Fotostory Das Weinen der Sirenen

Scheint jedenfalls so, als hätte entweder meine lange Abstinenz, oder aber James' romantische Beziehung zu Linda meine Leser vergrault XD ... Naja, ich hab nich umsonst direkt im ersten Posting klargestellt, dass die Geschichte nix für zartbesaitete Gemüter ist. Aber die Leute wollens ja immer drauf ankommen lassen...
 
also mich haste noch nicht vergrault :D gut,leichenliebe ist nicht so mein ding,aber jedem das seine. ich frage mich ja nur immer ob diese ganze leichenstarre und so da nicht etwas hinderlich ist,aber gut,scheint ja zu klappen.
einen echt netten pinken schlüpfer hat james da übrigens an. ich weiß nicht so genau ob ich dem neuesten kapitel folgen konnte,bin etwas müde im moment,ich werde es morgen einfach nochmal lesen.
und nochdazu,so viele kommentare in nur zwei tagen,das würde ich mal nicht als leser vergrault bezeichnen,du musst ihnen nur zeit lassen,die meisten sind es nicht gewohnt,dass es so schnell weitergeht [versteh mich nicht falsch,das finde ich gut,vor allem weil du es immer so spannend machst,da ist es schön wenn man nicht so lange auf die fortsetzung warten muss]
 
Danke, Möhrenmuffin. Ich werd mal versuchen, etwas geduldiger zu sein. Du musst wissen, Geduld ist nicht grade eine meiner Tugenden. Und wie oft hab ich den lieben Gott schon gebeten, dass er mir mehr Geduld gibt - und zwar SOFORT! ;)

Aber nein, zum Thema muss ich sagen: Der Rigor Mortis, oder zu Deutsch Leichenstarre setzt nach 1-2 Stunden Tod ein und löst sich spätestens innerhalb von 48 Stunden wieder. Danach tritt sie übrigens nicht wieder ein :) Und Linda ist schon... öhm... wad länger tot ^^

Es freut mich, dass du mir als Leser erhalten geblieben bist. :)
 
Mich bist du auch nicht losgeworden und ich finde die Staory spannend wie immer.
Mach schnell weiter ;)
 
achso,dass die sich danach wieder löst wusste ich gar nicht. gut,hab ich was dazu gelernt :D und was ist mit der flüssigkeit die irgendwie austritt,ist die nicht ätzend oder so? könnte teilweise unangenehm sein..
 
Ätzend? Wer hat dir denn solche Märchen erzählt (o_O)? Geh mal in dich :-)D) und schau mal, welche deiner Körperflüssigkeiten ätzend sind - mit Ausnahme deiner Magensäure, die auch nur so angreifend ist, dass sie in stundenlanger Arbeit Nahrungsbrei kleinkriegt.

Bei dem Tod eines Menschen tritt als allererstes immer Urin oder Kot aus. Bei späterem Verwesungsgrad kommen dann noch andere Sachen hinzu: Blut (das sich ablagert, und Teile des Körpers violett bis schwarz färbt), Zellflüssigkeit, die Organe und das Gewebe beginnt sich zu zersetzen und zu verflüssigen, etc. :)
 
*gespannt auf den nächsten teil bin*
Mehr fällt mir dazu nicht ein :D
Und Therese sieht ja niedlich aus ; wie sie so ängstlich dreinschaut :D
 
Hey, schön zu hören, dass du wieder Zeit zum Schreiben gefunden hast =)

Ich bin echt gespannt, worauf das ganze hinauslaufen wird, ich hab das Gefühl, mit jedem neuen Teil weniger zu kapieren...
 
Habe grade alles durchgelesen und werde am jetzt mitlesen.
Ich unterstütze übrigens die Theorie von Nonuna (und noch irgendjemanden^^), dass Moe Realität ist und das Heim ein Traum. Dieser Gedanke kam mir schon, als das zweite Mal von Moe berichtet wurde.
Sie scheint deutlich realer zu sein, als die Situation im Heim.

Die FS gefällt mir sehr, grade das Thema ist sehr packend und spannend und ich freue mich wahnsinnig, mal keine Liebesgeschichte zu lesen.
Hast du die Story schon fertig geschrieben? Mich interessiert ja so, wie es weitergeht :D
Hofftl gibt es keine so langen Unterbrechungen mehr in Zukunft.
LG
 
Oho! Danke für die Kommentare :) Geh ich jetzt mal näher drauf ein:

LiT schrieb:
Ich bin echt gespannt, worauf das ganze hinauslaufen wird, ich hab das Gefühl, mit jedem neuen Teil weniger zu kapieren...

Das iss mit LOST auch so, aber trotzdem kuggens alle ^^

Mailin schrieb:
Aber ist Linda nicht schon so lange tot, dass ihr Köper langsam von Maden und Co bevölkert sein müsste?

Sollte ja. Aber das liess sich bildtechnisch nicht so wirklich umsetzen leider. Also hab ich es ganz rausgenommen. Tut der Szene keinen Abbruch meiner Meinung nach :)

GruenesGift schrieb:
Ich unterstütze übrigens die Theorie von Nonuna (und noch irgendjemanden^^), dass Moe Realität ist und das Heim ein Traum.

Realität ist ein dehnbarer Begriff ^^ Und wenn ich mir anschaue, dass es in Thailand Organisationen gibt, wo sich Mordlustige und Opfer für eine beachtliche Summe Geld treffen, nur damit es dann eine Person weniger auf der Welt gibt, dann erscheint mir das Heim noch als Jahrmarkt.

GruenesGift schrieb:
Die FS gefällt mir sehr, grade das Thema ist sehr packend und spannend und ich freue mich wahnsinnig, mal keine Liebesgeschichte zu lesen.

Ich schreibe keine Liebesgeschichten. :) Es gibt bis jetzt drei Fotostories von mir, und keine davon ist eine Liebesgeschichte. Eine vielleicht mehr oder weniger, aber nicht wirklich ;)

GruenesGift schrieb:
Hofftl gibt es keine so langen Unterbrechungen mehr in Zukunft.

Ich hatte keine weiteren Unterbrechungen vor :)
 
...Fortsetzung

Was genau Therese dazu brachte, mich plötzlich als den Big Boß zu sehen, weiß ich nicht, aber anscheinend fühlte sie sich der Führungsposition einer solchen Expedition nicht gewachsen. Daß mir selbst auch alles andere als wohl zumute war, ließ ich mir jedoch nicht anmerken. Und während ich mich anzog und wir auf den Flur hinaustraten, entdeckte ich in der Ecke ein bekanntes Gesicht. Es war definitiv den Umständen zu verdanken, daß ich auf einmal mehr auf meine Umwelt achtete, als sonst, denn vor einer Woche noch hätte ich schwören können, diesen einen kleinen Jungen nie im Leben zuvor gesehen zu haben. Es war der selbe Junge, den ich vor einigen Tagen mit etwas Eßbarem aus dem Duschraum hatte rennen sehen.

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Ich brauchte nicht lange, um zu erkennen, daß er todkrank war. Sein Gesicht war weiß wie eine Wand und seine Ohren rot vom Fieber. Ich vermochte nicht zu sagen, was genau ihn erwischt hatte, aber in diesem Augenblick wußte ich, daß er sterben würde, so wie sie alle starben, wenn sie einmal krank wurden.


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Eigentlich hätte ich der Situation keinerlei weitere Beachtung schenken sollen und es war auch nicht so, als wäre mit der neuen Theorie vom Was-Weiß-Ich mein Mitleid für die Anderen wieder zum Leben erwacht. Das, was mich irritierte und innehalten ließ, waren die Bilder, die plötzlich in meinem Kopf auftauchten, als hätten sie gar nichts mit mir zutun. Ich hätte ihm vielleicht noch ein paar Tage gegeben, wenn ich nicht plötzlich das irrwitzige Gefühl gehabt hätte, daß dieser Junge noch am selben Abend sterben würde. In meinen Gedanken sah ich es wie die groteske Version eines SloMo-Filmes, ein Stück tonloses Mattscheibentheater, das von einem unwirklichen Licht in Szene gesetzt wurde und dem Betrachter ein diffuses Gefühl von abartiger Surrealität vermittelte: Mindestens fünf paar Füße, die über den abgetretenen Boden des Heimes stolperten. Ein lebloser Kinderkörper, dessen Kopf im Treppenhaus Stufe für Stufe aufschlug und dabei bizarr hin und her wackelte. Rostige Messer, Schnitte in das tote Fleisch und die blutverschmierten Mäuler, die das rohe Fleisch fast ohne zu kauen hinunterschlangen.
Ich schüttelte mich und diese Wahnvorstellung, deren Zugehörigkeit zu mir ich mit allen Mitteln verleugnet hätte, wäre ich in die Verlegenheit gekommen, davon zu erzählen, von mir ab und trottete weiter meines Weges – Therese, schweigend, jedoch wohlweislich hinter mir.

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Ich konnte mich nicht daran erinnern, die Straße, die vom Heim in die Stadt führte, je gegangen zu sein, noch konnte ich mich an den Tag erinnern, an dem ich auf der Ladefläche des Pick-Ups zusammen mit einem Dutzend anderer Kinder hierher gebracht worden war. Als wir den Punkt passierten, an dem die Welt das Atmen einstellte und kein Windhauch mehr durch die langen Gräser am Wegesrand wehte, erwartete ich fast, daß diese Straße –ebenso wie der Wald- einfach nirgendwohin führte. Ich hoffte es sogar fast, denn der Widerwillen in mir, die Stadt zu betreten, wuchs. Nicht, daß ich nicht neugierig gewesen wäre, aber die Legenden, die im Heim seit jeher die Runden machten, hatten doch Eindruck geschunden und wie unumstößliche Gesetze gleich eines Tabus sofort jeden Gedanken an so ein Unterfangen direkt im Keim erstickt, während die Angst mich und jeden anderen im Heim mit sofortiger Wirkung paralysierte. Ich war erstaunt darüber, daß Therese keinen Laut von sich gab. Sie folgte mir wie ein Schatten und schwieg. Und das schon die ganze Zeit seit wir das Heim verlassen hatten. Zugegebenerweise versetzte mich ihre absolute Lautlosigkeit in einen beklemmenden Zustand, denn wenn sie nichteinmal abfällige Kommentare über mein hinkendes Bein verlor, dann mußte etwas ganz und gar nicht mit ihr stimmen. Dennoch glaubte ich, daß sie die selben Gedanken hatte, wie ich. Was würde uns erwarten, wenn wir es tatsächlich bis in die Stadt schafften? Groteskerweise erschien mir der Gedanke an die Stadt unheimlicher, als das Heim es je sein konnte. War es doch unser eigenes, kleines Universum, in dem wir nichts zu befürchten hatten, solange wir die Regeln einhielten. Daß diese Regeln aus geradezu panikmachenden Schauergeschichten, die immer ohne Beweis und ohne Siegel einhergingen, bestanden, trug nicht dazu bei, daß sie weniger angsteinjagend waren.



