Kapitel 17 - Keine gute Idee
Kapitel 17 – Keine gute Idee
Am Nachmittag hatte ich ausgeschlafen und fand endlich mal wieder Blumen vorm Haus, aber die beigelegte Karte war leider an Jessica adressiert. Und dann bog Armin auch bereits um die Ecke. "Hi Naike, lange nicht gesehen!"
"Hey Armin, wo hast du denn so lange gesteckt? Komm doch rein!" Ich erkannte den Lover meiner Mitbewohnerin kaum wieder. "Du hast dich ja vielleicht verändert, andere Frisur, Bart – siehst gut aus, markanter als früher."
"Danke! Ja, es war mal Zeit für ein bisschen Veränderung. Man wird ja auch nicht jünger", stellte Armin bedauernd fest.
"Jess, meine Zaubermaus, da bist du ja, grüß dich!" Armin drückte seine Liebste herzlich, und ich beschloss, mich lieber vom Acker zu machen und den beiden ein bisschen Zweisamkeit zu gönnen. "Naike, du brauchst nicht stiften gehen. Trink doch eine Tasse Tee mit uns", schlug Jessica dann aber vor. "Ach übrigens, wo warst du eigentlich die ganze letzte Nacht? Ich hätte dich beinahe suchen lassen."
"Gut, dass du das nicht getan hast. Der Erdboden hatte mich nämlich verschluckt", grinste ich breit. "Trinkt ihr beiden mal in Ruhe euren Tee, ich bin noch ein bisschen matt", erklärte ich zwinkernd. Diese Bemerkung entlockte Jessica ein Seufzen. "Das kann nur eines bedeuten, Armin, sie hat ihren Kerl wieder!" Armin sah sie erschreckt an. "Den Schwerverbrecher etwa?" Jessica entgegnete darauf nichts, sah Armin nur eindringlich in die Augen, schüttelte bestimmt den Kopf und wechselte dann schnell das Thema. Hatte sie etwa dazugelernt? "Jetzt aber zu uns, mein Lieber. Wie siehst du überhaupt aus? Chic, dein neuer Style, wolltest dich mir wohl anpassen, nicht wahr?", zwinkerte sie ihrem lange vermissten Schatz zu und griff vergnügt zur Teekanne, während ich mich auf den Weg ins Schlafzimmer macht, dann jedoch innehielt.
"Jess, bitte warte. Ich glaube, das ist jetzt keine so gute Idee. Ich bin eigentlich nur gekommen, um dir etwas zu sagen", hielt Armin meine Freundin zurück und sah plötzlich bedrückt aus, sprach jedoch ohne zu zögern weiter: "Du, ich bin letzte Woche bei meiner Mutter ausgezogen. Es wurde höchste Zeit, ich hab mich lange genug zum Deppen gemacht."
"Aber das ist doch prima, das hatte ich schon lange gehofft. Wo willst du denn jetzt hin? Zu uns?", fragte Jessica neugierig. "Jess, ich ... ich bin bereits woanders untergekommen, bei einer jungen Frau aus dem Bekanntenkreis. Ich habe sie vor einiger Zeit kennen gelernt, sie hat mich quasi aufgefangen, als es mir nach einem Streit zwischen uns schlecht ging."
Inzwischen war ich auf leisen Sohlen zurück in die Küche gewieselt, aber das Paar nahm keinerlei Notiz von mir. Ich sah, wie Jessica der Atem stockte, und mir fiel die Kartenlegung ein, die sie vor kurzem erwähnt hatte. Da war die Schlange neben ihrem Armin gewesen. Würde sich etwa jetzt bereits herausstellen, dass sie Recht gehabt hatten?
"Was?", rief Jessica entsetzt. "Und zum Dank dafür bist du gleich mit ihr ins Bett gestiegen?" Armin tat entrüstet. "Wer sagt das denn, bitteschön? Nein! So eine ist sie nicht", stellte Armin klar.
"Und was hält dich dann sonst bei der?", blaffte Jessica.
