Madame Lulu
Member
Hallo Leute,
ich bin Madame Lulu und ihr lest meine erste Fotostory:
Prolog
Ich bin nicht die Person von der diese Geschichte handelt, das sollte ich wohl zu aller erst klarstellen.
Bevor ich anfange, sollte ich aber ein wenig über mich erzählen. Mein Name ist Alexander T. und ich bin Lehrer für Deutsch und Biologie an einem Gymnasium in München.
Ich bin 38 Jahre alt, habe ein gesundes Sozialleben und bin kein Mensch mit sonderlich nennenswerten Interessen, aber als ich den Nachlass meiner Kollegin Maria Lämmer sortierte entdeckte ich ein Tagebuch, das meine Aufmerksamkeit weckte und die Basis dieser Aufarbeitung darstellt.
Ich sollte wohl kurz erzählen wie es zu dem Tagebuchfund kam.
Maria und ich unterrichten zusammen eine 12. Klasse als Klassenlehrer. Keine leichte Aufgabe, aber es bereitet mir große Freude.
Mit Maria hatte ich in meiner Laufbahn eigentlich wenig zu tun. Wir verstanden uns gut, aber der Kontakt war nie sonderlich tiefgehend.
An einem Morgen, vor ca. sechs Wochen bekam ich einen Anruf von einem Kommissar. Ich wurde auf die Wache eingeladen und man erzählte mir, dass Maria ermordet worden sei.
Ich war total entsetzt und der Herr Kommissar setzte noch einen drauf. Ich war der Testamentsvollstrecker! Nach dem Verhör fuhr ich mit dem Auto zu Marias Anwalt, der mir meine Pflichten erklärte. Er übergab mir auch einen Wohnungsschlüssel.
Ich war schon ein paar mal bei ihr gewesen und so kannte ich die Wohnung schon.
Am nächsten Morgen fuhr ich also zu Marias Wohnung. Die Polizei war hier gewesen, doch sie hatte kein sonderliches Chaos angerichtet.
Ich streifte ziellos durch die Wohnung. Immer wieder musste ich daran denken, dass Marie hier noch vor einigen Wochen gelebt hatte. Schließlich fand ich ihr Arbeitszimmer.
Ich beschloss einige ihrer Unterlagen mitzunehmen. Ich fand einen Stapel korrigierte Klassenarbeiten und einige Namenslisten, die ich einpackte.
Rastlos sah ich mir auch noch die restliche Wohnung an und da fiel es mir auf. Trotz der gewissen Unordnung, die die Polizei hinterlassen hatte, wirkte alles gerade zu perfekt aufgeräumt. Es war, als ob Marie in den letzten Tagen vor ihrem Tod nicht mehr zu Hause gewesen wäre.
Ich suchte etwas, was meine Theorie bestätigte und tatsächlich fand ich es. In ihrem Schlafzimmer stand ein Koffer. Er war untersucht worden, doch sie hatten ihn für uninteressant befunden.
In mir kämpften zwei Gewalten: Neugier und Scham. Konnte ich den Koffer meiner toten Kollegin durchsuchen? Am Ende siegte die Neugier. Ich klappte den Koffer auf. Innen lagen nur einige Stapel Kleider und oben auf ein Buch und ein Schlüsselbund. Das Buch war schlichte Reiseliteratur, aber der Schlüssel weckte mein Interesse. Ich nahm ihn und setzte mich auf das Bett.
Ein Großteil der Schlüssel war mir bekannt. Es waren die Schlüssel für Tür und Tor in unserer Schule. Daneben waren noch ein Autoschlüssel und ein Wohnungsschlüssel. Übrig blieb nur ein Schlüssel. Er war unauffällig, klein, aber ich konnte ihn keinem Schloss in der Schule zuordnen.
Er musste also zu einem Schloss in der Wohnung gehören.
Für das, was ich nun tat, schäme ich mich sogar etwas. Ich habe schamlos die Wohnung durchsucht, die Schränke ausgeräumt, sogar die Wände abgeklopft. Fündig wurde ich in der Küche. Ich fand in einem Küchenschrank ein Kästchen. Es war ungefähr so lang wie ein Laib Brot und so groß wie ein Salzstreuer.
Innen fand ich das wieder, was mich zu diesem Bericht inspiriert hat. Ein Tagebuch. Das Tagebuch von Maria Lämmer.
Im folgenden werde ich nun die Geschichte Marias wiedergeben, wie ich sie aus diesen und weiteren sehr detaillierten Informationen rekonstruieren konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander T.
Ein Foto aus meinem Privatbesitz. Es zeigt Maria Lämmer und mich während eines Elternabends.
Erster Teil
Moritz Hansler
Ewige Ruhe schenke ihnen, o Herr!
Und das ewige Licht leuchte ihnen!
Lasse sie ruhen in Frieden.
Amen.
-Litanei für Verstorbene-
Brief von Sarah Markward an Maria Lämmer
Liebe Maria, Ober Gissing der 24.11.89
Ich weiß nicht wie ich so etwas schreiben soll, aber es gibt etwas, das du wissen musst. Deine Mutter ist heute Morgen nach einer längeren Krankheit gestorben.
Es wäre wohl das Beste, wenn du so schnell wie möglich zu uns kommen würdest. Du kannst bei uns wohnen und essen.
Ich hoffe du bist damit einverstanden, dass wir, also ich und mein Mann Jörg, die Organisation der Beerdigung übernommen haben. Du kannst alles mit Pastor Berg noch einmal besprechen, wenn du angekommen bist.
Alle aus dem Dorf wollen zur Beerdigung kommen.
Deine Mutter war sehr beliebt.
Ilse ist mir und Jörg die ganze Zeit eine treue Hausmagd und eine gute Freundin gewesen, deswegen ist es uns ein großer Wunsch dir mit allem, was uns zur Verfügung steht zu helfen.
Es tut mir auch leid, das wir dich nicht angerufen haben, aber bei uns im Dorf gibt es wegen dem Schnee im Moment kein Telefon und so bleibt uns nur der Briefweg.
Wenn du kommst, kannst du bleiben so lange du willst. Wir haben dich gerne als Gast bei uns.
Die Gedanken aller Dorfbewohner sind in diesem schweren Moment bei dir.
Deine,
Sarah Markward
Foto der Leiche von Ilse Lämmer. Aufgenommen von Dr. Hinzius am 24.11.89
Tagebucheintrag vom 25.11.1989
Jetzt ist das geschehen, was mir immer Angst gemacht hat. Mutter ist gestorben. Und ich? Ich fühle nichts. Ilse Lämmer war mir nie eine wahrhaftige Mutter. Was soll sie für eine Mutter gewesen sein? Mit einem Jahr bin ich mit Vater nach München gezogen.
