigen Stimmungsschwankungen unterlegen.
3. Das Outfit zeichnet sich durch ziemliche Gleichheit aus. Sicherlich ist das in vielen Szenen so, doch selten findet man im Internet mehr als 50 User derselben Szene die nahezu identisch aussehen. Das merkwürdige daran ist, dass dies für Jungs und Mädchen gilt.
4. Sämtliche Fotos wurden in ähnlichen Posen und mit ähnlichen Motiven fotografiert und ins Internet gestellt
5. Ein außerordentlich entstelltes Schriftbild, dass es schwierig macht, bestimmte Abschnitte oder Wörter zu lesen. Als Beispiel sei hier genannt: SüZzA (Süßer), okilöö (Okay), yaah (du; abgl. you; Achtung: ya=ja, seltener im Emowortschatz), lÜpZ (lieben, lieb [dich]).
6. Viele Wörter werden mit übermäßiger Benutzung von Satzzeichen hervorgehoben (wie gehts dia???????; bÜdDdDdDdDäÄäÄäÄä!!!!!!!!!!!!!!!!!).
7. Smileys finden ebenfalls exzessive Verwendung in Sätzen oder als Satzende (hai, na???? xDDDDDD; daz is ya cutez ^________^).
8. Die von den Medien oft als Gewaltverherrlichenden eingestuften Bilder entsprechen weder der direkten Gewaltverherrlichung, noch dem Wunsch nach dem Tod. Es sieht mehr nach einer merkwürdigen Vorliebe für diese Art von Bildern aus.
9. Eine, oftmals ebenfalls durch Bilder ausgedrückte, Ausgrenzung aus der Gesellschaft, um als Individuum und Unkonformist zu gelten scheint ebenfalls eine Vorliebe zu sein. Die Tatsache wird allerdings oftmals verdreht, um die Gesellschaft als Schuldigen dastehen zu lassen.
10. Oftmals wird von Emos das Elternhaus beklagt, da sich die Eltern angeblich zu wenig/zu viel mit ihren Kindern beschäftigen. Der Drang nach Ruhe/Aufmerksamkeit entsteht, ein völlig normaler Drang, den jeder in der Pubertät hat.
Na was fällt ihnen an dieser Auflistung auf? Nein, es ist nicht die Tatsache, dass vieles hier dem Typischen Klischee entspricht, aber es hat etwas damit zu tun. Irgendwie scheint das Ritzen in der Emoszene zwar ein schöner Zeitvertreib zu sein, jedoch wird es nicht wirklich angesprochen, geschweige denn an die große Glocke gehängt. Dieser ominöse “stille Hilferuf” scheint zwar da zu sein, wird jedoch totgeschwiegen. Ich glaube, ich wage mal den Versuch, eine weitere Lüge verlauten zu lassen. Sobald ich das nächste mal in der Community online bin, dann werde ich mich depressiv geben und behaupten, ich hätte mich geritzt. Ich vermute die Reaktion wird so ausfallen, dass man versucht mir Hilfe anzubieten, darüber zu reden und ich so etwas nicht machen soll, da es ja andere Wege gäbe. Mal sehen, ob ich mit meiner Vermutung richtig liege.
In den letzten Tagen ist nicht viel passiert. Alle meine Versuche, das Thema <ritzen> auch nur “anzuschneiden” waren vergebens. Es gab keine Reaktion auf meine Andeutungen. Doch während ich so in meinen Gedanken schwelgte, überkam mich eine kleine Erinnerung. Ich hatte mehrere Videos von Emos dieser Kategorie im Internet gesehen und viele davon trugen die sog. “Razor-Spuren” (razor=Rasierklinge; Ritzmale) auf ihren Unterarmen. Ich schaute mir die Videos also ein weiteres mal an und tatsächlich. leicht zu erkennen waren die roten Streifen verschorften Blutes. Definitiv ein Merkmal für eine leicht angesetzte Rasierklinge oder einer stark angesetzten Stiftspitzerklinge. Doch was sagt sie da in ihrem Video? Zitat: “Emos ritzen sich nicht!” Wenn dem so ist, dann hat sie vielleicht doch psychische Probleme? Unwahrscheinlich. Nach ein wenig googlen, Bilder anschauen und vor allem auch Videos gucken wurde mir klar, dass ein Großteil der abgebildeten Emos Razor-Spuren trugen. Haben alle diese Personen psychische Probleme, die sie dazu bringen, sich selbst zu verletzen? Möglich. Genauso möglich ist es allerdings auch, dass es eben nicht so ist und diese ganze schneiderei ist nur ein Modetrend. Womit wir auch schon beim Ende dieses Berichtes wären. An dieser Stelle folgt nun mein persönliches Fazit. Ich bin zwar kein Psychologe, doch ich denke, dass ich gerade deswegen unsere heutige Jugend (Jugend beginnt heutzutage mit 9) besser einschätzen kann.
Mein ganz persönliches Fazit:
Nun als aller erstes mus ich sagen, dass die sich heutige Emo-Subkultur so stark vom Ursprung, dem Emocore, entfernt hat, dass die beiden gar nichts mehr miteinander zu tun haben. Ich bin leider zu jung und wahrscheinlich auch zu ostdeutsch, um gerade diesen Trend oder gar die Entstehung der Punkszene und aller daraus folgenden Szenen erlebt zu haben, es hätte mich irgendwo doch sicherlich interessiert.
Eine Tatsache, die mich allerdings immer noch stört, und im Endeffekt auch auf die Idee gebracht hat, einen Erlebnisbericht zu schreiben, war das Klischeeverhalten und die schlechte Information der Allgemeinheit durch die Medien. Deshalb folgt hier eine Liste der Richtigstellungen:
1. Emo leitet sich nicht von Emotional ab, sondern von Emocore, einer Musikrichtung, die wie viele andere aus dem Punk entstanden ist. Emotional sind wir schließlich alle irgendwo, solange wir noch keine Maschinen sind.
2. Das Emotuch ist schlicht und ergreifend ein sog. “Pali-Tuch”, welches häufig von Linken, Rechten und überwiegend sogar von (wer hätte das gedacht) Palästinensern getragen wird. Dieses Tuch hat rein gar nichts mit Emo zu tun und ist derzeit ein simples Modeaccesoire.