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Mir kam der Gedanke, daß all die Heimkinder, solange der Ort bestand, aus Treesville selbst stammen mußten, was mich und Therese mit einschloß. Ging man davon aus, daß Treesville ein normaler Ort war, was mir selbst schon bei dem flüchtigen Gedanken daran wie ein schlechter Witz vorkam, wäre es auch nur logisch gewesen, wenn wir dort auf altbekannte Gesichter trafen, selbst wenn wir uns nicht mehr daran erinnern konnten. Was war mit meinen und Thereses Eltern? Hatten wir überhaupt welche? Eigentlich war es unumstößlich, daß jeder Mensch auf der Welt Eltern hatte, doch für mich war dieser Gedanke so absurd, daß ich fast lachen mußte. Würde man uns nach all der langen Zeit wiedererkennen? Führten die Bewohner dieses unheilvollen kleinen Dorfes Listen darüber, wen sie in das Heim abschoben und wen nicht? Fakt war, sie konnten nicht jedes Kind dem Tod überlassen, denn dann hätte es längst keinen Nachwuchs mehr gegeben, der die Stadt weiterhin bevölkerte. Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr glaubte ich, daß mein Kopf nicht genügend Kapazität für all diese verwirrenden Fragen hatte. Ich fragte mich, ob mit dem Betreten von Treesville auch meine Erinnerungen zurückkommen würden und ob der von Therese eingebrachte Faktor X dafür verantwortlich war. Mir erschien es nicht mehr als total abstrus anzunehmen, daß eine Amnesie vom umgebenden Ort abhängig war. Ich erwartete geradezu, daß mit dem mysteriösen Etwas, das die Stadt umgab und ihre Bewohner in gewissenlose Monster verwandelte, auch die Erinnerungen an mein Leben vor dem Heim zurückkamen und das ängstigte mich.

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Etwas stimmte nicht. Ich blieb stehen um herauszufinden, was genau der Auslöser für dieses Gefühl war und bemerkte schnell, daß ich Thereses Fußstapfen, die sich die ganze Zeit hinter mir bemerkbar machten, verschwunden waren. Ich drehte mich herum und sah sie einige Meter weiter hinten wie angewurzelt stehen.
„Was ist los?“ rief ich und als hätte meine Stimme allein dazu ausgereicht, fiel jegliche Starre von ihr ab und sie legte wieder ihren altbekannten und bewährten Leck-Mich-Am-A.rsch-Blick auf.
„Na, was glaubst du wohl, was los ist?“ fauchte sie mich an. „Eben kam der Präsident an einem Heliumballon von der Kirmes angeflogen, erzählte mir von meinem Millionengewinn bei ‚Genial Daneben’ und versprach mir eine Villa inklusive zehn nackter Liebessklaven mit Milchbart in Timbuktu!“
Ich hätte gern etwas schlagfertiges und passendes geantwortet, aber in dem Moment hatte es mir wirklich die Sprache verschlagen. Ich hob den Arm zu einer Geste, die bekräftigen sollte, daß mein nächster Kommentar von ausschlaggebender Abscheu gegenüber ihres üblichen Gehabes war, ließ ihn darauf aber resigniert wieder fallen.
„Du würdest selbst den Einschlag einer Atombombe vom Durchmesser des asiatischen Kontinents verpennen, du Evolutionsbremse!“ fuhr sie in ihrem typischen Tonfall fort. „Guck dich doch mal um!“

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Ohne ein Wort zu verlieren, tat ich was sie sagte und erst verstand ich nicht, worauf sie hinaus wollte. Doch dann fiel es wie Schuppen aus den fettigen Haaren meiner Begleitung und ich bemerkte, daß die Gräser und Baumwipfel sich in der sanften Brise hin und her wiegten. Und als wäre das noch nicht genug Beweis für die immer fortwährende Existenz der Umgebung, wurde das Stillleben, daß die Szenerie zu bieten hatte, von einem leisen, aber stetigen Vogelgezwitscher untermalt.
„Oh mein Gott!“ platzte es aus mir heraus. „Die Welt lebt wieder!“

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Ich drehte mich einmal um die eigene Achse, um mich zu vergewissern, daß ich mich nicht irrte. „VEGETATION!“ brüllte ich in einem Tonfall, der es schwer machte zu erkennen, ob ich nun glücklich oder entsetzt darüber war. Kaum ausgesprochen, bekam ich einen forschen Schlag auf den Hinterkopf – wobei ich mich nichtmal mehr fragte, wie Therese sich in der letzten Sekunde unbemerkt und in Windeseile hinter mich teleportieren konnte.
„Halt den Mund, Klumpfuß! Wir sind hier an einer ganz heißen Sache dran!“ ermahnte sie mich. „Und alles, was du zu sagen hast, sind idiotische Ausrufe, wie sie naiverer Natur kaum sein könnten.“ Sie hastete an mir vorbei, bis der Weg in ein Gefälle mündete, wo sie plötzlich in der Bewegung verharrte und ein nicht einzuordnendes Geräusch machte. Ich rannte, sofern es mein Knie zuließ, zu ihr.
„Sieh nur, da ist die Stadt!“ sagte sie und zeigte mit dem Finger auf das von einer diesigen Nebelglocke eingehüllte Gewirr von Straßen und Häusern, die sich am Rande eines tot und still daliegenden Sees wie Kritzeleien auf einem Stück dreckigem Papier hervorhoben. Es konnten nur noch höchstens zwei Kilometer bis dorthin sein und als konnten wir die Existenz unseres Zieles immer noch nicht glauben, bevor wir sie nicht anfassen konnten, rannten wir den Rest des Weges.

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...to be continued
 

:D:D:D
Danke hierfür!
Schönes neues Kapitel, natürlich mit spannenden Schluss - wie immer.
Bin gespannt wie es weiter geht.
Das neue Kapitel wirft aber wieder ne Menge Fragen bei mir auf.
Wieso ist die Natur auf einmal wieder belebt?
Alles nur Einbildung?
Meine Theorie, dass alles ein Traum/Vorstellung ist, würde ja die unbelebte Natur erklären, aber nicht, warum auf einmal wieder Leben da ist... Oder ist das nur ein unbedeutender, nebensächlicher Teil des Traums?
Fragen über Fragen und ich hoffe, dass es später eine gelungende Auflösung dafür gibt, aber ich vertraue dir da voll und ganz ;)
 
Ich bin auch noch bei deinen lesern dabei :) obwohl ich zugeben muss das ich mir jetzt eine Weile überlegt habe ob ich weiter lesen soll. Die Neugierde hat mich dann aber doch wieder zum lesen gebracht. es ist wirklich komisch, diese Geschichte ist mir die ganze Pause über immer mal im kopf gewesen. Und ich will immernoch unbedingt wissen wie es ausgeht. Die neuen 3 Abschnitte sind auch wieder wirklich gut geworden. Du hast einen tollen Schreibstil. So bildlich und unverblümt :)
Ich muss Mailin recht geben: Frechheit an so einer Stelle aufzuhören :lol:
Hoffe es geht bald weiter.
Mit Theorien halte ich mich jetzt mal zurück. Ich bin viel zu verwirrt. Ich schwanke aber auch zwischen Träumen diverser personen, iregndwelchen Parallelwelten, Raum-Zeitgefüge Theorien und sogar an koma hab ich schon gedacht. Wie du sieht ich bin völlig anhnungslos.
 
Um die Liste der Theorien noch zu erweitern:
Was ist mit einer multiplen Persönlichkeitsstörung, ähnlich behandelt wie im Film "Identität"?
 
Theorien?

Ich hab von Anfang an weder Ahnung noch Theorien :confused:
Aber ich freu mich, dass es jetzt wieder Schlag auf Schlag weitergeht!
Ich denke, bald wissen wir alle mehr.
 
Ich hab mir die Geschichte jetzt in einem Stück durchgelesen. Ich muss sagen, dass ich schon öfters reingeklickt habe, aber nie wirklich gelesen habe. ;) :ohoh:

Ich finde deinen Schreibstil richtig toll, man kann gar nicht aufhören zu lesen, man will einfach wissen wies weitergeht! :D Deswegen lese ich sowieso nicht so gern unfertige Fotostories, denn wenn sie mir gefallen, will ich immer wissen wies weitergeht, und Geduld ist nicht meine Stärke ...

Und es ist richtig fies an einer solchen Stelle aufzuhören! :scream: Gerade bei DIESER Stelle! :rolleyes:

Ich mag Therese übrigens. Obwohl ich es unverständlich finde, wie sie es schafft, Leichen einfach so zu zerstückeln. %) Unverständlich finde ich es auch, wie man eine Leiche vergewaltigen kann. :lol: =)
Wenn man es genau nimmt, war das ja Vergewaltigung. :eek: Aber dort herrscht 'eh kein Gesetzt, bei dem man eingesperrt wird.

Ich hab übrigens den Verdacht, dass die Leiche Moe ist. :naja: Als ich heute das erste Mal auf die letzte Seite geklickt hab, hab ich irgendwas gelesen, von ' ... Moe ... ' und ' ... Leiche ...' und mein Gehirn hat daraus eine Moe-Leiche gemacht.
Diese Moe-Leiche hat mich übrigens dazu gebracht, die Geschichte von Anfang an zu lesen, denn ich wollte wissen, wie sie gestorben ist, was ja eigentlich nicht richtig verraten wurde ... :down: :p

Wenn ich das richtig verstanden habe, heißt das Dorf 'Treesville'? Baumville? :confused: Das bringt mich irgendwie zum Grübeln. Der Wald besteht ja nur aus Bäumen (... ja, sehr geistreich meinerseits, aber ich glaube da besteht irgendeine Verbindung *Verschwörung such*) ...
Hmmm, ich kann mir keinen Reim machen, aber die Traumtheorie finde ich ziemlich realistisch.

Ich glaube ich lass mich einfach überraschen.

Ich hoff die Story geht nicht mehr lange, denn sonst muss ich lange warten bis alles aufgedeckt wird! :D
 
Unverständlich finde ich es auch, wie man eine Leiche vergewaltigen kann.

Eine Leiche kann man nicht vergewaltigen, denn ein Körper wird nach dem Tod per Gesetz zum Gegenstand. Und einen Gegenstand kann man auch nicht vergewaltigen :)

Ich hab übrigens den Verdacht, dass die Leiche Moe ist.

Das ist ja ein ganz neues Terrain, das du da betrittst :D Mal sehen, ob sich deine Vermutung bestätigt.

Wenn ich das richtig verstanden habe, heißt das Dorf 'Treesville'? Baumville? Das bringt mich irgendwie zum Grübeln. Der Wald besteht ja nur aus Bäumen (... ja, sehr geistreich meinerseits, aber ich glaube da besteht irgendeine Verbindung *Verschwörung such*) ...
Hmmm, ich kann mir keinen Reim machen, aber die Traumtheorie finde ich ziemlich realistisch.

Und wenn der Grund für die Namensgebung der Stadt nun so perfide wäre, dass mir einfach nix besseres eingefallen ist? Ich mein, Treesville ist genauso einfallslos wie die ABC-Strasse! Und dabei dachte ich, dass Bäume ein ganz unverfängliches Allgemeinmittel zur Benennung noch unverfänglicherer Sachen ist ^^
 
Schön, dass es hier weitergeht! Die Vortsetzungen gefallen mir sehr gut, vor allem hast du bei den (für eine Fotostory ja eher sporadisch auftretenden) Bildern ein schönes Auge für Details bewiesen. Lob dafür, so wenig Bilder, wie du verwendest, schaffst du es doch, sie sehr effektvoll einzusetzen. Ich freu mich auf weitere Kapitel :)
 
Eine Leiche kann man nicht vergewaltigen, denn ein Körper wird nach dem Tod per Gesetz zum Gegenstand. Und einen Gegenstand kann man auch nicht vergewaltigen :)

:ohoh: :lol:
Ich muss mich vorher informieren, bevor ich was schreib. :lol:

Das ist ja ein ganz neues Terrain, das du da betrittst :D Mal sehen, ob sich deine Vermutung bestätigt.