Mutter habe ich einmal im Jahr gesehen, wenn sie zu meinem Geburtstag nach München kam. Je älter ich wurde, desto seltener wurden die Besucher.
Vor 15 Jahren haben wir uns das letzte Mal gesehen. Von da an schrieben wir nur noch Briefe.
Es gab Phasen in denen ich zu ihr wollte, doch sie wies mich immer ab.
Jetzt komme ich doch zurück nach Ober Gissing und es fühlt sich fast so an, als ob ich heimkehren würde. Nach Hause in ein nie gelebtes Leben.
Ich muss gestehen, ich freue mich sogar ein wenig das Dorf wieder zu sehen und ich bin heilfroh mich nicht um die ganzen Beerdigungsangelegenheiten kümmern zu müssen.
Was bin ich für eine Tochter, die sich nicht mal überwinden kann, die Beerdigung der Mutter zu übernehmen?
Was sollte ich denn schon sagen? Meine Mutter ist eine Fremde und mehr weiß ich nicht. Sie hat Jahr und Tag für die Markwards gearbeitet und mich dabei fast völlig vergessen.
Ich danke Frau Markward für ihre Hilfe.
Draußen vor dem Zugfenster sehe ich den Bahnhof von Stuffingen. Ich muss aussteigen und mir ein Taxi bis zum Dorf nehmen.
Foto aus der Regionalzeitung Neues Blatt.
Familie Markward in ihrem Tante Emma Laden. Von links nach rechts: Marina Markward (25); Jörg Markward (63) und Sarah Markward (65)
Interview mit Frau Markward
M (Markward)
I (Interviewer)
Folgendes Interview wurde am 03-01-90 per Telefon aufgezeichnet.
M: Markward hia.
I: Guten Tag, mein Name ist Alexander T. Ich rufe an wegen einer Bekannten von mir. Maria Lämmer.
M: De Marie? Oh des is echt a schlimme Gschicht
I: Ja, ich weiß. Frau Lämmer und ich waren Arbeitskollegen. Ich habe ihr Tagebuch gefunden und versuche die letzten Tage zu rekonstruieren. Können sie mir helfen?
M: Hmm, schadn konn es wohl ned mehr. Sie wissn üba de Gschichte von da Marie bescheid? Ihre Muada hod bei uns im Doaf gelebt. Sie wurd schwanga und is mit ihrem Mann nach Münchn, aba dann stand sie plötzli wieda voa da Tür. Sie hod bei uns imma fleißig g'arbeitet.
I: Und wie ist Frau Lämmer gestorben?
M: Sie meina sicha de Ilse. De war schon lange krank. Sie hod Krebs, aba sie woite si ned behandeln lassn. Sie war so lange bei uns, da war es für mi und Jörg, des is mein Mann, selbstverständli, dass sie bei uns bleibt und mia sie pflegn.
Ois sie dann gstoabn is, gob es oan schwern Schneesturm und mia konntn de Marie ned oruffa. I hob ihr dann oan Brief gschickt und oan Dog späta stand sie voa da Tür. I war so Überrascht, ois sie da stand, aba aa glückli. Man hod glei de Muada in ihrem Gsicht wiedererkannt.
I: Sie haben Maria bei sich wohnen lassen?
M: Ja, as war ja aa selbstverständli. Mia hobn ihr a Bett gerichtet in unsam Gastzimma und gegessn hod sie aa bei uns.
Mia woitn am nähstn Dog de Sachn ihra Muada aussoatiern.
I: Sie wollten?
M: As war etwas komisch. Mia hobn am Obnd zuasamma gsessn in da Stube´n und hobn Blaubeerkuchn gegessn. I backe den selbst, wissn Sie? Und de Marie hod ihn aa gemocht. Oiso mia hobn da so gsessn und unsan Kuchn gegessn, da sogte de Marie plötzli. „Du, Tante Sarah i glaub mia machn as moagn doch ned mit Mamas Sachn.“
I hob sie ganz verwirrt ogesehn, aba dann dachte i mir, de Gloae is sicha noch ned üba den Tod ihra Muada hinweg.
I: Was hat sie an diesem Abend noch gemacht?
M: Da war nix weida. Sie is dann recht früh houch in ihr Zimma gegangn. War ja aa a schäbbigs Wetta an dem Dog. So nasskalt und windig! Richtigs Ekelwetta! Da mächte man si nur ins Bett kuscheln und a wenig lesn.
Aus dem Familienalbum der Markwards. Ilse Lämmer und Sarah Markward in der Stube. Aufgenommen Mai ´51
Aus dem Tagebuch von Marie Lämmer 25.11.89 Nachtrag
Es ist komisch so nah an meiner Mutter zu sein. So nah an diesem Leben, das ich hätte leben können und das ich dann doch nicht gelebt habe.
Eigentlich wollte ich schon längst im Bett sein. Draußen ist ein grausames Wetter, aber es spiegelt meine Laune wieder.
Ich habe Frau Markward, Tante Sarah, gesagt das ich morgen noch nicht Mamas Sachen ausmisten will. Sarah ist eine wirklich nette Frau, aber auch sehr aufdringlich. Sie hat es mir quasi aufgezwungen sie Tante Sarah zu nennen und nicht Frau Markward. Als ob sie schon immer Mamas Freundin gewesen sei und ich sie auch kennen würde.
Naja sie meint es wohl gut und sie sind ja auch alle furchtbar lieb zu mir. Sogar einen furchtbar drögen Blaubeerkuchen hat sie mir zu Ehren gebacken.
Als ich meine Sachen heute Mittag ausgepackt habe, ist mir etwas ganz interessantes aufgefallen. Es ist eine Holzkiste mit lauter Zeugs. Zeitungsartikeln und so.
Ich habe die Sachen aus der Kiste geholt und werde sie mir heute einmal anschauen. Vielleicht erfahre ich auf diese Weise einmal mehr über meine Mutter.
Gefunden nach dem Tod von Jörg Markward im Jahr ´95 hinter einem Bett. Es zeigt die verstorbene Ilse Lämmer und Sarah Markward im Gästezimmer des Hauses, das später auch Maria bezog.
Aus dem Neuen Blatt vom 02.12.1954
GRAUSAMER SIEBENFACHER MORD IN OBER GISSING
Der alte Hof, Ober Gissingen Region Stuffingen
Ober Gissing/Region Stuffingen
Hinter den Tannen des Einerwaldes in den Bergen von Stuffingen verbirgt sich ein kleiner Berghof. Bei den Bewohnern von Ober Gissing wird dieser Hof auch der alte Hof genannt und alt muss er sein. Denn die ersten Bauern haben ihn 1836 gegründet.