3. Der Rest der Mode eines Emos besteht überwiegend aus Schwarz mit Glitzer und Rosa. Deshalb sollte man sie niemals mit Gothics verwechseln. Oftmals wird auch schwarz-weiß/schwarz-rot/schwarz-etc. gestreift getragen, diese Mode wurde inzwischen von den Schöpfern der Modewelt veröffentlicht.
4. Das Corpse Paint sollte auch nicht mit der Kriegsbemalung der Emos verwechselt werden. Emos tragen oftmals nur ein wenig weißes Make-up und umranden ihre Augen mit schwarzem Eyeliner. Teilweise wird unters linke Auge eine schwarze Träne aufgemalt. Das ist definitiv KEIN Corpse Paint. Zum Vergleich zwei kleine Bilder:
CorpsepaintEmo
5. Ja Emos weinen (das tut jeder von uns irgendwann mal). Ja sie schreiben Gedichte über ihr Leid und ja manchmal schreiben sie sogar Lieder darüber.
Das wäre sie, die Liste der Listen. Ein bisschen wenig, ich weiß, doch ich bin noch nicht fertig mit dem Schluss.
Mein Eindruck ist folgender:
Ein Großteil, wenn nicht sogar alle Emos, beschweren sich über die Ausgrenzung ihrer “Kultur” aus der Gesellschaft. Sie meinen, die “Normalos” (Normale Leute, ein stark dehnbahrer Begriff) hätten Angst vor ihnen oder könnten sie einfach nicht verstehen. Und wo wir gerade dabei sind. Emos haben Probleme. Psychische Probleme. Stark Psychische Probleme, jeder zweite Emo leidet an einer Form des Borderline Syndroms, jeder dritte Emo ist depressiv und suizidgefährdet. Jetzt mal ernsthaft. Die Tatsache, dass ein nicht geringer Teil der Emos noch weit vom Personalausweis entfernt ist und mitten in der Pubertät steckt, bzw. gerade in die Pubertät gekommen ist, wird von vielen Leuten erstmal außer Acht gelassen. In dieser Phase hat der Jugendliche halt Probleme, mit denen er nicht gleich klar kommt. Die Eltern haben in dieser Phase ihres Kindes nur zwei Möglichkeiten. Entweder sie lassen ihrem Kind in Ruhe, damit es sich ausprobieren kann (was es sowieso tun wird, da in dieser Phase verstärkt ein Protest verhalten zu finden ist) oder sie versuchen mit ihrem Kind darüber zu reden, ihm beizustehen und auf einen vernünftigen Weg zu bringen. In jedem Fall haben es die Eltern nicht leicht. Oftmals habe ich als Begründung für irgendwelche Probleme das Argument gehört “Meine Eltern gehen mir auf den Geist”. Dies wäre dann der letztere von beiden Möglichkeiten der Eltern. Das Kind ist deswegen genervt. Doch wenn man den ersten Weg wählt, kommt folgendes Argument dabei raus: “Meine Eltern lieben mich gar nicht, ich bin ihnen egal, sie interessieren sich gar nicht für mich und meine Probleme.”
Wie man es dreht und wendet, es läuft aufs gleiche hinaus. Und das ist der Punkt, an dem ein junger Mensch sich nach einer Szene ausrichtet. Vorzugsweise eine Szene, in der es nicht als alleiniger Vertreter auf dem Schulhof steht. So schließen sich Cliquen etc. etc.
Doch was hat das alles mit Emo zu tun? Nun, Emo ist so eine Gruppe. Eine Gruppe, die überwiegend aus Pubertären Kindern besteht. Daran ist auch nichts auszusetzen. Es ist nur die Art und Weise, wie sie sich ihre (kindliche) Welt zurecht biegen. Ein Erwachsener mag darüber schmunzeln, ich kann es nicht.
Emos machen die Gesellschaft für ihr “Leid” verantwortlich, nicht die Natur. Neo-Emocore ist die einzige mir bekannte Szene, die sich jedoch absichtlich von der Gesellschaft abwendet und sich darüber auch noch beschwert. Das Ritzen, bei Menschen mit wirklichen psychischen Problemem (wie oben genannt Depressiv, Borderline evtl. auch Magersucht und Ess-Brech-Sucht, Suizidgefährdung) oftmals eine Art Hilferuf, vielleicht auch ein Weg Schmerzen durch Schmerzen erträglicher zu machen, ist durch Emos zu einem Trend verkommen. Sie benutzen das Ritzen nicht als Hilferuf, wie man es im psychischen Sinne verstehen könnte, sondern lediglich als eine Art Protest: “Ich ritze mich, weil ihr mich nicht mögt; Ich ritze mich, weil mich keiner versteht.” So wie ich früher einen Irokesenschnitt trug, so wie sich ein mancher eine Glatze rasiert, so wie einige gleich mit der Reichskriegsfahne auf dem Rücken auftauchen, so benutzen Emos das Ritzen. Protest und Aufsehenerregen. Das letzteres allerdings heutzutage nur durch das letzte Beispiel funktioniert, ist auch diese Methode hinfällig. Zudem wird das Ritzen verleugnet, zeitgleich aber öffentlich zu schau gestellt. Ein ziemlicher Widerspruch. Womit wir wieder beim nächsten Punkt angelangt wären. Einige Emos, ich sage bewusst einige, leugnen, das sie Emos sind. Allerdings verhalten sie sich genauso. Hier handelt es sich ebenfalls überwiegend um Minderjährige, die den Anschein eines reiferen Individuums erwecken wollen.
Wo wir gerade dabei sind. Individualität ist in der Emoszene nicht vorhanden. Es gibt in vielen Szenen Ähnlichkeiten, doch Emos teilen sich den ersten Platz mit Hip Hoppern in sachen Gleichheit. Selbst Nazis sind individueller. Dabei legen viele Emos wert auf ihre Individualität.