Das war ja zufällig so. :D Mir ist das aber nicht mehr aus dem Kopf gegangen, da Moe ja auch rote Haare hat, wie diese Leiche. Leider ist die Leiche zu sehr entstellt, als das man da was erkennen könnte. :mad:


Und wenn der Grund für die Namensgebung der Stadt nun so perfide wäre, dass mir einfach nix besseres eingefallen ist? Ich mein, Treesville ist genauso einfallslos wie die ABC-Strasse! Und dabei dachte ich, dass Bäume ein ganz unverfängliches Allgemeinmittel zur Benennung noch unverfänglicherer Sachen ist ^^

Ich hatte irgendwie den Eindruck, dass du alles genau planst. :) :D Deswegen bin ich auch davon ausgegangen, dass ... eigentlich hab ich keine Ahnung wovon ich ausgegangen bin, nur dass der Name eben nicht zufällig gewählt war. :ohoh:
 
Dann muss ich mich wohl auch mal bekennen. *als stille Mitleserin bekenn*

Zuerst dachte ich ja, ich les so 1,2 Kapitel deiner Story und das wars dann, weils mir zu ekelig wird. Mitlerweile warte ich sehnsüchtig auf die nächsten Kapitel. Sehnsüchtigst!
Ich hatte zwischendurch so einige Theorie. Was oder wer Moe ist, was Realität, wenn es sowas denn gibt, ist und was Fiktion. Aaaaaaargh, ich will lesen. =)

Ach, und ... würdest du mich bitte benachrichtigen ? *lieb guck*
 
Zuletzt bearbeitet:
...Fortsetzung

Mein kaputtes Knie beschwerte sich in Form von einem ziehenden Schmerz ob der Anstrengung, die ich so rücksichtslos ausübte. Jedoch war jener Schmerz im Moment völlig zweitrangig. Meine Gedanken wirbelten nur so in meinem Kopf herum und ich platzte fast vor Neugierde und gleichzeitiger Angst. Ich war auf alles gefaßt. Darauf, daß sich in ein paar Minuten alle Köpfe zu mir umdrehen würden und als wäre der Gedanke noch nicht bizarr genug, teleportierte mein Gehirn diesen Leuten Fackeln und Mistgabeln in die Hände, so als würde es sich um eine Hetzjagd im Mittelalter handeln, wo man gotteslästernde Ketzer aus der Stadt trieb um sie anschließend in den Fluß zu stürzen. Ich war darauf gefaßt, daß Therese und ich sofort in Stücke gerissen wurden, daß man uns in abfälligem Tonfall beschimpfte und die Mittelaltertheorie, so absurd sie auch war, in einem schönen, leuchtenden und funkelnden Scheiterhaufen auf die Spitze trieb. Ich war naiv. Oder sagen wir, diese Vorstellung hätte zu dem gepaßt, wovon ich noch vor einigen Tagen felsenfest überzeugt war. Sicherlich befanden wir uns nicht im Mittelalter, noch würde man uns auf den Scheiterhaufen werfen. Obgleich ich nie ein komplexes Gerät in den Händen gehalten hatte, so wußte ich doch, daß wir uns im Zeitalter der Technik befanden. Eine Mistgabel oder Fackel war zugegeben nicht das Mittel der Wahl, um jemanden aus dem Leben zu katapultieren.

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Ja, ich war auf alles gefaßt, mit nur einer einzigen Ausnahme. Und diese war, daß wieder einmal einfach gar nichts passierte. Völlig außer Atem erreichten wir die Stadt, und als wir um die erste Ecke bogen, machte sich ein merkwürdiges Gefühl in mir breit. Treesville – der idyllische Ort am Rande eines Sees. Zum ersten mal sah ich mit eigenen Augen, was Urlaubsbroschüren, an die ich mich als einziges Detail noch erinnern konnte, versprachen. Das Dorf lag wie ein gemaltes Stillleben zu meinen Füßen und für eine Sekunde lang war ich versucht, meine Hand gegen eine der makellos sauberen Häuserfassaden zu stemmen, nur um zu fühlen, daß sie wirklich existierten. Therese schien die selben Gedanken zu haben, denn sie drückte beide Hände gegen die ordentlich verputzte Backsteinmauer eines Hauses, wo sie schmutzige Abdrücke hinterließen.

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„Glaubst du das, Klumpfuß?“ zischte sie leise. „Dieser verdammte Ort ist real!“
Ich blickte mich um. Wenn Therese von Realität sprach, so hatte dies mittlerweile einen seltsamen Beigeschmack bekommen. Es war ein wenig, als hätte dieses Wort an vielen kleinen Begriffsabstufungen zugenommen und man mußte sich jetzt ausmalen, welche dieser Bedeutungen auf die aktuelle Situation paßte. Als Realität definiert man es, wenn viele Individuen zur selben Zeit das gleiche Empfinden der Umwelt gegenüber haben. Wenn also eine Person eine Wiese sieht, so kann man das in Frage stellen. Wenn jedoch hundert Leute eine Wiese sehen, dann ist das ein Fakt und wird im Allgemeinen als Realität bezeichnet. Das Problem bestand lediglich darin, daß wir allein waren. Zwar war Treesville selbst nicht in einer Art Zeitloch, wie ich es bisher schon dreimal erlebt hatte, aber dennoch gab es in dieser Stadt kein Anzeichen von Leben. Es hätte nichtmal ein Mensch sein müssen, der auf der Straße auf und ab ging – ein Hundegebell oder der Klang von Musik aus einem offenen Fenster hätte mir vollkommen gereicht. Aber mit der Ausnahme eines kaum wahrnehmbaren Summen von zwei Bienen, die sich an den Blumen in einem Vorhängekasten eines Fensters gütlich taten, war es still.

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Und nicht nur das. Es war auch noch etwas anderes, das mir das Gefühl nahm, daß wir uns in einer wirklich existenten Stadt befanden: Die Straßen vor uns waren zu sauber, zu detaillos. Es gab keinen Müll, der herumlag, keinen wildwuchernden Löwenzahn am Straßenrand, keine weggeworfenen Zigarettenkippen und es fehlte selbst das, was in jeder bewohnten Stadt einfach unvermeidbar war: Die mittlerweile vor Dreck schwarzgewordenen Überreste von festgetretenem Kaugummi auf dem Asphalt.
„Realität?“ Ich blickte Therese mit hochgezogener Augenbraue an. „Das hier nennst du Realität? Das ist eine Theaterkulisse!“
Sie hatte ihren Blick von mir abgewandt und anstatt mir zu antworten, wanderte sie wortlos an mir vorbei weiter die Straße entlang. Ich zuckte mit den Achseln und folgte ihr. Es war allzu deutlich, daß sie selbst genauso verwirrt war, wie ich.
„Ich versteh’ das nicht!“ kam es kleinlaut aus ihrer Richtung. „Wo sind denn alle?“
Als würde sie erwarten, daß bei erneutem Berühren dieser Kulisse die gesamte Stadt in sich zusammenfiel wie eine Kette von Dominosteinen, trat sie mit der vollen Wucht ihres Beines gegen die Eingangstür eines Hauses. „LEBT HIER ÜBERHAUPT JEMAND?“

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Ich konnte ihren Frust gut nachvollziehen. Allerdings entwickelten sich meine eigenen Gefühle der Situation gegenüber in eine völlig andere Richtung. Ich lachte drauf los. Mit einem Mal kam mir alles vor wie ein schlechter Witz. Es gab überhaupt nichts, was so lustig hätte sein können, daß es mir eine derartige krampfhafte Lache abrang, aber ich konnte einfach nicht aufhören. Therese schimpfte eine Reihe von abfälligen Kommentaren herunter, die ich mir selbst nichtmal hätte im Traum ausdenken können, und um ihrem Ärger weiterhin Ausdruck zu verleihen, trat sie erneut gegen Haustüren und Fassaden.
Mein Lachen fand jedoch ein abruptes Ende, als plötzlich über unseren Köpfen ein Fenster aufgerissen wurde und eine völlig fremde Stimme auf uns herabkeifte.
„Was zur Hölle glaubt ihr, was ihr da eigentlich tut? Das ist Beschädigung fremden Eigentums, ihr verfluchten Bälger!“

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Ich fuhr vor Schreck zusammen und als ich meinen Blick hob, entdeckte ich im ersten Stock einen älteren Mann, der mit zerzausten Haaren und in einem geschmacklosen Pyjama am Fenster stand und zornig auf uns herabschaute. Hatte Therese noch vor wenigen Sekunden den Anschein gemacht, als sei sie völlig überfordert mit der Situation, so war es absolut wider ihrer Natur, bei einem derartigen verbalen Angriff weiterhin wie paralysiert stehenzubleiben und nichts zu sagen. Als hätte man sie in dem Bruchteil einer Sekunde ausgetauscht, lag auf ihrem Gesicht wieder die altbekannte Fratze eines Mädchens, das die spannendsten Abenteuer des Lebens in ihrem eigenen Kopf erlebte, während sie nebenbei geistesabwesend Kinderleichen zerstückelte.
„Halt die Gosch, du gescheiterter Versuch einer menschlichen Gliederpuppe! Sowas wie dich freß’ ich zum Frühstück!“ Sie drohte gespielt mit ihrer kleinen Faust und bevor ich mich fragen konnte, ob sie sich überhaupt im Klaren darüber war, daß das Erscheinen jenes Mannes am Fenster der anfänglichen Vermutung, die Stadt wäre absolut tot, widerlegte, trat sie abermals gegen die weiße Hauswand.

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Die Gesichtszüge des Mannes erstarrten vor Empörung.
„Na warte, du… du…“ Er suchte nach den richtigen Worten, ehe er vom Fenster verschwand nur um kurze Zeit später mit einem Pantoffel in der Hand wieder zu erscheinen und ihn wütend auf uns hinabschleuderte. Therese wich mit zierlicher Geschicklichkeit aus und der Schlappen schlug auf den Asphalt, wo er kurz abfederte und dann schließlich sehr entschuldigend dreinschauend liegen blieb.



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„Nein, welch schöne Puschen du hast.“ sagte sie mit überraschtem Unterton. „Ich danke für dies’ wunderbare Geschenk. Aber ich hab zwei Füße – wirf doch noch den anderen runter!“
„Ich geb’ dir ‚wirf auch noch den anderen runter’ doooooh!“ schnaubte der Mann, schloß das Fenster und kurze Zeit später hörte man Schritte aus dem Inneren des Hauses.
„Komm, Klumpfuß, wir verschwinden, ehe der Kerl ein paar Schuhe aus uns macht!“
Mit den Worten zerrte Therese mich um die nächste Ecke. Bevor wir wirklich innehalten konnten, hörten wir das Gezeter des alten Mannes aus der Richtung, aus der wir gekommen waren. „Nicht stehenbleiben, James!“ rief Therese und riß mich weiter mit. Sie zeigte auf ein Schild am Ende der Straße, auf welchem in großen Buchstaben ‚Bäckerei Lorenz’ stand und das darunter, etwas kleiner geschrieben, für täglich frische Brötchen warb. Ehe ich mich versah, wurde ich durch die Tür geschoben und fand mich plötzlich in dem Ambiente eines kleinen Dorfcafés wieder, tadellos und mitsamt dem Geruch von geradewegs aus dem Ofen stammenden Backwaren.