Vor zwei Tagen wurde auf eben jenem historischen Hof eine ganze Familie ausgelöscht.
Alle Bewohner des alten Hofes wurden innerhalb der letzten vier Tage von einem oder mehr Tätern ermordet.
Die genauen Beweggründe der Tat sind im Moment noch nicht aufgeklärt, aber die Polizei nimmt jeden Hinweis dankend an.
Fotografie aus dem Besitz Maria Lämmers. Ursprung unbekannt. Die Familie Vogelsang. Von links nach rechts: Alfons Vogelsang (65); Magda Vogelsang (54); Angelika Hauser geb, Vogelsang (31); Auf ihrem Arm Bernhard Vogelsang (2); Tom Hauser (12); Annie Hauser (10)
Auf der Rückseite in Marias Handschrift:
Mama? War das der Grund?
Zweiter Nachtrag vom 25.11.89
Ich habe alle Zeitungsartikel in dem Kästchen gelesen. Alle drehen sich um die Morde auf dem alten Hof. Ich kann mich an ein Gespräch zwischen Mama und Papa erinnern. Da sagte sie zu ihm: „Jetzt ist unser schönes, ruhiges Dorf zu einem Morddorf geworden. Sie kommen alle wie die Parasiten. Reporter, Polizisten, all dein Pack hier aus München.“
Mama hat zu der Zeit also schon hier gelebt. Sie hat das alles mitbekommen. Wollte sie deswegen, dass ich nie zu ihr komme? Wusste sie etwas? Hat sie dieses Wissen zu einer solchen Einsiedlerin gemacht? Ich muss mit Sarah morgen darüber sprechen. Unbedingt! Ich muss herausfinden was es hiermit auf sich hat.
Interview mit Frau Sarah Markward II
I: Wie war der nächste Morgen?
M: Mia müssn imma früh aufstehn, wissn sie? Da Ladn führt si ned von allein, aba ois i am Moagn in de Küche kam, um Frühstück zua machn, da saß Maria schon am gedecktn Tisch. Sie war a wenig nervös, des weiß i noch. Mia hobn dann zuasamma gegessn. Jörg frühstückt ned und Marina schläft um de Uhrzeit noch.
Mia hobn dann hald zusamma gegessn. I hob des Gefühl, sie hätt etwas auf dem Herzn und da frogte i sie. Mariechn schin ganz fröhli zua sei, dass i ihr de Froge obnahm.
Sie frogte mi, ob ihre Muada jemals oan Grund g'nannt hätt, warum sie Marie ned bei si hobn woite.
I hob zua erst gezögert, doch dann hob i ihr zuamindest etwas erzählt.
Ois Ilse im 3 Monad war, da wurdn auf dem oitn Hof olle Leut umbracht. Es war grausam! Wirkli grausam! Jeda kannte de Familia Vogelsang und es warn nette Leut. Am moagn, da han mein Mann da Jörg, da Schlittna-Wirt und da Bürgrmeista Heckelmann raus zum Hof. Sie fandn den Oifons mittn auf dem Hof liagn. Es war wirkli obscheili! Sie hobn dann zuasamma as ganze Grundstück durchsucht. überoi warn Leichn! Mein Mann hod des nie verkraftet.
Am nächstn Moagn wurdn Ilse und i dann zuam Bahnhof gschickt. Mia soitn für de Polizei de Eltern des Stoiburschens obholn. Der Kerl war imma so freindli gewesn.
Moaritz Hansla hieß da Bursch. De Hanslers hobn früha hia gewohnt, aba sie han dann umgezogn. In a anders Doaf, weil da Oite woandas an Hof gekauft hod.
Den Buam hobn sie aba da gelassn.
Da fällt mir was af! Maria hod mi gefrogt, ob sie mehr üba den Junga im Doaf heraus findn könnt. I hob ihr gsogt, sie soi si beim Schullehra meldn, da würde sicha de eine oda andere Infoamation aus den oitn Schulaktn hobn.
Aus dem Obduktionsbericht der Hofmorde
Name: Hansler
Vorname: Moritz
Es handelt sich bei dem Toten um einen ca. 27 Jahre alten jungen Mann von schlanker Statur. Er ist 175 cm groß und 65 kg schwer.
Der Tote hat blondes Haar, welches durch die Tat blutverkrustet ist. Außerdem finden sich noch immer Halme vom Stroh in ihm wieder. Seine Haut ist ebenfalls blutbefleckt.
Mehrere Hämatome erkennt man auf seinem Gesicht. Sie wurden alle durch einen schweren, runden Gegenstand zugefügt. Sie haben ein unregelmäßiges Muster.
Neben der Leiche wurde ein blutbefleckter Hammer gefunden. Vieles spricht dafür, dass dies die Tatwaffe war. Er besitzt auf der Schlagfläche eine ähnliche Musterung wie die Hämatome.
Die Stirn ist eingeschlagen und umgeben von weiteren Hämatomen. Ein Auge ist durch die Prellung zugeschwollen. Auch hier finden sich die Musterungen wieder.
Der schwere Schlag auf die Stirn lässt sich als Todesursache identifizieren.
Die Leiche hat im Kopfbereich viel Blut verloren. Das meiste Blut scheint im Boden versunken zu sein.
Des weiteren finden sich Stücke der Stirnknochen neben der Leiche.
Die Leiche wurde im Stall des Hofs gefunden. Sie war bis über die Knie in einem Heuhaufen versteckt.
Foto aus der Kriminalakte.
Die Handgelenke weisen Spuren eines Kampfes auf. Der Handrücken und die Innenseiten sind mit Schwielen überzogen.
Dies sind wahrscheinlich Zeichen der harten Hofarbeit. Außerdem befinden sich einige Kratzer auf der rechten Hand.*
Leider fanden sich keine Fingerabdrücke darauf.
Bedauernswerterweise lässt sich wegen der fortgeschrittenen Leichenstarre kein genaues Todesdatum festlegen.
Erschreckend ist die äußerste Brutalität, mit der der Täter vorgegangen ist.
Brief von Heinrich Baumann
Sehr geehrter Herr T.,
Sie wenden sich mit einer wirklich äußerst bizarren Frage an mich. Ich bin Ihr Problem und den Gesamtkontext noch einmal durchgegangen.