Der “Emo-Metal” hebt den Anspruch auf Individualität auch nicht sonderlich. Hierbei handelt es sich überwiegend um Bands, die einen Mix aus Rock und Pop mit Die-Welt-ist-so-gemein-zu-mir-einlage spielen. Auch so was gibt es bereits. Es nennt sich Pop-Rock. Und wo wir gerade bei Liedern sind. Emos schreiben zwar Gedichte über den Tod, über ihr Leid und über ihren Schmerz, doch nichts von dem ist anders, als bei jedem anderen Menschen in dem Alter. Liebeskummer, ärgernde Mitschüler, Ausgrenzung, das sind alles Dinge, die jeder von uns irgendwann mal miterlebt hat. Nur wird in diesen Gedichten auch ein wenig stark übertrieben. Wenn also von einem Säufer als Vater die Rede ist, trinkt besagtes Elternteil wahrscheinlich eher ein Bier am Abend. Zum Thema Nichtbeachtung oder zuviel Beachtung siehe ein paar Zeilen weiter oben.
Im großen und ganzen sind Neo-Emos nichts anderes, als eine Gruppe minderjähriger Pubertierender, wie es einige von euch bereits vermutet oder gewusst haben. Sie weisen keine anderen Merkmale als andere pubertäre Kinder auf, einzig ihre augenkrebsverursachende Schreibweise macht einen Unterschied. Ihre Argumente sind oftmals an den Haaren herbei gezogen, die angebliche Vorliebe für blutige Bilder eine weitere Form des Protests, ebenso wie Gedichte über Tod und Trauer. Und mit der Zeit werden sie sich weiterentwickeln und wie ihre Eltern in demselben Alter werden sie sich mit der Handfläche an die Stirn schlagen und sagen “Mein Gott, war ich doof.”
In diesem Sinne
Shor
Eine kurze Langzeitstudie über Emos
Der Bericht eines einsamen Soldaten hinter feindlichen Linien
Der Bericht eines einsamen Soldaten hinter feindlichen Linien
Na ja, die Sache mit dem einsamen Soldaten ist wohl ein wenig übertrieben, aber dazu später mehr. Zuerst möchte ich erzählen, wie es überhaupt dazu gekommen ist. Das ist nämlich eine doch recht lustige Geschichte.
Eines schönen Tages, es war ein Montag, hatten wir mal wieder auf Arbeit herzlich wenig zu tun. Dazu muss man, glaub ich, noch sagen, dass es sich bei meiner Ausbildungsstätte um einen Bildungsträger handelt. Nun ja, wir hatten wie gesagt nicht sehr viel zu tun. Das führte dazu, dass Arbeitskollege A, wir wollen ihn der Einfachheit halber einfach mal Steffen nennen, im Internet mal so nach Emo Foren, Chats und Witze googelte. Als er lustige Weltansichten über Emos und besagte Witze vorlas, kam
Arbeitskollege B, wir nennen ihn einfach mal Jörn, auf die glorreiche Idee, einfach mal nach Emo Chats und Foren zu suchen, um die hiesigen Eingeborenen einfach mal zu stressen. Beides erntete von uns großes Gelächter. Während nun alle drei am googeln waren (ich ließ mir den Spaß natürlich nicht nehmen ein paar Emokinder zuzuflamen), fand ich mein zukünftiges Studienobjekt. Eine Emo-Community, beseelt von hunderten (wenn nicht sogar tausenden) verlorenen kleinen Emos. Perfektes Ziel. Eine extra E-Mail Adresse war leicht erstellt, ein Nickname wurde von Jörn vorgeschlagen und der Rest lief über Google und externen (und etwas geringen) Erfahrungen mit dieser ominösen Randgruppe, die Mütter in Angst und Schrecken versetzte. Ich nahm die Identität eines 16 Jährigen Schülers aus einem (fiktiven) Dorf in der Nähe von Potsdam an. Auf ins Getümmel.
Ich hatte mich also kaum angemeldet, schon trudelten die ersten Freundschaftsangebote ein. Ein Kulturschock. Es gab in dieser Community Freundschaftslisten. Bislang war ich eigentlich der Meinung, das Emos keine Freunde haben können, da sie sich schließlich in einer durch Trauer und Einsamkeit hervorgerufenen Agonie wälzten. Nachdem der erste Schock bewältigt war, beschloss ich erstmal den schüchternen Typen zu spielen. Ich durchstöberte diverse Userpages und schon stieß ich auf die nächste Merkwürdigkeit. Bislang betonte jeder Emo, den ich irgendwann mal getroffen hatte, wie individuell und vor allem, wie unkonformistisch er doch sei. Hier bat sich mir ein Bild, dass
jenen Aussagen nicht nur widersprach, sondern auch komplett widerlegte. Selten habe ich so eine Ähnlichkeit unter Tonnen von “verschiedenen” Bildern gesehen, zuletzt nur bei Naziaufmärschen. Soviel zur Individualität. Also rufe ich die Freundschaftliste auf und schaue mir meine beiden neuen “Freunde” an. Freundinnen sollte ich besser sagen. Ja, es wurden zuerst zwei Mädchen auf mich aufmerksam. Ich sage bewusst Mädchen, ich weigere mich einfach, Minderjährige als Frauen zu bezeichnen. Ich schau mir also die Userpage an, die mir auf Anhieb am sympathischsten erschien. Der nächste Schock wartete bereits. Dieses arme Ding hatte sich tatsächlich die Arme ausgekugelt, um sich den Hinterkopf zu fotografieren. Doch Halt! Das war nicht der Hinterkopf, das war das Gesicht. Ich muss zugeben, ich habe knapp 10-15 Minuten gebraucht, um die Augen zu finden bzw. ein Auge. Verdeckt hinter einem Vorhang aus diagonal gekämmten Haaren (der sog. “Emo-Scheitel“) war es wirklich fast nicht zu sehen. Ich machte mir den Spaß und wagte den weltberühmten Ersten Schritt in eine neue, mir unbekannte Welt.
Der Emo
Der erste Schritt war getan, der nächste Schock wartete. Ich versuche dies in einem vereinfachten Dialog darzustellen, wie der PN (Private Nachricht) Ablauf in etwa aussah. Der Inhalt wurde nicht entfremdet.
Ich: “Hallo, ich bin noch neu hier und weiß immer nicht so recht, was ich schreiben soll, wenn ich online bin.”
Emo: “Hallu, ich weiß das du neu bist, deswegen hab ich dich ja eladen*. Wie geht’s dir so im Moment??? ^_^”
Ich: “Im Moment geht’s mir ziemlich mies… Und dir?”