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„Guten Morgen.“ begrüßte uns eine etwas mollige Frau hinter der Theke mit einem sehr herzlichen Lächeln auf dem Gesicht. Ihre Augen waren so klein, daß sie unter der freundlichen Mimik zu zwei Halbkreisen zusammenschrumpften und ihre Wangen von sehr pausbäckiger Natur, die dem Ganzen in gesundem Hellrosa Kontur gaben.
„Was darf ich euch anbieten?“ Ihre Stimme klang fröhlich, und ich fragte mich, ob genau dies die Voraussetzung dafür war, in einer Bäckerei zu arbeiten. Immerhin mußte man zu jenen Menschen gehören, die morgens keine schlechte Laune beim Klingeln ihres Weckers bekamen und die ersten vier Stunden die Zähne nicht auseinander kriegten.

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„Das heutige Angebot besteht aus Käsekuchen mit luftiger Schlagsahne, dazu Milchkaffee und einem Muffin mit Preiselbeerfüllung – oder je nach Wahl zwei belegte Brötchen mit Thunfisch und Ei, einem Klecks Remoulade und Salatbeilage.“
Therese zog eine Augenbraue hoch.
„Weder noch, wir…“ Ich fiel ihr ins Wort.
„Wie man uns vermutlich ansehen kann, haben wir nicht das geringste bißchen Geld dabei und auch wenn Ihr Angebot zugegebenermaßen verlockend klingt, so können wir es uns leider nicht leisten.“
Genau in diesem Augenblick bemerkte ich, daß Therese und ich in dieser geradezu heimelig anmutenden Bäckerei wie zwei schmutzige Müllberge aussehen mußten. Nicht nur, daß wir komplett verwahrlost und dreckig waren – man hätte uns längst anhand dieser hervorstechenden Details plus der Tatsache, daß in dieser Stadt wohl jeder jeden kannte, längst als Heimkinder identifizieren müssen. Ich warf einen flüchtigen Blick aus dem Fenster, nur um sicher zu gehen, daß der Pantoffelmann uns nicht verfolgt hatte.

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„Nun, wenn das so ist…“ antwortete die Frau, ohne daß man in ihrem Gesicht irgendeine Veränderung wahrnehmen konnte. „Die Familie Lorenz betreibt diese Bäckerei aus Liebe zum Backen und nicht zur Geldmacherei. Die Brötchen vom Vortag gibt es kostenlos.“
„Wissen Sie…“ lenkte Therese ein. „..eigentlich sind wir nur auf der Flucht vor einem wütenden Hausschuhwerfer, aber wo wir schonmal hier sind, nehmen wir auch gern die Brötchen vom Vortag!“ Sie stupste mich dabei leicht in die Seite.
„Ja, genau.“ sagte ich. „Und wenn es Ihnen nichts ausmacht, würden wir Ihnen gern ein paar Fragen stellen.“
Ohne ihr warmes Lächeln verschwinden zu lassen, drehte sie sich um und füllte ein paar Brötchen in eine braune Papiertüte. „Fragt ruhig, Kinder. Wir in der Bäckerei Lorenz legen viel Wert auf Kommunikation und Zufriedenheit seitens der Kundschaft.“
Therese kratzte sich skeptisch am Kopf und bevor ich etwas sagen konnte, platze es aus ihr heraus: „Wissen Sie eigentlich, wer wir sind und woher wir kommen?“
„Ist es nicht völlig egal, woher jemand kommt?“ antwortete sie. „Unter der Haut grinsen wir alle.“


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Sie reichte uns die Tüte über die Theke und schon als ich sie entgegennahm, merkte ich, daß die darin enthaltenen Brötchen so hart waren, daß man sie mühelos als Abrißbirne hätte einsetzen können. „Dankesehr.“ sagte ich, obwohl ich lieber meinen Hunger ertrug, als mir an diesen gebackenen Steinen die Zähne auszubeißen.
„Kennen Sie zufälligerweise das Kinderheim am Rande der Stadt?“ lenkte Therese ein. „Und wissen Sie etwas von einem Pick-Up Fahrer, der Kinder von hier dort hinauf bringt?“
„Kinderheim? Bei uns gehen Kinder in die Schule, und nicht ins Heim. Die Schule ist etwa 20 Kilometer östlich von hier. Ihr könnt sie mit dem Zug erreichen.“ Die Frau legte ein Brettchen vor sich auf den Tisch und begann in sorgfältiger Routine, Brötchen und Croissants zu schneiden, um sie anschließend in sehr pikanter Detailliebe mit Kochschinkenscheiben, Ei und Thunfisch zu belegen.
„Zug?“ fragte ich. „Hier fährt ein Zug? Wohin denn?“

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„Oh!“ sagte sie, als hätte ich sie mit meinen Worten aus den Gedanken gerissen. „Der Zug endet hier in Treesville. Er fährt stündlich. Die Zeiten könnt ihr dem Fahrplan am Bahnhof entnehmen. Es ist hier gleich um die Ecke.“
„Das habe ich nicht gefragt.“ entgegnete ich. „Ich habe gefragt, wohin der Zug fährt.“
„Ihr könnt es nicht verfehlen.“ antwortete sie. „Es ist gleich hier aus der Tür, dann rechts herum die Straße entlang und dann seht ihr es schon. Der Bahnhof ist direkt in Stadtmitte bei dem großen Springbrunnen.“
Therese deutete ein weiteres Kopfkratzen an, versuchte aber eher mir zu verdeutlichen, daß die gute Dame wohl eine ziemliche Schraube locker hatte.
„Wohin fährt der vermalledeite Zug?“ zischte es plötzlich über Thereses Lippen.
„Mei! Schreit’s doch nicht so rum, Kinder. Man kann doch alles friedlich lösen.“ antwortete Frau Lorenz betreten.
„Dann sagen Sie uns, wohin der Zug fährt! Gibt es einen Weg raus aus Treesville? Und bringt der Zug uns dahin?“ Therese wurde laut.

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Die hellrosane Farbe auf den Wangen der Frau hatten sich inzwischen in ein leuchtendes Rot verwandelt.
„Das weiß ich doch nicht! Ich fahre nie mit dem Zug. Aber ihr könnt alles weitere dem Fahrplan entnehmen. Rechts die Straße entlang und dann seht ihr es schon.“
Therese winkte ab, packte mich am Ärmel und schlörrte mich aus der Bäckerei.
„Einen schönen Tag noch!“ rief uns Frau Lorenz hinterher und hatte wieder ihr herzliches Lächeln auf dem Gesicht.

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Als wir die Bäckerei verließen, traf mich der Schlag.
Treesville war zum Leben erwacht und überall auf den Straßen war das geschäftige Treiben einer kleinen Stadt zu sehen. Menschen gingen von A nach B, hier und da hörte man das Aufheulen eines Automotors, aus einem Haus drang laut der Klang eines Radios und als wäre das ganze noch nicht verwirrend genug, erhaschten meine Augen auch ein paar kleine Kinder mit einer Schultasche auf dem Rücken, die in ein Gespräch vertieft ihres Weges zogen. Doch das alles war noch nicht genug. Mein Gefühl der absoluten Surrealität gipfelte darin, daß niemand – aber auch wirklich niemand- Therese und mich zu beachten schien. Bei dem Blick auf die beiden Kinder fragte ich mich einmal mehr, nach welchen Kriterien jemand ins Heim abgeschoben wurde. Es war nicht die Frage, wer von diesen Menschen regelmäßig zu uns hinauf fuhr und ein Dutzend weiterer Sprößlinge dem Tod überließ. Vielmehr war es die Frage, warum niemand hier den Anschein machte, dieses Heim und das Teufelswerk, das dort an der Tagesordnung war, zu kennen oder überhaupt um seine Existenz zu wissen.

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„Von wegen ‚mit Schrotflinten ins Moor gejagt’“ sagte Therese zerknirscht und als wäre es der letzte flehentliche Schrei nach der Hoffnung auf Erklärung, brüllte sie hinaus: „WIR KOMMEN AUS DEM HEIM! WIR SIND GRENZGÄNGER! WIR FRESSEN UNSERE TOTEN!“
Doch niemand schenkte ihr Beachtung. Alle waren mit sich selbst beschäftigt. Winzige Zahnräder in der großen Maschinerie eines funktionierenden Sozialnetzwerks. Und wir? Wir waren einfach nicht von Bedeutung.

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...to be continued
 
Ookeee,

ich muss sagen, das Dorf (und v.a. die Bäckerin) ist weitaus gruseliger als das Heim mit seinen kannibalischen Bewohnern...
Ich bin echt gespannt, worauf du hinaus willst :ohoh:
 
DAS frage ich mich mit jedem Kapitel mehr.

Ich kann mir das nur als Traum erklären, denn so sinnlos kann sonst einfach nix sein ;)
 
Spontan musste ich jetzt erstmal an die Trueman-Show denken, wo die ganzen Statisten starr stehen, bis sie ihr Signal kriegen. Nur dass hier ein panischer Regisseur die Statistenhorden in einer unbemerkten Sekunden auf die Strasse peitscht ohne zu bedenken, dass er den gegenteiligen Effekt mit seinen Bemühungen erzielt. :ohoh:
 
:D Jetzt haben wir die Truman-Show auch noch als Theorie und die Gehirnwäsche auch - fehlen wirklich nur noch die Aliens. Mag noch jemand Dark City einwerfen?

Hachnee, ich mag das ja ^^ Wenn ich die Geschichte nicht selber schreiben würde, dann würd ich mir spätestens jetzt selber nicht mehr abkaufen, dass hinter dem ganzen noch ein vernünftiger Plot steht :D
 
Vorhin hatte ich eine Theorie, jetzt hab ich sie vor Schreck wieder vergessen.

Okay, ich habe House of Stairs gelesen. Die Welt von James & Co. ist ein Forschungsprojekt. Es wird beobachtet, wie sich Kinder eben in so einer Umgebung verhalten, wie lange sie überleben, ob sie kämpfen. Moe ist eine Schlüsselfigur. Ob sie real oder Halluzination oder Traum oder was auch immer ist weiß ich noch nicht. James und Therese sind die beiden, die versucht haben, dieser Gehirnwäsche zu entkommen, sich aber so weit anzupassen, dass sie im Heim überleben können. Was das ganze für einen Sinn hat? Tja, da leckt meine Theorie.

Theorie 2

...hängt mit Theorie 1 zusammen. Das ganze Dorf ist ein Experiment. Einzige Bedingung ist es, das Dorf nicht zu verlassen. Der einzige Weg das Dorf zu verlassen führt unweigerlich zu besagtem Bahnhof. Wer die Schienen betritt oder in den Zug einsteigt hat seine Chance auf ein ... nennen wir es Existieren ... verspielt. Meist sind es Jugendliche, die sich mit der Situation im Dorf nicht abfinden wollen, die versuchen, herauszukommen und dann im "Heim" landen. Oder einfach nur Kinder, die leichtsinnigerweise am Bahnhof spielen.