Ich traute meinen Ohren nicht. Was waren denn das für Neuigkeiten, statt eines fröhlichen Wiedersehens? Neugierig, wie ich nun einmal war, räumte ich ein bisschen in der Küche herum, um das Gespräch weiter verfolgen zu können.
Armins Stimme hatte zu zittern begonnen. "Sie hat mich davon überzeugt, dass Magie und Okkultismus der falsche Lebensweg ist, es ist Sünde! Sorry, Jess, aber du bist eine Hexe, das kann ich nicht akzeptieren, auch wenn ich dich noch immer liebe, ehrlich. Es tut mir von Herzen leid." Jessica wurde so blass, wie es bei ihrer dunklen Haut nur möglich war, und ich spürte in mir das dringende Verlangen aufkeimen, Armin für diese absurde und intolerante Aussage eine zu scheuern.
"So so, nicht die richtige Lebensweise? Was ist denn in den Augen deiner … deiner "Freundin" die richtige Lebensweise?", brüllte Jessica ihn an. "Ein gottgefälliges Leben!", antwortete Armin bestimmt. "Ich gehe davon aus, du hast schon mal was von den zehn Geboten gehört?"
"Komm, Armin … geh", winkte Jessica augenblicklich ab und wirkte, wie als hätte er ihr gerade körperlich einen Schlag versetzt. "Wenn du es wirklich so willst, dann geh!"
"Jess, ich ..." Armin kamen tatsächlich die Tränen. Offenbar schien er ernsthaft mit seiner Entscheidung zu hadern. Er machte mit waidwundem Blick einen Schritt auf Jessica zu, doch die zeigte nun unerbittlich Richtung Ausgang. "Adieu, Armin. Da ist die Tür!"
Armin sah sie noch einmal resigniert an und gehorchte dann ohne weitere Erklärungsversuche, schlich wie ein geprügelter Hund aus dem Haus und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.
Natürlich wurde auch im Haus alles unter Wasser gesetzt. Ich war sprachlos und fragte mich, warum so etwas Wunderbares wie die Liebe doch so oft mit Schmerzen und Leid verbunden war. Die Bewältigung dieses Verlustes würde Jessica viel Zeit kosten. Wer wohl diese "Schlange" war, die Armin derart bezirzt hatte? Ich ging ein paar Schritte auf die weinende Jessica zu, doch ich spürte, dass ich sie besser erst einmal ein paar Minuten alleine lassen sollte. Doch dann beobachtete ich, wie ihre Verzweiflung zu grimmiger Entschlossenheit wechselte. Sie ging zum Telefon, nahm zitternd den Hörer von der Gabel und rief die Auskunft an. Sims schienen keinerlei Wert auf Datenschutz zu legen, denn in Nullkommanichts hatte sie Armins neue Adresse beim Einwohnermeldeamt erfragt. Sie kippte sich einen doppelten Eierlikör und machte sich dann, trotz meines eindringlichen Abratens, auf den Weg in die Simlane 9, die zu meinem Entsetzen ganz in der Nähe lag. Das konnte heiter werden ...
Die Simlane 9 war ein halbwegs hübsches, im Vergleich zur Nr. 10 recht großes Haus mit riesiger Garage, vor der gerade ein orangefarbenes Auto parkte. Jessicas Stirn legte sich in Falten. Wem mochte die Schüssel gehören? Würde sie es gleich wissen? Ohne sich auch nur irgendwie zu tarnen oder sonst wie zu verstecken, lief sie schnurstracks auf die Haustür zu und las das in geschwungener, rundlicher Kleinmädchen-Schrift geschriebene Klingelschild: FULLER. Beherzt drückte sie auf den kleinen silbernen Knopf daneben.
Den Bewohnern entging jedoch ihr Klingeln, denn zu diesem Zeitpunkt saßen Armin und seine Neue auf der Terrasse und aßen klebrige Makkaroni mit Käse.
"Habe ich dir heute schon gesagt, dass du bezaubernd aussiehst, Melissa?", flötete Armin.
"Oh, Hasebär, du bist ja ein richtiger Charmeur", lächelte die junge Frau süßlich und fühlte sich zutiefst geschmeichelt.