Emo: “Warum??? Mir geht’s gerade voll gut**, fahr morgen für drei Wochen in den Urlaub. xD”
Ich: “Ach, das liegt an der Schule… Dort sind nur Idioten… Wo fährst denn hin?”
Emo: “Nach Föhr, das liegt in der Nordsee. Das mit der Schule kenn ich, aber ich und meine Freunde*** stehen da drüber. x)))”
Ich: “Ich bin leider der einzige auf meiner Schule… sonst sind dort nur Hip Hopper und solche Idioten… Die Insel kenn ich nicht, aber ich komm ja auch nicht aus der Ecke.”
Emo: “Wo kommst denn her???”
Ich: “So ein Kaff in der Nähe von Potsdam, das ist, glaub ich, nicht mal auf einer Karte eingezeichnet.”
Emo: “Kenn ich, ich komm aus nem Dorf in der Nähe von Duisburg ^_^. Das kennste glaub ich nich, das heißt XXXXXX xDDD”
Ich: “Das kenn ich tatsächlich nich. Na gut, ich muss jetzt offline. Vielleicht komm ich ja später noch mal on… mal sehen… cyaz”
Emo: “Okay, bis denn in drei Wochen.”
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Kommentar des Autors:
*wahrscheinlich ein Schreibfehler, vermutlich gleichbedeutend mit “geaddet” (jemanden in eine Favoritenliste aufnehmen)
**ich dachte bislang, dass dieses Wort im Repetoire eines Emos nicht vorhanden ist
***siehe oben, der Teil mit der Agonie und der Einsamkeit
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So in etwa lief der Dialog ab. Fällt etwas auf? Zugegeben, es trat hier nicht so deutlich hervor.
Entweder hat sich besagtes Emomädchen zurückgehalten um mich als Neuling nicht zu verschrecken, oder sie schreibt tatsächlich nicht so aufdringlich. Um den Leuten ein paar Beispiele für “Emo-Schrift” zu geben:
iCh BiN eIn EmO uNd StOlZ dArAuF
ich binz ein em0 und st0lz daraufz
ích bíñ éíñ émó úñd stólz dáráúf
Dies sind nur ein paar der Unmengen an Schreibweisen, die inzwischen viele User nerven. Ebenso werden verkorkstes Leet (auch: 1337 genannt; eine Schreibweise, die Zahlen und Sonderzeichen statt Buchstaben verwendet, früher in sauberer Form von Gamern verwendet) und die übermäßige Benutzung von Satzzeichen, sowie Unmengen an Smileys innerhalb der Emoszene auch recht gern verwendet. Das führte mich nun dazu, mich langsam aber sicher an eine dieser Schreibweisen heranzutasten. In der Zwischenzeit waren auch schon meine beiden Leidensgenossen in der Community eingetroffen, die ebenfalls schon Kontakte geknüpft hatten. Daraus schließe ich einfach mal, dass sich entweder
a) ein paar User einen Spaß daraus machen, den ganzen Tag vor dem Rechner zu sitzen und Neuankömmlinge zu begrüßen
oder
b) diese Subkultur doch nicht so vereinsamt und verzweifelt ist, wie man von außen glauben mag.
Ich entschied mich einfach mal für den letzten Punkt, da es meiner Meinung nach einfach widersinnig ist, ca. 8 Stunden auf einen Monitor zu starren und darauf zu warten, dass sich jemand neues anmeldet.
Dies jedoch waren nur die ersten Eindrücke, gesammelt innerhalb von ein paar Stunden. Was würde wohl passieren, wenn ich noch längere Zeit in dieser Community verbrachte? Der Mensch formt sich nach seinem Umfeld, dass weiß ich aus eigener Erfahrung. Doch hege ich bislang eine große Abneigung
(um nicht zu sagen, Hass) gegenüber dem Emo-Kult. Würde sich diese Abneigung letzten Endes in Sympathie oder gar Zuneigung verwandeln? Ich war begierig zu erfahren, was mein kleines “Experiment” wohl noch für Dinge ans Licht bringen würde, oder ob ich mich am Ende gar selbst verändern werde. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Da ist er auch schon, ein neuer Tag, voller neuer Erlebnisse. Ich zittere, während ich meine Zigarette rauche, denn heute wurde ich tatsächlich Zeuge eines Hagelschauers von Nachrichten und Freundschaftsangeboten. Doch erst mal alles nacheinander. Ich schwor mir heute, mehr auf meine Studienobjekte einzugehen und nahm Kontakt zu einem weiteren Emogirl auf. Der darauf folgende Dialog ist, ehrlich gesagt, zu sinnfrei, um das ganze hier darzustellen. Es handelte sich um Smalltalk im weiteren Sinne. Um jedoch mein Spektrum an Informationen zu erweitern, schrieb ich meine Kollegen an, sie mögen mir bitte ihre Eindrücke und Berichte zuschicken. Gesagt, getan, bislang ist allerdings nichts angekommen. Ich beantwortete einen Shouteintrag (eine Shoutbox ist so etwas wie ein Gästebuch) und nahm ein paar weitere Emos in meine Freundschaftsliste auf. Dann begann auch schon der Radau. Ein Shouteintrag nach dem anderen. Ich wusste gar nicht, wie ich diese ohne fremde Hilfe beantworten sollte. Ich hatte übrigens an eine jugendlichere Schriftweise angenommen, damit ich nicht so schnell auffliege. Die Unterhaltungen in der Shoutbox drehten sich allerdings auch nur um Fingernägel, Gemütsfragen und das legendäre “Was machst du heute noch?”