Ich muss denken ... ^^

Sehr tolles Kapitel übrigens. Ich mag deine Bilder.
 
Die FS treibt mir einmal mehr eine Gänsehaut über den Rücken^^
Das ist so klasse aufgezogen dass man es sofort verfilmen könnte :D
 
Vielleicht hab ich auch einfach zu viele haarsträubende Bücher gelesen. Ich glaube übrigens nicht, dass dein Plot so durchschaubar ist, dass überhaupt jemand von uns darauf kommt.

Vielleicht hast du auch gar keinen und schreibst auf gut Glück. :p Nein, Spaß. ^^
 
Gut Ding will Weile haben- ich warte lieber ein halbes Jahr auf eine tolle Fortsetzung als dass ich fünf halbherzig geknipste Bilder und einen sinnlosen Text dazu bekomme.
 
...Fortsetzung

„Langsam glaube ich, ich träume.“ flüsterte Therese neben mir. „Das ist doch alles nicht real!“ Ich zog einen Mundwinkel hoch und bemühte mich, ein sehr sarkastisch grinsendes Gesicht zu machen. „Was hast du denn erwartet?“ fragte ich. „Glaubst du etwa, auch nur einer dieser stinknormalen Menschen hier könnte sich auch nur annähernd vorstellen, daß es soetwas wie unser Heim gibt?“
Therese zog es vor, nicht auf meine Frage zu antworten. Stattdessen packte sie mich am Ärmel und schlörrte mich die Straße runter.
„Wo willst du hin?“ fragte ich sie, meine Füße koordinierend, damit ich nicht über meine eigenen Schuhe stolperte.
„Na wohin wohl!“ fauchte sie zurück. „Zum Bahnhof! Das alles hier hat keinen Zweck, wenn wir nur rumsitzen und uns mit halbgaren Ausflüchten einer strunzdummen Bäckerin zufrieden geben.“
Ich widersprach nicht. Schnellen Schrittes ließ ich mich von ihr mitziehen, wich den Leuten auf der Straße aus, die mich nicht einen Blickes würdigten und der Wegbeschreibung von Frau Lorenz folgend, bogen wir und die nächste Ecke, hinter der sich der Bahnhof befinden sollte.



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Sie hatte immerhin nicht gelogen. Einen Fußmarsch von fünf Minuten später standen wir vor einem kleinen Gleis mit einem Wartehäuschen, in dem ein einziger Mensch saß und hin und wieder auf seine Uhr blickte. „Tatsache!“ sagte Therese laut. „Ein Bahnhof. Oder sagen wir, der jämmerliche Abkömmling eines Bahnhofes.“


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Sie ließ mich stehen und stakste schnurstracks auf den Fahrplan zu. „Wollen wir doch mal sehen, wohin der sch.eiß Zug fährt!“ Ich konnte mich nicht von einer gewissen Neugier freisprechen und gesellte mich zu ihr. Der Fahrplan, oder das, was einem Fahrplan am nähsten kam, zeigte eine Haltestellenauskunft an, die sich durch ganze drei Städte zog. Treesville war die Endstation.
„Sieh dir das an, Klumpfuß!“ kam es aus Thereses Richtung. „Twinbee Friedhof, Twinbee Dead End, Twinbee Mitte, Twinbee Stadtpark… Dieser Zug endet in einer Stadt namens Twinbee! Was sagst du dazu?”

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Ich zuckte mit den Achseln. “Ich hab’ nie von einer Stadt mit diesem Namen gehört.” sagte ich wahrheitsgemäß. Mich überkam das Gefühl, nicht nur nicht zu wissen, was in meiner eigenen Stadt vorging, sondern auch, daß ich bisher nie einen Gedanken daran verschwendet hatte, mir auszumalen, was es sonst noch in der Welt gab. Für mich war das Heim der Dreh und Angelpunkt dieses Planeten und hinter Treesville selber gab es nichts, bis auf das Moor – welches anscheinend nichtmal existierte, und den Wald, von dem behauptet wurde, daß er kein Ende hatte. Was der Fahrplan allerdings nicht preisgab, waren die Abfahrtszeiten des Zuges. Das selbe schien Therese in dem Augenblick auch zu denken, denn sie drehte sich auf dem Absatz herum und ging auf den einzigen Fahrgast zu, der in dem Wartehäuschen stand.

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„Verzeihung!“ sagte sie. Allerdings keineswegs in einem freundlichen Tonfall. Es war ihre typische Art, mit Menschen zu reden, oder besser gesagt, rumzupatzen.
„Können Sie mir sagen, wann der Zug fährt? Und wo Twinbee ist?“
Der Mann blickte nervös von seiner Uhr auf und lächelte.
„Oh, hallo! Wissen Sie, Twinbee ist eine schöne Stadt. Ich arbeite dort. Aber heute habe ich unglücklicherweise den Zug verpaßt. Er kommt nur jede Stunde, wissen Sie.“
„Und diese Stunde ist wann vorbei?“ fragte Therese.
„In genau 53 Minuten.“ antwortete der Mann mit einem weiteren Blick auf die Armbanduhr.
„D’oh!“ kam es genervt über Thereses Lippen.
„Was solls denn?“ sagte ich. „Wir hätten eh kein Geld für ein Ticket dahin. Und ich glaube, ehrlich gesagt, auch nicht, daß die Schaffner uns eine Fahrt spendieren – schon gar nicht mit dem Outfit!“ Ich zeigte auf Thereses zerlöcherte Strumpfhose. Sie knirschte mit den Zähnen, sah ein paar Sekunden nachdenklich auf den Fahrplan, drehte sich dann wieder zu dem Fahrgast und sprach weiter.
„Was ist in Twinbee denn so?“

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„Wissen Sie, Twinbee ist eine schöne Stadt. Ich arbeite dort. Aber heute habe ich unglücklicherweise den Zug verpaßt. Er kommt nur jede Stunde, wissen Sie.“
„Jaja, das weiß ich jetzt.“ fauchte Therese. „Ich wollte wissen, was es da so gibt? Zum Beispiel Kinderheime, in denen massenweise Menschen sterben… oder sowas ähnliches.“
„Kinderheime mit sterbenden Menschen?“ Der Mann lachte kurz auf. „Ich befürchte, Sie schauen zuviele Horrorfilme.“
„Das kann man wohl so sagen…“ entgegnete Therese und zog ein wütendes Gesicht. „Und wenn ich mal etwas persönliches fragen darf…“
„Nur zu.“ antwortete der Mann.
„…Kann es sein, daß ein paar Meilen von hier so ein Heim existiert und die Leute aus diesem Ort Kinder dahin abschieben, um sie da verrecken zu lassen?“
Der Mann sah untröstlich aus. „Kinderheim? Bei uns gehen Kinder in die Schule, und nicht ins Heim. Die Schule ist etwa 20 Kilometer östlich von hier. Ihr könnt sie mit dem Zug erreichen.“
Ich runzelte die Stirn.

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„Also wollen Sie mir erzählen, nie etwas von einem solchen Heim gehört zu haben?“ löcherte Therese ihn weiter.
„Beileibe nicht. Soetwas gibt es doch nur im Fernsehen.“ Der Mann schaute wieder auf seine Armbanduhr, als würde er erwarten, daß zwischen den zwei Sätzen, die er mit Therese gewechselt hatte, mindestens eine Dreiviertelstunde vergangen sei.
„Könnten Sie sich vorstellen, daß Twinbee so ein Heim hat?“ fragte ich.
Er blickte irritiert zu mir auf und lächelte.
„Um Gottes Willen!“ entgegnete er. „Sie haben vielleicht Nerven, mich sowas zu fragen. Twinbee ist eine schöne Stadt. Das Wahrzeichen mit den zwei Bienen steht in Stein gehauen auf dem großen Platz in Twinbee Mitte.“
Ich zog Therese am Ärmel und riß sie von dem Fahrgast weg.
„Aus dem kriegen wir nichts heraus.“ flüsterte ich. „Der erzählt ja doch nur immer das selbe, scheinbar ist er hoffnungslos verliebt in seine Arbeit in Twinbee. Wir sollten uns weiter hier umsehen um zu schauen, ob wir nicht noch weitere Anhaltspunkte bekommen.“
„Vermutlich hast du recht, Klumpfuß. Selbst wenn wir eine Fahrkarte hätten, der Zug kommt eh erst in einer Stunde. Gehen wir.“
Mit diesen Worten entfernten wir uns wieder vom Bahnhof, zurück in die Straße, aus der wir gekommen waren. „Kannst du dir auch nur ansatzweise erklären, warum keine Sau hier unser verschissenes Heim kennt?“ platzte es aus Therese heraus.
„Wenn ich das wüßte, wäre ich um Längen schlauer.“ sagte ich. „Die Menschen hier verhalten sich total seltsam. Entweder sie haben ein Geheimnis und tun gut daran, es zu decken, wenn man ihnen auf die Schliche kommt, oder die sind wirklich einfach nur nicht die Hellsten.“


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„Wollen wir Frau Lorenz mal auf den Zahn fühlen?“ fragte Therese, und bevor ich auch nur darüber nachdenken konnte, ob das eine gute Idee war, oder nicht, lief sie schon schnellen Schrittes und zielstrebig auf die Bäckerei zu. „Ich will jetzt ein paar Antworten haben, und es ist mir wahrlich egal, von wem!“ Damit riß sie die Eingangstür auf und baute sich wie ein Samurai in virtueller Rüstung vor der Theke auf.

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„Hören Sie mal, Frau Lorenz…“ begann Therese in gewohnt flapsigem Tonfall. „Es gibt Dinge, die kann ich auf den Tod nicht haben! Dazu gehört beispielsweise, einen auf dämlich tun, wenn man etwas gefragt wird, nur um ein hundsmiserables Spiel zu vertuschen!“
Die Bäckerei drehte sich zu uns um, und als hätte sie Thereses Ansprache überhaupt nicht gehört, legte sie wieder ihr pausbäckiges, rosa Lächeln auf’s Gesicht.
„Guten Morgen!“ sagte sie freundlich. „Was darf ich euch anbieten?“
„Die Wahrheit!“ maulte Therese zurück und auch, wenn ich es von ihr gewohnt war, so hielt ich es für keine gute Idee, jetzt pampig zu werden. Eher noch vermutete ich, daß Frau Lorenz auf diese Art und Weise erst recht dichthalten würde.

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„Das heutige Angebot besteht aus Käsekuchen mit luftiger Schlagsahne, dazu Milchkaffee und einem Muffin mit Preiselbeerfüllung – oder je nach Wahl zwei belegte Brötchen mit Thunfisch und Ei, einem Klecks Remoulade und Salatbeilage.“ Therese setzte gerade dazu an, einen weiteren bissigen Kommentar in den Raum zu schleudern, da hielt sie plötzlich inne und verharrte in der Bewegung. Wahrlich, wahrlich! Genau dieses Angebot des Tages hatte Frau Lorenz vor wenigen Minuten schonmal runtergeleiert – und zwar in genau dem selben Tonfall. Als hätte ich in dem Moment meine Fähigkeit zur Telepathie entdeckt, wußte ich genau, was meine kodderschnäuzige Freundin dachte. Die Menschen hier in diesem Ort spielten ein verdammt ausgeklügeltes Spiel. Bei jeder anderen Reaktion hätte man nachbohren, oder Gegenargumente anbringen können. Aber so würde jeder Versuch zur Kommunikation in der Zermürbung des Gegenübers enden. Ja, es war nahezu perfekt durchdacht.