"Aber
das lässt du bitte", bemerkte sie kurz darauf ermahnend, als er seine Arme um sie legte. "Da gehört das böse Händchen nicht hin, pfui!"
"Och, Melli, das ist doch ganz harmlos. Ich will nur ein bisschen mit dir kuscheln", schnurrte Armin wie ein liebestoller Kater.
"Nein, Armin", sagte Melissa bestimmend, "du kennst meine Prinzipien, insbesondere kein Sex vor Ehe – das ist Sünde!"
"Aber es ist doch keine sexuelle Handlung, wenn ich deinen Po ein bisschen streichle", widersprach er verständnislos. "Jetzt übertreibst du aber!" Melissa drehte ihren Kopf ablehnend zur Seite. "Kein Aber, ich möchte darüber nicht diskutieren. Basta!"
"Ja, ist ja schon gut. Darf ich dich den wenigstens mal drücken?", bat Armin seufzend. Melissa dachte kurz nach, ihr Blick schweifte dabei zum Himmel, dann gab sie seiner Bitte lächelnd statt, während sich der versteckten Person hinter dem Zaun der Magen umdrehte.
Als ich von der Arbeit kam, saß Jess tieftraurig in der Ecke. Mit spärlichen Worten teilte sie mir mit, was sich ihr in der Simlane 9 dargeboten hatte. Ich entschied mich ohne Umschweife, meiner Freundin nach besten Kräften zu helfen, ihren Kerl so schnell wie möglich wieder aus den Fängen der
MJN-Tussi Melissas zu befreien. Aber machte ich damit nicht den gleichen Fehler wie Jess – das Einmischen in fremde Angelegenheiten? Nun merkte ich selbst, wie groß der Drang sein konnte, einer geliebten Person zu helfen, wieder glücklich sein zu können.
"Jess, komm, lass dich nicht hängen, Armin wird früher oder später zurückkommen. Er hat dich von Anfang an aufrichtig geliebt, da bin ich mir ganz sicher. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er jetzt mehr als bloß oberflächlich auf Melissa steht, diese olle prüde Schnepfe mit dieser ... dieser evangelischen Frisur!" Ich schüttelte mich bei dem Gedanken an dieses Friseur-Verbrechen, das ihr irgendein stilfreier Wald- und Wiesenschnibbler verpasst haben musste.
"Aber sie ist viel jünger als ich", jammerte Jessica resigniert.
"Ja und? Armin hat doch gesagt, dass seine Entscheidung mit eurem Altersunterschied nichts zu tun hat. Wenn du mich fragst, hat er hat sich einfach von Melissa und ihrer Truppe einwickeln lassen. Überleg mal, er wohnte bis vor kurzem noch bei seiner Mutter. Denkste, er kommt jetzt so plötzlich ohne Leithammel aus? Bei dir konnte er den nicht kriegen, da du oft schwer einschätzbar bist. Ein Freigeist halt. – Es wird schon wieder, Süße, mach dir mal keinen Kopf."
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Nachdem Jess völlig erschöpft früh zu Bett gegangen war, empfing ich den Mann meines Herzens zum ersten Mal auf dem neu errichteten Heuboden im Wohnraum, der durch seine doch recht stattliche Höhe vor Blicken gut geschützt war. "Du weißt aber schon, dass das hier eine ziemlich wackelige Angelegenheit ist und keinerlei Schallschutz besteht?, gab Adam zu bedenken. "Und warum bist du überhaupt nackt?"
Ich zwinkerte ihm verheißungsvoll zu. "Du hattest dich doch ausnahmsweise mal angesagt. Hätte es sich da gelohnt, angezogen zu bleiben?" Adam lachte amüsiert. "Nee, eher nicht."
"Also, worauf wartest du noch? Fass mich an!"
"Wo ich will?"
"Wo du willst."
"Darf ich auch alles machen, was ich will?"
"Na ja, meine Nase und alles andere, was mir lieb und teuer ist, sollte heile bleiben", bat ich mir aus und sah meinen Freund dabei ein wenig unsicher an, da er mich bereits jetzt von oben bis unten mit Blicken vernaschte.