. Alles in allem, ein inhaltlich recht ereignisloser Tag. Dachte ich jedenfalls bislang. Da ich von einem anderen Emogirl (der einzige öffentliche Kerl in meiner Freundschaftsliste ist einer meiner Kollegen) aufgefordert wurde, ein Kommentar zu einem ihrer Bilder zu machen, ließ ich mich einfach mal zu einer kleinen Lüge hinreißen. Prompt wurde ich mit “lüpp ya” und “du bis sau süß” beworfen. Okay, ich hatte vielleicht ein wenig zu dick aufgetragen, aber ich dachte, dass machen Emos so. Ich wusste es halt nicht besser, aber so was schafft bekanntermaßen Vertrauen. Also werde ich weiterhin auf dieser Schiene bleiben und hoffen, dass es nicht irgendwann mal verdächtig wirkt. Ich suche übrigens derzeit einen Löschbutton, womit ich meinen Account in dieser Community löschen kann. Ich weiß, ich werde zwar viele Herzen brechen, allerdings hatte ich nie vor, ewig dort zu bleiben. Bis zu dem Tag allerdings dauert es noch ein wenig. Und während ich so suchte und mich langsam dazu entschied, den Logoutknopf zu bedienen, trudelten schon die nächsten Freundschaftsangebote und Nachrichten ein. Ein Teufelskreis. Die müssen geahnt haben, dass ich mich ausloggen wollte. Es handelt sich um zwei weitere Emogirls. Während ich mir so angucke, mit wem ich es nun schon wieder zu tun habe, fällt mir ein kleines Merkmal auf. Ich wollte es eigentlich nicht recht glauben und schaue mir noch andere Profile an. Nach elendiger Profilbeschau komme ich doch zu dem Schluß, dass ein nicht gerade geringer Teil der Community aus 13-16 Jährigen zusammensetzt, die zwar zum Teil schon ein wenig reifer aussehen, allerdings durch ihre Schriftform und durch ihre Ausdrucksweise ihr wahres Alter verraten. Ich bekomme langsam wirklich ein ungutes Gefühl. Sollte die Polizei das in den falschen Hals kriegen, stehe ich als 20 Jähriger schon mal ganz gut unter Verdacht, kleine Kinder aus dem Internet mit falschen Versprechungen locken zu wollen. Ich beantwortete also die zwei Nachrichten und klickte augenblicklich auf Logout. Ein etwas abrupter Schritt, das muss ich zugeben, aber es war nötig. Ich musste schließlich jemanden mimen, der zwar nur Zuhause sitzt, allerdings viel zu tun hat (über das Leben philosophieren, zeichnen etc.). Außerdem wollte ich keine Überdosis von den Leuten haben. Ich hab innerhalb weniger Stunden 10 Leute auf meiner Freundschaftsliste, einschließlich meiner beiden Kollegen. Und noch etwas ist mir aufgefallen. Einige Emos wehren sich scheinbar strickt dagegen, ihre Quotes (Zitate in Nachrichten; beim Antworten wird automatisch die letzte Nachricht mitzitiert) zu löschen. Das führt im Endeffekt dazu, dass der Bildschirm nach kurzer Zeit nur noch aus einem Haufen viereckiger Textfelder besteht, die vor Textzeilen nur so sprudeln. Das hört sich weitaus harmloser an, als es in Wirklichkeit ist. Soviel zu diesem Tag.
Am nächsten Tag war die ganze Sache anfänglich ruhiger, doch nicht minder Schlimmer. Ich hatte am vergangenen Tag noch einige Nachrichten erhalten und beantwortete diese nun. Es kam jedoch nur eine Antwort zurück. Das 15jährige Emogirl, welches mich zum Lügen zwang, hatte sich offenbar in mich- besser gesagt, in meinen Account- verknallt. Ganz tolle Sache. Jetzt habe ich wirklich ein Problem. Da ich weder pädophil bin, noch sonst Interesse an diesem Mädchen habe, wollte ich eigentlich gekonnt ausweichen. Doch zu spät. Nun hab ich eine ungewollte Fernbeziehung am Hals, auch wenn die nur einseitig von einer Pickelbacke aus Bayern ausgeht. Gut, das war nicht gerade nett. Aber was ist schon nett in dieser Welt? Mir ist aufgefallen, dass die Gattung Emo doch ziemlich starken Stimmungsschwankungen unterlegen ist. Eine Sache, die mehr als einmal zu Missverständnissen führt.
Fast ständig bereue ich es, einen gewissen Kommentar gemacht zu haben, da ständig ein trauriges und in der nächsten Nachricht wieder ein grinsendes Smiley zurückkommt. Die ganze sache ist mehr als verwirrend. Auch wird sofort und ohne sichtliche Begründung starkes Vertrauen in Neuankömmlinge gesteckt, was es nicht nur mir leicht macht, dort Kontakte zu finden. Vielleicht liegt es daran, dass Emos glauben, niemand würde ihnen böses wollen, vielleicht liegts aber auch nur einfach daran, dass sich alle Emos dieser Community noch beim Durchschnittsalter 14 bewegen. Eine Leichtgläubigkeit gegenüber anderen Leute, die Meilenweit entfernt sind, das kann gar nicht gut enden.
Die Tatsache, dass mir das besagte Emogirl immer weiter auf die Pelle rückt, lässt mir einen schauer, eiskalter Übelkeit über den Rücken gleiten. Was nehme ich nicht alles auf mich, um die Welt über die
Emos aufzuklären. Dass sie die berühmten drei Worte von mir hören will, macht die Sache nicht unbedingt einfacher. Denn soweit geht meine Lüge nun wirklich nicht, zumal diese Worte einzig und allein für meine Verlobte bestimmt sind. Also habe ich schonwieder mit einem Heulanfall seitens des Emos zu kämpfen. Ein Glück, dass man meinen genervten Gesichtsausdruck nicht sehen kann.
Ich habe mir insgesamt zwei Stunden pro Tag zugemutet und zähle schon die Minuten, bis sie um sind.