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Wie ich so da stand und die pummelige Bäckerin anschaute, überkam mich der fluxe Gedanke, ihr ein Messer in die Hand stechen zu wollen, nur um zu sehen, ob sie überhaupt lebte. Da dieses Vorhaben dank der brusthohen Theke zwischen uns vereitelt wurde, entschied ich mich für eine andere Methode. Ich wollte ihr Spiel mitspielen.
„Weder noch…“ sagte ich. „Wie man uns vermutlich ansehen kann, haben wir nicht das geringste bißchen Geld dabei und auch wenn Ihr Angebot zugegebenermaßen verlockend klingt, so können wir es uns leider nicht leisten.“
Frau Lorenz strahlte über das ganze Gesicht.
„Nun, wenn das so ist… Die Familie Lorenz betreibt diese Bäckerei aus Liebe zum Backen und nicht zur Geldmacherei. Die Brötchen vom Vortag gibt es kostenlos.“
„Die nehmen wir.“ sagte ich freundlich und beobachtete, wie mein Gegenüber sich umdrehte um nach den Backwaren zu suchen, nur um einige Sekunden später mit bedauernswertem Gesicht zu beteuern, daß vom Vortag nichts mehr übrig war. Daß sie uns die Brötchen vorhin schon gegeben hatte, wußte sie wohl nicht mehr.

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Therese packte mich beim Handgelenk und schlörrte mich aus der Bäckerei hinaus und die Straße herunter, die wir hergekommen waren.
„Wo willst du hin?“ fragte ich und bemühte mich, nicht zu stolpern.
„Nach Hause!“ antwortete Therese brummig. „Es gibt nichts, was ich mir hier noch länger ansehen will.“ Es war nicht schwer zu erkennen, daß sie es mit der Angst zutun bekommen hatte. Es war nicht die Furcht vor irgendeiner Art Schreckgespenst, dem Tod oder einer schlimmen Situation, es war die Angst vor dem Unbekannten. Die Menschen in diesem Ort verhielten sich wie Maschinen. Ob das nun eine total einstudierte Masche war, um die schlimmen Dinge , die sich hier in Treesville ereigneten, zu vertuschen, oder irgendwas anderes, war im Moment zweitrangig. An erster Stelle stand, daß es das Gefühl von nahezu perfektionisierter Falschheit vermittelte, als wäre man der Protagonist in einem kollektiven Alptraum, in dem selbst die einfachsten Gesetze aufgehoben waren.

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Therese ging mit so zügigen Schritten voran, daß wir nur einige Minuten später wieder auf dem schottrigen Weg waren, der uns zurück ins Heim führte – und als wir die Stadt wieder klein und ruhig hinter uns wußten, hielt sie an und schnaufte.
„Diese verdammte Sch.eiße macht mich total fertig!“ keifte sie. „Hast du soetwas je schonmal erlebt, Klumpfuß?“
Ich schüttelte wahrheitsgemäß den Kopf. „Und weißt du, was das schlimmste ist?“ fuhr sie fort. „Das schlimmste ist, daß ich mir auf diesen ganzen verfluchten Bockmist keinen Reim mehr machen kann! Es hat all meine Theorien über den Haufen geworfen, James! Ich hab damit gerechnet, daß wir auf den Scheiterhaufen kommen oder sonstwas passiert, aber sowas? Verdammt, was ist das hier für eine Hölle?“

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Es gab nichts, was ich darauf hätte antworten können, und so zuckte ich nur mit den Achseln und setzte meinen Weg fort, zurück in Richtung Heim.
„Eines ist jedoch sicher.“ sagte ich nach einer schier endlosen Pause. „Und zwar, daß wir beide irgendwie realer sind, als die Leute in der Stadt.“
Ich trat im Laufen gegen einen kleinen Stein und kickte ihn ungewollt einige Meter vor mir her. „Und vielleicht ist es das ja auch schon gewesen. Ich meine… die ganzen Legenden, die sagen, daß etwas schlimmes passieren würde, wenn wir das Heim verlassen. Ehrlich gesagt, schlimmer als in Treesville selbst kann es ja kaum noch kommen, oder? Immerhin haben wir im Heim noch ein Stückchen den Verstand behalten. In gewisser Weise sind die Legenden also doch wahr.“
Therese brummelte vor sich hin.
„Wenn das Heim der einzige Ort ist, an dem man noch klar im Kopf ist, dann kann ich ehrlich gesagt darauf verzichten!“
Ich schüttelte den Kopf. „Es scheint, als wollten die Legenden uns nicht and das Heim binden, um uns gefangen zu halten, sondern um uns die schreckliche Wahrheit zu ersparen. Wenn man es so rum betrachtet, dann diente das ganze nur zu unserem Schutz.“

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„Toller Schutz, Klumpfuß!“ entgegnete Therese. „Wenn das so ist, können wir uns gleich aufhängen.“
Ich sagte nichts. Aber je mehr ich darüber nachdachte, desto klüger erschien mir dieser daher gesagte Kommentar. Wenn das Heim mit all seinen schrecklichen Beschaffenheiten immer noch die menschlichste Institution in dieser Welt war, die einzige Wahrheit in diesem Haufen von mechanischen Lügen, dann erschien der Tod wirklich noch als barmherzigste Lösung. Was hatte man schon zu verlieren? War es wirklich an uns, dieses komplexe Rätsel zu lösen, das uns und unsere Existenz rechtfertigte? Waren wir überhaupt geistig dazu in der Lage, all die Mechanismen hinter diesem Konstrukt in voller Kapazität zu erfassen und zu verstehen? Jede Antwort, die wir uns holten, warf mindestens zehn neue Fragen auf. Und wenn man eine Antwort fand, auf die man keine Frage hatte, so mußte man auch danach suchen. Es war, um es simpel auszudrücken, viel zu komplex und zu durchdacht, um es zu verstehen. Und genau das war es, wovor uns die Legenden immer gewarnt hatten. Würde man irgendwann durchdrehen, wenn man sich zu lange mit den Dingen beschäftigte? Ich hatte jetzt schon das Gefühl, an meine geistigen Grenzen zu stoßen, und ich war mich sicher, nichtmal ein viertel aller Fragen beantwortet zu haben, die das große Puzzle um diesen Ort zu bieten hatte.

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...to be continued
 
Zuletzt bearbeitet:
ROBOTER!! :scream: :rolleyes:

Das Wort kam mir gleich in den Sinn, als ich den Text gelesen habe. Roboter, die von irgendjemanden programmiert worden sind ... o_O

Ich kann mir ehrlich gesagt keine Reim drauf machen. Sorry

Genau wie die beiden. xD o_O
 
Spannanannend! :ohoh:

Ich hoffe, du lässt uns auf das nächste Kapitel nicht wieder so lange warten!

Nachdem Trueman ausscheidet, sind die beiden vielleicht in einem Super-Nintendo-Rollenspiel gefangen. Da sagen die Leute auch immer das Gleiche, egal wie oft man versucht mit denen zu interagieren. :D
 
Kennt ihr diese Spielbücher, bei der man immer wählen muss, was man tut, und je nach dem geht es auf der einen oder anderen Seite weiter? Irgendwie habe ich mich dauernd falsch verhalten und landete immer auf Seite 92, wo ich sofort von Geistern gefressen wurde... Klar, wenn man auf dieselbe Seite kommt passiert auch dasselbe. Die Leute labern dasselbe und verhalten sich auch gleich, da der Text vorgegeben ist und sich niemals ändern wird.

Aber nein, meine Theorie ist nicht, dass sich das ganze um ein Spiel dreht, egal ob in einem Spielbuch oder in einem Gib-dem-Affen-die-Banane-Computerspiel...

Ich bliebe bei meiner Theorie der geistigen Welt, die James sich aufgebaut hat und in der er sich bewegt. Die Antworten der - bislang unbekannten - Leute sind deswegen so wiederholend, weil sein Gehirn noch keine Zeit gehabt hat, sich etwas komplexeres einfallen zu lassen. Und auf die Frage, warum James Gehirn sich dann unbedingt auf die Reise ins Dorf begibt, wenn es damit überfordert ist, würde ich sagen, dass Moe dabei eine entscheidende Rolle spielt.

Und ja, ich bin auf dem Holzweg, ich weiss... aber du wolltest ja Theorien haben, also kriegst du sie auch.

Meine zweite Theorie ist: Du willst auf gar nichts raus und amüsierst dich einfach nur köstlich über unseren Hirngespinsten. :p
 
Gehts bald weiter? :D
Ich oute mich jetzt einfach mal als heimliche Leserin.
Und wieder ein Fan mehr :-)

Könntest du mich benachrichtigen?
 
Woah, langsam überspannst du den Spannungsbogen :D
Ich halte mich ja die ganze Zeit zurück mit den Theorien und warte gespannt ab wie es weitergeht...
Ich freu mich drauf mehr zu erfahren :D
 
Fortsetzung...

Zurück im Heim überließ ich Therese wieder der Obhut des Leichenkellers und ging die Treppe nach oben um mich in meinem Zimmer etwas auszuruhen. Mir tat der Rücken weh, von meinem Knie ganz zu schweigen und meine Füße lamentierten lautstark ob der Belastung, die ich ihnen zumutete, wenn ich sie dazu zwang, mich aufrecht vom Heim bis in die Stadt und zurück zu tragen. Als ich im oberen Stockwerk angekommen war und die Tür zum Korridor aufschlug, vernahm ich aus dem Gemeinschaftsraum ein monotones Schmatzen und Gurgeln. Das Geräusch wurde durch das Echo hier auf dem Flur so verzerrt, daß es sich anhörte, wie das Magenknurren eines mindestens haushohen Monsters, und genauso bösartig klang es auch. Entgegen meiner eigentlichen Sch.eissegalhaltung, was das bunte Treiben hier im Heim anging, fand ich mich plötzlich auf direktem Wege auf den Ursprung dieses Geräusches wieder. Ich war eigentlich von Natur aus nicht besonders neugierig. Im Gegenteil, ich war immer gut damit gefahren, die meistens hausbackenen Probleme anderer Leute zu ignorieren und mich um meinen eigenen Kram zu kümmern. Ich hatte nie eingesehen, warum ich mir auch noch die Last aufbürden sollte, die Päckchen anderer mitzutragen. Das war nun beleibe nicht meine Aufgabe. Was mich in diesem Augenblick dazu bewegte, dem Geräusch auf den Grund gehen zu wollen, kann ich nur mutmaßen. Einerseits hätte es mir anbetracht der Ereignisse der letzten Stunden nicht egaler sein können, was hier im Heim passierte, aber andererseits hatten gerade diese Ereignisse dafür gesorgt, daß es nun problemlos in meine Weltgleichung passte, daß sich hier aufeinmal ein Monster eingenistet hatte. In einer Welt, wo es Zeitstillstände gab, Menschen eine monotone Endlosschleife von Sätzen herunterrasselten und Kinder starben wie Ratten an der Pest, war das Auftauchen eines Monsters nun wirklich nicht weit hergeholt.

