Kurze Anmerkung zu den Lupenbildern: die sind, wie schon angekündigt, aufgrund des neuen Rechners jetzt 1920x1080 Pixel gross. Bild sechs ist in gross ein Alternativbild, alle anderen zeigen nur mehr als auf dem kleinen zu sehen ist.
Aber Bild sechs würde ich mir schon mal ansehen.
Ich habe versucht, Amintes Gedanken - dass Bilder von bewegten Szenen zwangsläufig sehr statisch rüberkommen - mal aufzugreifen und ein bißchen mehr Bewegung reinzubringen.
Und jetzt wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen! (Endlich
)
Erneut ertönte ein fürchterliches, schrilles Geräusch; es klang, als würden tausende Messer über Glas gezogen.
Es wurde immer lauter und steigerte sich zu einem unerträglichen Crescendo; ich ließ mein Schwert fahren und presste meine Hände auf die Ohren.
Die Erde fing an zu vibrieren, Steine lösten sich aus dem Hügel, Bäume fingen an zu schwanken.
Das Brausen über dem Schlachtfeld hatte sich zu einem Orkan gesteigert, und Blitze zuckten aus den finsteren Wolkenmassen, die sich über dem Hügel auftürmten.
Das helle, goldene Licht, das in das Dickicht eingedrungen war, war plötzlich von Finsternis umgeben und schien sich, begleitet von einem dumpfen Grollen, immer mehr zusammenzuziehen; und je kleiner es wurde, umso heller und strahlender wurde es; so gleißend, dass wir es nicht mehr ansehen konnten.
Und dann schienen das Licht und die Finsternis ineinander aufzugehen und gleichsam zu explodieren.
3
Der Knall, der die Explosion begleitete, war so ohrenbetäubend, dass ich ihn wie einen Schlag vor die Brust spüren konnte; und eine gewaltige Druckwelle fegte uns von den Füßen, ließ die Pferde stürzen, entwurzelte Bäume und Sträucher und wirbelte uns alle durcheinander.
Ein einziger, gewaltiger Blitz fuhr in die Kuppe des Hügels und spaltete ihn; Steine, Erdschollen, Äste und Wurzelwerk flogen wie Geschosse auf uns zu, und instinktiv rollte ich mich so eng wie möglich zusammen und legte die Arme über meinen Kopf.
Mehrere Gesteinsbrocken trafen mich am Oberkörper, und ich konnte mich gerade noch herumwerfen, bevor ein Baumstamm meine Beine zerschmetterte; doch endlich hörte der Geschoßhagel auf.
Benommen kam ich auf die Knie, alles, was ich hören konnte, war ein dumpfes Dröhnen, und ich konnte nicht klar sehen.
Ich schwankte, schüttelte den Kopf, um meinen Blick zu klären, und suchte blinzelnd nach dem Dickicht.
Und dann sah ich ihn.
Für einen kurzen Moment konnte ich ihn klar erkennen.
Ein Mann in einem schwarzen Umhang und mit schwarzer Kapuze stand auf der Spitze des geborstenen Hügels, umgeben von flirrender Luft; völlig unberührt von allem, was um ihn herum vorging.
6 Alternativbild
Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, dass Brayan auf die Füße kam, seinen Langbogen anlegte und in rascher Folge Pfeil auf Pfeil abschoss, aber keiner der Pfeile konnte den Mann erreichen.
Sie prallten einfach ab, als sei er von einem unsichtbaren Schild umgeben.
Und dann war er verschwunden.
Von einem Moment auf den anderen war er fort, als habe es ihn nie gegeben.
Fassungslos starrte ich auf die Stelle, an der ich ihn eben noch gesehen hatte, aber dann durchdrangen Schreie das dumpfe Dröhnen auf meinen Ohren, und rasch drehte ich mich um.
Es war Siegesgeschrei; der Zauber war offensichtlich gebrochen, und die Angreifer, ihrer unnatürlichen Schnelligkeit beraubt, wurden gnadenlos niedergemacht.
7
Hinter mir hörte ich einen Fluch, und Artair, eine Platzwunde auf der Stirn, warf sich auf Nachtwind und preschte zurück zum Schlachtfeld, um das Gemetzel aufzuhalten.
Ich taumelte zu Brayan, der ebenfalls einigermaßen unversehrt zu sein schien.
Er hinkte ein wenig und hatte einen Kratzer auf der Wange, aber ansonsten konnte ich auf den ersten Blick keine größere Verletzung erkennen.
8
Er schloss mich in die Arme, und erleichtert erwiderte ich die Umarmung; dann sah ich mich um.
Zwei der Bogenschützen waren tot, von Steinen erschlagen, zwei weitere verletzt.