Und dann, kurz vor Ablauf der Zeit… Eine Handynummer. Ich bekomme tatsächlich ihre Handynummer. Ich könnte jetzt sagen, wie leichtsinnig das ist, schließlich könnte sich hinter meinem Account ja wirklich ein pädophiler Serienkiller verstecken. Aber in Wirklichkeit mir fehlen die Worte bei soviel Dummheit. Ich kenne dieses Mädchen nicht, eigenen Angaben nach kommt sie aus Bayern. Wir haben insgesamt ca. 20 Nachrichten ausgetauscht, vielleicht auch 30. Und sie überreicht mir ihre Handynummer. Ich habe Mühe, nicht alles gleich auffliegen zu lassen und mich aus dem Staub zu machen. Mit dieser Nummer könnte ich schließlich ihre Adresse aufspüren und weiß der Geier, was noch. Ich bin nervlich wirklich am Ende. Aber für die vollständige Berichterstattung muss ich durchhalten. Der einzige Trost, den ich habe, ist der Black Metal, denn ich mir die ganze Zeit ins Ohr dröhnen lasse. Wer hätte gedacht, dass ich mich schon nach drei Tagen krampfhaft dagegen wehren muss, um nicht aufzugeben. Nun gut, zurück zum eigentlichen Thema. Ich wurde ständig nach ICQ oder MSN gefragt, was mich vermuten lässt, dass sich die “Damen” auch mal etwas privater mit mir unterhalten wollen. Ich war sogar schon in Versuchung meine ICQ Nummer preiszugeben, jedoch trat dann ein kleines Männchen in meinem Hinterkopf mit seinen Springerstiefeln ziemlich feste gegen die Schädelwand und brüllte “Wenn du das tust, dann hast du ein richtiges Problem!”, also hab ich diesen Gedanken wieder verdrängt. Ich hatte mich auch ein wenig in einer Art Forum umgesehen, aber nur mehr halbherzig. Es gab dort die verschiedenstens Threads (Themen, zu denen man seine Meinung kundtun kann), die sich alle mehr oder minder um Emos drehen. Es gab auch sog. “Forumspiele” dort, die in einigen Foren mit Ächtung bestraft wurden. Nicht in diesem wie mir schien. Besonders aufmerksam wurde ich auf ein Thema, dass mir als junger Mann sofort ins Auge sprang. Es trug den Titel “Sex mit dem User über mir…” und ich dachte mir “Okay… Allesamt Kinder in dieser Community, aber sie versprechen sich gegenseitig hier sexuelle Aktivitäten… Ganz tolle Sache…”
In der Hoffnung vielleicht doch noch etwas gescheites dort drinne zu finden (ich wurde jedoch ziemlich enttäuscht), klickte ich auf den Link und es erschien sofort ein post (Nachricht, die man im Thread beisteuern kann->posten) nach dem anderen und alle hatten den selben Inhalt, “Ja”.
Ziemlich eintönig, also blätterte ich ganz elegant auf Seite 1, wo die Regeln erklärt wurden. Wie der Titel schon sagte, man sollte posten, ob man mit der Person über einem gerne mal beischlafen möchte. Das ganze zog sich über mindestens 27 Seiten á 40-50 posts. Richtig eintönig, aber ein weiterer Beweis dafür, dass Emos nich ganz so gefrustet sein können, wie die Gesellschaft glauben mag. Desweiteren habe ich heute von einer neugegründeten Musikrichtung gehört. Unglaublich aber wahr, es gibt angeblich eine Musikrichtung die sich “Emometal” nennt. Aus Unterhaltungen mit Anhängern aus der Emocore Szene, die in den 80er Jahren entstanden sein soll (also in etwa Zeitgleich mit dem Punk, vermutlich sogar aus versprengten Teilen der Punkbewegung) und mit den heutigen Emos gar nicht zu vergleichen, wusste ich in etwa, dass es tatsächlich Emomusik gab, die nicht unbedingt die Mundwinkel in den Keller sinken ließ. Aber Emometal? Ist das eine neue Bezeichnung für eine alte Sache, oder haben ein paar einfallslose Kellerkinder das Rad neu erfunden? Mir schwebt da in etwa so was wie die Band “Bullet for my Valentine” vor. Auf dem Wacken Open Air 2007 waren sie doch recht verpönt, ich konnte die Buh-Rufe sogar vom Zeltplatz aus hören. Oder ist mit diesem ominösen Emometal etwa die Visual Key/J-Rock Szene gemeint? Das wird den Metrosexuellen (Menschen, die weder homosexuell noch transsexuell sind, sondern lediglich ihre weibliche Seite besonders hervorheben) aber ganz und gar nicht gefallen. In meinen Augen ist dieser Emometal eine weitere Verballhornung einer Musikrichtung, die wahrscheinlich gar nichts mit Metal zu tun hat, genauso wie Nu-Metal (Mischung aus Hip Hop und Metal; Metaller und Hip Hopper sind Todfeinde) oder NSBM (National Socialist Black Metal->Nationalsozialistischer Black Metal; eine Erfindung der Faschisten um in die Metalszene einzusteigen, schafft allerdings mehr Feinde als Anhänger).
Ich will mich nicht zulange mit diesem Thema aufhalten, deswegen nun ein extrem abrupter und zusammenhangsloser Themenwechsel. Es folgt eine Liste der Erkenntnisse der letzten Tage.
1. Emos sind im Internet sehr vertraunseelig, sie schließen schnell Freundschaften und/oder fangen schnell eine Fernbeziehung an, die sich von Bayern bis nach Mecklenburg-Vorpommern quer durch Deutschland ziehen kann.
2. Sie legen im ersten Moment ein doch recht unbeschwertes Dasein an den Tag, sodass im ersten Augenblick keine tieferen Probleme erkennen lässt, jedoch sind sie dafür (sehr) häufigen Stimmungsschwankungen unterlegen.
3. Das Outfit zeichnet sich durch ziemliche Gleichheit aus. Sicherlich ist das in vielen Szenen so, doch selten findet man im Internet mehr als 50 User derselben Szene die nahezu identisch aussehen. Das merkwürdige daran ist, dass dies für Jungs und Mädchen gilt.
4. Sämtliche Fotos wurden in ähnlichen Posen und mit ähnlichen Motiven fotografiert und ins Internet gestellt
5. Ein außerordentlich entstelltes Schriftbild, dass es schwierig macht, bestimmte Abschnitte oder Wörter zu lesen. Als Beispiel sei hier genannt: SüZzA (Süßer), okilöö (Okay), yaah (du; abgl. you; Achtung: ya=ja, seltener im Emowortschatz), lÜpZ (lieben, lieb [dich]).
6. Viele Wörter werden mit übermäßiger Benutzung von Satzzeichen hervorgehoben (wie gehts dia???????; bÜdDdDdDdDäÄäÄäÄä!!!!!!!!!!!!!!!!!).
7. Smileys finden ebenfalls exzessive Verwendung in Sätzen oder als Satzende (hai, na???? xDDDDDD; daz is ya cutez ^________^).
8. Die von den Medien oft als Gewaltverherrlichenden eingestuften Bilder entsprechen weder der direkten Gewaltverherrlichung, noch dem Wunsch nach dem Tod. Es sieht mehr nach einer merkwürdigen Vorliebe für diese Art von Bildern aus.