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Und als ich den in den Gemeinschaftsraum trat, blieb mir die Spucke im Hals stecken. Das Monster war wirklich dort. Es hatte mehrere Arme und Beine, hielt ein Messer in den dreckigen Klauen und mit blutverschmiertem Maul tat es sich gütlich an – ich traute meinen Augen kaum- der Leiche eines kleinen Jungen. Ja, meine Vision, die ich hatte, bevor ich mit Therese losging, um den Zeitstillstand zu sehen, hatte sich bewahrheitet. Meine Mitbewohner hatten das kranke und fiebrige Kind, das vor kurzem noch aus dem Duschraum geflohen war, als Hauptgericht auf den Speiseplan gesetzt. Und jetzt hockten sie da und stopften sich das rohe, kranke Fleisch in den Rachen, ohne mir auch nur einen einzigen Blick zu schenken. Angesichts der Vorstellung von Normalität, die ich zweifelsohne irgendwo in mir verspürte, war mein erster Gedanke nicht etwa das Für und Wider eines moralethischen Konsens ob der Verspeisung von Artgenossen gewesen, sondern einzig und allein die Frage, ob sie den Jungen für ihr Festmahl geschlachtet, oder ihn erst kurz nach seinem Ableben durch seine Krankheit zur Speise degradiert hatten. Nein, in meinem Kopf gab es kein Gesetz, das Kannibalismus verbot, aber Mord war eine Sache, die sich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren ließ. Und noch bevor ich mir darüber nähere Gedanken machen konnte, hörte ich meine eigene Stimme sprechen: „Habt ihr ihn getötet?“


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Einer der Meute sah mich kauend und mit blutigem Mund an und als wäre ich nicht wirklich da gewesen, wandte er seinen Blick sofort wieder ab auf das rohe und geschnittene Fleisch.
„HABT IHR IHN GETÖTET?“ schrie ich. Es war nicht von der Hand zu weisen, daß es niemanden interessierte, daß ich da war. Und daß niemand wirklich auf meine Frage antwortete, war Beweis genug dafür, daß ich recht hatte. Sie hatten ihn getötet. Es ging hier nicht um das Brechen eines Gesetzes, oder das Einhalten von moralischen Aspekten des Zusammenlebens. Es ging darum, die eigene Haut vor dem Verhungern zu retten, egal, was es kostete, und das taten sie zweifelsohne. Fressen und gefressen werden, hieß es. Der Stärkere überlebt. Ein primitiver Evolutionsplan, so alt wie die Menschheit selbst. Und hier in dieser kränkelnden Form von Zivilisation hatte dieses Naturgesetz wieder Einzug erhalten. Es brauchte keinen Gedanken, keine Fragen oder Antworten, es brauchte nichtmal ein Gefühl dafür – es war ein Instinkt, der sich in jedem Lebewesen auf der Welt wiederfinden ließ. Daß dieser Instinkt, von dem ich glaubte, daß er mit zunehmenden Generationen der zivilisierten Gesellschaft verkümmert worden war, mit einem Male so hartnäckig wieder zurückschlagen konnte, als sei er niemals abgeschafft worden, versetzte mich in pures Grausen. Der ganze soziale Nerv, den man mühsam in Jahrtausenden blankgelegt hatte, um bei bloßem Kontakt Mitgefühl und Gerechtigkeitssinn aufkeimen zu lassen, war hier im wahrsten Sinne des Wortes abgestorben.



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„Ihr widert mich an!“ spuckte ich die Worte hinaus und damit war alles gesagt, was es zu sagen gab. Es stand nicht in meiner Macht, sie von ihrer Freßorgie abzuhalten, noch konnte ich das Kind wieder lebendig machen, indem ich weitere Haßtiraden auf die Schlächter von mir gab. Ich drehte mich auf dem Absatz herum und verschwand in meinem Zimmer.

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Ich war den Tränen nahe. Was immer hier in der Welt passierte, es passierte mit rasender Geschwindigkeit. Es kam mir vor, als wäre es erst wenige Minuten her, als hier im Heim noch ein trister und öder, aber durchaus noch mit einem Mindestmaß an sozialer Empathie gesegneter Alltag herrschte. Jahrelang war es so gewesen und man hatte eine gewisse Ordnung in den Dingen. Man wußte, was passieren würde und was nicht. Man konnte sich darauf einstellen und damit leben, im besten Falle sogar damit zusammenarbeiten – aber jetzt war es, als hätte der Teufel persönlich seine Finger mit im Spiel. Mir kam es so vor, als würde sich die Ordnung mit jedem Schritt ändern, den Therese und ich gingen, um dem Geheimnis von Treesville auf die Schliche zu kommen. Jeder unserer Schachzüge beinhaltete einen Gegenzug vom Schicksal, oder wer auch immer hier die Fäden zog. Und es ging alles so wahnsinnig schnell. Mit jeder Frage, die wir stellten, änderte sich ein Stück in der Weltordnung. Wie lange würde es wohl dauern, bis alles komplett im emotionslosen Chaos versinken würde?
Moe! Ich hatte sie schon sehr lange nicht mehr gesehen. Hatte ich sie bei meinem letzten Besuch nicht als abtrünnigen Fädenzieher bezeichnet? War sie es jetzt, die diese Welt zum Einsturz brachte? Ich mußte sie wiedersehen. Ja, im Moment wünschte ich mir nichts mehr, als in ihrem Wohnzimmer aufzutauchen und sie zur Rede zu stellen, und als wäre es ein weiterer beabsichtigter Schachzug des Schicksals gewesen, begann sich der Raum um mich herum zu drehen und ich wurde in diese dumpfe und behagliche Schwärze gerissen, mit der sich mein Eintritt ins Traumleben ankündigte. ‚Jetzt geht es dir an den Kragen, Moe!’ dachte ich und nur ein paar Sekunden später stach mir das gleißende Licht der Sonne, die eigentlich nur in Fabeln und Geschichten existierte, ins Auge.

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„Ich sehe nicht ein, warum das so eine schlechte Idee sein sollte!“ hörte ich Moe diskutieren, die wie von einer Hummel gestochen im Zimmer auf und ab lief. „Das haben unsere Großmütter im Krieg damals schon gemacht und es hat ihnen geholfen!“
Krieg? Großmütter? Ich wollte mich bewegen um auf mich aufmerksam zu machen, da schoß ein nicht zu verachtender Schmerz durch meine Gelenke. Aufeinmal dröhnte mein Kopf, als hätte eine Horde von kleinen Handwerkern in meinem Gehirn Einzug erhalten, die jetzt mit Hammer und Meißel anfingen, aus meinem Schädel eine Titelseitenidylle für die Zeitschrift ‚Schöner Wohnen’ herzurichten. Für eine Sekunde lang war ich benommen vor Schmerz und Moe ließ sich nicht davon abbringen, weiterzureden.
„Frische Luft hat noch niemandem geschadet! Und wenn wir ehrlich sind, ist ständiges in der Bude hocken sogar kontraproduktiv für die Seele. Man braucht ab und an mal einen kleinen Tapetenwechsel.“
„Moe!“ sagte ich kleinlaut um den Schmerz in meinem Kopf nicht zu einer weiteren Attacke herauszufordern. „Hör auf mit dem Sch.eiß!“

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Sie drehte sich herum und schaute mich mit irritierten Blicken an.
„James?“ kam es genauso leise von ihr zurück, als könne sie nicht glauben, wen sie da vor sich hatte. Es mußte auch schwer zu glauben sein, denn an ihrer Stelle hätte ich auch nicht mehr damit gerechnet, nach der letzten Ansprache hier nochmal aufzukreuzen.
„Hast wohl gedacht, ich wär gestorben, was?“ kam es in belustigtem Tonfall über meine Lippen. „Aber ich sag dir was. So leicht stirbt es sich nicht, selbst wenn du jetzt aus meinen Mitleidenden eine Horde skrupelloser Kannibalen gemacht hast.“
„Wovon redest du?“ fragte sie und legte ein unwissendes Gesicht auf. Ja, sie hatte ihre Rolle perfekt einstudiert.
„Tu doch nicht so!“ entgegnete ich. „Weißt du, was du in deiner grandiosen Rechnung vergessen hast?“ Ich wartete die Antwort nicht ab. „Um jemanden einzuschüchtern, indem man ihn mit Menschenfressern umgibt, braucht man etwas ganz essentielles: Nämlich einen Mitspieler, der Angst vor dem Tod hat. Und das hab’ ich nicht.“
Moe wackelte in ihrem typischen Entengang auf mich zu und setzte sich mir schräg gegenüber.
„James, ich habe mir Sorgen um dich gemacht!“
„HÖR AUF DAMIT!“ schrie ich und mein Kopf dankte es mir sofort, indem er eine weitere Schmerzwelle durch meinen Schädel schickte. „Was sind die Leute von Treesville eigentlich? Häh? HÄH?“
„Ich weiß nicht was du meinst.“ antwortete sie.
„Hör endlich auf damit!“ sagte ich nochmals, aber diesmal leiser. „Du weißt doch über alles bescheid, nicht wahr? Was ist Treesville? Ist es ein Experiment? Ist es sowas wie ein Strafprogramm oder ein illegales Objekt mit Menschen als Versuchspersonen? Wer sind die Menschen in Treesville? Sind das überhaupt Menschen?“

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Moe schüttelte unwissend den Kopf. „James, ich weiß nichts über Treesville. Nur das, was du mir davon erzählst! Glaubst du, ich kann hellsehen? Ich kann mir nichtmal ein Bild von dieser Stadt machen.“
„Sie verhalten sich wie Maschinen.“ fuhr ich fort, ohne auf ihre Worte einzugehen. „Sie sagen immer das selbe, sie sind nicht ‚echt’, und du weißt das, nicht wahr? Sag mir endlich die Wahrheit! Ich habe ein verfluchtes Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren, wenn ich schon unter ihr leiden muß!“
Sie seufzte und schüttelte abermals den Kopf.

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„Weißt du, was das Problem daran ist, daß ich dir nicht weiterhelfen kann?“ fragte sie. „Das Problem daran ist, daß ich nur die Dinge weiß, die ich von dir höre, und mir selbst keinen Reim darauf machen kann. Du kommst her, du wirfst mir bruchstückhaft Dinge vor, von denen ich nie den Hauch einer Ahnung hatte und verlangst dann von mir Antworten. Wie kann ich die Antworten denn wissen, wenn ich nichtmal weiß, worum es geht?“
„Du lügst!“ sagte ich barsch. „Du weißt sehr wohl, worum es geht, Moe! Aber irgendjemand hat dir verboten, mit mir darüber zu sprechen, nicht wahr? Es dient alles irgendeinem höheren Zweck, der unter allen Umständen gewahrt werden soll, oder etwa nicht? Dann sag mir einfach nur, wer hinter diesem ganzen Schauspiel steckt. Das würde mir schon reichen.“
„James…“ Ihre Augen sahen aufeinmal furchtbar traurig aus. „Manchmal geschehen Dinge, die nicht geschehen sollten. Manchmal passiert etwas im Leben eines Menschen, etwas, das viel zu groß ist, als daß er es mit eigenen Händen packen könnte. Es ist nicht deine oder meine Schuld, daß sowas passiert. Wir können nur tatenlos danebenstehen, einer als Opfer, einer als Helfer – aber aus der Welt räumen, das können wir nicht.“
„Und wer dieses Opfer ist, liegt auf der Hand, nicht wahr?“ biß ich weiter. „Was für eine Rolle hat Therese in dieser Rechnung, häh? Wenn ich das Opfer bin und du der vermeindliche Helfer, was zur verfluchten Hölle ist dann Therese? Laut dieser Rechnung wäre sie nämlich überflüssig.“
„Ich weiß es nicht.“ antwortete sie resigniert. „Ich bin kein Teil deines Puzzles, James. Ich kann das Puzzle weder sehen, noch zusammenlegen. Ich kann nur hier sein und versuchen, da zu helfen, wo es mir möglich ist, verstehst du das denn nicht?“
„Nein!“ sagte ich wahrheitsgemäß.
„Ich weiß nicht, welche Aufgabe Therese zuteil geworden ist. Aber jeder Mensch hat eine Aufgabe. Trotzdem steht es nicht in meiner Macht, die Aufgaben anderer zu erkennen und zu deuten, das musst du mir glauben.“ bekräftigte Moe ihre Worte.