Mein Entschluss steht fest. Die von Ihnen genannten Akten sende ich Ihnen gerne zu, aber was die anderen Fragen angeht (…)
Aus den Schulakten von Moritz Hansler von Hofrat Mayer(Klassenlehrer; 1972 verstorben)
Hansler, Moritz
Klasse 6
Moritz zeigt sich leider nicht als sehr gelehriger lernender oder belehrbarer Schüler. Er hat dieses Jahr besondere Schwächen im Rechnen und Schreiben aufgewiesen.
Im Sport- und Werkunterricht zeigt er sich als fleißig, aber ungeduldig. Meistens zeigen seine Arbeiten eher mindere Qualität auf.
Im Religionsunterricht zeigt sich Moritz als gläubiger Junge. Dies endet jedoch, sobald sie Stunde vorbei ist.
Im Mathematikunterricht fällt ihm das Rechnen im Zahlenraum von 40< sehr schwer. Multiplikation und Division sind ihm fast gänzlich fremd.
Seine sprachliche Begabung zeigt sich nur in starken Grenzen. Es wäre dringend nötig den Jungen zu fördern, doch diese Hilfe suchen wir im Elternhaus scheinbar vergebens.
Wir haben (Schrift aufgrund von Kaffeeflecken unleserlich) (…) sollten dringend (…) hat (…) Schule.
Das Sozialverhalten von Moritz ist gespalten. Seinen Freunden gegenüber ist er treu und loyal. Lehrer respektiert er jedoch kaum. Meistens benimmt er sich im Unterricht unmöglich oder schläft gar.
Einige Male wurde er des Diebstahls von Geldern aus Lehrer- und Schülertaschen verdächtigt, aber wir konnten ihm nie etwas nachweisen.
Seine körperliche Hygiene ist schon des öfteren negativ aufgefallen. Ungepflegte Nägel, Körpergeruch und ungewaschene Haare sind nur einige der Unzufriedenheiten, die man nennen muss.
Entsprechende Unterhaltungen mit den Eltern des Schülers zeigen bis dato keine Wirkung.
Aus der Schulakte. Fotografie von Moritz Hansler. Original aus einem Klassenfoto. Digital bearbeitet.
Datum der Aufnahme unbekannt.
Aus der Vernehmung von Gabriele Hansler und Udo Hansler
Reinschrift des Vernehmungsprotokolls.
Anwesend sind Komissar Friedwart, Gabriele Hansler (Mutter des Opfers) und Udo Hansler (Vater des Opfers)
K (Komissar Friedwart)
G (Gabriele Hansler)
U (Udo Hansler)
K: Wie fühlen Sie sich?
U: Wie verdammt sollen wir uns fühlen? Unser verdammter Sohn ist tot!
G: Udo....
U: Was Udo?! WAS?! DIESER KLEINKARRIERTE A***H!?! ER FRAGT MICH WIE ICH MICH FÜHLE?!
K: Herr Hansler, ich kann Ihre Trauer verstehen, aber ich muss Sie bitten, sich zu beruhigen.
G: Hörst du es, Udo? Der Herr Kommissar will uns doch nur helfen.....
K: Ihre Frau hat völlig recht und es tut mir leid, wenn ich taktlos war.
U: Ja, ist schon gut.
K: Dann können wir fortsetzen? Sehr schön. Wie haben Sie vom Tod ihres Sohnes erfahren?
G: Der Heckelmann hat uns angerufen. Er hat gesagt, wir sollen unbedingt ins Dorf kommen. Da habe ich schon gewusst das etwas nicht stimmt. Warum sollte er uns denn bitte so dringend zurückwollen?
U: Das Weib war ganz aufgeregt, als sie mir von dem Anruf erzählte. Wir haben sofort gepackt und ich habe dem Alois gesagt, dass er ein wenig auf den Hof achten soll. Wir sind dann sofort los.
K: Wie ist Ihr Sohn auf den Hof der Familie Vogelsang gekommen?
U: Er war für die Schule zu blöd.
G: Udo!
U: Ist doch wahr! Ein Nichtsnutz war er! Hat es nie zu etwas gebracht. Nichtmal vernünftig lesen und schreiben konnte er!
Eine wahre Schande!
G: Du warst immer sehr hart zu ihm....
U: Und du zu weich! Wenn wir an einem Strang gezogen hätten, dann wäre er sicher jetzt nicht....
G: Tot? Du hast ihn doch quasi an den Alfons verkauft! Du hast ihn umgebracht.
U: Was sagst du da? WAS SAGST DU DA?!
K: Herr Hansler, bitte so beruhigen Sie sich doch! Sie haben also ihren Sohn an den Vogelsang-Bauer vermittelt.
U: Wir waren zusammen in der Schule und er brauchte einen Burschen für seinen Hof, da hab ich ihm meinen gegeben. Zu mehr ist der eh nicht zu gebrauchen!
Foto aus den Archiven des Neuen Blatts. Nicht verwendetes Foto von der Beerdigung Moritz Hanslers.
Aus dem Tagebuch von Maria Lämmer 26.11.89
Ich habe nicht viel Zeit, aber ich muss meine Gedanken zu diesem Vormittag eben festhalten. Gleich will Sarah mit mir zum Pfarrer um mit ihm die Grabrede durchzugehen.
Ich war heute Mittag in der alten Schule.
Der Lehrer von damals ist nicht mehr da, aber ein neuer Mann. Er heißt Baumann und ist ein echter Gockel auf dem Mist.
Nun ja, ich habe ihm ein wenig Honig um den Mund geschmiert, ihm erzählt, dass ich auch Lehrerin bin und all sowas, da hat er mich dann in die Unterlagen gucken lassen. Da war echt eine Akte über den Jungen.
Was ich da lese ist eine Schande! Der Lehrer sieht in ihm nur den Torfkopf und seine Eltern interessieren sich nicht einmal für ihn.
Da helfen dann auch keine halbherzigen Versuche, mit den Eltern über seine Hygiene zu sprechen! Beim Baumann konnte ich dann auch gleich ins Internet. Er hat mir die öffentlichen Verhörprotokolle und Obduktionsberichte ausgedruckt.
Die haben ihren Sohn abgeschoben und so zum Tode verurteilt! Das mag damals eine andere Zeit gewesen sein, aber trotzdem haben sich die Eltern schuldig gemacht!
In einem der Protokolle, die ich bisher gelesen habe, ist auch Mamas Name gefallen, aber dazu später.
Ich muss runter.
Seele Christi, heilige mich,
Leib Christi, rette mich,
Blut Christi, tränke mich,
Wasser der Seite Christi, reinige mich
-Aus dem Anima Christi-
* * * * *
Das war der erste Teil von Blutschande.