"
Das kann ich dir unmöglich garantieren", witzelte er, griff mir dann beherzt an den Hintern und zog mich eng an seinen phänomenal maskulin duftenden Körper.
"Dann kannst du eben morgen nicht wiederkommen. Überlege es dir gut!"
"Aber ich gehe doch gar nicht mehr weg. Niemals mehr!"
"Keine Chance", lachte ich, "zur Not lass ich dich abholen!"
"Das wagst du nicht!", drohte Adam gespielt.
Auf dem Heuboden zu rangeln war nicht ganz ungefährlich, leicht hätten wir ins Kippen geraten können, dann hätte Doc Blythe bedeutend mehr zu flicken gehabt, als bei meiner letzten Konsultation. Aber zum Glück ging alles gut, denn wir purzelten auf die weiche Matratze, mit der ich den kleinen Boden ausgestattet hatte, und stießen lediglich vor Übermut mit unseren Köpfen gegen die Wand.
Es fühlte sich an, als hätte er eindeutig mehr als nur zwei Hände, und ich schloss meine Augen, damit mir keine seiner Berührungen entging. Aber was er dann tat, bereitete mir Unbehagen.
"Adam, hör auf, du machst mir Angst!"
"Vertraust du mir nicht?" Ich zögerte und musste schlucken. "Ich würde gerne, aber ..."
"Entspann dich, ma chérie. Glaube mir, es wird dir nichts geschehen." Mir brach der Schweiß aus und mein Herz klopfte hart in meiner Brust. Aber ich konnte nicht anders als mich zu fügen, denn langsam wurde mir bewusst, dass es genau das war, was ich wollte. Diesen Kick, nicht zu wissen, was er mit mir tun würde. Diese vermeintliche Angst zu spüren und doch zu wissen, dass ich absolut sicher bei ihm war.
Jessica war zwischenzeitlich zwar kurz eingenickt, fand aber vor Armin-Kummer nicht in den Tiefschlaf. Aus dem Wohnzimmer bahnten sich seltsame Geräusche den Weg in ihre Ohren. Was mag da wohl vor sich gehen?, fragte sie sich voller Sorge. Sie taperte aus ihrem Schlafzimmer, passierte den Flur, und je näher sie dem Wohnzimmer kam, desto lauter wurde es. Da wurde ihr mit einem Mal klar, dass dies keine Einbrecher waren, und sie in diesem Moment dort so gar nichts zu suchen hatte. Doch dann war es auf einmal ganz still und ein grollendes Unwohlsein breitete sich in ihrer Magengegend aus. War Naike in Gefahr? Hatte Adam ihr etwas angetan? Wäre sie als Nächste dran?
Ihre Gedanken malten schreckliche Bilder in ihrem phantasiebegabten Kopf. Jess überkam ein Gefühl von Schwäche. Sie ließ sich vorsichtig auf das Sofa unter dem Heuboden sinken und hielt dann inne. Es blieb mucksmäuschenstill. Gespenstisch still. Ihre gedanklichen Kreationen nahmen noch krudere Formen an, troffen inzwischen vor Blut, sei meinte es riechen zu können. Kalter Schweiß stand auf ihrem Rücken. Dann hielt sie es nicht mehr aus, sie musste etwas unternehmen!
Todesmutig flink kletterte sie die kleine Holzleiter zum Boden hinauf und war fest entschlossen, Naike – wenn es denn sein musste – unter Einsatz ihres Lebens aus den Fängen des Monsters zu befreien. Als sie oben angekommen war, knarrte es leise unter ihren Fußsohlen und sie erstarrte zur Salzsäule.
*
"Adam? Was ist los?", fragte ich, weil er sich plötzlich mehr rührte. "Nai, ich glaube, ich sehe ein Gespenst. Habt ihr so was hier?" Ich kippte meinen Kopf in den Nacken und erblickte es sofort. Eine völlig aufgelöste Jessica, die nun zu stottern begann: "Oh … äh … Tschuldigung ... tut mir leid ... ich ... ich hab mich so schrecklich gesorgt, weil ... äh ... du solltest doch heute Nacht wieder Schicht haben. Und dann war da … ja also, ich dachte, dir wäre was passiert!"