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„Was ist deine Aufgabe?“ fragte ich. „Wenn du die Aufgaben der anderen nicht erkennen kannst, dann weißt du aber mit Sicherheit deine eigene, oder irre ich mich schon wieder?“
„Ich habe den großen Plan meines Lebens noch nicht gefunden.“ sagte sie bitter. „Allerdings bin ich mir sicher, daß ich ihn eines Tages wissen werde, so wie jeder Mensch es eines Tages wissen wird.“
„Gut, frage ich eben andersrum, wenn du auf diese Art und Weise keine klaren Antworten gibst.“ erwiderte ich. „Wenn es Opfer und Helfer gibt, wer ist der Täter? Denn ohne Täter kein Opfer. Also, wer ist es?“
Moe sah untröstlich aus und man merkte, daß sie sich nicht sicher war, was sie darauf antworten sollte. Es war, als führte ein kleiner Krieg in ihrem Kopf statt, dessen Sieger auch die Antwort auf meine Frage beeinflussen würde.
„Ein Mann.“ sagte sie schließlich. „Aber er hat keine Macht mehr über die Dinge.“
„Was für ein Mann und wo finde ich diesen Scheißkerl?“ fragte ich in energischem Tonfall.
„Du willst zu ihm?“
„Worauf du dich verlassen kannst!“ Ich legte mein Gesicht in Zornesfalten. „Bring mich zu ihm!“
Moe seufzte. „Das kann ich tun, aber es wird dir nicht weiterhelfen, James.“
„Doch, das wird es!“ beharrte ich. „Selbst wenn dieser verfluchte Mistkerl keine Macht mehr hat, so muß ich trotzdem in den Auswirkungen seines tollen Drecksplans leben. Und dafür gehört ihm ordentlich die Fresse poliert.“
Ich wußte, daß meine Worte weder einschüchternd, noch sonderlich bedrohlich wirkten, denn dazu entsprangen sie einfach zu sehr meiner eigenen Verzweiflung. Ebensogut hätten sie aus dem Mund eines trotzigen Kleinkindes stammen können, daß zwar wußte, daß es nichts erreichen konnte, aber trotzdem leere Drohgebärden aussandte, um die eigene Resignation nicht preisgeben zu müssen.

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Moe nickte. „Gut… also, wenn du willst, bringe ich dich hin. Ich sag’ dir nur jetzt schonmal, es wird dir nicht weiterhelfen.“
„Oh doch, das wird es.“ erwiderte ich. „Selbst wenn man an dem Zustand, wie er jetzt ist, nichts mehr ändern kann, so kann ich dann wenigstens Antworten fordern, die mir helfen, das ganze zu verstehen!“
Moe zuckte mit den Achseln und zeigte in Richtung Wohnungstür. Dieser Aufforderung kam ich nur allzu gerne nach und stellte diesbezüglich auch die Schmerzen in meinen Gliedern und in meinem Schädel hinten an. Ich stand auf und folgte ihr aus dem Haus.
Was ich draußen sah, entsprach in etwa dem, was die abenteuerlichen Gute-Nacht-Geschichten, an die ich mich noch bruchstückhaft erinnerte. Es war eine Welt ohne Nebel und ohne Nieselregen. Eine Welt, in der man tatsächlich barfuß draußen spazieren gehen konnte, ohne zu frieren. Es war niemand auf der kleinen Straße, aber der Wind und das Vogelgezwitscher ließen die gesamte Szenerie so real und wirklich aussehen, daß sie kaum mit dem zu vergleichen war, was ich aus Treesville kannte.
„Es ist nicht weit von hier.“ sagte Moe und zeigte auf die gegenüberliegende Straßenseite, die von einer hohen Mauer versperrt wurde. „Wir befinden uns sozusagen Tür an Tür mit dem Menschen, zu dem du willst.“

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Ich sagte nichts. Es gab einfach im Moment nichts, was ich zu sagen hatte. Nicht, bevor ich nicht ein paar Antworten bekam. Und so trottete ich ihr einfach nur hinterher und hatte Mühe, mein Gleichgewicht zu halten – wirkte meine gesamte Körperwahrnehmung doch irgendwie ein wenig verzerrt und aus der Bahn geworfen. War ich gewachsen? Der Abstand zwischen meinem Gesicht und dem Asphalt wirkte irgendwie ungewohnt. Es mochte an meinen Kopfschmerzen gelegen haben, oder auch daran, daß mir alle Gelenke wehtaten, aber ich fühlte mich seltsam deformiert und surreal. Ja, zum ersten mal in dieser Welt hatte ich das Gefühl, ‚falsch’ zu sein. Und das war keineswegs der Umgebung zu verdanken, denn die hätte realer nicht wirken können, nein, es war meine eigene Selbstwahrnehmung, die sich anfühlte, als käme sie geradewegs aus einem körperlosen Traum.

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Ich folgte Moe wie ein treuer Hund durch zwei in die Mauer eingelassene Gittertüren, die mit aufwändigen Mustern verziert waren und auf dessen Spitze ein paar mir nicht bekannter Symbole prangten. Es war nicht schwer zu erkennen, was dahinter lag: Ein Friedhof, mit ordentlich geschnittenem Gras, sorgfältig gepflanzten Stiefmütterchen auf den einzelnen Gräbern und einem aus weißem Kies bestehenden, aufgeschütteten Weg, der durch die Reihen zog. Ein Friedhof, wie er aussehen sollte und dem man ansehen konnte, daß es Menschen gab, die sich um ihn kümmerten. Als wir die Kindergräber passierten, fuhr mir ein Schauer über den Rücken. Hier lagen sie also, die Kleinen. Ordentlich in einer Trauerzeremonie begesetzt in hübsch anzusehenden Gräbern, an deren Kopf aus gut bearbeitetem Holz ein Kreuz mit Verzierungen stand, um dem geliebten Menschen, den man verloren hatte, die letzte Ehre zu erweisen. Ja, hier wurden die Toten begraben, im Heim wurden sie gefressen.

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Ich war mir völlig sicher, daß Moe mich über diesen Friedhof führte, weil er eine Abkürzung war, denn hinter den letzten Gräberreihen waren in der Ferne einige prunkvolle Häuser zu sehen, auf die wir geradewegs zusteuerten. Doch mit einem Male blieb sie stehen und drehte sich zu mir um.
„Was ist?“ fragte ich. „Verlaufen?“
Sie schüttelte traurig den Kopf. „Nein, James. Wir sind da.“ Mit diesen Worten zeigte sie auf ein Grab zu ihrer Rechten. Ich folgte ihrem Blick und war sichtlich irritiert.
„Wie?“ kam es über meine Lippen. Sah ich doch nichts weiter als ein verwuchertes und der Wildnis überlassenes Stück Erde mit einem massiven Grabstein, auf dem die Inschrift ‚Albert Jansen, geboren 1954, gestorben 2001’ stand. Ich sog die Luft ein und stieß sie mit einem lauten Zischen wieder aus.

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„Albert Jansen?“ fragte ich. „Wer soll das sein?“ Ich versuchte mich zu erinnern, ob ich diesen Namen jemals schonmal gehört hatte, aber so sehr ich meinen Kopf auch anstrengte, der fallende Groschen blieb aus. Und davon abgesehen, schien dieser Herr Jansen nicht gerade beliebt gewesen zu sein, denn offensichtlich hatte sich seit Jahren niemand mehr um das Grab gekümmert.
„Naja, du wolltest zu ihm.“ pflichtete Moe mir bei. „Ich hab dir gesagt, daß es dir nicht groß weiterhelfen wird.“
Mit einem Male packte mich die Wut. Seit Tagen war dies das erste, was mir einige Antworten hätte einbringen können, ein Lichtblick in der Hinsicht auf eine Erklärung des ganzen Jammers, und was passierte? Ich stand nur vor einem mir nichtssagenden Grab, in dem ein Mensch lag, von dem ich nie etwas gehört hatte und all meine erhofften Antworten waren mit ihm im Dreck verbuddelt. Ich überlegte kurz, ob ich genug in der Blase hatte, um vor Frust auf den Grabstein zu pinkeln, mußte den Gedanken mangels Flüssigkeit aber wieder verwerfen. Ich stand wieder bei Null. Oder besser gesagt, ich hatte statt einiger Antworten nur weitere Fragen bekommen, die sich mir nicht erschließen wollten. Wie konnte ein einzelner Mann, der schon vor Jahren gestorben war, einen so penetranten Einfluß auf die Welt nehmen und selbst Naturgesetze brechen, die bisher immer als unumstößlich galten?
Ich konnte nicht mehr, ich war fertig mit der Sache.


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...to be continued
 
Hihi, bin mir ziemlich sicher es endgültig durchschaut zu haben. Hatte den Verdacht fast von Anfang an und jetzt ist er eigentlich komplett bestätigt.

Finde die Idee nahezu grandios muss ich sagen. Mehr als klasse und mal ehrlich: Mit Sims-Fotostorys vergeudest du dein Talent. Aber trotzdem gut, dass du uns daran teilhaben lässt, danke ;)

ich würd meine Theorie gerne hier aufschreiben, weill es aber auch nicht 'verraten', immerhin soll ja jeder selbst drauf kommen :D
 
Es ist wie bei Lost - zwei Schritte vor, drei Schritte zurück. Wenigstens glaubt jetzt keiner mehr, dass Moe der Architekt der Matrix ist. Sonst müsste ihre Hose auch weiss sein und sie hätte ihren Sessel nicht verlassen. :)

Die Weste von dem "Monster-Jungen" sieht irgendwie nach dem ledrigen Zeug aus, was die Viecher aus Silent Hill am Leib haben. Ist das Zufall oder Absicht?

Jetzt bleibt natürlich die große Frage - warum hat Moe ein paar Puzzlesteine, aber keine Ahnung vom Gesamtbild?
 
BOOOOOOOOHR ..
Weiter,weiter,weiter!!!

Bitteeee...

Ich hab absolut keine Ahnung von einer Theorie..
Also bitte, bitte, schnell weiter !
Achso, es wäre nett wenn du uns sagen könntest ob der Verdacht von GruenesGift stimmt. Will die Theorie nicht wissen, nur ... ob man die wirklich "leicht" (eher schwer,weil ich absolut keine Ahnung habe) entschlüsseln kann oder ob ich einfach nur zu dumm bin...

Bitte mach schnell weiter und lass uns nicht wieder solange warten.


ps. danke für's benachrichtigen, hab mich sehr gefreut über die PN in meinem Briefkasten .. :-)
 

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