Ich würde mich über Feedback (vorallem positives ;D) freuen ^__^ Seit nicht zu hart zu mir, es ist meine erste Fotostory =D
ich bin Madame Lulu und ihr lest meine erste Fotostory:

Prolog
Ich bin nicht die Person von der diese Geschichte handelt, das sollte ich wohl zu aller erst klarstellen.
Bevor ich anfange, sollte ich aber ein wenig über mich erzählen. Mein Name ist Alexander T. und ich bin Lehrer für Deutsch und Biologie an einem Gymnasium in München.
Ich bin 38 Jahre alt, habe ein gesundes Sozialleben und bin kein Mensch mit sonderlich nennenswerten Interessen, aber als ich den Nachlass meiner Kollegin Maria Lämmer sortierte entdeckte ich ein Tagebuch, das meine Aufmerksamkeit weckte und die Basis dieser Aufarbeitung darstellt.
Ich sollte wohl kurz erzählen wie es zu dem Tagebuchfund kam.
Maria und ich unterrichten zusammen eine 12. Klasse als Klassenlehrer. Keine leichte Aufgabe, aber es bereitet mir große Freude.
Mit Maria hatte ich in meiner Laufbahn eigentlich wenig zu tun. Wir verstanden uns gut, aber der Kontakt war nie sonderlich tiefgehend.
An einem Morgen, vor ca. sechs Wochen bekam ich einen Anruf von einem Kommissar. Ich wurde auf die Wache eingeladen und man erzählte mir, dass Maria ermordet worden sei.
Ich war total entsetzt und der Herr Kommissar setzte noch einen drauf. Ich war der Testamentsvollstrecker! Nach dem Verhör fuhr ich mit dem Auto zu Marias Anwalt, der mir meine Pflichten erklärte. Er übergab mir auch einen Wohnungsschlüssel.
Ich war schon ein paar mal bei ihr gewesen und so kannte ich die Wohnung schon.
Am nächsten Morgen fuhr ich also zu Marias Wohnung. Die Polizei war hier gewesen, doch sie hatte kein sonderliches Chaos angerichtet.
Ich streifte ziellos durch die Wohnung. Immer wieder musste ich daran denken, dass Marie hier noch vor einigen Wochen gelebt hatte. Schließlich fand ich ihr Arbeitszimmer.
Ich beschloss einige ihrer Unterlagen mitzunehmen. Ich fand einen Stapel korrigierte Klassenarbeiten und einige Namenslisten, die ich einpackte.
Rastlos sah ich mir auch noch die restliche Wohnung an und da fiel es mir auf. Trotz der gewissen Unordnung, die die Polizei hinterlassen hatte, wirkte alles gerade zu perfekt aufgeräumt. Es war, als ob Marie in den letzten Tagen vor ihrem Tod nicht mehr zu Hause gewesen wäre.
Ich suchte etwas, was meine Theorie bestätigte und tatsächlich fand ich es. In ihrem Schlafzimmer stand ein Koffer. Er war untersucht worden, doch sie hatten ihn für uninteressant befunden.
In mir kämpften zwei Gewalten: Neugier und Scham. Konnte ich den Koffer meiner toten Kollegin durchsuchen? Am Ende siegte die Neugier. Ich klappte den Koffer auf. Innen lagen nur einige Stapel Kleider und oben auf ein Buch und ein Schlüsselbund. Das Buch war schlichte Reiseliteratur, aber der Schlüssel weckte mein Interesse. Ich nahm ihn und setzte mich auf das Bett.
Ein Großteil der Schlüssel war mir bekannt. Es waren die Schlüssel für Tür und Tor in unserer Schule. Daneben waren noch ein Autoschlüssel und ein Wohnungsschlüssel. Übrig blieb nur ein Schlüssel. Er war unauffällig, klein, aber ich konnte ihn keinem Schloss in der Schule zuordnen.
Er musste also zu einem Schloss in der Wohnung gehören.
Für das, was ich nun tat, schäme ich mich sogar etwas. Ich habe schamlos die Wohnung durchsucht, die Schränke ausgeräumt, sogar die Wände abgeklopft. Fündig wurde ich in der Küche. Ich fand in einem Küchenschrank ein Kästchen. Es war ungefähr so lang wie ein Laib Brot und so groß wie ein Salzstreuer.
Innen fand ich das wieder, was mich zu diesem Bericht inspiriert hat. Ein Tagebuch. Das Tagebuch von Maria Lämmer.
Im folgenden werde ich nun die Geschichte Marias wiedergeben, wie ich sie aus diesen und weiteren sehr detaillierten Informationen rekonstruieren konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander T.

Ein Foto aus meinem Privatbesitz. Es zeigt Maria Lämmer und mich während eines Elternabends.
Erster Teil
Moritz Hansler
Ewige Ruhe schenke ihnen, o Herr!
Und das ewige Licht leuchte ihnen!
Lasse sie ruhen in Frieden.
Amen.
-Litanei für Verstorbene-
Brief von Sarah Markward an Maria Lämmer
Liebe Maria, Ober Gissing der 24.11.89
Ich weiß nicht wie ich so etwas schreiben soll, aber es gibt etwas, das du wissen musst. Deine Mutter ist heute Morgen nach einer längeren Krankheit gestorben.
Es wäre wohl das Beste, wenn du so schnell wie möglich zu uns kommen würdest. Du kannst bei uns wohnen und essen.
Ich hoffe du bist damit einverstanden, dass wir, also ich und mein Mann Jörg, die Organisation der Beerdigung übernommen haben. Du kannst alles mit Pastor Berg noch einmal besprechen, wenn du angekommen bist.
Alle aus dem Dorf wollen zur Beerdigung kommen.
Deine Mutter war sehr beliebt.
Ilse ist mir und Jörg die ganze Zeit eine treue Hausmagd und eine gute Freundin gewesen, deswegen ist es uns ein großer Wunsch dir mit allem, was uns zur Verfügung steht zu helfen.
Es tut mir auch leid, das wir dich nicht angerufen haben, aber bei uns im Dorf gibt es wegen dem Schnee im Moment kein Telefon und so bleibt uns nur der Briefweg.
Wenn du kommst, kannst du bleiben so lange du willst. Wir haben dich gerne als Gast bei uns.
Die Gedanken aller Dorfbewohner sind in diesem schweren Moment bei dir.
Deine,
Sarah Markward

Foto der Leiche von Ilse Lämmer. Aufgenommen von Dr. Hinzius am 24.11.89
Tagebucheintrag vom 25.11.1989
Jetzt ist das geschehen, was mir immer Angst gemacht hat. Mutter ist gestorben. Und ich? Ich fühle nichts. Ilse Lämmer war mir nie eine wahrhaftige Mutter. Was soll sie für eine Mutter gewesen sein? Mit einem Jahr bin ich mit Vater nach München gezogen.