Eine erste, rasche Untersuchung zeigte, dass beide in der Lage waren, zu reiten, und so legten wir die Toten über die Sättel ihrer Pferde und ritten zurück.
Dort angekommen, ließ ich meinen Blick über das Schlachtfeld wandern.
Artair war offenbar zu spät gekommen, kein einziger der Angreifer war mehr am Leben; und damit jede Gelegenheit für uns vertan, etwas über das, was hier geschehen war, in Erfahrung zu bringen.
Er schritt durch die Reihen der Verwundeten und Gefallenen, und rasch ging ich zu ihm.
„Neiyra", sagte er, und er klang erleichtert. Kurz strich er mit seinem Daumen über mein Kinn, dann wandte er sich wieder um.
„Ich kann Leodric nicht finden", sagte er grimmig, aber in diesem Moment hörte ich einen lauten Ruf hinter uns, und als wir uns umwandten, sahen wir zwei Männer auf uns zukommen.
9
Der ältere war Leodric, aber beide waren groß und dunkelhaarig und hatten strahlend blaue Augen. Die Ähnlichkeit mit Artair war verblüffend, besonders bei dem jüngeren Mann.
„Artair", sagte Leodric, als sie uns erreicht hatten, und beide umarmten sich.
„Neffe, du bist hochwillkommen", stieß Leodric hervor. Dann schob er Artair ein wenig von sich und sah ihn lange an.
„Du siehst aus wie sie", sagte er leise. „Sie war unser aller Licht."
Dann schüttelte er kurz den Kopf, als wolle er trübe Gedanken abwerfen, und deutete auf den jüngeren Mann an seiner Seite.
„Erinnerst du dich noch an deinen Vetter?"
„Alec", sagte Artair und reichte dem jüngeren Mann die Hand.
„Es ist lange her."
11
Alec ergriff Artairs Hand.
„Sire", sagte er, und Artair hob eine Augenbraue.
„Sie haben uns fast völlig aufgerieben", sagte Leodric, und Zorn loderte aus seinen Augen.
„Wenn ihr nicht gekommen wäret und dem ein Ende gesetzt hättet, wären wir alle verloren gewesen."
Er schüttelte den Kopf. „Aber das muss warten. Zunächst gibt es Dringlicheres."
Und damit hatte er recht.
Die Zahl der Toten und Verwundeten war überwältigend hoch, und mit geübtem Blick suchten Artair und ich diejenigen, die sofortiger Hilfe bedurften.
Aus dem Heerlager eilten die Heiler herbei und halfen uns bei der Versorgung derjenigen, die zu schwer verletzt waren, um sie gleich ins Lager zu bringen.
12
Alle im Heerlager zurückgebliebenen Männer und Frauen schafften Tragen, Decken und Karren herbei, um die übrigen Verwundeten zurück zu schaffen, und der größte Teil der unversehrten oder nur leicht verwundeten Kämpfer half ihnen dabei.
Der Rest der Männer, geführt von Leodric, trennte die Toten von den Verwundeten und begann mit den Bestattungen.
Bei jedem seiner gefallenen Männer kniete Leodric nieder, sprach ein kurzes Gebet und nahm dem Toten behutsam ein Schmuckstück ab; einen Ring, eine Kette, manchmal auch nur einen Knopf oder eine Gürtelschnalle.
Zurück in Caer Umran würde er dieses Andenken der Familie des Gefallenen übergeben.
Es waren viele Knöpfe, Ringe und Gürtelschnallen. Sehr viele.
Als wir für die Schwerstverwundeten getan hatten, was wir konnten, und zurück im Lager, stockte mir der Atem bei dem Anblick, der sich mir bot.
14
Endlose Reihen weiterer Verwundeter, die auf Hilfe warteten.
Ich atmete tief durch und machte mich an die Arbeit.
Gowan trat an meine Seite, er hatte mir schon öfter geholfen, und wir arbeiteten gerne zusammen.
„Du hast dich gut geschlagen", sagte ich zu ihm, und er nickte stumm.
Ich hatte während des Kampfes versucht, hin und wieder einen Blick auf ihn zu werfen, und er hatte sich weder unbesonnen noch übertrieben leichtsinnig verhalten, sondern war meinem Rat gefolgt und hatte sich an dem, was die erfahreneren Kämpfer taten, orientiert.
Als ich kurz den Kopf hob, sah ich Braigh am Rand des improvisierten Krankenlagers stehen.
Er war kreidebleich und starrte auf das Durcheinander, das sich vor seinen Augen ausbreitete.
„Braigh!", rief ich, und er suchte mit seinen Blicken nach mir.
„Komm her! Ich brauche deine Hilfe."
Entschlossen straffte er die Schultern, lief zu mir und kniete sich neben mich.