Ich seufzte tief, konnte mir jedoch ein Grinsen dabei kaum verkneifen. "Jess, können wir das bitte morgen klären. Ich dachte, du schläfst längst!"
"Hab ich ja auch und dann wurde ich wach und ...", jammerte meine Mitbewohnerin in Mitleid erregendem Ton, wie ein kleines Mädchen, dass mitten in der Nacht aufgewacht war und sich nun vor gemeingefährlichen Monstern fürchtete.
Nun räusperte Adam sich. "Liebste Frau Jung, sehen Sie nicht, dass dieser Zeitpunkt ein sehr ungünstiger für ein Pläuschchen ist?" Sein Mund deutete ein verständnisvolles Lächeln an, was mich sehr beruhigte, denn ich hatte schon befürchtet, dass es nun wieder Probleme geben würde. "Jessi, geh' jetzt bitte, ja!", drängelte ich. Jessica nickte kurz noch einmal entschuldigend, machte dann auf dem Absatz kehrt und kletterte hastig die Leiter abwärts. Auf halber Höhe hielt sie aber noch einmal kurz inne und rief: "Und es geht dir wirklich gut, ja?"
"Zieh Leine, Jess!", knurrte ich langsam genervt, und Adam rieb sich kopfschüttelnd die Stirn.
Das war es dann gewesen, die Stimmung war unrettbar gekippt. "Sag mal, warum bist du eben eigentlich so ruhig geblieben? Ich hatte, ehrlich gesagt, damit gerechnet, dass du dich auf sie stürzt und vom Heuboden schubst", sagte ich nicht ganz ernstgemeint, aber Adam schien es durchaus ernstzunehmen. "Jetzt hör doch endlich mal auf, immer so einen Mist von mir zu denken", sagte er genervt.
"Bist du doch selbst schuld!", entgegnete ich nun selbst ein wenig gereizt.
"Ja, verdammt", meckerte Adam, schien aber einsichtig. "Aber ich fand den Zwischenfall irgendwie witzig, auch wenn ich mich zuerst total erschreckt habe, weil sie wie ein Geist aussah!"
In Erinnerung an die köstliche Szene mussten beide lachen.
"Aber mal 'ne ganz andere Frage: Wann darf ich eigentlich mal zu
dir kommen?", wollte ich anschließend wissen.
"Das ist keine gute Idee, Naike. Meine Geschwister streunen ja dauernd durch die Wohnung", kam seine Antwort viel zu schnell.
"Ja, und? Joseph und ... also, deinen Bruder kenne ich doch längst." Beinahe hätte ich mich wieder einmal verplappert. Adam konnte ja nicht wissen, dass ich bereits als Mensch mit seiner Schwester gespielt – ja, sie sogar selbst für das Spiel erstellt hatte! Merkwürdigerweise konnte ich mich aber kaum an die Frau erinnern. Hatte mein Zwilling da etwa mal wieder ihre Finger im Spiel?
"Treffen wir uns doch wieder hier bei dir, ist doch sehr gemütlich. Wir können aber auch gerne in einem Fotofix", begann Adam vom Thema abzulenken.
"Monsieur von und zu Tallis, denken Sie bitte auch mal zwischendurch an etwas anderes?", rief ich entrüstet. "Ich will doch nur deine Familie näher kennen lernen. Besonders Julia. Überlegst du es dir? Bitte!"
Adam runzelte nervös die Stirn. "Lass uns noch ein wenig damit warten, ja?"
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Ich wollte aber nicht warten, warf mich deshalb am nächsten Tag in Schale und stattete naiverweise ohne Ankündigung der Simlane 6, dem Tallis-Haus, einen Besuch ab. Ich staunte über den Luxusbau und den teuren Wagen davor. Sollte das wirklich alles geerbt sein? Welchen Beruf hatte der Vater der Tallis-Geschwister wohl gehabt?
