Das ende der eulen
ich spreche von eurem nicht,
ich spreche vom ende der eulen.
Es geht ihm nicht nur um das Ende der Eulen. Die Eulen stehen meiner Meinung nach symbolisch für die allmähliche Zerstörung und Verdrängung der Natur durch den Menschen.
Ich spreche vom butt und wal
Genau hier bestätigt sich meine Vermutung. Es geht um das Ende von den Fischen und Walen. Der Mensch ist das einzige Wesen, dass sich nicht an seine Umwelt anpasst, sondern seine Umwelt nach seinen Wünschen formt. Er ist nämlich ein unvollkommenes Wesen. Er kann von allem etwas, aber nichts besonders gut. Dafür hat er etwas was ihn bemächtigt: Sein abstraktes Denken, Handeln und Planen.
Der Mensch ist aber auch als einziges Wesenin der Lage, über seine Handlungen und die Folgen nachzudenken. Er kann Situationen beurteilen oder sich fiktive Dinge vorstellen.
Hier sieht man, dass
In ihrem dunklen haus
dem siebenfältigen meer,
Hier ist von den 7 Weltmeeren die Rede.
von den gletschern,
sie werden kalben zu früh,
Eine Idee meinerseits, aber nur eine Idee: Kalben heißt ja so etwas wie ein Kind gebären. Vielleicht weit hergeholt aber: Durch das Eingreifen des Menschen in die Natur hat sich die Erde zusehens erwärmt. Dadurch kann es zum Tauen der Pole kommen...
rab und taube, gefiederten zeugen,
Die Tiere sind Zeugen. Unten erwähnt er es seien stumme Zeugen. Gefiederte Tiere gibt es schon sehr lange. Gar zu Zeiten der Dinosaurier. Sie haben überlebt. Dch sind sie stumme Zeugen und konnten und können nur mit ansehen, wie die Erde sich durch den Einfluss des Menschen verändert hat.
Die größten Sorgen bereiten dem Autor übrigens die rasante maschinelle Entwicklung des Menschen. Zu seiner Zeit waren Atomwaffen gerade neu und beängstigten ihn sehr. Ein Riesiges Machtinstrument mit welchem man die gesamte Erde zerstören kann.
von allem was lebt in den lüften
und wäldern, und den flechten im kies,
Hier berichtet er weiterhin vom Ende der Natur. Das bezieht sich also noch alles auf die erste Zeile. Der Mensch hat die Natur zunehmens zurückgedrängt und die Wälder abgeholzt um sich Wohnraum und Energiequellen zu schaffen. Durch Erfindung der Flugzeuge findet auch eine Verdrängung der Tierwelt in den Lüften statt.
All diese Erfindungen wie Flugzeug, Überwachungssysteme, Atomwaffen beängstigen den Autor sehr. Denn er hat die rasante Entwicklung zu seiner Zeit gesehen und befürchtet, dass es so rasant weitergeht.
vom weglosen selbst, und vom
grauen moor
und den leeren gebirgen.
Leere Gebirge stelle ich mir vor: Ausgestorben - ohne Tiere, ohne Pflanzen -- verdrängt durch den Menschen, gejagt, vernichtet, abgeholzt, vergiftet, ...
Im ersten Teil des Gedichtes spricht er das Ende der Natur an, die Zerstörung des ökologischen Gleichgewichts. Es sind alle Elemente vertreten Luft durch die Eulen, Raben und Tauben; die Ozeane bzw. das Wasser durch Butt und Wal; Kies und Gebirge für die Erde. Über Jahrhunderte hinweg hat sich die Welt in einem gesunden Gleichgewicht befunden. Es hat sich eine Nahrungskette gebildet. Die einen Tiere bilden Vorraussetzung für die anderen. Alles befindet sich im stetigen Kreislauf. Ein Sterben um das Leben des anderen zu ermöglichen.
Dann kam der Mensch - und seine Technik. Welche das Gleichgewicht zerstört. Darauf geht er im zweiten Teil ein.
auf radarschirmen leuchtend
Überwachung der Natur durch den Menschen mit Hilfe von Radar. So kann er das Wetter vorhersagen.
Zudem überwachen sich die Menschen gegenseitig mit Hilfe des Radars vor der drohenden Gefahr: ihren entwickelten Atombomben. 1949 wurde die erste sowjetische Uranbombe gezündet, 1955 die erste sowjetische Wasserstoffbombe. Die Bedrohung Anfang der 60er durch Atomwaffen war alltäglich.
zum letzten mal, ausgewertet
auf meldetischen, von antennen
Hier wird vom Militär ausgewertet wie die Lage ist, ob man die Atomwaffe abfeuern soll und der Zielort wird festgelegt.
tödlich befingert floridas sümpfe
und das sibirische eis, tier
und schilf und schiefer erwürgt
Diese Dinge scheinen besonders von den Waffen bedroht. Hier taucht auch einzig die Natur im zweiten Teil auf. Und diese ist auch noch stark bedroht. Nein nicht nur bedroht sondern sogar
von warnketten umzingelt
eingezäunt und gefangen.
vom letzten manöver, arglos
unter schwebenden feuerglocken
im ticken des ernstfalls
Hier spricht er erstmals richtig den Tod an. Im zweiten Teil steht die Technik im Fordergrund. Auffallend ist, dass hier sehr oft mordlüsterne Worte verwendet werden wie "tödlich befingert", "erwürgt". Damit ist klar, dass für ihn die zunehmende Modernisierung eine tödliche Gefahr darstellt. Es fällt aber auf, dass er nicht Technik wie Fernseher oder ähnliches meint sondern wirklich die Militärtechnik anspricht. Antennen, Meldetische, Manöver, Warnketten -- also militärische Dinge.
Mit den letzten beiden Zeilen meint er wohl die Atombomben. Zu dieser Zeit herrschte der kalte Krieg. Es war ein gegenseitiges Wettrüsten. Im Ernstfall, wenn der Gegner seine Waffe gezündet hat, muss man nur noch auf einen Knopf drücken und die Bombe geht los, schwebt und fliegt über alle hinweg und stürzt schließlich auf die Gegner hinab mit einer lodernden Feuerwolke, der Explosion.
wir sind schon vergessen.
sorgt euch nicht um die waisen,
aus dem sinn schlagt euch
die mündelsicheren gefühle,
den ruhm, die rostfreien psalmen,
ich spreche nicht mehr von euch,
planern der spurlosen tat,
und von mir nicht, und keinem.
ich spreche von dem was nicht spricht,
von den sprachlosen zeugen,
Er spricht von dem was nicht sprechen kann, den sprachlosen Zeugen. Genau das hatten wir schon im ersten Teil. Er macht sich als Sprachrohr für die Natur. Er befürchtet das das Wettrüsten immer weitergeht und es einmal zu dem kommt was er hier in den ersten Zeilen beschreibt: Dass es zu spät sei, dass wir uns nicht mehr sorgen bräuchten, das die spurlose tat schon geplant sei: Das es zu der Tat kommt die keine Spuren mehr hinterlässt: Die Atombomben werden gegenseitig gezündet und zerstören nicht nur die, die sie erbaut haben sondern auch die Natur und die uralten Eulen.
von ottern und robben,
von den uralten eulen der erde.
(von Hans Magnus Enzensberger, aus Wortlaut, ausgabe B)