„Was kann ich tun?", fragte er, seine Stimme war heiser, sein Blick flackerte.
„Drück hier drauf", sagte ich zu ihm, und nach einem kurzen Zögern kam er meiner Aufforderung nach.
Erleichtert sah ich, dass sich sein Atem schon bald beruhigte und er wieder Farbe bekam.
Nichts half besser gegen den unvermeidlichen Schock nach der ersten Schlacht als das Gefühl, nützlich zu sein, gebraucht zu werden und etwas Sinnvolles zu tun.
„Neiyra!"
Das war Artairs Stimme, und ich sah zu ihm hinüber.
Das Licht seiner Gabe pulsierte um ihn, und an den tiefen Schatten auf seinem Gesicht konnte ich erkennen, dass er sich zu wenig schützte.
„Wo ist Shainara?", rief er mir zu.
„Wir könnten hier wirklich einen weiteren Heiler gebrauchen."
Überrascht sah ich auf und ließ meinen Blick über die Menschenmenge gleiten, aber auch ich konnte sie nirgends entdecken.
„Macht hier weiter", sagte ich hastig zu Gowan und Braigh, stand auf und rannte zu dem Turm, auf dem ich Shainara zuletzt gesehen hatte.
Auch Bran, der damit beschäftigt gewesen war, einer jungen Bogenschützin den Arm zu schienen, hatte aufgesehen, und jetzt stand er auf und folgte mir.
Ich kletterte die Leitern empor, so schnell ich es vermochte, und oben angekommen fiel mein Blick sofort auf Shainara.
Sie lag auf dem rauen Holzboden, ihr Gesicht leichenblass, und ich konnte nicht erkennen, ob sie noch atmete.
Bran stieß einen erstickten Laut aus und lehnte sich haltsuchend an die Palisade, und ich sank neben Shainara auf die Knie.
Hastig flogen meine Hände über ihren Körper, und ich beugte mich vor.
„Sie lebt noch", sagte ich erleichtert zu Bran.
Ihr Atem ging flach, kaum wahrnehmbar, aber ich konnte ihn dennoch deutlich spüren.
Rasch riss ich einen Fetzen aus Brayans Hemd und befeuchtete ihn mit einer Kräutertinktur aus einem Fläschchen an meinem Medizingürtel und strich Shainara damit sanft über das Gesicht.
Ihr Atem wurde tiefer und regelmäßiger, dann flatterten ihre Lider, und schließlich schlug sie die Augen auf.
Bran rutschte an der Palisade herab zu Boden und legte die Hände vors Gesicht.
Verwirrt sah mir Shainara in die Augen.
„Hallo", sagte ich, und ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus.
Eine gewaltige Woge der Erleichterung überflutete mich.
Einen Moment lang wirkte Shainara noch benommen, aber dann konnte ich sehen, wie die Erinnerung an das Vorgefallene zurückkehrte.
Hastig setzte sie sich auf, griff aber dann im nächsten Moment haltsuchend nach meinem Arm.
„Langsam", sagte ich.
„Ich muss sofort mit Artair sprechen", stieß Shainara hervor.
„Und mit Bran und Leodric. Sofern -", sie stockte kurz.
„Sofern sie dieses Gemetzel überlebt haben."
Die Besorgnis in ihrem Blick wich Erleichterung, als Bran neben sie trat.
„Ich bin hier", sagte er.
„Und auch Artair und Leodric sind unversehrt."
Er kniete sich neben sie.
„Aber jetzt schaffen wir dich erst mal von diesem Turm", sagte er und hob sie auf seine Arme, als wöge sie nicht mehr als eine Feder.
„Ich kann laufen", protestierte Shainara schwach, legte aber dann ihre Arme um seinen Hals und lehnte sich erschöpft an ihn.
Geschickt kletterte Bran die Leitern hinab, aber als sie den Boden erreicht hatten, löste sich Shainara aus seinen Armen.
Mit versteinertem Gesicht blickte sie auf das Durcheinander unseres behelfsmäßigen Krankenlagers, nahm den Anblick der Verwundeten, den unverwechselbaren Geruch und die grausamen Geräusche in sich auf und tastete nach meiner Hand.
Ich ergriff sie und drückte sie.
„Was ich Artair zu sagen habe, wird wohl warten müssen“, sagte sie hart.
Erst viele Stunden später kamen wir im Beratungszelt zusammen.
Artair sah schrecklich aus, der Tag hatte fast all seine Kräfte gefordert.
Nicht einmal Shainara hatte ihn dazu bringen können, sich besser zu schützen; er wusste zu genau, dass seine Gabe stärker wirkte, je weniger Barrieren er zu seinem eigenen Schutz errichtete.
Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, legte den Kopf in den Nacken und schloss einen Moment die Augen.