Ein lang gezogener elektronischer Gong ertönte, als ich aufgekratzt den Klingelknopf drückte. Adam öffnete die Tür. "Hallo, ich bin's nur!", stellte ich mich unnötigerweise, und vor Verlegenheit überfröhlich vor.
"Das sehe ich", sagte Adam ernst und schien mein Erscheinen erwartungsgemäß für keine gute Idee zu halten, denn seine Miene blieb ungewohnt ernst.
"Freust du dich denn gar nicht?", fragte ich ihn betrübt.
"Äh ... doch, klar!" Er rang sich ein schiefes Lächeln ab, für das ich ihn schon wieder hätte küssen können. "Aber was hast du da an?"
"Wieso? Ist ganz neu und schön kurz. Jetzt erzähl mir bloß, es gefällt dir nicht."
"Nun ja ... doch, schon", äußerte Adam sich irritiert. "Aber bitte warte mal einen Moment ... ich muss da eben was klären. Komm schon mal rein, aber bleib bitte eine Sekunde im Flur, ja?"
Was sollte das denn nun bedeuten?
Natürlich blieb ich nicht im Flur stehen, sondern wagte mich ein Stück in den Wohnraum hinein, linste vorsichtig um die Ecke und erblickte alle drei Tallis-Geschwister beieinander. Und jetzt wurde auch klar, warum ich hatte warten sollen. "Ach, Naike ... komm doch bitte!", geleitete Adam mich nun höflich hinein. Joseph rief mir ein freundliches Hallo entgegen und schien sich sehr zu freuen, mich zu sehen. Als ich dann aber seine Schwester begrüßte, verfinsterte sich seine Miene.
"Hi, ich bin Nastassja, Adams Schwester!", begrüsste sie mich zurückhaltend freundlich, scannte mich jedoch mit scharfem Blick von oben bis unten ab.
"Freut mich dich kennenzulernen. Es tut mir echt leid, dass ich offenbar im selben Laden war wie du."
"Ach was", winkte sie lachend ab. "Kein Problem. Das konnte doch keine von uns wissen!"
Adam betrachtete uns abwechselnd mit zusammengekniffenen Augen.
"Schlimm, Adam?", neckte ich ihn.
"Quatsch, warum denn? Sowas kommt vor", antwortete er sofort, wirkte aber noch immer alles andere als gelöst. Dann glitt sein Blick hinüber zum Sofa.
"Joe? Bist du so schüchtern oder warum gibst du ihr nicht mal die Hand?", tadelte er daraufhin seinen jüngeren Bruder, der sich umgehend erhob, als hätte er nur auf Adams Erlaubnis gewartet.
"Ich bin überhaupt nicht schüchtern!", protestierte er lächelnd. "Hallo Naike! Schön, Sie wiederzusehen!"
"Du, bitte. Wir haben keinen Grund mehr für Förmlichkeiten.
Joseph nickte zustimmend und setzte dann noch flüsternd nach: "Dir steht der Fummel übrigens besser als Nasti!"
Ich war mir sicher, dass es die beiden anderen auch gehört hatten, so sauertöpfisch, wie sie nun dreinschauten. Peinlich berührt zuckte ich entschuldigend mit den Schultern. "Danke, Joseph, aber deine Schwester ist nun wirklich auch eine äußerst aparte Erscheinung", umschiffte ich seine Bemerkung so galant wie möglich und meinte es auch wirklich ehrlich.
"Das kann ich nicht beurteilen, bin ja nur ihr Bruder", bemerkte Joseph und warf Adam einen scharfen Blick zu. "Aber Adam kann sicher mehr dazu sagen."
Verwirrt sah ich auf, doch plötzlich rief von weiter oben ein zartes Stimmchen: „Papaaa!“
*
Werde ich jetzt erfahren, dass die Tallis-Geschwister ein Geheimnis hüten?
Bleibt Armin tatsächlich bei Melissa?
Und muß sich Jessica für die Zukunft einen Gehörschutz anschaffen?