9. Eine, oftmals ebenfalls durch Bilder ausgedrückte, Ausgrenzung aus der Gesellschaft, um als Individuum und Unkonformist zu gelten scheint ebenfalls eine Vorliebe zu sein. Die Tatsache wird allerdings oftmals verdreht, um die Gesellschaft als Schuldigen dastehen zu lassen.
10. Oftmals wird von Emos das Elternhaus beklagt, da sich die Eltern angeblich zu wenig/zu viel mit ihren Kindern beschäftigen. Der Drang nach Ruhe/Aufmerksamkeit entsteht, ein völlig normaler Drang, den jeder in der Pubertät hat.
Na was fällt ihnen an dieser Auflistung auf? Nein, es ist nicht die Tatsache, dass vieles hier dem Typischen Klischee entspricht, aber es hat etwas damit zu tun. Irgendwie scheint das Ritzen in der Emoszene zwar ein schöner Zeitvertreib zu sein, jedoch wird es nicht wirklich angesprochen, geschweige denn an die große Glocke gehängt. Dieser ominöse “stille Hilferuf” scheint zwar da zu sein, wird jedoch totgeschwiegen. Ich glaube, ich wage mal den Versuch, eine weitere Lüge verlauten zu lassen. Sobald ich das nächste mal in der Community online bin, dann werde ich mich depressiv geben und behaupten, ich hätte mich geritzt. Ich vermute die Reaktion wird so ausfallen, dass man versucht mir Hilfe anzubieten, darüber zu reden und ich so etwas nicht machen soll, da es ja andere Wege gäbe. Mal sehen, ob ich mit meiner Vermutung richtig liege.
In den letzten Tagen ist nicht viel passiert. Alle meine Versuche, das Thema <ritzen> auch nur “anzuschneiden” waren vergebens. Es gab keine Reaktion auf meine Andeutungen. Doch während ich so in meinen Gedanken schwelgte, überkam mich eine kleine Erinnerung. Ich hatte mehrere Videos von Emos dieser Kategorie im Internet gesehen und viele davon trugen die sog. “Razor-Spuren” (razor=Rasierklinge; Ritzmale) auf ihren Unterarmen. Ich schaute mir die Videos also ein weiteres mal an und tatsächlich. leicht zu erkennen waren die roten Streifen verschorften Blutes. Definitiv ein Merkmal für eine leicht angesetzte Rasierklinge oder einer stark angesetzten Stiftspitzerklinge. Doch was sagt sie da in ihrem Video? Zitat: “Emos ritzen sich nicht!” Wenn dem so ist, dann hat sie vielleicht doch psychische Probleme? Unwahrscheinlich. Nach ein wenig googlen, Bilder anschauen und vor allem auch Videos gucken wurde mir klar, dass ein Großteil der abgebildeten Emos Razor-Spuren trugen. Haben alle diese Personen psychische Probleme, die sie dazu bringen, sich selbst zu verletzen? Möglich. Genauso möglich ist es allerdings auch, dass es eben nicht so ist und diese ganze schneiderei ist nur ein Modetrend. Womit wir auch schon beim Ende dieses Berichtes wären. An dieser Stelle folgt nun mein persönliches Fazit. Ich bin zwar kein Psychologe, doch ich denke, dass ich gerade deswegen unsere heutige Jugend (Jugend beginnt heutzutage mit 9) besser einschätzen kann.
Mein ganz persönliches Fazit:
Nun als aller erstes mus ich sagen, dass die sich heutige Emo-Subkultur so stark vom Ursprung, dem Emocore, entfernt hat, dass die beiden gar nichts mehr miteinander zu tun haben. Ich bin leider zu jung und wahrscheinlich auch zu ostdeutsch, um gerade diesen Trend oder gar die Entstehung der Punkszene und aller daraus folgenden Szenen erlebt zu haben, es hätte mich irgendwo doch sicherlich interessiert.
Eine Tatsache, die mich allerdings immer noch stört, und im Endeffekt auch auf die Idee gebracht hat, einen Erlebnisbericht zu schreiben, war das Klischeeverhalten und die schlechte Information der Allgemeinheit durch die Medien. Deshalb folgt hier eine Liste der Richtigstellungen:
1. Emo leitet sich nicht von Emotional ab, sondern von Emocore, einer Musikrichtung, die wie viele andere aus dem Punk entstanden ist. Emotional sind wir schließlich alle irgendwo, solange wir noch keine Maschinen sind.
2. Das Emotuch ist schlicht und ergreifend ein sog. “Pali-Tuch”, welches häufig von Linken, Rechten und überwiegend sogar von (wer hätte das gedacht) Palästinensern getragen wird. Dieses Tuch hat rein gar nichts mit Emo zu tun und ist derzeit ein simples Modeaccesoire.
3. Der Rest der Mode eines Emos besteht überwiegend aus Schwarz mit Glitzer und Rosa. Deshalb sollte man sie niemals mit Gothics verwechseln. Oftmals wird auch schwarz-weiß/schwarz-rot/schwarz-etc. gestreift getragen, diese Mode wurde inzwischen von den Schöpfern der Modewelt veröffentlicht.
4. Das Corpse Paint sollte auch nicht mit der Kriegsbemalung der Emos verwechselt werden. Emos tragen oftmals nur ein wenig weißes Make-up und umranden ihre Augen mit schwarzem Eyeliner. Teilweise wird unters linke Auge eine schwarze Träne aufgemalt. Das ist definitiv KEIN Corpse Paint. Zum Vergleich zwei kleine Bilder:
CorpsepaintEmo
5. Ja Emos weinen (das tut jeder von uns irgendwann mal). Ja sie schreiben Gedichte über ihr Leid und ja manchmal schreiben sie sogar Lieder darüber.
Das wäre sie, die Liste der Listen. Ein bisschen wenig, ich weiß, doch ich bin noch nicht fertig mit dem Schluss.