Mutter habe ich einmal im Jahr gesehen, wenn sie zu meinem Geburtstag nach München kam. Je älter ich wurde, desto seltener wurden die Besucher.
Vor 15 Jahren haben wir uns das letzte Mal gesehen. Von da an schrieben wir nur noch Briefe.
Es gab Phasen in denen ich zu ihr wollte, doch sie wies mich immer ab.
Jetzt komme ich doch zurück nach Ober Gissing und es fühlt sich fast so an, als ob ich heimkehren würde. Nach Hause in ein nie gelebtes Leben.
Ich muss gestehen, ich freue mich sogar ein wenig das Dorf wieder zu sehen und ich bin heilfroh mich nicht um die ganzen Beerdigungsangelegenheiten kümmern zu müssen.
Was bin ich für eine Tochter, die sich nicht mal überwinden kann, die Beerdigung der Mutter zu übernehmen?
Was sollte ich denn schon sagen? Meine Mutter ist eine Fremde und mehr weiß ich nicht. Sie hat Jahr und Tag für die Markwards gearbeitet und mich dabei fast völlig vergessen.
Ich danke Frau Markward für ihre Hilfe.
Draußen vor dem Zugfenster sehe ich den Bahnhof von Stuffingen. Ich muss aussteigen und mir ein Taxi bis zum Dorf nehmen.

Foto aus der Regionalzeitung Neues Blatt.
Familie Markward in ihrem Tante Emma Laden. Von links nach rechts: Marina Markward (25); Jörg Markward (63) und Sarah Markward (65)
Interview mit Frau Markward
M (Markward)
I (Interviewer)
Folgendes Interview wurde am 03-01-90 per Telefon aufgezeichnet.
M: Markward hia.
I: Guten Tag, mein Name ist Alexander T. Ich rufe an wegen einer Bekannten von mir. Maria Lämmer.
M: De Marie? Oh des is echt a schlimme Gschicht
I: Ja, ich weiß. Frau Lämmer und ich waren Arbeitskollegen. Ich habe ihr Tagebuch gefunden und versuche die letzten Tage zu rekonstruieren. Können sie mir helfen?
M: Hmm, schadn konn es wohl ned mehr. Sie wissn üba de Gschichte von da Marie bescheid? Ihre Muada hod bei uns im Doaf gelebt. Sie wurd schwanga und is mit ihrem Mann nach Münchn, aba dann stand sie plötzli wieda voa da Tür. Sie hod bei uns imma fleißig g'arbeitet.
I: Und wie ist Frau Lämmer gestorben?
M: Sie meina sicha de Ilse. De war schon lange krank. Sie hod Krebs, aba sie woite si ned behandeln lassn. Sie war so lange bei uns, da war es für mi und Jörg, des is mein Mann, selbstverständli, dass sie bei uns bleibt und mia sie pflegn.
Ois sie dann gstoabn is, gob es oan schwern Schneesturm und mia konntn de Marie ned oruffa. I hob ihr dann oan Brief gschickt und oan Dog späta stand sie voa da Tür. I war so Überrascht, ois sie da stand, aba aa glückli. Man hod glei de Muada in ihrem Gsicht wiedererkannt.
I: Sie haben Maria bei sich wohnen lassen?
M: Ja, as war ja aa selbstverständli. Mia hobn ihr a Bett gerichtet in unsam Gastzimma und gegessn hod sie aa bei uns.
Mia woitn am nähstn Dog de Sachn ihra Muada aussoatiern.
I: Sie wollten?
M: As war etwas komisch. Mia hobn am Obnd zuasamma gsessn in da Stube´n und hobn Blaubeerkuchn gegessn. I backe den selbst, wissn Sie? Und de Marie hod ihn aa gemocht. Oiso mia hobn da so gsessn und unsan Kuchn gegessn, da sogte de Marie plötzli. „Du, Tante Sarah i glaub mia machn as moagn doch ned mit Mamas Sachn.“
I hob sie ganz verwirrt ogesehn, aba dann dachte i mir, de Gloae is sicha noch ned üba den Tod ihra Muada hinweg.
I: Was hat sie an diesem Abend noch gemacht?
M: Da war nix weida. Sie is dann recht früh houch in ihr Zimma gegangn. War ja aa a schäbbigs Wetta an dem Dog. So nasskalt und windig! Richtigs Ekelwetta! Da mächte man si nur ins Bett kuscheln und a wenig lesn.

Aus dem Familienalbum der Markwards. Ilse Lämmer und Sarah Markward in der Stube. Aufgenommen Mai ´51
Aus dem Tagebuch von Marie Lämmer 25.11.89 Nachtrag
Es ist komisch so nah an meiner Mutter zu sein. So nah an diesem Leben, das ich hätte leben können und das ich dann doch nicht gelebt habe.
Eigentlich wollte ich schon längst im Bett sein. Draußen ist ein grausames Wetter, aber es spiegelt meine Laune wieder.
Ich habe Frau Markward, Tante Sarah, gesagt das ich morgen noch nicht Mamas Sachen ausmisten will. Sarah ist eine wirklich nette Frau, aber auch sehr aufdringlich. Sie hat es mir quasi aufgezwungen sie Tante Sarah zu nennen und nicht Frau Markward. Als ob sie schon immer Mamas Freundin gewesen sei und ich sie auch kennen würde.
Naja sie meint es wohl gut und sie sind ja auch alle furchtbar lieb zu mir. Sogar einen furchtbar drögen Blaubeerkuchen hat sie mir zu Ehren gebacken.
Als ich meine Sachen heute Mittag ausgepackt habe, ist mir etwas ganz interessantes aufgefallen. Es ist eine Holzkiste mit lauter Zeugs. Zeitungsartikeln und so.
Ich habe die Sachen aus der Kiste geholt und werde sie mir heute einmal anschauen. Vielleicht erfahre ich auf diese Weise einmal mehr über meine Mutter.

Gefunden nach dem Tod von Jörg Markward im Jahr ´95 hinter einem Bett. Es zeigt die verstorbene Ilse Lämmer und Sarah Markward im Gästezimmer des Hauses, das später auch Maria bezog.
Aus dem Neuen Blatt vom 02.12.1954
GRAUSAMER SIEBENFACHER MORD IN OBER GISSING

Der alte Hof, Ober Gissingen Region Stuffingen
Ober Gissing/Region Stuffingen
Hinter den Tannen des Einerwaldes in den Bergen von Stuffingen verbirgt sich ein kleiner Berghof. Bei den Bewohnern von Ober Gissing wird dieser Hof auch der alte Hof genannt und alt muss er sein. Denn die ersten Bauern haben ihn 1836 gegründet.