Brayan reichte ihm einen Kelch mit Wein, und dankbar leerte Artair ihn in einem Zug.
„Du siehst grauenhaft aus, mein Junge", sagte Bran, und Artair grinste ihn an.
„Du warst auch schon mal hübscher", gab er zurück, und Bran lachte heiser auf.
Alec stand wie betäubt im Halbschatten an der Zeltwand, er hatte noch kein Wort gesagt.
Leodric beugte sich auf seinem Stuhl vor und barg das Gesicht in seinen Händen.
„Was für ein furchtbarer Tag", sagte er dumpf.
Artair richtete sich auf und sah zu Leodric herüber.
„Warum wart ihr überhaupt hier?", fragte er.
„Und was genau ist geschehen?"
Leodric fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, ehe er antwortete.
„Ich weiß nicht, ob dein Bote dich erreicht hat?", sagte er, an Artair gewandt, und als dieser bestätigend nickte, fuhr er fort.
„Dann weißt du ja, dass meine Länder überzogen werden von Angriffen und diese seltsame Finsternis sich mehr und mehr ausbreitet.
Meine Männer und ich, wir sind ohne Unterlass unterwegs, um die Siedlungen zu schützen, aber bislang sind wir immer zu spät gekommen.
Es ist, als ob sie genau wüssten, wohin wir uns wenden, um dann ganz woanders zuzuschlagen. Ganze Dörfer wurden ausgerottet", sagte er tonlos.
„Und bis gestern Nacht wussten wir nicht, mit wem – oder mit was – wir es überhaupt zu tun haben. Die Berichte der wenigen Überlebenden waren verworren, wir konnten uns keinen Reim darauf machen.
Niemand schien die Angreifer überhaupt gesehen zu haben, keiner konnte sich erklären, was geschehen war.
Aber alle berichteten übereinstimmend von diesem merkwürdigen Brausen und den schwarzen Wirbeln, die sich so schnell bewegten, dass man ihnen nicht mit den Augen folgen konnte."
Er nahm einen tiefen Schluck aus dem Becher mit Wein, den Shainara ihm reichte.
„Zuerst habe ich das abgetan", setzte er seinen Bericht fort.
„Ich dachte, es sei der Verwirrung geschuldet, oder die Überlebenden seien dem Wahnsinn anheimgefallen. Aber als uns wieder und wieder dasselbe erzählt wurde, musste ich es wohl glauben.
Ich hatte Berichte gehört, dass sich eine große Anzahl Kämpfer hier im Heerlager versammeln würde, und so machten wir uns auf den Weg, in der Hoffnung, hier Verstärkung zu finden und dich vielleicht sogar hier schon anzutreffen.
Wir versteckten die Pferde im Unterholz, verbarrikadierten uns über Nacht in ein paar Höhlen nicht weit von hier und brachen noch vor Morgengrauen auf."
Er schüttelte den Kopf.
„Obwohl es schon seit fast einem Mond gar nicht mehr richtig hell wird", setzte er grimmig hinzu.
„Und kaum kamen wir aus unseren Löchern gekrochen" – an seinem Tonfall konnte ich erkennen, wie sehr es ihm zuwider gewesen war, sich zu verstecken –
„fielen sie über uns her. Es war das erste Mal, dass sie
uns angegriffen haben und nicht irgendeine Siedlung oder ein Dorf.
Schätze, sie wollten unter allen Umständen verhindern, dass ich dich erreiche."
Er schlug mit der Faust auf den Tisch, der neben ihm stand.
„Wir versuchten, zum Lager zu gelangen, obwohl unsere Pferde verschwunden waren, aber wir sind nicht weit gekommen", sagte er bitter.
„Wenn ihr uns nicht zu Hilfe geeilt wärt, wären wir alle verloren gewesen."
Er stand auf und sah Shainara gebannt an.
„Und wenn die Hohepriesterin der Königreiche nicht getan hätte, was auch immer sie getan hat", sagte er, direkt an sie gewandt.
„Was mich zu der Frage führt: was habt Ihr eigentlich getan?"
Alle Blicke richteten sich auf Shainara.
„Ich habe einen Zauber gebrochen", sagte sie ruhig. „Mit Neiyras Hilfe, und mit sehr viel Glück."
„Einen Zauber?", stieß Leodric verblüfft hervor.
Und dann wiederholte er fast wörtlich, was ich heute Morgen gedacht hatte.
„Von einem solchen Zauber habe ich noch nie gehört."
„Das haben die Wenigsten, und das aus gutem Grund", sagte Shainara. „Es ist tiefste, schwärzeste Magie."
Sie stockte.
„Und seit Anbeginn der Zeit hat es nur einen einzigen Mann gegeben, der diesen Zauber beherrscht hat."
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