Mein Eindruck ist folgender:
Ein Großteil, wenn nicht sogar alle Emos, beschweren sich über die Ausgrenzung ihrer “Kultur” aus der Gesellschaft. Sie meinen, die “Normalos” (Normale Leute, ein stark dehnbahrer Begriff) hätten Angst vor ihnen oder könnten sie einfach nicht verstehen. Und wo wir gerade dabei sind. Emos haben Probleme. Psychische Probleme. Stark Psychische Probleme, jeder zweite Emo leidet an einer Form des Borderline Syndroms, jeder dritte Emo ist depressiv und suizidgefährdet. Jetzt mal ernsthaft. Die Tatsache, dass ein nicht geringer Teil der Emos noch weit vom Personalausweis entfernt ist und mitten in der Pubertät steckt, bzw. gerade in die Pubertät gekommen ist, wird von vielen Leuten erstmal außer Acht gelassen. In dieser Phase hat der Jugendliche halt Probleme, mit denen er nicht gleich klar kommt. Die Eltern haben in dieser Phase ihres Kindes nur zwei Möglichkeiten. Entweder sie lassen ihrem Kind in Ruhe, damit es sich ausprobieren kann (was es sowieso tun wird, da in dieser Phase verstärkt ein Protest verhalten zu finden ist) oder sie versuchen mit ihrem Kind darüber zu reden, ihm beizustehen und auf einen vernünftigen Weg zu bringen. In jedem Fall haben es die Eltern nicht leicht. Oftmals habe ich als Begründung für irgendwelche Probleme das Argument gehört “Meine Eltern gehen mir auf den Geist”. Dies wäre dann der letztere von beiden Möglichkeiten der Eltern. Das Kind ist deswegen genervt. Doch wenn man den ersten Weg wählt, kommt folgendes Argument dabei raus: “Meine Eltern lieben mich gar nicht, ich bin ihnen egal, sie interessieren sich gar nicht für mich und meine Probleme.”
Wie man es dreht und wendet, es läuft aufs gleiche hinaus. Und das ist der Punkt, an dem ein junger Mensch sich nach einer Szene ausrichtet. Vorzugsweise eine Szene, in der es nicht als alleiniger Vertreter auf dem Schulhof steht. So schließen sich Cliquen etc. etc.
Doch was hat das alles mit Emo zu tun? Nun, Emo ist so eine Gruppe. Eine Gruppe, die überwiegend aus Pubertären Kindern besteht. Daran ist auch nichts auszusetzen. Es ist nur die Art und Weise, wie sie sich ihre (kindliche) Welt zurecht biegen. Ein Erwachsener mag darüber schmunzeln, ich kann es nicht.
Emos machen die Gesellschaft für ihr “Leid” verantwortlich, nicht die Natur. Neo-Emocore ist die einzige mir bekannte Szene, die sich jedoch absichtlich von der Gesellschaft abwendet und sich darüber auch noch beschwert. Das Ritzen, bei Menschen mit wirklichen psychischen Problemem (wie oben genannt Depressiv, Borderline evtl. auch Magersucht und Ess-Brech-Sucht, Suizidgefährdung) oftmals eine Art Hilferuf, vielleicht auch ein Weg Schmerzen durch Schmerzen erträglicher zu machen, ist durch Emos zu einem Trend verkommen. Sie benutzen das Ritzen nicht als Hilferuf, wie man es im psychischen Sinne verstehen könnte, sondern lediglich als eine Art Protest: “Ich ritze mich, weil ihr mich nicht mögt; Ich ritze mich, weil mich keiner versteht.” So wie ich früher einen Irokesenschnitt trug, so wie sich ein mancher eine Glatze rasiert, so wie einige gleich mit der Reichskriegsfahne auf dem Rücken auftauchen, so benutzen Emos das Ritzen. Protest und Aufsehenerregen. Das letzteres allerdings heutzutage nur durch das letzte Beispiel funktioniert, ist auch diese Methode hinfällig. Zudem wird das Ritzen verleugnet, zeitgleich aber öffentlich zu schau gestellt. Ein ziemlicher Widerspruch. Womit wir wieder beim nächsten Punkt angelangt wären. Einige Emos, ich sage bewusst einige, leugnen, das sie Emos sind. Allerdings verhalten sie sich genauso. Hier handelt es sich ebenfalls überwiegend um Minderjährige, die den Anschein eines reiferen Individuums erwecken wollen.
Wo wir gerade dabei sind. Individualität ist in der Emoszene nicht vorhanden. Es gibt in vielen Szenen Ähnlichkeiten, doch Emos teilen sich den ersten Platz mit Hip Hoppern in sachen Gleichheit. Selbst Nazis sind individueller. Dabei legen viele Emos wert auf ihre Individualität.
Der “Emo-Metal” hebt den Anspruch auf Individualität auch nicht sonderlich. Hierbei handelt es sich überwiegend um Bands, die einen Mix aus Rock und Pop mit Die-Welt-ist-so-gemein-zu-mir-einlage spielen. Auch so was gibt es bereits. Es nennt sich Pop-Rock. Und wo wir gerade bei Liedern sind. Emos schreiben zwar Gedichte über den Tod, über ihr Leid und über ihren Schmerz, doch nichts von dem ist anders, als bei jedem anderen Menschen in dem Alter. Liebeskummer, ärgernde Mitschüler, Ausgrenzung, das sind alles Dinge, die jeder von uns irgendwann mal miterlebt hat. Nur wird in diesen Gedichten auch ein wenig stark übertrieben. Wenn also von einem Säufer als Vater die Rede ist, trinkt besagtes Elternteil wahrscheinlich eher ein Bier am Abend. Zum Thema Nichtbeachtung oder zuviel Beachtung siehe ein paar Zeilen weiter oben.
Im großen und ganzen sind Neo-Emos nichts anderes, als eine Gruppe minderjähriger Pubertierender, wie es einige von euch bereits vermutet oder gewusst haben. Sie weisen keine anderen Merkmale als andere pubertäre Kinder auf, einzig ihre augenkrebsverursachende Schreibweise macht einen Unterschied. Ihre Argumente sind oftmals an den Haaren herbei gezogen, die angebliche Vorliebe für blutige Bilder eine weitere Form des Protests, ebenso wie Gedichte über Tod und Trauer. Und mit der Zeit werden sie sich weiterentwickeln und wie ihre Eltern in demselben Alter werden sie sich mit der Handfläche an die Stirn schlagen und sagen “Mein Gott, war ich doof.”
In diesem Sinne
Shor
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