Vor zwei Tagen wurde auf eben jenem historischen Hof eine ganze Familie ausgelöscht.
Alle Bewohner des alten Hofes wurden innerhalb der letzten vier Tage von einem oder mehr Tätern ermordet.
Die genauen Beweggründe der Tat sind im Moment noch nicht aufgeklärt, aber die Polizei nimmt jeden Hinweis dankend an.

Fotografie aus dem Besitz Maria Lämmers. Ursprung unbekannt. Die Familie Vogelsang. Von links nach rechts: Alfons Vogelsang (65); Magda Vogelsang (54); Angelika Hauser geb, Vogelsang (31); Auf ihrem Arm Bernhard Vogelsang (2); Tom Hauser (12); Annie Hauser (10)
Auf der Rückseite in Marias Handschrift:
Mama? War das der Grund?
Zweiter Nachtrag vom 25.11.89
Ich habe alle Zeitungsartikel in dem Kästchen gelesen. Alle drehen sich um die Morde auf dem alten Hof. Ich kann mich an ein Gespräch zwischen Mama und Papa erinnern. Da sagte sie zu ihm: „Jetzt ist unser schönes, ruhiges Dorf zu einem Morddorf geworden. Sie kommen alle wie die Parasiten. Reporter, Polizisten, all dein Pack hier aus München.“
Mama hat zu der Zeit also schon hier gelebt. Sie hat das alles mitbekommen. Wollte sie deswegen, dass ich nie zu ihr komme? Wusste sie etwas? Hat sie dieses Wissen zu einer solchen Einsiedlerin gemacht? Ich muss mit Sarah morgen darüber sprechen. Unbedingt! Ich muss herausfinden was es hiermit auf sich hat.
Interview mit Frau Sarah Markward II
I: Wie war der nächste Morgen?
M: Mia müssn imma früh aufstehn, wissn sie? Da Ladn führt si ned von allein, aba ois i am Moagn in de Küche kam, um Frühstück zua machn, da saß Maria schon am gedecktn Tisch. Sie war a wenig nervös, des weiß i noch. Mia hobn dann zuasamma gegessn. Jörg frühstückt ned und Marina schläft um de Uhrzeit noch.
Mia hobn dann hald zusamma gegessn. I hob des Gefühl, sie hätt etwas auf dem Herzn und da frogte i sie. Mariechn schin ganz fröhli zua sei, dass i ihr de Froge obnahm.
Sie frogte mi, ob ihre Muada jemals oan Grund g'nannt hätt, warum sie Marie ned bei si hobn woite.
I hob zua erst gezögert, doch dann hob i ihr zuamindest etwas erzählt.
Ois Ilse im 3 Monad war, da wurdn auf dem oitn Hof olle Leut umbracht. Es war grausam! Wirkli grausam! Jeda kannte de Familia Vogelsang und es warn nette Leut. Am moagn, da han mein Mann da Jörg, da Schlittna-Wirt und da Bürgrmeista Heckelmann raus zum Hof. Sie fandn den Oifons mittn auf dem Hof liagn. Es war wirkli obscheili! Sie hobn dann zuasamma as ganze Grundstück durchsucht. überoi warn Leichn! Mein Mann hod des nie verkraftet.
Am nächstn Moagn wurdn Ilse und i dann zuam Bahnhof gschickt. Mia soitn für de Polizei de Eltern des Stoiburschens obholn. Der Kerl war imma so freindli gewesn.
Moaritz Hansla hieß da Bursch. De Hanslers hobn früha hia gewohnt, aba sie han dann umgezogn. In a anders Doaf, weil da Oite woandas an Hof gekauft hod.
Den Buam hobn sie aba da gelassn.
Da fällt mir was af! Maria hod mi gefrogt, ob sie mehr üba den Junga im Doaf heraus findn könnt. I hob ihr gsogt, sie soi si beim Schullehra meldn, da würde sicha de eine oda andere Infoamation aus den oitn Schulaktn hobn.
Aus dem Obduktionsbericht der Hofmorde
Name: Hansler
Vorname: Moritz

Es handelt sich bei dem Toten um einen ca. 27 Jahre alten jungen Mann von schlanker Statur. Er ist 175 cm groß und 65 kg schwer.
Der Tote hat blondes Haar, welches durch die Tat blutverkrustet ist. Außerdem finden sich noch immer Halme vom Stroh in ihm wieder. Seine Haut ist ebenfalls blutbefleckt.
Mehrere Hämatome erkennt man auf seinem Gesicht. Sie wurden alle durch einen schweren, runden Gegenstand zugefügt. Sie haben ein unregelmäßiges Muster.
Neben der Leiche wurde ein blutbefleckter Hammer gefunden. Vieles spricht dafür, dass dies die Tatwaffe war. Er besitzt auf der Schlagfläche eine ähnliche Musterung wie die Hämatome.
Die Stirn ist eingeschlagen und umgeben von weiteren Hämatomen. Ein Auge ist durch die Prellung zugeschwollen. Auch hier finden sich die Musterungen wieder.
Der schwere Schlag auf die Stirn lässt sich als Todesursache identifizieren.
Die Leiche hat im Kopfbereich viel Blut verloren. Das meiste Blut scheint im Boden versunken zu sein.
Des weiteren finden sich Stücke der Stirnknochen neben der Leiche.
Die Leiche wurde im Stall des Hofs gefunden. Sie war bis über die Knie in einem Heuhaufen versteckt.

Foto aus der Kriminalakte.
Die Handgelenke weisen Spuren eines Kampfes auf. Der Handrücken und die Innenseiten sind mit Schwielen überzogen.
Dies sind wahrscheinlich Zeichen der harten Hofarbeit. Außerdem befinden sich einige Kratzer auf der rechten Hand.*
Leider fanden sich keine Fingerabdrücke darauf.
Bedauernswerterweise lässt sich wegen der fortgeschrittenen Leichenstarre kein genaues Todesdatum festlegen.
Erschreckend ist die äußerste Brutalität, mit der der Täter vorgegangen ist.
Brief von Heinrich Baumann
Sehr geehrter Herr T.,
Sie wenden sich mit einer wirklich äußerst bizarren Frage an mich. Ich bin Ihr Problem und den Gesamtkontext noch einmal durchgegangen.
Mein Entschluss steht fest. Die von Ihnen genannten Akten sende ich Ihnen gerne zu, aber was die anderen Fragen angeht (…)
Aus den Schulakten von Moritz Hansler von Hofrat Mayer(Klassenlehrer; 1972 verstorben)
Hansler, Moritz
Klasse 6
Moritz zeigt sich leider nicht als sehr gelehriger lernender oder belehrbarer Schüler. Er hat dieses Jahr besondere Schwächen im Rechnen und Schreiben aufgewiesen.
Im Sport- und Werkunterricht zeigt er sich als fleißig, aber ungeduldig. Meistens zeigen seine Arbeiten eher mindere Qualität auf.
Im Religionsunterricht zeigt sich Moritz als gläubiger Junge. Dies endet jedoch, sobald sie Stunde vorbei ist.
Im Mathematikunterricht fällt ihm das Rechnen im Zahlenraum von 40< sehr schwer. Multiplikation und Division sind ihm fast gänzlich fremd.
Seine sprachliche Begabung zeigt sich nur in starken Grenzen. Es wäre dringend nötig den Jungen zu fördern, doch diese Hilfe suchen wir im Elternhaus scheinbar vergebens.
Wir haben (Schrift aufgrund von Kaffeeflecken unleserlich) (…) sollten dringend (…) hat (…) Schule.
Das Sozialverhalten von Moritz ist gespalten. Seinen Freunden gegenüber ist er treu und loyal. Lehrer respektiert er jedoch kaum. Meistens benimmt er sich im Unterricht unmöglich oder schläft gar.
Einige Male wurde er des Diebstahls von Geldern aus Lehrer- und Schülertaschen verdächtigt, aber wir konnten ihm nie etwas nachweisen.
Seine körperliche Hygiene ist schon des öfteren negativ aufgefallen. Ungepflegte Nägel, Körpergeruch und ungewaschene Haare sind nur einige der Unzufriedenheiten, die man nennen muss.
Entsprechende Unterhaltungen mit den Eltern des Schülers zeigen bis dato keine Wirkung.

Aus der Schulakte. Fotografie von Moritz Hansler. Original aus einem Klassenfoto. Digital bearbeitet.
Datum der Aufnahme unbekannt.
Aus der Vernehmung von Gabriele Hansler und Udo Hansler
Reinschrift des Vernehmungsprotokolls.
Anwesend sind Komissar Friedwart, Gabriele Hansler (Mutter des Opfers) und Udo Hansler (Vater des Opfers)
K (Komissar Friedwart)
G (Gabriele Hansler)
U (Udo Hansler)
K: Wie fühlen Sie sich?
U: Wie verdammt sollen wir uns fühlen? Unser verdammter Sohn ist tot!
G: Udo....
U: Was Udo?! WAS?! DIESER KLEINKARRIERTE A***H!?! ER FRAGT MICH WIE ICH MICH FÜHLE?!
K: Herr Hansler, ich kann Ihre Trauer verstehen, aber ich muss Sie bitten, sich zu beruhigen.
G: Hörst du es, Udo? Der Herr Kommissar will uns doch nur helfen.....
K: Ihre Frau hat völlig recht und es tut mir leid, wenn ich taktlos war.
U: Ja, ist schon gut.
K: Dann können wir fortsetzen? Sehr schön. Wie haben Sie vom Tod ihres Sohnes erfahren?
G: Der Heckelmann hat uns angerufen. Er hat gesagt, wir sollen unbedingt ins Dorf kommen. Da habe ich schon gewusst das etwas nicht stimmt. Warum sollte er uns denn bitte so dringend zurückwollen?
U: Das Weib war ganz aufgeregt, als sie mir von dem Anruf erzählte. Wir haben sofort gepackt und ich habe dem Alois gesagt, dass er ein wenig auf den Hof achten soll. Wir sind dann sofort los.
K: Wie ist Ihr Sohn auf den Hof der Familie Vogelsang gekommen?
U: Er war für die Schule zu blöd.
G: Udo!
U: Ist doch wahr! Ein Nichtsnutz war er! Hat es nie zu etwas gebracht. Nichtmal vernünftig lesen und schreiben konnte er!
Eine wahre Schande!
G: Du warst immer sehr hart zu ihm....
U: Und du zu weich! Wenn wir an einem Strang gezogen hätten, dann wäre er sicher jetzt nicht....
G: Tot? Du hast ihn doch quasi an den Alfons verkauft! Du hast ihn umgebracht.
U: Was sagst du da? WAS SAGST DU DA?!
K: Herr Hansler, bitte so beruhigen Sie sich doch! Sie haben also ihren Sohn an den Vogelsang-Bauer vermittelt.
U: Wir waren zusammen in der Schule und er brauchte einen Burschen für seinen Hof, da hab ich ihm meinen gegeben. Zu mehr ist der eh nicht zu gebrauchen!

Foto aus den Archiven des Neuen Blatts. Nicht verwendetes Foto von der Beerdigung Moritz Hanslers.
Aus dem Tagebuch von Maria Lämmer 26.11.89
Ich habe nicht viel Zeit, aber ich muss meine Gedanken zu diesem Vormittag eben festhalten. Gleich will Sarah mit mir zum Pfarrer um mit ihm die Grabrede durchzugehen.
Ich war heute Mittag in der alten Schule.
Der Lehrer von damals ist nicht mehr da, aber ein neuer Mann. Er heißt Baumann und ist ein echter Gockel auf dem Mist.
Nun ja, ich habe ihm ein wenig Honig um den Mund geschmiert, ihm erzählt, dass ich auch Lehrerin bin und all sowas, da hat er mich dann in die Unterlagen gucken lassen. Da war echt eine Akte über den Jungen.
Was ich da lese ist eine Schande! Der Lehrer sieht in ihm nur den Torfkopf und seine Eltern interessieren sich nicht einmal für ihn.
Da helfen dann auch keine halbherzigen Versuche, mit den Eltern über seine Hygiene zu sprechen! Beim Baumann konnte ich dann auch gleich ins Internet. Er hat mir die öffentlichen Verhörprotokolle und Obduktionsberichte ausgedruckt.
Die haben ihren Sohn abgeschoben und so zum Tode verurteilt! Das mag damals eine andere Zeit gewesen sein, aber trotzdem haben sich die Eltern schuldig gemacht!
In einem der Protokolle, die ich bisher gelesen habe, ist auch Mamas Name gefallen, aber dazu später.
Ich muss runter.
Seele Christi, heilige mich,
Leib Christi, rette mich,
Blut Christi, tränke mich,
Wasser der Seite Christi, reinige mich
-Aus dem Anima Christi-
* * * * *
Das war der erste Teil von Blutschande.
Ich würde mich über Feedback (vorallem positives ;D) freuen ^__^ Seit nicht zu hart zu mir, es ist meine erste Fotostory =D
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